Читать книгу Die Ring Chroniken 1 - Erin Lenaris - Страница 4
Оглавление1. Kapitel
Wer will schon durstig seinem Schicksal gegenübertreten? Ich jedenfalls nicht. Deshalb schüttle ich den erschreckend leichten Wasserkanister noch mal. Kein Schwappen, kein Plätschern, nichts. Ich schraube den Deckel auf. Am Boden glitzert nur eine kleine Pfütze. Zu wenig für meine trockene Kehle, aber genug für mein Chamäleon Emil.
Vorsichtig lasse ich die letzten Tropfen in ein Glas kullern und greife nach der Pipette in dem Schubfach vor mir. Verdammt! Nun bin ich schon wieder an diesem blöden Rauring hängen geblieben. Der treibt mich noch in den Wahnsinn. Früher hat er wenigstens geglänzt, doch mit den Jahren ist der dicke Kupferring trüb und fleckig geworden. Oft habe ich versucht, diese lästige Armfessel loszuwerden – die Kratzer und Kerben darin zeugen davon. Unzählige Quetschungen später habe ich aufgegeben. Das Ding ist schließlich festgeschweißt. Mittlerweile ist es auch viel zu eng. Um die Metallkanten an meinem rechten Handgelenk ist die Haut schon richtig aufgescheuert.
Und zu allem Überfluss blutet es jetzt. Schnell presse ich die Lippen auf die Verletzung und sauge das Blut weg. Emony, schnell, das Wunddesinfektionsspray! Obwohl meine Mutter nicht da ist, hallt mir ihre mahnende Stimme förmlich in den Ohren. Ihr Sauberkeitsfimmel geht mir auf den Geist. Gut, dass sie als Desinfektorin so viele Überstunden macht. Die meiste Arbeit fällt auf der Krankenstation und im Kinderzentrum an, meine Mutter allerdings ist in der ganzen Siedlung unterwegs. Ihrer Ansicht nach muss alles regelmäßig von Keimen befreit werden, da wir mangels Waschmöglichkeiten sonst schnell die Pest am Hals hätten. Oder zumindest die Grippe. Ich halte das für Panikmache, aber ein Gutes hat Mutters Gründlichkeit wenigstens: So habe ich immerhin meine Ruhe. Mein Chamäleon reicht mir als Gesellschaft vollkommen.
Meistens sitzt Emil in seinem würfelförmigen Plexiglas-Terrarium, das ich immer dann mit der Sprühflasche befeuchte, wenn ich etwas Wasser dafür abzweigen kann. Am liebsten hängt er an dem Klettergerüst, für das ich ein Lüftungsgitter zweckentfremdet habe, oder er hockt auf den dürren Pflanzen, die sich unter seinem Gewicht biegen. Nun hat ihn der Hunger herausgetrieben. Er klammert sich an das Abluftrohr über unserer schmalen Küchenzeile und beobachtet mich mit einem Auge. Mit dem anderen fixiert er den Wassertropfen an der Pipette, den ich ihm anbiete. Bevor er herunterfällt, schiebt Emil seine lilafarbene Zunge hervor und fängt ihn auf. Beim Warten auf den nächsten Tropfen wandert sein Blick zu meinem Handgelenk.
Der Rauring juckt höllisch und verschmiert das frische Blut. Heute allerdings könnte meine Chance gekommen sein, mich von dem verhassten Teil zu befreien. Der Register-Chip darin bestimmt uns von der Geburt bis zum Tod – außer WERT „adoptiert“ uns für das Nachwuchsprogramm in den Gaskraftwerken. Dann wird uns der Ring abgenommen, und wir werden neu bestimmt.
Die Firma versorgt uns nicht nur mit Wasser, Energie und revolutionärer Technologie, sondern ermöglicht uns auch ein besseres Leben. In einer halben Stunde erfahre ich, ob ich die Theorieprüfung bestanden und mich für den praktischen Aufnahmetest des WERT-Adoptenprogramms qualifiziert habe. Ich muss es unbedingt schaffen, nicht nur, um den lästigen Ring loszuwerden.
Mein Blick schweift über unseren kleinen Wohnraum, die rauen Betonwände mit den Schmirgelspuren, die beim Entfernen meiner Kinderkritzeleien entstanden sind, die unzerstörbaren Möbel aus graugrünem Plastik und das abgewetzte Sofa mit der Delle an meinem Lieblingsplatz. Ich horche auf das leise Surren der Leuchtstoffröhren, die wir zum Stromsparen gedimmt haben, höre dem rhythmischen Tropfen des Recyclingwassers zu, dem vertrauten Gluckern in den Rohrbögen, den dumpfen Vibrationen im Inneren des Lüftungssystems. Eigentlich lebt es sich hier unten ganz passabel, mal davon abgesehen, dass unsere Wohneinheiten wie Waben in einem Bienenstock aneinandergequetscht sind. Doch besser neugierige Nachbarn im Untergrund als die Gluthitze in der Staubwüste da oben. Das Problem ist, dass wir die Miete nicht mehr lange zahlen können. Es sei denn, ich werde Adoptin.
