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CARBONIZED

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von Rainer Schorm

»Ich will, dass ihr in Panik geratet!« Greta Thunberg, Davos, 25.01.2019

»Atmosphäreneintritt!«

Die Warnung war im Grunde genommen überflüssig. Die beiden Gäanauten kannten die automatisierten Abläufe aus unzähligen Übungen. Auf diesen Augenblick hatten sie sich vorbereitet; seit ihrem Start vom Mars vor 19 darischen Monaten1.

Die THUNBERG hatte sich geteilt, wie geplant. Die interplanetare Triebwerksektion B schwenkte in diesem Augenblick in den stabilen Orbit ein, weit oberhalb der Atmosphäre. Der Flug durch die Ringe aus historischem Weltraumschrott war für das Landemodul ein wahrer Husarenritt gewesen. Während des Großen Exodus hatte sich deren Dichte gewaltig erhöht; man hatte die Archen größtenteils im Orbit montiert. Für den Schrott hatte sich niemand interessiert. Da die Erde ihrem Untergang entgegentaumelte, wen kümmerte da der technische Abfall?

Wie erhofft hatte das starke elektromagnetische Feld, das die Generatoren des Schiffes erzeugt hatten, vieles abgefangen. Blumenstein war froh, dass sich sein Vorschlag, das Feld stärker auszulegen, durchgesetzt hatte; trotzdem hatte die THUNBERG etliche Treffer abbekommen. Viele der Sensoren arbeiteten unzuverlässig oder waren ausgefallen. Sie flogen zwar nicht blind, aber viel fehlte nicht dazu.

»Um ein Haar hätten wir den Durchflug gar nicht überlebt«, dachte er, hin- und hergerissen zwischen Erleichterung und Angst. Aber sie hatten es geschafft. Unter dem Landemodul hing die schwarze, nächtliche Erde. Bald würden sie mehr wissen.

»Wenn alles so läuft, wie es soll«, dachte Blumenstein.

»Eines wissen wir jetzt«, sagte Edgarson. »Die alten Satelliten sind allesamt verschwunden. Wahrscheinlich taumeln ihre Reste in den Schrottwolken umher. Nach dem Exodus hat sie niemand instandgehalten.«

Der Kontakt zur alten Heimatwelt war bereits kurz nach dem Großen Exodus abgerissen – und dabei war es geblieben. Niemand hatte am endgültigen Niedergang des Planeten teilhaben wollen.

»Keiner wollte verzweifelte Hilferufe hören«, dachte Blumenstein deprimiert. »Vielleicht ist da heute niemand mehr, der unsere Funkanrufe beantworten könnte. Damit wäre unsere Mission bereits gescheitert.«

Das Modul vibrierte und das Schütteln verstärkte sich immer mehr. Die Verbindung zum Orbiter brach ab. Die THUNBERG erzeugte Plasma mit einer Temperatur von etwa 3.000 Grad Celsius. Das glühende Gaskissen, das sich beim Auftreffen auf die Atmosphäre bildete, unterband jede Art von Funkkontakt. Das würde sich erst später ändern, dann allerdings würde die THUNBERG bereits unterhalb des Funkhorizonts stehen.

Die ionisierten, heißen Gase peitschten um das kleine Landefahrzeug herum und formten einen Schweif. Das weißgelbe Glühen verhinderte einen weiteren Blick auf die alte Erde. Das Landemodul der THUNBERG wurde kräftig durchgeschüttelt. Die entstehende Hitze führte zu den erwarteten Strömungen und Wirbeln.

»Wie bei einem verdammten Meteoriteneintritt«, dachte Blumenstein düster. »Genau das sind wir momentan. Und wenn wir uns vertan haben, enden wir auch so! Egal, wie sich die Atmosphäre zusammensetzt.«

Edgarson war blass. Dicke Schweißperlen standen auf seiner Stirn und liefen ihm über die Wangen.

»Heilige Greta, ist mir schlecht!«, stöhnte er.

»Kotz bloß nicht!«, sagte Blumenstein.

»Ich tu’, was ich kann …«.

Der Tonfall stimmte Blumenstein alles andere als zuversichtlich.

»Man sieht nichts!«, murmelte er. Er drehte mühsam den Kopf. Man merkte Edgarson nicht nur die Übelkeit an, sondern auch die Enttäuschung.

Blumenstein hörte ein saugendes, feuchtes und ziemlich widerliches Geräusch. Dann fluchte Edgarson, was das Zeug hielt.

Der Situation völlig unangemessen musste Blumenstein grinsen.

»Wärst du jetzt doch lieber zu Hause geblieben?«

Edgarson sah ihn mit geröteten Augen an.

»Und die Chance aufgeben, ein paar Jahre lang nichts mit Domna Francine zu tun zu haben? Hast du Fieber?«

Francine war Edgarsons momentane GenWife. Die Kontrolle des Genpools war in Point Ares so unverzichtbar wie auf dem gesamten Mars. Dass Edgarson mit seiner ausgewählten Partnerin kein bisschen zurechtkam, hatte ihm mehrere Verweise eingebracht. Negative Reaktionen auf die GenWifes waren ungern gesehen, Ablehnung einer Frau gegenüber wurde nicht toleriert und konnte zu harten Strafen führen. Insofern glich Edgarsons Flug tatsächlich einer Flucht.

»Die Zukunft ist weiblich«, dachte Blumenstein sarkastisch. »Keiner hat behauptet, sie sei besser.«

Die Schotten über den wenigen Sichtluken waren längst hermetisch geschlossen, die Kameras, die das Schrottbombardement überstanden hatten, waren nun ebenfalls ausgefallen.

»Ich hätte die Erde gerne genauer gesehen«, sagte Blumenstein leise.

»Wie soll sie schon aussehen?«, fragte Edgarson gepresst. »Du kennst die Analysen, die die Gridmother von den alten Prognosen abgeleitet hat. Eine ruinierte, überhitzte Welt. Die Venus als Vergleichsplanet ist doch der beste Beweis dafür, was ein Treibhauseffekt anrichtet. Die Frage wird nur sein, ob wir auf der kaputten Erde vielleicht besser leben könnten als auf dem Mars. Wir sind am Ende. Das weißt du.«

Egal, ob der Vergleich mit dem zweiten Planeten des Sonnensystems der Realität entsprach oder nicht: Das Leben auf dem Mars war hart – in jeder Hinsicht. Zwar hatten die fliehenden Eliten damals beim Großen Exodus das feinste Equipment mitgenommen, das es zu dieser Zeit gegeben hatte, aber das war zweihundert Jahre her. Die materiellen Mittel waren begrenzt, das galt damals wie heute. Alles war dem Überleben gewidmet, und doch war der Zeitpunkt abzusehen, da die Infrastruktur zusammenbrechen würde. Trotz des GENgeneering nahm die Bevölkerung zu.

Der Grüne Planet

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