Читать книгу Himmel, Arsch und Hölle! - Elke Bulenda - Страница 4

Die in schönen Dingen eine schöne Bedeutung entdecken, sind die Kultivierten. Für sie besteht Hoffnung.

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(Oscar Wilde)

»Hier!«, meinte Trixie, die in mein abgedunkeltes Schlafzimmer stürmte und mir den riesigen Karton vor die Nase stellte.

»Was is ´n das?«, nuschelte ich aus meiner Bettenburg. Es fröstelte mich immer noch, nur nicht mehr ganz so schlimm.

»Los werde mal wieder wach, du hast lange genug geschlafen, und trink noch etwas Blut! Mann, Alter! Du hast echt deinen Biss verloren!« Die Zwergin stellte ein Tablett auf meinem Schoß ab. So eines, das Bettlägrige bekommen, um damit ihr Frühstück aufnehmen zu können. Trotz ihrer Giftigkeit war Trixie eine echte Perle. Schade, dass sie gerade mal etwas größer als ein Meter ist und einen Bart trägt, ansonsten wäre sie eine ideale Partnerin für mich … Schon lange brachte mir niemand mehr das Frühstück ans Bett. Und sogar eine kleine Vase mit Nelke stand auf dem Tablett! Wie aufmerksam! Leider ließ das Gewächs schon nach kurzer Zeit den Kopf hängen und welkte im Zeitraffer. Eigentlich ist es ganz normal bei mir. Die Milch wird in meiner Gegenwart sauer, Schnittblumen werden vorschnell welk und Spiegel platzen und zerspringen. Ich habe eine grausige Aura. Andere würden es ein schlechtes Karma nennen. Nur wurde ich nicht zum Blumen pflanzen geschaffen, sondern zum effizienten Morden. An dieser Stelle noch einmal ein dickes Dankeschön an meinem Schöpfer: ... Idiot! ...

Traurig betrachtete ich die tote Blume und bekam wieder schwere Depressionen. Nachdem ich mein Blut-Frühstück hinter mich brachte, überfiel mich die Neugier. Trixie lag auf dem Bauch vor meinem Bett, stützte ihren Kopf auf die Hände und ließ abwechselnd die Beine auf und ab wedeln. Sie wirkte wie ein unschuldiges Kind. Deshalb genoss sie bei mir auch so etwas wie einen Welpenschutz. Niemandem sonst hätte ich gestattet, so mit mir zu reden.

»Nun mach es nicht so spannend, ich bin ja selbst neugierig, was du da bekommen hast. Von mir ist auch etwas dabei!«

»Was soll denn das? Wieso bekomme ich Geschenke?«, fragte ich erstaunt.

»Du bist so dumm, wie du lang bist. Überlege doch mal! Da du dich anscheinend weigertest deinen Geburtstag zu feiern, haben wir dir ein Überraschungspaket zusammengestellt! Jetzt spann mich nicht unnötig auf die Folter!«, drängte sie. Auf blauen Dunst griff ich in den Karton und holte ein schweres Päckchen heraus und entblätterte es. Das Paket war von Dracon. Unschlüssig betrachtete ich das große Glas mit Nussnugat und brach in bellendes Gelächter aus, als ich las, was darauf geschrieben stand: »Kacke im Glas, nur echt mit diesem Etikett.« So ein Vollpfosten! Das war typisch für ihn. Er hatte einen echt kranken Humor. Nun angelte ich etwas Weiches aus dem Karton. Es war von Barbiel, Dracon und Blobb zusammen. Was soll ich sagen? Norweger-Pullover mit kopulierenden Rentieren sieht man auch nicht alle Tage! Auf einem anbei gelegten Kärtchen erläuterte Dracon, dass er den Pullover gestrickt habe, und die anderen beiden die Wolle bezahlten. Und da sie wussten, dass ich kratzende Wolle nicht ausstehen kann, ist es wahrscheinlich der erste Norweger-Pullover aus edler Kaschmirwolle. Ein strickender Drachenmann ist ein wahrlich verstörender Anblick, das kann ich euch sagen. Das nächste Päckchen war kleiner und leichter. Auch dieses Präsent entlockte mir ein Kichern. Silent Blobb, selbst ein gummiartiges Wesen, schenkte mir eine kleine Gummititte zum Kneten, die immer wieder zu ihrer ursprünglichen Form zurückfand. So macht das Fingertraining gleich viel mehr Spaß! Selbst Trixie wollte sie mal kneten. Mit dem Ergebnis, dass sie sie nicht mehr losließ. Barbiels Geschenk war natürlich mal wieder ziemlich tuffig. Ich packte eine kleine Schachtel aus, die anscheinend Pillen enthielt. Auf der Verpackung stand: Kleine Dosen des Glücks. Bei genauerer Hinsicht erkannte ich, dass in den Kapseln zusammengerollte Spruchbänder steckten, die Lebensweisheiten über Glück enthielten. Irgendwie schön, nur mein Glück hatte mich verlassen und ob es dann in Pillen-Form wirkte? Ich weiß nicht ...

