Читать книгу Tausche Alltag gegen Alpaka - Erik Kormann - Страница 22
MIT BRAVOUR.
ОглавлениеEs waren aufregende Tage und Wochen, die im Eilzugtempo an mir vorbeirauschten. Vieles von dem, was ich zu lernen hatte, war direkt nach den Prüfungen vergessen. Karosserie und Außenhülle oder die Frage, wie man einen Reifen runderneuert, das Zusammenspiel der Kettenglieder und die Innenansicht eines Differenzialgetriebes – das sind nicht so die Dinge, die ich nach der Arbeit in Gedanken durchgehe. Ich konzentriere mich auf den Verkehr und meine Passagiere, lerne wie verrückt die Linien, die ich fahren muss, und füge mich, so gut es geht, in das Schichtsystem ein. Das hat es in sich: sechs-zwei, sechs-zwei, fünf-drei, von spät nach früh, im großen Topf. Nach zwei aufeinanderfolgenden Sechstagewochen, zu denen immer nur ein Zweitage-Frei gehört, kommt eine Fünftagewoche mit einem Dreitage-Frei. Und von spät nach früh bedeutet, dass der erste Arbeitstag nach dem freien Tag z. B. am Nachmittag um 16.30 Uhr beginnt und irgendwann in der Nacht endet. Im weiteren Verlauf der Arbeitswoche rutscht die Anfangszeit immer weiter vor – der Feierabend auch.
Die sich verschiebenden Zeiten sind schwierig. Häufig bleibt zwischen den Schichten nur wenig Raum für eigene Aktivitäten, weil man zeitig ins Bett muss. Die sich daraus ergebende Freizeit ist aber ein Gewinn. Am letzten Arbeitstag ist mittags Schluss, dann kommen drei freie Tage, und am ersten Arbeitstag danach geht es erst nachmittags wieder los. Voilà, die drei freien Tage fühlen sich an wie vier. Zeit, die ich voll für mich nutze, die ich gern aktiv verbringe.
Seit Februar fahre ich für den BVG-Betriebshof Lichtenberg und werde mit jedem Tag sicherer. Inzwischen klappt sogar das Grüßen im Dunkeln: Fahrerlicht an, damit die Kollegin/der Kollege mich sieht, fix grüßen, Licht wieder aus und weiter. Vor ein paar Tagen noch war der entgegenkommende Bus längst weg, bevor ich mich überhaupt sortiert hatte. Jetzt läuft’s.
Grüßen ist extrem wichtig. Busfahrer grüßen untereinander. Kaum sehe ich ein großes gelbes Auto – wird gegrüßt. Hallo Kollege, was guckst’n so verwundert? Ach so, war’n DHL-Laster. Na ja, gelb ist gelb.
Inzwischen grüße ich sogar die Kolleginnen und Kollegen von der Straßenbahn. Die einen winken mit der ganzen Hand, ein anderer hebt anerkennend den Daumen, der Nächste zielt lächelnd mit dem Zeigefinger. Die da dreht Glühbirnen rein und raus, ein älterer Herr, der aussieht wie der Donnergott persönlich, guckt finster und ballt drohend die Faust. Ein angedeuteter Pioniergruß hier, ein Winken dort. Manch einer schnippt nur mit dem Finger und guckt nicht hin, und bei ihr da tun mir schon vom Zugucken die Handgelenke weh. Ich mach das Teufelchen oder den Fuchs, egal wie man es nimmt.