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Kapitel 1

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Sehnsucht nach südlicher Sonne und schönen Mädchen

Kapitel 1

In dem alten Teil, mit engen gepflasterten Straßen und auseinander gebauten Häusern ganz unterschiedlichen Aussehens in Größe und Fassade, einer schönen Kleinstadt in der Nähe der See verließ ein hoch gewachsener Mann ein Café, das ebenso eine Weinstube und eine Buchhandlung darstellte. Die Einzigartigkeit seiner Räume aber bestand darin, dass ihr Inhaber sie gerne und oft für ein künstlerisch-kulturelles Ereignis nutzte und anbot. Mit Erfolg – für einfache und kultivierte Ansprüche oder für beide zusammen.

Heute war der Abend einer Cello-Sonate gewidmet gewesen. Der Applaus der Zuhörer hatte es bestätigt – ein weiterer Erfolg.

Der große Mann ging hoch aufgerichtet mit seinem großen Hund an der Leine die Straße zum kleinen Hafen der Stadt hinunter. Er drehte sich noch einmal um. „Campanula“ leuchtete es über der Eingangstür des Cafés. Campanula Glockenblume. Er machte sich nichts aus klassischer Musik, eigentlich gar nichts aus Musik. Sie war nicht für ihn geschaffen, und er nicht für sie. Er wusste nicht einmal, weshalb er hinein gegangen war und den hohen Eintrittspreis gezahlt hatte. Einem plötzlichen Einfall war er auf seinem abendlichen Spaziergang einer Gruppe junger Mädchen gefolgt und hatte sich zu mehreren alten Damen gesetzt, freundlich lächelnd. Sein Hund war draußen neben dem Eingang liegen geblieben.

Auf dem leicht bewegten Wasser des Hafens spiegelten sich Lichter, manchmal sah es aus als tanzten sie auch mit den Möwen, die auf ihm schwammen. Von einer kleinen Brücke aus bot sich dem Betrachter mit seinem Hund ein schönes abendliches Bild – wie eine Postkartenidylle. Auf den kleinen Motorbooten verebbte langsam das Erleben des Tages ihrer Besitzer; die Schiffe des Museumshafens – unweit einer großen, im Halbdunkel stehenden Kirche – lagen ruhig und beleuchtet am Kai, und auf den wenigen Küstenmotorschiffen war alles ruhig. Die Besatzungen mochten auf Landgang sein, es war Wochenende. Etwas weiter weg, vor dem Hintergrund mehrerer hoher alter Speicherhäuser, auf einem Frachter sangen zu einer leisen fremdartigen Musik ein paar junge Seeleute asiatischen Aussehens. Singen, ja!

Der große Mann bemerkte nicht, wie sich seine Stirn runzelte, nur dass er seine Zähne aufeinander presste. Er verließ die Brücke und ging näher heran. Sie sangen „ikaw ang ligaya ko“. Er kannte das Lied – du bist meine Freude. Er kannte auch das Land, aus welchem beide waren – die Seeleute und das Lied. „Komm’“, sagte er zu seinem Hund, „komm’! Nina, komm’!“.

Er zog an der Leine und die große Hündin folgte ihm. Sie gingen eine Uferpromenade entlang und durch die Stadt nach Hause. Der große Mann grüßte freundlich mehrere Leute und wurde ebenso freundlich wiedergegrüßt. Seine Stirn unter dem kurzen dunkelblonden, aber schon grau werdendem Haar war noch immer gerunzelt. Nein, er würde sich nicht noch einmal eine Cello-Sonate anhören. Er war nicht dafür geschaffen. Was ihm von diesem Abend in Erinnerung blieb, war der gedankliche Vergleich zwischen einem Cello und einem Kontrabass, die Größe ihrer schön geformten Körper und der Gedanke an ihre gemeinsame Herkunft aus der großen Familie der Streichinstrumente – der Violinen. Und er verglich sie alle mit dem Körper einer Frau – den Kontrabass, das Cello und die Violine. Gut, dass niemand die Gedanken lesen konnte. Die Stirn war wieder glatt, und die grauen Augen hinter der randlosen Brille unter ihnen bekamen ihren Glanz zurück.

„Komm’ Nina, komm’, du brauchst nicht jedem Hund nachzuschnüffeln.“

Cinderella wartete schon auf beide, Cinderella, die gutaussehende philippinische Ehefrau des großen Mannes. Sie hatte sich den ganzen Abend, wie immer, wenn sie alleine war, mit Misstrauen gequält, schrecklichem Misstrauen und einem Hauch von Eifersucht. Sie schmiegte sich an ihren Ehemann, streichelte seinen kurz geschnittenen Vollbart und sah mit ihren schwarzen Augen zu ihm auf. „Wo wart ihr, Chris?“

Manchmal sagte sie auch Christopher, Christopher – wenn sie meinte, glücklich zu sein. Es gab keinen Grund, den Namen oft zu sagen. Sie hatten keine Kinder bekommen. Aber Nina schien glücklich zu sein. Sie versuchte an beiden hochzuspringen und bellte dabei. Chris lächelte von oben herab auf seine Frau. Es sah aus, als wolle er ihr langes schwarzes Haar streicheln, ein schneller, flüchtender Gedanke an ein Cello beendete die entstehende Bewegung der Hand. Und die Angst blieb. Ihre Angst – Angst, dass sie ihn mit einer anderen Frau teilen müsste, auch wenn es nur für einen bestimmten Zeitraum wäre. Eine Geliebte? Sie versuchte sich einzureden, dass ein flüchtiger einzelner Seitensprung für sie in Ordnung wäre, wenn nur seine Seele dafür treu bliebe – ihr treu und seine Seele.

Seine Lust auf Sex hatte nachgelassen, erheblich sogar, ihre eigene wohl auch, aber er beschwerte sich überhaupt nicht darüber. Dass er nach Dienstschluss immer häufiger sofort zu Hause unter die Dusche ging, war ihr nicht mehr angenehm, und zwar wegen der Häufigkeit. Sein Personalcomputer war für sie schon seit längerer Zeit nicht mehr zugänglich und ihr Konto, zu dem auch er Zugang hatte, wies immer öfter für sie unverständliche Lücken auf. Er war oft müde – zu viel Arbeit – aber seine Aufmerksamkeit drückte sich nach wie vor in kleine Geschenke und Blumen aus. Er redete nicht mehr so gerne wie früher. Männer, wenn sie erst verheiratet sind, schienen so zu sein. Sein bester Freund war auch so, sogar ihr gegenüber. Sie war in zweiter Ehe mit Chris verheiratet, auch sie war zweite Ehefrau – beide vierzig Jahre alt. Gut, sie war ein bisschen dicker geworden, aber so dick nun auch wieder nicht.

Er lächelte immer noch, ihr Chris, und löste sich von ihr und der springenden Hündin.

„Wir waren spazieren und in der „Campanula“. „Was? Campanula? Warum?“ „Das weiß ich auch nicht, Cindy“.

Er mochte diese künstlerische Stätte nicht und hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht. Heute Abend schliefen sie miteinander, nicht nur nebeneinander, und für Cindy war es schön.

„Wann gehst du wieder tauchen, mein Junge?“

„Irgendwann.“

„Bist du glücklich?“

„Irgendwann, Herzi – das Wort sagt nichts aus.“

So endete ein warmer Sommerabend.

Sehnsucht nach südlicher Sonne und schönen Mädchen - Teil 1

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