Nun reichte mir die Zwergin ihr Päckchen. Es fühlte sich wie ein Büchlein an.

Ich ärgerte sie noch eine Runde, indem ich das Päckchen beiseite legte, was sie ganz hibbelig machte.

»Nun mach schon das Scheiß-Paket auf, oder ich stopfe es dir ins Maul!«, keifte sie ungehalten. - Gut, genug geärgert. Nun öffnete ich das Geschenk. Sapperlot! So etwas fehlte mir noch!

»Ein Pass, der mich als alten Sack ausweist? Na, du bist echt charmant!«, bemerkte ich unterirdisch begeistert.

»Jetzt werde mal nicht eitel auf deine alten Tage, klar?«, frotzelte sie zurück.

Des Weiteren öffnete ich noch etliche Geburtstagsbriefe, die witzige Karten enthielten und sogar eine Nachricht meines Sohnes Gungnir, der mich nach Los Angeles einlud. Nur war der Meldetermin abgelaufen, weil ich versumpft war. Mir graute es schon, meine E-Mails durchzulesen. Selbst von meinem kleinen Freund Cedric bekam ich eine Geburtstagskarte, worin er mir stolz erzählte, er sei schon seit unserem letzten Treffen weitere zwei Zentimeter gewachsen. Zudem hatte er noch ein Foto dazugelegt, das ihn mit seiner neuen Familie vor einer atemberaubenden Kulisse zeigte. Selbst unser kleiner Ex-Dämonensuchhund Brutus winkte mit seinem kleinen Pfötchen in die Kamera. Natürlich mit Unterstützung von Cedric. Sie sahen alle sehr glücklich aus. Ja, Alter! So sieht ein echtes Happyend aus.

Ich muss gestehen, ich war ein wenig gerührt, weil alle an meinen Geburtstag dachten. Um ehrlich zu sein: Damals im Mittelalter, wo ich vorher lebte, feierte man keinen Geburtstag. Was damals gefeiert wurde, waren Taufen und Namenstage. Obwohl es mein 1211 Geburtstag war, fand er für mich somit zum ersten Mal statt.

»Ich packe mal deinen guten Pullover in den Schrank, Ernestine guckt schon wieder so gierig«, meinte Trixie und räumte ihn weg. Danach griff sie in die Schublade meiner Kommode, zog eine Socke heraus und warf sie Ernestine zu, die sie wie ein Hund einen Ball, in der Luft auffing und auf der Stelle verspeiste. Mit zufriedenem Gesichtsausdruck nickte die Zwergin.

»Wenn du dich gut genug fühlst, solltest du eine Dusche in Erwägung ziehen, du müffelst nicht gerade nach Rosen«, empfahl sie mir. Vorsichtig setzte ich mich auf, kämpfte gegen Schwindel und Kopfschmerz und warf die Decke beiseite.

»Verdammt! Wo sind meine Klamotten!? Hast du mich ausgezogen?«, fragte ich entgeistert. Im wahrsten Sinne des Wortes zog ich blank.

»Nun stell dich mal nicht so an. Es ist nichts an dir, was ich nicht schon gesehen hätte. Du konntest doch nicht mit deiner Kleidung schlafen und da ich dich nicht mehr wach bekam, habe ich sie dir ausgezogen. Junge, Junge, du schläfst wie ein Toter!«, lachte sie über den gelungenen Witz.

»Ha, ha, ich bin untot, klar?«, knirschte ich und ging ins Bad. Normalerweise wurde ich schon wach, wenn nur eine Mücke hustete. Meinen tiefen Schlaf hatte ich wohl nur dem Raubbau an meinem Körper zu verdanken. Er holt sich eben das zurück, was er braucht. Als ich mich im Badspiegel (dickes Spezialglas) betrachtete, bekam ich einen Schrecken. Unbedingt schön war ich ohnehin nicht zu nennen, aber mit den weißen Haaren sah ich aus wie ein Irrer. Nach der Dusche und Rasur fühlte ich mich ein wenig besser. Nur so wie ich aussah, konnte ich unter keinen Umständen rausgehen. Äh, jetzt nicht nackt, denn ich war inzwischen wieder bekleidet. Jetzt war guter Rat teuer. »Trixie? Du bist doch eine Frau, kannst du mir nicht die Haare färben?«, fragte ich mal vorsichtig an.

