Читать книгу Now and then - Ella C. Schenk - Страница 6

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Ich erkenne kaum noch Farben, die Konturen werden zu einem Meer aus tanzenden Schatten. Und je weniger ich sehe, desto fester wird der Griff um das Papier.

Es gibt noch so viel zu sagen.

So viele Gedanken, die niedergeschrieben werden wollen.

Ein Wort, ein Satz, eine Geschichte.

Anfang und Ende.

Dazwischen ein Leben, von dem ich träume.

In dem ich existiere.

Joey

Ein Jahr zuvor

»Wieso habe ich dem hier nochmal zugestimmt?« Quentin starrte skeptisch an die Wand der Arztpraxis, an der sich zahlreiche Babyfotos aneinanderreihten. »Willst du mir irgendetwas sagen, Liv?«

Ich schüttelte nur den Kopf, wich seinem fragenden Blick aus.

Zwei Wochen waren vergangen, seitdem mir diese Jungmutter in Berlin diesen unglaublichen Schreck eingejagt hatte. Zwei Wochen, in denen ich mich nicht traute, einen Schwangerschaftstest zu machen, obwohl meine Tage ausblieben, und ich erneut kleine Zwischenblutungen hatte.

Die Angst war in der ersten Woche so präsent gewesen, dass sich mein zuvor ständiger Appetit ins Gegenteil gewandelt hatte. Ganz zu schweigen von dieser ständigen Übelkeit! Alles Anzeichen, die ich verdrängte.

Aber vielleicht bildete ich mir vieles nur ein? Womöglich bescherte mir diese Furcht und Ungewissheit Wahnvorstellungen? Oh Gott, wie ich das verdammt nochmal hoffte.

Die zweite Woche war leichter, da Weihnachten und die Feiertage mich abgelenkt hatten. Ich begann wieder ein wenig zu essen, und schickte meine Befürchtungen jeden Tag ein klein wenig mehr zum Teufel.

Vor allem auch, da es Mum immer besser ging. Ihre Stimmung war stabil, schwankte kaum, die Melancholie war wie vertrieben. Sie konnte Rosa während der wenig geöffneten Tage in der Kanzlei sogar als zweite Empfangsdame unterstützend zur Seite stehen. Darüber hinaus gingen wir gemeinsam mit Aurelia und Tina mehrmals Eislaufen.

Ich konnte dieses Babythema somit größtenteils beiseiteschieben.

So lange, bis wir einen Shoppingtag einlegten, und wir die Schwangerschaftsabteilung in der Mall kreuzten. Die süßen Strampler, das Spielzeug und die vielen Babyfläschchen bescherten mir beinahe einen Nervenzusammenbruch. Das war der Augenblick, in dem ich meine Frauenärztin anrief und panisch einen Termin verlangte. Verdrängung war nun einmal nicht die Lösung. Das musste ich einsehen.

Und besagter Termin war heute. Ein Tag vor Silvester.

Vierundzwanzig Stunden, bevor Remy für eine Woche nach Hause kam.

»Hallo?« Q schnippte mit seinen Fingern ein paar Mal vor meinem Gesicht hin und her. »Erde an Liv?«

»Was? Was ist, Quentin?«

Ich wusste, dass ihn nicht die geringste Schuld an meinem Gefühlschaos traf, dennoch antwortete ich bissiger, als es sich gehörte.

»Junge Dame!«, echauffierte er sich. »Schalt mal einen Gang runter. Ich bin schließlich derjenige, der allen Grund hat, pikiert zu sein, findest du nicht? Ich wurde ohne weitere Infos zum Frauenarzt mitgeschleppt. Und ganz ehrlich? So richtig wohl fühle ich mich hier nicht.« Er zog seine rechte Augenbraue in die Höhe, als ich ihn erbost ansah.

»Dann geh doch einfach wieder.«

Bockig verschränkte ich die Arme vor meinem Oberkörper, krallte die Finger in meinen weinroten Hoody, der ein wenig zu groß war.

»Weißt du was? Du sagst mir jetzt sofort, von wem du gedenkst, schwanger zu sein, okay? Seit dem letzten Berlin-Besuch bist du wie ausgewechselt und das nicht im positiven Sinne. Du schleppst mich mit hierher, daher willst du es mir auch sagen, also: Hopp hopp!« Q klatschte schnell und laut in die Hände.

Gott, was machte der immer so ein Drama?

Ich schob meine Unterlippe vor und musterte den kleinen hellen Raum. Einzig ein junges Mädchen saß noch mit uns im Wartezimmer, doch diese beachtete uns nicht, sondern nur ihr Smartphone. Zwei Palmen standen zwischen uns, verhüllten uns ein wenig von ihr.

»Ich bin nicht schwanger. Und könntest du ein bisschen leiser sein?«, zischte ich.

»Ach nein? Und nochmal: nein!«

»Ich. Bin. Nicht. Schwanger«, fauchte ich und versuchte, meine Atmung unter Kontrolle zu bringen, die gerade auf dem besten Weg war, auszusetzen.

»Dann nimmst du mich jetzt also zu jedem deiner jährlichen Abstriche mit? Gut zu wissen«, antwortete er augenrollend.

Ich holte schon Luft, um zu einer patzigen Antwort anzusetzen, als meine Gefühle mir einen Strich durch die Rechnung machten. Mein Hals wurde enger, in meiner Brust stolperte dieses blöde Herz wie ein schwerer Brocken. Tränen liefen mir so plötzlich über die Wangen, dass ich nicht einmal den Hauch einer Chance hatte, sie zurückzuhalten. Scheiße, verdammt.

