Читать книгу Was die Spatzen im Zoo von den Dächern pfeifen - Ellen Driechciarz - Страница 10

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Ein Nest voll junger Spatzen

Es ist der Morgen eines außergewöhnlichen Tages. Der Regen hat aufgehört und nach einem wunderschönen Sonnenaufgang lassen die Wolken nun endlich der Sonne den Vortritt am Himmel. Anton ist längst draußen unterwegs und genießt das schöne Wetter.

Aber was ist das? Deutlich spürt Elise in den Eiern ein kräftiges Zappeln und sie kann schwaches Piepsen hören. Ihr Herz macht einen kleinen Satz. Die Jungen wollen sich aus dem Ei befreien! Aufgeregt wartet Elise auf die Rückkehr von Anton, um ihm stolz die gute Nachricht zu verkünden. Während sie wartet, nimmt sie mit leisem Zwitschern Kontakt zu den Schlüpflingen auf und diese antworten ihr prompt. „Anton, es ist so weit!“, ruft sie ihm bei seiner Ankunft entgegen und widmet sich rasch wieder den wackelnden Eiern.

Anton bleibt etwas länger am Nest, um Elise hilfreich zur Seite zu stehen. Angespornt von der Spatzenmutter, öffnen die Spatzenküken mit einem kleinen Eizahn auf ihrem Oberschnabel geschickt die Eischale und sprengen mit kräftigen Bewegungen letztlich die Hülle. Nach und nach schlüpfen im Nest vier gesunde Spätzchen aus den Eiern. Sofort nimmt Elise die Sprösslinge unter ihre Fittiche, denn junge Sperlinge sind erst einmal nackt und frieren schnell ohne Wärmequelle. Bis ihnen ausreichend Federn gewachsen sind, müssen sie von den Spatzeneltern gewärmt werden. Aber schon wollen die Spatzenküken mehr. Sie sperren munter ihre gelb umrahmten Schnäbelchen auf und verlangen nachdrücklich Futter. Von nun an werden die Eltern keine ruhige Minute mehr haben.

Das Geschehen im Nest hat Anton vom Rand aus neugierig verfolgt. Und nun sind die aufgerissenen Schnäbel der Startschuss für ihn, eilends Futter herbeizuschaffen. Elise wirft ihm ebenfalls einen auffordernden Blick zu und Anton macht sich mit einem kurzen Winken der Flügel auf den Weg.

Erwachsene Spatzen ernähren sich vorwiegend vegetarisch von Getreidekörnern und Sämereien. Die Jungvögel jedoch sind auf Gedeih und Verderb auf tierische Kost wie Ameisen, Blattläuse und Raupen angewiesen. Und nun ist Anton auf unermüdlicher Jagd danach, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.

Mit viel Schwung landet Anton auf dem Nestrand und schon recken sich ihm die weit aufgesperrten Rachen seiner Kinder entgegen. Aber auch andere Vogeljunge reißen bei jeder Erschütterung des Nests instinktiv den Schnabel auf und dieser Anblick veranlasst Vogeleltern, dort tüchtig Futter hineinzustopfen. Alle Sperlingsvögel verhalten sich so. Es ist allerorts ein naturgemäßes Zusammenspiel, um das Überleben zu sichern.

Anton hat aus der reichhaltig bestückten Speisekammer in der Nähe für jedes Spätzchen etwas mitgebracht. Das Futter verteilt er nun geschickt, aber auch gerecht an die bettelnde Schar. Nachdem alle Rachen gestopft sind, schwirrt er wieder davon und ist bald darauf erneut mit gefülltem Schnabel zurück. Der ist diesmal sogar so voll, dass ihm die begehrten Futterbissen rechts und links heraushängen. Anton sieht aus, als ob er neuerdings einen Bart trüge, und Elise muss kichern. Dann schenkt sie ihm einen zärtlichen Blick.