»Natürlich bin ich eine Frau! Aber sehe ich vielleicht aus, als hätte ich es nötig mir die Haare zu färben? Alter, ich bin naturblond! Wenn du das nicht glaubst, kann ich dir mal meinen Bären zeigen ...«, bot sie an.

»Nein, das ist nicht nötig, ehrlich nicht, ich glaube es dir ungesehen. Nur so gehe ich nicht raus!«, beharrte ich stur.

»Gut, kein Problem, ich rufe meinen Cousin Luigi Paponi an, er ist ein angesagter Hair Stylist, er weiß, was mit deiner Matte zu tun ist.«

Wenig später klopfte es unten an der Haustür, weil noch immer die Klingel abgestellt war. Als ich sie wieder an stellte und den Summer drückte, kam mir ein Zwerg mit Rüschenhemd und Lacklederhose entgegen. Oh, bei Odin! So ein zuckriges Wesen hatte ich zuvor noch nie gesehen. Es wunderte mich ernsthaft, dass er kein Kleid trug. Der Zwerg hatte ein Frisierköfferchen bei sich und checkte bei jeder Gelegenheit, die sich im bot, in allen spiegelnden Flächen sein Äußeres. Trixie dagegen erwartete ihn schon.

»Moin, Luigi! Komm rein, hier ist der Patient«, grinste die Zwergin.

»Hallo Trixie, du hast Glück, dass heute Montag ist und ich frei habe«, flötete Luigi. Küsschen links und Küsschen rechts. Mit leicht angeekeltem Gesicht verfolgte ich dieses absonderliche Begrüßungsspektakel.

»Ah, ja! Ich habe diesen modischen Unfall schon auf der Treppe gesehen. Du meine Güte! Der Barbaren-Look ist doch so etwas von out!«, schwuchtelte der rosa Friseur. »Na, dann wollen wir mal sehen, was noch zu retten ist ...«

»Hallo? Eins wollen wir doch mal klarstellen: Ich bin weder ein Patient, noch ein modischer Unfall. Mein Name ist Ragnor. Hör zu, Luigi: An meinem Barbaren-Look habe ich nicht das Geringste auszusetzen, weil ich eben auch ein Barbar bin, klar? Hier wird nichts dran geändert, es wir weder etwas abgeschnitten, noch dauergewellt, ebenso verzichte ich auf eine Typberatung. Du sollst mir lediglich das Haar färben, das ist alles!« Sofort fühlte ich mich besser, nachdem ich meinen Standpunkt klar dargelegt hatte.

Enttäuscht blickte mich der kleine Friseur an. »Hm, na ja. Na gut, wenn du nicht das 8. Weltwunder durch meine Friseurkünste erfahren willst, dann eben nicht! Äh, hast du vielleicht einen Tritthocker im Haus?«, sah er mich fragend an.

Mir blieb nichts anderes übrig als mit den Achseln zu zucken. Wozu bräuchte ich einen Tritthocker? Bisher kam ich überall ohne einen dran.

»Warte, ich hole ihn«, entgegnete Trixie und war verschwunden. Wenig später stellte sie einen Klapptritt ab. Diese Zwergin kannte sich besser im Gebäude aus als ich.

