Читать книгу Was die Spatzen im Zoo von den Dächern pfeifen - Ellen Driechciarz - Страница 11

Оглавление

*

Muntere Kinderstube unter dem Dach

Die vier Sperlingskinder haben sich prächtig entwickelt. Sie blicken längst mit wachen Augen um sich und die ersten richtigen Federn sprießen. Damit werden die wärmenden Körper der Eltern mehr und mehr entbehrlich und Anton und Elise können gemeinsam zu den Futtergründen aufbrechen. Das ist auch notwendig, denn mit der Größe hat der Appetit der jungen Haussperlinge zugenommen. Jeden Abend, nach einem anstrengenden Arbeitstag, sind Elise und Anton froh, wenn die kleinen Nimmersatte zur Ruhe kommen. Dann schlüpfen sie erleichtert mit ins Nest und leise zwitschernd kuscheln sich alle aneinander.

Dieses Mal sind drei Mädchen und ein Junge geschlüpft, die mit jedem Tag aktiver werden. Heiner ist ein frecher und vorwitziger Spatz. Er besetzt im Nest gern den Eingangsbereich, damit er seine Eltern und die mitgebrachten Insekten als Erster in Empfang nehmen kann. Aber da hat er die Rechnung ohne die Mädchen gemacht. Lisa, Moni und Tine sind genauso selbstbewusst, sodass bei der Futterübergabe stets großes Gerangel entsteht. Doch beherzt ordnen Elise und Anton das Durcheinander und schließlich schlucken die Kleinen artig die ihnen zugeteilten Portionen.

Neben der Mühsal der Futterbeschaffung hält der muntere Nachwuchs die Eltern auch noch anderweitig auf Trab. Die jungen Haussperlinge wollen nämlich unablässig ergründen, was um sie herum passiert. Aber auch dafür haben die Spatzeneltern ein erprobtes Rezept. Jetzt erzählen sie jeden Tag vor dem Einschlafen kleine Geschichten von ihrer Heimat, dem Zoo, und von seinen Bewohnern. Es gibt da nämlich viele fremdartige und wilde Geschöpfe, die entweder groß oder klein, behaart, befiedert oder sogar nackt sind. In jedem Fall sind alle Tiere, die den Zoo bevölkern, sehr interessant und sorgen für unerschöpflichen Erzählstoff. Mit ihren Geschichten können Anton und Elise die neugierigen Spätzchen wunderbar beschäftigen. Aber nicht nur das. Zugleich werden die jungen Vögel, ohne dass sie es merken, auf die Zukunft vorbereitet.

Voller Staunen hängen die Spatzenkinder an den Schnäbeln der Eltern, denn sie hören fantastische Geschichten. Manche Episoden können sie kaum glauben, denn allzu seltsam erscheinen sie ihnen. Darüber müssen Elise und Anton schmunzeln. Aber sie bekräftigen das, was sie schildern, denn sie haben in der bunten, exotischen Welt des Zoos so manches selbst miterlebt. Die anderen Geschichten kennen sie von ihren Eltern, weil sie von Generation zu Generation weitererzählt werden, damals haben sie selbst noch im Nest gesessen.

Am besten gefallen den vier Spätzchen die Abenteuer von Großvater Gustav, die er in seiner Jugend auf einer langen Reise durch den Zoo erlebt hat. Elise kennt sie natürlich alle und berichtet voller Stolz davon. Heiner und die Mädchen wollen immer mehr davon hören, zumal Elise alles sehr bildhaft schildert, so als sei sie selbst mit dabei gewesen. Am Ende meinen sogar die Sperlingskinder, sie wären mittendrin, und sie sind sich einig, ihren Großvater Gustav wollen sie unbedingt kennenlernen und genau wie er möchten sie eine Reise durch den Zoo unternehmen. Das spukt den Spätzchen ab sofort in den Köpfen herum.