Nachdem Anton den Weg zur Futterquelle noch etliche Male zurückgelegt hat, löst er Elise im Nest ab, die nun an seiner Stelle die Futtersuche übernimmt. Arbeitsteilung während der Jungenaufzucht ist bei Haussperlingen üblich und so halten es auch die beiden. Bis zum Abend wechseln sich die Partner immer wieder ab, doch schließlich ist es geschafft. Satt und zufrieden sind die drallen Spätzchen eingeschlafen und Elise nimmt sie schützend unter ihre Flügel. Die Sperlingskinder zwitschern wohlig im Schlaf, denn unter Mamas Federdecke schläft es sich so richtig gut. Daraufhin sinkt auch Anton dankbar ins Nest und kuschelt sich behaglich an.

Genauso wie die Haussperlinge legt sich auch der Tag zur Ruhe und die sanfte Dämmerung verspricht eine ruhige Nacht. Schnell schlafen Anton und Elise ein, denn Erholung ist jetzt wichtig.

Der nächste Morgen weckt die Spatzenfamilie wieder mit schönstem Sonnenschein. Eifrig beginnt Anton sein Tagwerk mit der Nahrungsbeschaffung und Elise kümmert sich um die Aufgaben am Nest. Es wird stets sauber gehalten und auch immer wieder mit frischen Halmen oder neuen Federchen ausgebessert. Jedoch bleibt nun für eine bunte Feder als Nestschmuck keine Zeit mehr. Immerhin erweist sich die ergiebige Futterquelle in der Nachbarschaft als verlässlicher Helfer bei der anstrengenden Jungenaufzucht. Und nach einiger Zeit werden die Eltern auch von den Jungen unterstützt, denn sie sorgen selbst für Sauberkeit, indem sie ihren Kot über den Nestrand nach draußen fallen lassen.

Dann wird das Wetter schlagartig unbeständig. Im Freien hat sich ein böiger Wind erhoben, der unermüdlich dunkle Wolken zusammentreibt, nur um sie ein wenig später wieder auseinanderzujagen. Dabei wechseln sich in schneller Folge kurze, kräftige Regenschauer mit leuchtendem Sonnenschein ab. Nachts ist es wieder ziemlich kalt, wohingegen die Temperaturen am Tag schon in angenehme Bereiche klettern. Alles in allem finden zurzeit merkwürdige Wetterkapriolen statt. Aber darüber wundern sich Anton und Elise nicht. Sie wissen, das ist der April und der macht nun einmal, was er will. Auch die anderen Mitglieder der Spatzenkolonie schenken dem Wetter keinerlei Beachtung, weil überall der Nachwuchs nach der Fürsorge der Eltern schreit.

Derweil hat die große Birke vor den Spatzennestern fast unbemerkt ihr Gesicht verändert, denn hellgrüne, zarte Birkenblätter haben die frische Frühlingsluft erobert. Es sind die ersten, wie mit einem Pinsel aufgetragenen Farbtupfer vor der grauen Häuserfassade. Dagegen hat die Natur ringsum längst im Sturmtempo grüne Gewänder verteilt. Viele Bäume und Sträucher blühen üppig und verströmen einen betörenden Duft. Und auf einmal sind noch andere Stimmen da. Unauffällig, doch zur rechten Zeit sind die Zugvögel in den Zoo zurückgekehrt und unterhalten mit wunderschönen Gesängen die ganze Nachbarschaft. Einige inspizieren auch den Ziegenstall, um hier vielleicht noch einen Platz zum Brüten zu finden. Sie sind ebenfalls Hausbewohner und so manches Vogelpärchen zieht mit in das Stallgebäude ein. Andere dagegen bauen kunstvolle Nester in Sträuchern, Hecken oder Bäumen.

Aus allen Winkeln erklingt ein fröhliches Tirilieren, genauso lebhaft, wie es die Farben des Frühlings sind.

Was die Spatzen im Zoo von den Dächern pfeifen

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