Was dann passierte, ist mit Worten nicht auszudrücken. Zuerst einmal mussten wir meine Dreadlocks entfriemeln, das ging nur durch den Einsatz von Unmengen eines Conditioners. Die Haarfarbe stank wie die Hölle und diese ganze Prozedur dauerte eine halbe Ewigkeit, die ich damit verbringen musste, einfach nicht weg hören zu können, was sich Trixie und Luigi an Frauenthemen zu erzählen hatten. Wenigstens machten sie einen ordentlichen Kaffee. Nachdem der Kurzzeitmesser (Lüge! So kurz kam es mir nicht vor!) freudig piepte, schritten wir zur Tat und spülten diese stinkende Masse von meinem Kopf. Immerhin hatten sich diese Mühen gelohnt und ich sah wieder aus wie … na dunkelrot eben. Nur wieso mein Haar zuvor so plötzlich ergraut war, dieser Umstand schien mir noch immer ein Rätsel. Aber es kursieren immer wieder Gerüchte, dass Schockopfer über Nacht schlohweiß wurden. Bisher hielt ich so etwas immer für ein Ammenmärchen. Aber ich denke, es ist ein Zeichen meiner seelischen Krise. Und damit kamen wir zum zweiten Punkt. Natürlich wäre ich schon längst zu Dr. Dr. Gütiger gegangen. Nur hatte dieser eine neue Assistentin. Und diese Assistentin war ausgerechnet Molly Flannigan. Molly und ich hatten mal etwas miteinander. An und für sich ist sie eine sehr hübsche, ansprechende Person, nur drängt sie mich ständig dazu, dass ich sie in eine Vampirin wandeln sollte. Trotz ihres leckeren Äußeren, ist sie eine respektlose, rotzfreche Gothic-Göre, mit Hang zur Dunkelheit, aber das ist ja quasi die Grundvoraussetzung dieser Gothic-Szene. In Paris stritten wir uns wieder wüst, weil ich vorgab sie zu wandeln, es aber dann doch nicht tat. Das Mädchen sollte erst mal leben, bevor sie untot werden wollte. Obendrein schmeckte ihr Blut so komisch. So beschloss ich, da ich ein Auge auf Amanda geworfen habe, dass ich einen großen Bogen um Molly machen musste, weil wir ansonsten wieder zusammen im Bett landen würden. Wir konnten einfach nicht die Hände voneinander lassen. Das wären in meinen Augen unfair Amanda gegenüber. Obwohl das mit Amanda reines Wunschdenken ist. Aus diesem Grund hatte ich auch die Klingel abgestellt. Damit Molly nicht Sturm klingelte, falls sie wieder ihrer Überredungskünste bei mir anwenden wollte. Ob sie mir noch hinterher stalkte oder nicht, das kann ich jetzt nicht sagen. Und falls sie demnächst doch aufschlagen sollte, und sich gewaltsam Eintritt verschafft, kann ich zur Not immer noch aus dem Balkon springen und das Weite suchen. Klingt vielleicht ein wenig krass, doch Molly führt auch virtuos den Baseball- und den Golfschläger, da wäre es möglich, dass sie zwischenzeitig in der Volkshochschule einen Kurs im Einbrechen belegt haben könnte. Aber wer mein Haus betreten will, muss schon ziemlich starke Nerven haben. Mal von den vielen, drohenden Warnschildern abgesehen, die besagen, dass höchste Lebensgefahr herrscht, habe ich daneben noch noch eine Mülltonne gestellt, worin der Besucher seine hohen Erwartungen und Hoffnungen ablegen kann. Davon mal abgesehen, habe ich noch für ungebetene Gäste ein paar Gadgets installiert.

… Hey, ich bin nicht paranoid, aber in Paris habe ich mich mit Zaphiel angelegt, dem Vorgesetzten von Barbiel. Also, eigentlich dem ehemaligen Vorgesetzten, denn Barbiel ist rehabilitiert worden. Ach, damit ihr wisst, wovon ich überhaupt rede: Barbiel war ein gefallener Engel, der eigentlich für Satan arbeitete. Doch er floh und kam zu uns in die Organisation, um sein Sündenregister abzuarbeiten. In L.A. rettete er die Menschheit vor dem Untergang und wurde von seinem Gott Jahwe rehabilitiert, was ohnehin ein absolutes Novum ist, denn nie zuvor nahm sein Gott einen Gefallenen wieder bei sich auf. Leider ist das kein Happyend, denn Satan schätzt es zwar, wenn jemand von Gott abfällt, er selbst duldet aber keinen Abtrünnigen in seinen Reihen. Deshalb schickte er Zaphiel, damit er Barbiel zurück in die Hölle bringen sollte, wo ihn schlimme Strafen erwarteten. Unser Barbiel ist zwar eine nervige Zicke, doch gab ich ihm mein Wort, ihn zu beschützen. Also machte ich aus Zaphiel Monty-Python-mäßig einen Sitzsack, indem ich ihm alles abhackte und zurück in die Hölle schickte. Er zeterte, dass ich jetzt auch mit in dieser Sache hängen würde, und dass er wiederkäme, um seinen Plan zu vollenden. Seltsamerweise hat er sich bisher nicht wieder blicken lassen. Offensichtlich sucht er noch immer seine verdammte Nase, die ich ihm abschlug und vernichtete, was eher zufällig geschah, weil sie unter meinem Schuh klebte, während der Rest von Zaphiels Körper den direkten Express zur Hölle nahm. Und wenn er nicht gestorben ist, dann sucht er sie noch heute. Pech für ihn ...