Anton bemerkt die Reaktion seiner Jungen und ist belustigt. „Ihr habt dieselbe Neigung zur Abenteuerlust mit ins Nest gelegt bekommen wie euer berühmter Großvater“, stellt er geradeheraus fest. Dann fügt er noch etwas Interessantes hinzu. „Heute ist Opa Gustav ein Gelehrter. Er lebt im großen Adlerkäfig am anderen Ende des Zoos und leitet dort eine eindrucksvolle Bibliothek. Eure Mutter ist sehr stolz auf ihren Vater.“

Elise nickt.

„Was ist eine Bibliothek?“, piepst Moni neugierig.

Heiner wartet die Antwort gar nicht ab. „Da wollen wir auch mal hin“, platzt er ungehalten heraus.

„Pst!“ Mit der Federspitze vor dem Schnabel schaut ihn Elise tadelnd an, bevor sie Monis Frage beantwortet. „In einer Bibliothek werden Bücher gesammelt, aufbewahrt und für Studienzwecke zur Verfügung gestellt. Opas umfangreiche Büchersammlung nutzen viele Haussperlinge, wobei einige sogar regelmäßig in der Bibliothek vorbeischauen. Jedoch besuchen manche Haussperlinge euren gelehrten Großvater auch, um sich bei ihm einen Rat zu holen.“

Die Sperlingskinder staunen nicht schlecht und eifrig wiederholt Heiner seinen Wunsch von vorhin. „Da wollen wir auch mal hin.“ Auffordernd schaut er Lisa an, denn sie würde sich, genau wie er, sofort in jedes Abenteuer stürzen. Doch auch Moni und Tine, die normalerweise viel zurückhaltender sind, unterstützen Heiner in seinem Wunsch.

Mit ihrer Fragerei bringen die Spatzenkinder die Eltern ganz schön ins Schwitzen. Lange können sie die ungeduldigen Spätzchen nicht mehr im Zaum halten.

Elise tschilpt: „Geduldet euch noch ein wenig. Erst wenn ihr ausgeflogen und selbstständig seid, könnt ihr euch auf einer Abenteuerreise die Tiere anschauen und auch aufregende Begegnungen mit Zoobesuchern haben. Doch jetzt schlaft schön.“ Sie behandelt die Jungen mit Nachsicht und wünscht ihnen eine gute Nacht.

Anton hat für sie auch noch einen tröstenden Tipp parat. „Und während ihr schlaft, könnt ihr ja schon einmal von euren Streifzügen durch den Zoo träumen.“

Allerdings hoffen Anton und Elise auf die Standorttreue, die Haussperlingen üblicherweise eigen ist, denn wie allseits bekannt ist, bleibt diese Vogelart gern in ihren angestammten Revieren und breitet sich nur vorsichtig in neuen Gebieten aus. Und gerade deswegen machen sich Anton und Elise vorerst keine Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder. Was soll dem Nachwuchs zu Hause schon passieren? Sie haben jedoch keine Ahnung, welcher Plan im Kopf der Kleinen heranreift.

Mit zunehmendem Alter der kleinen Haussperlinge rückt verständlicherweise der Termin zum Ausfliegen näher. Das helle Licht am Rand des Nestes zieht nicht nur den Jungen, sondern auch die drei Mädchen mächtig in seinen Bann. Heiner und Lisa sind kaum noch zu zügeln und auch die braven Mädchen Moni und Tine sind ganz flatterig. Ihr Flüggewerden steht wohl kurz bevor. Nun ist für Anton und Elise der Zeitpunkt gekommen, an dem sie von den Gefahren, die es außerhalb des Nistplatzes gibt, berichten müssen. Die letzten Abende im Nest nutzen sie, um die Jungen darüber aufzuklären.

Anton und Elise geben sich große Mühe, um ihre Ratschläge für ein langes und sorgenfreies Spatzenleben loszuwerden. Sie wissen aber auch, dass jeder junge Vogel eigene Erfahrungen sammeln muss. Doch die kleinen Spatzen überraschen ihre Eltern. Sie lauschen den wichtigen Verhaltensregeln ebenso aufmerksam wie vorher den merkwürdigen, jedoch unheimlich spannenden Erzählungen über den Zoo und seine Tiere.


Was die Spatzen im Zoo von den Dächern pfeifen

Подняться наверх