Читать книгу Gefangen in der Finsternis - Emma Schneid - Страница 6
IV.
ОглавлениеFrüh am nächsten Morgen packt Catlyn in der Klinik ihre Sachen. Eine Krankenschwester, die Catlyn in ihr Herz geschlossen hat, hilft ihr dabei. Schwester Helene bemerkt: „Sie werden uns fehlen, Sie sind eine so angenehme Patientin, aber wir freuen uns natürlich für Sie, dass Sie nun entlassen werden.“ Catlyn kann nicht antworten, ihre Kehle ist wie zugeschnürt und so setzt sie sich schweigend auf die Bettkante. Sie kann vor Aufregung ihre Freude über die bevorstehende Entlassung nicht zeigen und so nickt sie Schwester Helene dankbar zu.
Als Dr. Piescher das Krankenzimmer betritt, sieht er mit seinem geschulten Blick, dass Alles gepackt ist und Catlyn reisefertig ist. Er geht zu Cat, gratuliert ihr zu ihrem Geburtstag, nach einer herzlichen Umarmung verlassen sie das Krankenzimmer und streben dem Ausgang zu. Dabei verabschiedet sich Catlyn vom Klinik-personal und eilt hinter Dr. Piescher her. Sie blickt immer wieder zurück, nimmt Abschied von dem Haus, in dem sie so lange Jahre festgehalten worden ist und Catlyn weiß, sie wird es nie mehr betreten.
Zur selben Zeit treffen Lora und Peter die letzten Vorbereitungen für die Rückkehr von Catlyn und deren Geburtstagsfeier. Gemeinsam schmücken sie den Eingang des Hauses mit einem Banner, auf dem geschrieben steht: „Herzlich will-kommen!“ Sie geben sich die größte Mühe, den Esstisch im Wohnzimmer als festliche Geburtstagstafel zu dekorieren. Peter ist dabei etwas ungeschickt. Er ist ein Junggeselle aus Überzeugung und für derlei Tätigkeiten nicht prädestiniert. Peter ist ein fescher Mann, seine Figur ist drahtig und durchtrainiert, er ist gepflegt, achtet aber nicht besonders auf sein Aussehen.Seine bisherigen Beziehungen zu Frauen nahm er spielerisch und locker. Er ist mit seinen knappen vierzig Jahren noch ganz auf seine Karriere konzentriert und so gehören seine ganze Kraft und Zeit seinem Beruf.
Sein Arbeitsplatz ist neben Dr. Piescher und die Zwei teilen auch so manches Hobby und es ist eine gute Männerfreundschaft gewachsen. Für Peter ist sein Leben ausgefüllt und gibt ihm Zufriedenheit. Ganz in diese Gedanken versunken, hilft er Lora dabei so gut er kann.
Lora flattert wie ein leuchtender Schmetterling im Raum hin und her. Sie ist dabei fleißig und geschickt wie eine Biene. Bei ihr muss alles perfekt sein. Sie rückt nochmals die Servietten auf dem Tisch zurecht, zupft da und streicht dort glatt, so überspielt sie ihre Ungeduld und freudige Erwartung.
Dr. Piescher fährt vor dem weißgetünchten, stellenweise von wildem Wein bedeckten Haus vor. Während er parkt, sieht man seinen Gesichtszügen die freudige Anspannung an. Wie wird Catlyn auf das Haus reagieren? Kann sie es als ihr zuhause annehmen, sich darin wohl fühlen und sich bei ihr eine Geborgenheit einstellen?
Oder überflutet sie die Angst, die sie seit dem Tod ihres Freundes nie verlassen hat?
All diese Fragen schießen ihm durch den Kopf.
Er sieht Catlyn, ihre blauen Augen sind ganz dunkel vor Aufregung, in ihrem zierlichen Körper ist jeder Muskel angespannt, so als wolle sie fliehen. Doch ihre vollen Lippen umspielt ein freudiges Lächeln und sie öffnet die Beifahrertüre.
