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VORWORT DIE AUKTION WIRD EUCH FREI MACHEN

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Der Liberale des 19. Jahrhunderts war ein Radikaler, und zwar in doppelter Hinsicht: im etymologischen Sinn jemand, der den Dingen auf den Grund, an die Wurzel geht, und im politischen Sinn jemand, der sich für die großen Veränderungen in den sozialen Institutionen einsetzt. In diesem Sinn muss sich sein moderner Erbe verhalten.

– Milton Friedman, KAPITALISMUS UND FREIHEIT (1961)

Der Grundstein für dieses Buch wurde während eines Sommers gelegt, den einer von uns in Rio de Janeiro verbrachte. Rio ist die landschaftlich schönste Stadt der Welt. Üppige tropische Hügel, die sich zu einer strahlend blauen Bucht voller Inseln hinabziehen, bieten einzigartige Ausblicke. Doch dieselben Hügel sind mit favelas überzogen, armseligen, notdürftig errichteten Slums, denen es an grundlegenden sanitären Anlagen und Transportmöglichkeiten fehlt.

Leblon, das vielleicht reichste Viertel in ganz Lateinamerika, liegt am Fuß der Hügel. Dort kann man zu hoffnungslos überhöhten Preisen die Luxusuhren und Autos kaufen, die die führenden Statussymbole sind. Doch die Bürger von Leblon wagen es nicht, ihre Uhren auf der Straße zu tragen oder mit ihrem Auto nachts an einer roten Ampel zu halten, weil sie Angst vor der Gewalt aus den darübergelegenen Favelas haben. Rio ist eine der gefährlichsten Städte der Welt.

Cariocas, wie sich die Einwohner von Rio nennen, sind entspannt, freundlich, kreativ und offen. Sie nehmen Hautfarbe auf differenziertere Weise wahr als wir in den USA mit unserer scharfen Trennung zwischen weiß und schwarz. Beide Länder blicken auf eine lange Geschichte der Sklaverei zurück, doch in Brasilien hat jeder ein gemischtes Erbe. Gleichwohl sind die Schattierungen der Hautfarbe Indikatoren der sozialen Schicht, einer allgegenwärtigen Einflussgröße in der brasilianischen Gesellschaft.

Ökonomisch gesehen ist Brasilien das polarisierteste Land in der westlichen Hemisphäre. Es besitzt zwar eine Überfülle an Rohstoffen, doch einige wenige Familien kontrollieren den Großteil seines Reichtums, und fast 10 Prozent der Brasilianer leben unter der weltweiten Armutsgrenze. Die letzte Präsidentin wurde wegen Machtmissbrauchs abgesetzt, ihr Vorgänger sitzt wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis, und Korruptionsermittler rücken ihrem Nachfolger, dessen Beliebtheitswerte sich im einstelligen Bereich befinden, immer mehr zu Leibe. Bei Erscheinen dieses Buches wird er wahrscheinlich schon im Gefängnis sitzen. Der Lebensstandard im Land stagniert seit Längerem. Das Unternehmertum ist wenig ausgeprägt.

Wie konnte dieses Paradies zu Fall kommen? Wie lässt sich sein Potenzial ausschöpfen? Die Debatte ist altbekannt:

Linke: Die Regierung sollte die Reichen besteuern und so Wohnungen, medizinische Versorgung und Arbeitsplätze für die Armen schaffen.

Rechte: Ja, und am Ende geht es so zu wie in Venezuela oder Simbabwe. Die Regierung muss staatliche Unternehmen privatisieren, Eigentumsrechte durchsetzen, die Steuern senken und die Regulierung abbauen. Wenn erst einmal die Wirtschaft läuft, löst sich das Problem der Ungleichheit von ganz allein.

Technokratische Mitte: Wir benötigen eine Wirtschaft, die von international ausgebildeten Experten sorgfältig reguliert wird, gezielte Maßnahmen, die in randomisierten kontrollierten Studien geprüft werden, und politische Reformen, die die Menschenrechte schützen.

Menschen in reichen Ländern mit zunehmender Ungleichheit werden ihr eigenes Land in Brasilien wiedererkennen. In den reichen Ländern stagniert die Wirtschaft ebenfalls, und politische Konflikte und Korruption nehmen zu. Die langgehegte Erwartung, ein »sich entwickelndes Land« wie Brasilien werde schließlich zu einem »entwickelten Land« wie die USA werden, steht auf dem Prüfstand, und die Menschen fragen sich allmählich, ob die Dinge sich nicht in die umgekehrte Richtung entwickeln. Die Patentrezepte für Reformen sind unterdessen dieselben wie vor einem halben Jahrhundert: Steuern erhöhen und umverteilen; Märkte stärken und privatisieren oder Governance und Know-how verbessern.

In Rio schlagen diese Rezepte offenkundig nicht an. Armut, die strenge und konzentrierte Kontrolle von Land und politische Konflikte scheinen eng miteinander verknüpft zu sein. Die Umverteilung von Wohlstand hat in puncto Ungleichheit kaum Fortschritte gebracht. Eine Verbesserung der Eigentumsrechte hat nicht viel zur Förderung der Entwicklung beigetragen. Slumbewohner halten an Grundbesitz fest, der stattdessen ein öffentlicher Park, ein Naturschutzgebiet oder moderner Wohnraum sein könnte. Grundstücke in der Innenstadt, in denen Favela-Bewohner menschenwürdig leben und öffentliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen könnten, befinden sich in der Hand einiger weniger Reicher, die zu viel Angst vor Verbrechen haben, als dass sie sie genießen könnten. Dieselbe geballte Konzentration von Wohlstand, die Ungleichheit erzeugt, scheint die Politik zu korrumpieren und unternehmerische Initiativen zu bremsen: Brasilien zählt laut Weltbank zu den 10 Prozent der am wenigsten geschäftsfreundlichen Länder.

Der Fall Rio verlangt eine Antwort auf die Frage: Gibt es keinen besseren Weg? Kann diese Stadt nicht Ungleichheit, Stagnation und sozialen Konflikten entkommen? Deutet Rio auf das Schicksal von New York, London und Tokyo voraus – allerdings ohne die Freuden von Samba, Strand und Sonne?

Wir sind der Markt!

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