Da meine innere Uhr wieder funktionierte, fand ich es an der Zeit, meinen Termin beim Ferdi wahrzunehmen. Unhöflich wollte ich zu dem hilfsbereiten Friseur nicht sein, darum gab ich Trixie meine Geldbörse, damit sie Luigi bezahlen konnte. Doch der lehnte strikt und auch ein wenig pikiert ab.

»Nein, Zwerge bezahlen sich untereinander doch nicht! Sie schulden sich einen Gefallen. Du kannst bei meiner nächsten Frisuren-Show als Langhaarmodel für mich auftreten. Schönes, langes Haar hast du ja«, meinte er darauf.

»Okay, solange du mir keine Brautfrisur steckst, geht das in Ordnung«, kamen wir auf einen Nenner. Wir verabschiedeten uns und Trixie begleitete ihn zur Tür. Als ich aus dem Fenster sah, raste Luigi Paponi mit einem Porsche 911 Carrera davon. Hm, das Haare schnippeln schien ein lohnendes Business zu sein. Wenig später kam die Zwergin zurück und meinte:

»So, fahren wir ins Hauptquartier, ich habe versprochen, dich hinzubringen.«

»Wie fahren?«, fragte ich erstaunt. »Bist du mit deinem Wagen hier? Hast du überhaupt ein eigenes Auto?«

Sie machte ein mürrisches Gesicht. »Natürlich habe ich einen Wagen, nur kurvt einer meiner Söhne gerade damit herum. Er holt jemanden vom Bahnhof ab. Du würdest ohnehin nicht dort hinein passen. Sag bloß nicht, dass du dir immer noch kein Auto angeschafft hast! Die ganze Zeit redetest du davon! Das sind mir die Richtigen, erst tönen: ›Was kostete die Welt?‹ - und dann ne´ kleine Cola nehmen! Dann gehen wir eben zu Fuß!«, nölte sie schmollend.

»Hey, ich bin noch nicht dazu gekommen, außerdem kann ich mich einfach nicht entscheiden. Die Auswahl ist echt riesig. Jetzt schmoll mal nicht rum, wenn dir der Weg zu weit ist, dann trage ich dich halt«, bot ich ihr an. Sie grinste wie ein Honigkuchenpferd. »Fein, aber ich sage, wo es lang geht!«

Tja, was soll ich sagen? Die Zwergin nutzte es voll aus, mich als Reittier zu missbrauchen. Als sie auf meinen Schultern Platz nahm, griff sie sich zwei meiner Zöpfe und gab mir mächtig die Sporen. Zum Glück waren außer den Enten und dem räudigen Kater keine Zuschauer da, als ich schnaufend am See vorbeilief. Im Hauptquartier angekommen, musste ich mich erst mal ein wenig hinsetzen und wieder zu Kräften kommen. Frauen können ja so anstrengend sein!

»Herrgott, Ragnor, du keuchst wie eine alte Oma! Ich kann dir nur dringend raten, etwas für deine Kondition zu tun! Geh morgens joggen, das hält fit!«, riet sie mir. Sehr witzig, sie war schließlich keinen einzigen Schritt gelaufen.

Noch immer ganz erhitzt von ihrem rasanten Ritt, schob sie mich energisch vor sich her, was mir das Gefühl gab, ein sturer Esel zu sein. Doch Widerstand war zwecklos, jedenfalls bei Trixie. Sie hat eine Horde Söhne, bei denen sie über die absolute Befehlsgewalt verfügt. Da halfen auch keine Ausreden, z. B. dass ich müde sei u.s.w. Wenig später parkte sie mich vor der Tür des guten Dr. Dr. Ferdinand Gütiger ab, seines Zeichens Parapsychologe und psychologischer Gesprächstherapeut. Zuvor hatten der Doc und ich schon ganz gute Fortschritte gemacht, vor allem, was meine Mordgelüste und Aggressionen betraf. Auch bei der Trauerarbeit und Vergangenheitsbewältigung leistete er mir gute Dienste. Doch diesmal sträubte sich alles in mir, das Vorzimmer und seine Praxis zu betreten. Nachdem Trixie die Vorhut bildete und mich herein winkte, überzeugte ich mich lieber persönlich von der Entwarnung. Keine Molly saß an der Rezeption, der Platz war verwaist. Nur ein Schild auf dem stand: »Komme gleich wieder«, füllte die gähnende Leere. Diese Gelegenheit nutzend, flitzte ich direkt zu Gütigers Tür und klopfte. Eine wohltönende Stimme forderte mich zum Eintreten auf. Puh, der erste Schritt zur geistigen Genesung war getan...

Himmel, Arsch und Hölle!

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