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3.
ОглавлениеSara nahm einen Briefbogen. Sie schrieb mit stark rückwärts geneigter Handschrift: Meine Tochter Sara musste nach dem Mittagessen nach Hause gehen und sich hinlegen, weil sie sehr starke Magenschmerzen hatte.
Das war nicht gut; sie schrieb es noch einmal und fügte hinzu: Mit freundlichen Grüßen, Christina Larsson. Das war der Name ihrer Mutter.
Sie zerknüllte das Blatt mit dem missglückten Versuch, faltete den anderen Bogen zusammen und steckte ihn in die Handtasche. Dann ging sie. Es war halb acht am Montag. Ihre Mutter hatte Nachtwache im Krankenhaus Huddinge gehabt und würde bald nach Hause kommen, ins Bett gehen und noch schlafen, wenn Sara aus der Schule kam.
Wenn Sara sich überhaupt die Mühe machte, nach Hause zu fahren. Vielleicht würde sie wieder bei Hanna schlafen.
Sie rief Hanna vormittags während der Pause an. Hanna war zu Hause; doch, das würde schon gehen, meinte sie. Sie hatten zwei Stunden Kunst und sprachen über Fotografie. Sara hatte sich für den Kunstzweig entschieden, als sie in die siebte Klasse kam; jetzt ging sie in die achte und fand immer noch, dass die Kunststunden die einzigen waren, die Spaß machten.
Vor dem Mittagessen gab sie die Entschuldigung bei ihrer Klassenlehrerin ab, die sie las und nickte und sagte, dass sie hoffte, dass es Sara nun wieder gut gehe.
»Ich glaube schon«, sagte Sara.
»Willst du zur Schulschwester gehen?«, fragte die Lehrerin.
»Nein, es ist wieder in Ordnung.«
»Bestimmt?«
»Absolut.«
Hanna saß im Wohnzimmer und las, als Sara kam. Sie stand auf, ging in die Diele und umarmte Sara. Die Schwestern umarmten sich immer. Manchmal machte ihre Mutter es auch so, aber meist nur, wenn es ihr richtig gut ging, wenn sie nicht gestresst war und ein paar freie Tage hatte, was nicht oft vorkam.
»Willst du irgendwas haben?«, fragte Hanna.
»Ja, was Warmes«, sagte Sara.
»Soll ich Kakao machen?«
»Ja, gerne.«
»Und ich habe superleckere Zimtschnecken. Ich war bei NK, in der Konditorei im Untergeschoss. Bist du mal dagewesen?«
»Nein, gehst du zu NK?«
»Ich war mit jemandem da, der dort etwas kaufen wollte.«
»Mit wem denn?«
»Jemand, den ich bei der Arbeit getroffen habe.«
»Ein Mann?«
»Ja, das kann man sagen.«
Sie waren in die Küche gegangen. Hanna machte den Kakao. Sara setzte sich an den kleinen Tisch vor dem Fenster.
»Papa hat angerufen«, sagte Hanna.
»Was wollte er?«
»Ich weiß nicht, vielleicht wollte er einfach nur reden. Ruft er dich nie an, Sara?«
»Wozu sollte ich mit ihm reden?«
»Kannst du dich überhaupt an irgendwas erinnern?
Du warst ja noch so klein; du warst erst drei, oder?«
»Ich kann mich an ein Mal erinnern, als Mama und Papa stritten und Mama Angst bekam.«
»Ja, so ging es die ganze Zeit. Hat Mama nie was erzählt?«
»Nein, sie hat nie was gesagt.«
Sara wollte ihre Schwester fragen, wie es ihr ging, ließ es dann aber bleiben. Sie tranken den Kakao und aßen die herrlich klebrigen Schnecken von NK. Hanna machte Musik an, Come along von Titiyo, und es war warm und gemütlich, und Sara dachte, dass sie auch gerne so leben würde, mit einer eigenen Wohnung und einer guten Arbeit, ohne nörgelnde Erwachsene und widerliche alte Kerle.
Es war fünf Uhr und schon dunkel draußen.
Eine Viertelstunde später klingelte Hannas Handy das erste Mal. Sie waren ins Wohnzimmer gegangen. Das Handy lag im Regal versteckt. Es war ihr zweites Handy, das von ihrer Arbeit.
Hanna stand auf, nahm das Handy und ging zurück in die Küche, während sie das Gespräch entgegennahm. Sara sollte es wohl eigentlich nicht mitbekommen, meinte aber zu hören, dass Hanna sich nicht mit ihrem eigenen Namen meldete.
Shirley, hatte sie das gesagt?
Hanna blieb eine Weile in der Küche. Als sie zurückkam, machte Sara sich nicht die Mühe zu fragen. »Das war von der Arbeit«, sagte Hanna.
Sara verstand, dass Hanna bei ihrer Arbeit eine wichtige Stellung hatte, weil sie sie zu Hause anriefen.
Eine halbe Stunde später klingelte das Handy wieder. Jetzt spitzte Sara die Ohren, um mitzuhören, und sie war sich recht sicher, dass Hanna sich wieder mit diesem fremden Namen meldete.
Shirley?
Sara fand, dass der Name altmodisch und irgendwie spannend klang. Aber sie fragte ihre Schwester auch dieses Mal nicht. Es war wie ein Geheimnis, von dem Sara nichts wissen durfte, und doch tat sie es.
»Ich muss los zur Arbeit«, sagte Hanna.
»Kommst du heute Abend später?«, fragte Sara.
»Es wird wohl ziemlich spät werden, aber du kannst bleiben, wenn du willst. Ruf nur Mama an und sag, dass du bei mir bist.«
»Ja, werde ich machen.«
»Und geh morgen zur Schule, wenn ich bis dahin nicht zurück bin. Das musst du versprechen.«
»Aber klar, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.« Hanna machte sich fertig. Sie stand ziemlich lange vor dem Spiegel im Badezimmer, und als sie wieder rauskam, fand Sara, dass ihre Schwester unglaublich gut aussah. Besonders die Augen und die Wangen waren schön; die Farbe war absolut gleichmäßig, dünn und leicht schimmernd.
Um halb acht bestellte Hanna ein Taxi.