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Kapitel 5

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Donnerstag, der 04. August

„Vielleicht solltest du ein klein bisschen abnehmen, nur eine kleines bisschen.” Seine Frau lächelte ihm spöttisch über den Küchentisch zu. Ihr Gesicht wirkte locker und entspannt, fast wie bei einem jungen Mädchen dachte er. Hans Schieferstein schluckte seinen aufkommenden Ärger herunter und lächelte zurück. „Ja, du hast recht.”, sagte er. „Bei dieser Hitze ist es wirklich angenehmer wenn man keine überflüssigen Kilos mit sich rumschleppt.” Den ganzen Morgen hatte er überlegt, wie er ihr es sagen sollte. Sogar frische Brötchen hatte er in der Früh geholt, um alles schön her zu richten und um sie noch etwas hinaus zu zögern. Die Nachricht, die sie wahrscheinlich, mit größter Sicherheit sogar, umhauen würde.

Er hatte Angst, dass sie vor Sorge durchdrehen würde, nur deswegen hatte er ihr noch nichts gesagt. Aber lange konnte man es nicht mehr vor ihr geheim halten, alle Lokalsender berichteten bereits darüber.

„Entschuldige.” Jetzt bildeten sich kleine Sorgenfältchen auf ihrer Stirn. „Ich wollte dich nicht beleidigen, wirklich nicht.” Sie griff über den Tisch und berührte seine Hand.

„Schon gut, das hast du nicht.” Sein Gewicht hatte ihr nie etwas ausgemacht, wieso jetzt? Er erwischte sich erneut bei diesem Gedanken und er merkte, dass es ihn störte. Er war schließlich nie schlank gewesen.

„Ich muss dir etwas sagen, Marianne!”

„Später! Lass uns zuerst die Tatsache ausnutzen, dass es noch nicht ganz so heiß ist. Wir können noch eine Weile im Garten arbeiten.” Jetzt klang sie wieder fröhlich, fast euphorisch.

Er schüttelte den Kopf. „Nein, glaub mir. Ich war eben draußen. Es ist bereits unglaublich schwül und es weht nicht der Hauch von einem Windchen.”

Sie lachte. „Ach, das macht doch nichts!”

„Ich muss dir etwas sagen!”, wiederholte er.

„Was ist denn los mit dir heute Morgen?” Sie sah ihn fragend an und schob sich ein großes Stück Brötchen in den Mund. Die Erdbeermarmelade, die sie zu dick aufgetragen hatte, tropfte auf ihr Frühstücksbrettchen. „Du bist schon die ganze Zeit so komisch.”, sagte sie mit halbvollem Mund.

Er wartete, bis sie den Bissen heruntergeschluckt hatte. Dann räusperte er sich. „Es geht um Frau Bahran, Marianne!” Seine Stimme war so leise, dass sie Mühe hatte, ihn zu verstehen.

„Was sagst du? Frau Bahran? Du irrst, ich habe diese Woche keinen Termin bei ihr. Erst in zwei Wochen wieder. Du siehst doch, wie gut es mir geht!” Wie zu Bestätigung reckte sie ihren Oberkörper nach oben, um zu demonstrieren, wie leicht es ihr viel, sich ohne Schmerzen gerade hinzusetzten.

„Ja, ich weiß, Liebling, aber ich…!”

„Also, gehen wir jetzt raus?”

„Nein, hör mal. Es ist schwierig. Das was ich dir jetzt sagen muss, meine ich.”

„Hans, ich kann es nicht ausstehen, wenn du mich so auf die Folter spannst. das weißt du!” Ihr Blick wurde ungeduldig und ihre Augen funkelten.

Wie nur, wie die richtigen Worte finden. „Madame Bahran ist etwas zugestoßen.”

„Was meinst du damit, ihr ist etwas zugestoßen?”, fragte sie, so als wäre diese Tatsache völlig undenkbar, als wäre diese Frau unverwundbar und natürlich unsterblich.

So als könnte alles in der Welt passieren, wirklich alles. Nur das eben nicht.

„Frau Bahran ist … Sie lebt nicht mehr, Schatz.”

Ihre Augenlider zuckten und sie sackte augenblicklich zusammen, so als würden die Schmerzen in dieser Sekunde wieder kommen. In dieser schrecklichen Sekunde, in der sie es gehört hatte.

„Was, was?”, stammelte sie.

Tot. Hatte sie richtig gehört.

Madame Bahran ist tot. Marianne Schieferstein schluchzte laut auf und Hans sprang vom Küchentisch auf, um möglichst nahe bei ihr zu sein, wie er es immer tat, wenn sie verzweifelt war und ihre Schmerzen so übermächtig wurden. Er streichelte ihren zusammen gekrümmten Rücken und ließ sie weinen.

„Sie kann doch nicht sterben.” Seine Frau sah ihn mit verschwommenen Augen an. „Sie kann doch nicht einfach sterben, Hans. Wir alle brauchen sie doch so sehr.” Ihr ganzer Körper bebte.

Er nickte mitfühlend und schlang seine Arme um sie. Zwei Tage hatte er Angst gehabt vor diesem Moment. Zwei Tage, in denen er alles versucht hatte, seine Frau davon abzuhalten, Fernsehen zu schauen oder Radio zu hören.

„War sie denn selber krank? Und wir alle haben es nicht gewusst!”, weinte Marianne. „Stell dir das doch vor, Hans. Diese Frau hilft anderen Menschen, dabei ist sie selber schwer krank!”

Er streichelte ihre Haare und blickte gequält zur Seite.

„Sie war nicht krank, Liebling. Jemand anderes hat entschieden, dass sie sterben soll!” Er grübelte. Es würde nichts bringen, wenn er sich dermaßen umständlich ausdrückte, dachte er.

Aber seine Frau hatte ihn sofort verstanden.

Mit vor Schreck erstarrtem Gesicht sah sie ihn an. „Jemand hat sie umgebracht?” Sie zerrte verzweifelt an seinem Oberhemd. Ein Knopf löste sich und viel auf den Boden. „Jemand hat sie umgebracht?”, schrie sie.

Hans Schieferstein nickte stumm.

Er konnte nicht mehr weiter sprechen, so sehr musste auch er jetzt mit ihr weinen.

Der Fall Bahran

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