»Hey«, hauchte Quentin und rückte gleichzeitig ein wenig näher, sodass unsere Oberschenkel sich berührten. »Remy ist der Vater, stimmt´s?« Ich zuckte nur kurz mit den Achseln, während ich den Boden anvisierte. »Liv, er liebt dich doch abgöttisch. Es wird alles gut.« Er strich mir über meine braunen Locken. Doch die vermeintlich beruhigende Geste schlug fehl. Ich wurde nur noch nervöser. »Er liebte dich doch schon, als du und Jon noch ein Paar wart.«

»Was weißt du über mich und Jon?«

Ich fuhr mir mit der rechten Hand über meine nassen Augen und drehte mich keuchend zu ihm. Die aufkommende Unsicherheit ließ mich mehrfach erschaudern.

Q schmunzelte leicht. »Süße, wir alle haben Augen im Kopf.« Er strich sich einen Moment mit dem Daumen und Zeigefinger über sein Spitzenbärtchen am Kinn und runzelte anschließend die Stirn. »Naja, alle bis auf Eliza. Die hat nur Augen für ihre blonde Mähne, ihre Gucci-Taschen und ihr Make-up. So übersieht sie wie immer das, was um sie herum geschieht.«

Ich starrte ihn weiterhin nur fassungslos an, während ich versuchte, den Schreck unter Kontrolle zu halten, der eine Übelkeit entstehen ließ, die ich so gar nicht gebrauchen konnte. Ich schluckte dagegen an.

»Liv, es war offensichtlich, dass du und Jon euch geliebt habt. Wir haben wegen Harrold nichts gesagt. Deswegen habt ihr doch auch versucht, es geheim zu halten, oder? Weil er ein kontrollierender Tyrann ist?«

Während ich nickte, biss ich mir auf die Unterlippe, da ich mich seltsam ertappt fühlte.

»Keine Sorge, es ist dir keiner böse. Wieso auch? Es ist dein Leben, dein Herz.« Nun strich Q mir über die Wange, verteilte das salzige Nass auf ihr.

»Und dass du mit Remy zusammen bist … Ich denke, bis auf Mike und mir vermutet dies niemand. Und ich glaube auch, dass es gut so ist. So wie ich Remy kenne, wird er einen Berg von Schuldgefühlen abarbeiten müssen, ehe er mit Jon reden wird, um ihm alles zu erklären. Er macht sich sein Leben oft selbst sehr schwer. Jon würde euch bestimmt nur das Beste wünschen.«

Ich nickte, dann sank ich stöhnend in mich zusammen. Ich wollte jetzt einfach nicht mehr über Jon sprechen. Seit zwei Jahren hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Und über Remy wollte ich auch nicht reden. Alles, was ich fürs Erste wollte, war Gewissheit, was mit mir los war.

»Wir schaffen das, Olivia. Du bist nicht alleine. Vergiss das nicht.«

Ich legte meinen Kopf auf Quentins Schulter und versuchte, tiefer denn je zu atmen, um meine Übelkeit in den Griff zu bekommen, die einfach nicht besser wurde.

»Danke, Q«, nuschelte ich in seine Halsmulde.

»Kein Ding, Süße.«

Er legte seine Hand auf mein Knie und begann beruhigende Kreise auf dieses zu malen.

Doch der vertraute Moment zwischen uns wurde gestört, als das Smartphone des jungen Mädchens anfing, den neuen Song von Justin Timberlake zu trällern. Sie nahm erst nach einer gefühlten ewigen, lauten Minute ab, und flüsterte ein »Komm hoch, ich warte noch« in ihr Handy. Uns würdigte sie weiterhin keines Blickes, obwohl sie unser Gespräch mit angehört haben musste.

Wen immer sie erwartete, man hörte diese Person bereits von Weitem.

Glack, glack, glack.

Die Absätze der Stöckelschuhe mussten mindestens zehn Zentimeter messen.

Glack, glack, glack.

Bald würde diese Person hereinstolzieren.

Die Klinke der Eingangstür wurde gerade hinabgedrückt, als meine Frauenärztin in den Warteraum kam und meinen Namen sagte. Mit wackeligen Beinen stand ich auf und ging in ihre Richtung. Q folgte mir.

»Olivia Jefferson?! Habe ich mich also doch nicht verhört!«

In mir zog sich alles zusammen vor Schreck. Diese quietschvergnügte Stimme gehörte definitiv nicht zu der Ärztin. Sie gehörte einer Person, die mein Blut zu Eis erstarren ließ. Q fluchte leise hinter mir.

»Hey! Ich bin es. Warte!«

Ich spürte ihre bohrenden Blicke in meinem Rücken und mir brach der Schweiß aus.

Bitte, bitte nicht sie.

Sofort kamen mir wieder Bilder von diesem einem grauenhaften Halloween-Abend in den Sinn, wo sie blutend auf dem Boden kauerte, da Remy …

Ich kniff die Augen zusammen, um diese Erinnerung zu vertreiben, aber es gelang mir nicht.

Meine sowieso schon vorhandene Nervosität schlug nun mit einem noch schwereren Gewicht auf meinen Magen, und ich spürte, wie sich eine ätzende Schärfe in meinem Mund sammelte.

So schnell wie möglich wandte ich mich um und lief an Quentin vorbei Richtung Toilette. Doch da hatte ich die Rechnung ohne diesen Albtraum auf zwei Beinen gemacht.

Cameron stellte sich mir mitten in den Weg, und hielt mich doch tatsächlich an den Schultern fest. Ein Geruch von Puderzucker umgab sie, kroch mir in die Nase und ich würgte.

»Liv, Liv, Liv. Du siehst nicht gerade …«

Sie konnte ihren Satz nicht beenden, da ich ihr auf die schwarzen Modestiefel kotzte und sie schreiend zur Seite wich.

Now and then

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