Lora zuckt aufgeschreckt zusammen, so tief war sie in ihre Gedanken versunken, als sie das Geräusch eines vorfahrenden Autos erreicht. Sie sieht durch das Wohnzimmerfenster den dunklen Volvo von Dr. Piescher und ein Lächeln erhellt ihr Gesicht. Aus ihren graugrünen Augen bricht ein Strahlen hervor. Eilig verlässt sie das Wohnzimmer, durchquert mit ein paar Schritten den Flur und öffnet die Haustüre. Dort erwartet sie die Ankömmlinge mit einem wohlwollenden Blick.
Catlyn betritt am Arm von Dr. Piescher das Haus. Dieser hat sich für den Freudentag herausgeputzt. Mit viel Mühe sind seine sonst wild abstehenden, grauen Haare gebändigt und sein üblicher Dreitragebart ist abrasiert. Zu seinem erdfarbenen Anzug hat er sein beiges Hemd gewählt, dazu eine Krawatte mit braunen, dunkelroten und goldenen Streifen umgebunden. Seine sonst nicht sonderlich gepflegten Schuhe sind blitzblank.
Auch Catlyn hat sich für diesen besonderen Tag hergerichtet. Sie trägt ihr Lieblingskleid, das azurblaue mit weißem Kragen, Manschetten und Knöpfen abgesetzte Jackenkleid. Die taillierte Jacke und der schwingende Glockenrock umschmeicheln ihre Modellfigur und betonen vorteilhaft ihre wohlgeformten Beine. Ihren Schwanenhals verziert die, von der Großmutter geerbte, Perlenkette. Die silberblonden Haare umspielen ihr dezent geschminktes, ovales Gesicht weich und fließend.
Catlyn schließt auf Geheiß Dr. Piescher die Augen und er führt sie ins Wohnzimmer. Dort sieht sie, als sie die Augen öffnet, als erstes den festlich gedeckten Geburtstagstisch und freudig überrascht erstrahlt ihr Gesicht. Sie hört das Geburtstagsständchen, das Lora mit ihrer hellen Sopranstimme, Peter mit seinem brummigen Bariton und Dr. Piescher mit seinem vollen Tenor singen:
„Zum Geburtstag viel Glück. zum Geburtstag „
Lora überreicht Catlyn das gemeinsame Geschenk und umarmt die vor Freude und Glück weinende Freundin.
Peter, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hat, da er sich mit seiner ausgewaschenen Jeans, seinem ausgeleierten Lieblings-Sweatshirt und seinen ausgetretenen Turnschuhen etwas deplatziert fühlt, umarmt Catlyn eben falls und gratuliert ihr herzlich.
Dr. Piescher, der Catlyn bereits in der Klinik seine Glückwünsche überbracht hat, schlägt nun vor, das Haus zu besichtigen.
Catlyn geht den drei Freunden mit gemischten Gefühlen voraus, zuerst die Treppe hoch ins Obergeschoss, wo die Schlafzimmer und das Bad eingerichtet sind. In ihr kommen beim Anblick der Räume Erinnerungen an die glückliche Zeit, die sie hier mit ihrer Großmutter und ihrer Freundin Lora verbracht hat. Viele schöne Begebenheiten fallen ihr ein, während sie die Einrichtung betrachtet.
Aber auch die dunkle Vergangenheit will sich melden, jedoch Catlyn verdrängt diese Gedanken und eilt ins Erdgeschoss zurück, wo Loras frisch aufgebrühter Kaffee in der blitzblanken Küche wartet.
Die zwei Männer holen die Geburtstagstorte aus dem Kühlschrank, platzieren diese in der Mitte des Tisches und zünden die Kerzen, mit denen die Zahl 30 geschrieben ist, an. Lora gießt in die Tassen den Kaffee ein, dabei bewundert sie den schönen Service, der aus Meißner Porzellan filigran gearbeitet und mit Rosenmuster verziert ist. Nun wird Catlyn aufgefordert die Geburtstagskerzen auszulöschen.
