Читать книгу Tausche Alltag gegen Alpaka - Erik Kormann - Страница 27
GENIAL.
ОглавлениеWir überqueren einen befestigten Weg, ein bellender Hofhund wird nicht beachtet, selbst von den Schafen nehmen die Huskys keine Notiz. Wir biegen links ab und tauchen ein in den Wald. Auf Forstwegen fahren wir durch einen sonnigen, kalten Morgen. Lange Schatten, unendlich viele Grüntöne und zwischendurch weiße, weithin leuchtende Birkenstämme. Das Glitzern des Frühlings stimmt ungemein heiter.
Die funkelnden Tautropfen auf dem Moos, die zarten Ärmchen der Farne, die sich durchs Laub schieben, und die hellgrünen Blattspitzen der Heidelbeersträucher sind zum Greifen nah. Mit der sich lösenden Anspannung nehme ich die Schönheiten der Umgebung mehr und mehr wahr. Der an mir vorüberziehende Wald erweckt den Eindruck eines Films. Vertikale Streifen vor hellem Grund. Ein dunkles Bild, alle paar Augenblicke unterbrochen von einem kleinen Lichtblitz. Birken als Einsprengsel im Kaiserpanorama.
Für Momente erinnert mich die Fahrt mit ihrem Auf und Ab an das Zoopraxiskop von Eadweard Muybridge, den man mit Fug und Recht als einen Pionier der Fotografie und Filmgeschichte bezeichnen darf. Jedes Bild eine Postkarte. Romantisch, fast mystisch, ins tief stehende Licht getaucht, startet die Landschaft (die im Hochsommer viel zu trocken ist) in ein neues Jahr – da haben wir wohl etwas gemein.
Nach einer halben Stunde gibts eine Trinkpause für die Hunde. Es folgen ein paar ungewohnte Richtungswechsel, die nicht ganz so perfekt verlaufen wie die Reaktionen auf die Kommandos zu Anfang der Tour. Auch den Hunden fällt es leichter, den häufig benutzten Pfaden zu folgen. »Komisch, gestern fuhr der Bus doch hier nach rechts«, meint eine ältere Dame, die direkt hinter mir Platz genommen hat. Der Schreck könnte größer nicht sein. Ich Depp. Ich fahre jetzt den 191er und hätte hier nach rechts gemusst. Sch***eibenkleister. Was für ein Mist. »Liebe Fahrgäste, bitte entschuldigen Sie. Ich bin heute den ganzen Vormittag 195er gefahren. Das ging immer linksherum. Nur ein kleiner Umweg, dann bin ich wieder auf der richtigen Linie. Bitte entschuldigen Sie. Mein Fehler.« Es geht den Busfahrern wie den Huskys.
»DU-U, BIST DU DAS CORONA?« »NEIN, ICH BIN DER BUSFAHRER.«
Anhalten. Überlegen. Weiterfahren. Ich rufe den Leithunden immer wieder die Richtung zu, lasse die Bremse los, und wenn sie den Befehl richtig umsetzen, folgt ein aufmunterndes »Voran«. Nach einer Dreiviertelstunde sind wir zurück, verteilen reichlich Lob und spannen ab. Die nächste Trainingseinheit werde ich mit acht Hunden fahren. Während Elmar die Zugleine verlängert, lege ich acht Geschirre an. Vorn laufen nun Liska und Morlin. Große, kräftige Hunde, die sehr erfahren sind. Das Durchschnittsalter des Gespanns ist deutlich höher, und den Unterschied spüre ich sofort nach dem Start. Während die sechs jungen Hunde des ersten Gespanns losstürmten, als gäbe es kein Morgen, gehen es diese acht hier sehr gelassen an.
»Die teilen sich ihre Kräfte viel besser ein. Alles nur Erfahrung und Training.« Ich muss weniger auf der Bremse stehen und lenke den Wagen mit viel weniger Anspannung. Nach einigen hundert Metern fangen die Tiere an, ihr Geschäft zu erledigen, und auch das funktioniert problemloser als vorhin.
Wir wählen einen anderen Weg, und ich steuere so geschickt wie möglich, um allen Hindernissen rechtzeitig auszuweichen. Dort ist eine tiefe Kuhle im Weg, hier eine dicke Wurzel. Vorausschauendes Fahren ist immer und überall unerlässlich. Mein Glücksempfinden steigt mit jedem zurückgelegten Meter. Voller Stolz rufe ich den Hunden die Kommandos zu, nachdem Elmar mir per Handzeichen zu verstehen gegeben hat, in welche Richtung wir fahren. Als wir den Hof erreichen, habe ich ein fettes Grinsen im Gesicht.