Mit luftgefüllten Backen beugt sie sich über die Torte und pustet mit einem kräftigen und langen Atemstoß die Kerzen aus.
Dr. Piescher ruft: „Vergiss nicht, Dir etwas Schönes zu wünschen!“ Catlyn erhält für das Gelingen der üblichen Zeremonie Beifall und verschmitzt lächelt sie, bei der Vorstellung, dass sich ihr Wunsch erfüllt.
Nun nehmen die Vier an der Kaffeetafel platz, Lora seitlich rechts, Peter seitlich links und Dr. Piescher gegenüber von Catlyn. Lora reicht dem Geburtstagskind das Messer und fordert es auf, die Torte an zu schneiden.
Als Catlyn in den Geburtstagskuchen mit dem Messer eintauchen will, entflammen die Kerzen wie von Geisterhand. Erschrocken zuckt sie zurück und versucht, an der Stuhllehne Halt zu finden, sie ist starr vor Schreck, denn sie ahnt Nichts Gutes.
Ehe sich die anderen vom Schreck erholen und reagieren können, lösen sich die Flammen von den Kerzendochten und es scheint, als ziehen sich diese an unsichtbaren Fäden bis zur Zimmerdecke hoch.
Genau so schnell, wie der Spuk begonnen hat, endet er auch, denn bevor die Flammen die Decke erreichen, verlöschen sie. Lora, die die Situation entschärfen will, greift nach dem Messer und sagt: „Komm lass mich das machen!“, und schneidet die Torte in Stücke und verteilt diese auf die Dessertteller.
Catlyn, bemüht ihre Fassung wieder zu finden, meint: „Ich weiß gar nicht, was mit den Kerzen los war, Ihr habt wohl Scherzkerzen genommen, aber der Kuchen schmeckt uns trotzdem hervorragend.“
Dr. Piescher sieht mit besorgtem Blick seinen Schützling an und fragt: „Alles o.k., Catlyn?“ Mit der Gewissheit, dass sie Recht hat, flüstert Catlyn: „Mein Wunsch geht nicht in Erfüllung.“ Ihr Blick sagt Dr. Piescher:
Hier war das Unheimliche,
das Unfassbare
wieder am Werk!
Dr. Piescher, selbst noch blass im Gesicht, versucht zu beruhigen: „ Heute ist für uns Alle ein wunderbarer Tag, den wir uns durch solchen Unsinn nicht verderben lassen. Du Catlyn, beginnst heute ein wunderbares, neu geschenktes Leben und wir Drei unterstützen Dich dabei, Deine Vorstellungen und Bemühungen ins rechte Lot zu bringen und der Geburtstagswunsch geht selbstverständlich in Erfüllung. Ich habe mir bereits Gedanken gemacht, was Dein nächster Schritt sein soll. Meiner Meinung nach ist es jetzt wichtig, dass Du bald einer Beschäftigung, die Dich ausfüllt und die Dir die finanziellen Möglichkeiten eröffnet, nachgehst.“ Ohne auf die zaghafte Unterbrechung durch Catlyn zu achten: „Gut, aber……“, fährt er fort: „Es muss nicht gleich morgen sein, denn Du solltest Dich zuerst an Dein altes/neues Zuhause, an das für Dich noch ungewohnte Umfeld und Deine wieder gewonnene Freiheit gewöhnen.
Ich habe bereits meine Fühler ausgestreckt und konkrete Angebote eingeholt, die wir in den nächsten Tagen besprechen. Nach dem Du Dir durch die Vorstellungsgespräche ein Bild gemacht hast, helfen wir Dir gerne, die richtige und beste Entscheidung zu treffen.“ Lora ergänzte diese lange Rede: „Ich habe auch mit meinem Onkel gesprochen. Catlyn kann auch bei mir in der Bibliothek einen Job haben.“
Damit beenden sie dieses Thema, um Catlyn nicht zu verunsichern.