Emils vorwurfsvoller Blick holt mich aus meinen Gedanken. Rasch nehme ich ein Einmachglas vom Regal und begebe mich nebenan in Mutters Hydrokulturanlage auf Nachtkäfersuche. Dort herrscht penibelste Ordnung. Jede der akkurat aufgereihten und einzeln beleuchteten Pflanzen erhält die passende Bewässerung, die aus halbtransparenten Plastikschläuchen an ihre Wurzeln tropft. Plop-plop-plop – bei den Tomaten tropft es langsam. Plopplopplop, bei den Gurken schneller. Summende Kühlaggregate gewinnen die verdunstete Feuchtigkeit in Trinkqualität zurück.
Beim Anblick der kleinen, leuchtend roten Paprika läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Wenn man reinbeißt, explodiert der Geschmack förmlich auf der Zunge. Doch seitdem das Geld so knapp ist, müssen wir unsere Ernte verkaufen und kriegen selbst nur synthetischen Fraß auf den Tisch. Der farblose Bohnenbrei klebt am Gaumen wie Schleim und schmeckt selbst mit viel Süßstoff noch unerträglich. Wir löffeln ihn aus bräunlichen Esspapier-Schalen, die uns angeblich mit Kohlenhydraten und Ballaststoffen versorgen. Sie sehen nicht nur aus wie Recyclingkarton, sie schmecken auch genauso – aber Geschirrspülen wäre unbezahlbar.
Emil rollt mit seinen Kugelaugen, als ich mit meiner Beute in unser Wohnzimmer zurückkehre. Na endlich, scheint er zu sagen. Ich hole den ersten Käfer aus dem Glas. Mit seinen schwirrenden Flügeln und hilflos rudernden Beinen ist er genau das richtige Ziel für Emils lange Zunge, die mir den fetten Happen mit einem schmatzenden Geräusch aus der Hand pflückt. Es knirscht zweimal, und das Insekt ist zerkaut, bevor es ein weiteres Mal zappeln kann. Beim nächsten Mal passiert alles noch schneller. Nach der dritten Lieferung klettert Emil in sein Terrarium auf dem Beistelltisch neben der Küchenzeile zurück, kringelt sich dort zusammen und schließt müde erst ein Auge, dann das andere. Nun bin ich wieder allein. Ich würde auch gerne weiterschlafen wie er. Daran ist allerdings nicht zu denken. Mir graut es vor der Verkündung der Testergebnisse.
Ob das Äußere bei WERT eine Rolle spielt? Große, unsichere Augen starren mich aus der spiegelnden Scheibe unseres Zimmermonitors an. „Zu blass“, meint der Doktor bei jeder Jahresuntersuchung. Fahle Haut, stellenweise gerötet, Abschuppungen, steht in meinem Gesundheitspass. Als würde man das nicht auf den ersten Blick erkennen.
Da kein Wasser für die Morgenwäsche da ist, gehe ich noch mal in die Hydrokulturanlage und befeuchte einen Waschlappen mit Kondenswasser. Damit tupfe ich die rauen Stellen an meinen Schultern und Armen ab, einmal und schließlich ein zweites Mal, weil es so guttut. Meine dünnen und glanzlosen Haare hätten schon längst gewaschen werden müssen, allerdings muss erneut eine Katzenwäsche reichen. Mir fällt das luxuriöse Geschenk zu meinem fünfzehnten Geburtstag ein – ein Bad in einem Bottich mit Frischwasser, nur für mich! Vorsichtig stieg ich hinein. Das kühle Nass streichelte meine Haut überall gleichzeitig. Ich tauchte unter, wollte nie mehr hochkommen, hatte jedoch keine andere Wahl, prustete und schaute in das lachende Gesicht meines Vaters.
Kurz danach war er tot.
Es passierte bei den Wartungsarbeiten an den Pipelines, die das kostbare Wasser aus dem Norden zu uns ins Kontinentalland bringen. Mein Vater und seine Kollegen hatten gerade die Schweißnähte eines Segments geprüft. Todmüde stiegen sie zu Schichtende in ihr Shuttle, zogen den Anlasser – und wurden von einer Fahrzeugbombe in tausend Stücke gerissen. Terroristen. Nur ein Splitter vom Rauring meines Vaters war noch zu finden.
Die Nachricht von seinem Tod hat meine Mutter förmlich versteinert. Nicht bloß innerlich, auch ihrem Äußeren merkt man das an. Ihre Gesichtszüge wurden hart und ihre Stimme spröde. Früher, als sich lebhafte Lachfältchen statt scharfer Sorgenfurchen in ihrem Gesicht abzeichneten, wollte ich so elegant und schön sein wie sie. „Du siehst deiner Mutter immer ähnlicher“ war das ultimative Kompliment für mich. Jetzt jagen mir solche Sprüche eine Heidenangst ein. Meine Mutter will keine Musik mehr hören, keine Geschichten, einfach gar nichts mehr. Der Psychologe gab ihr zur Trauerbewältigung ein Notizbuch, in das sie schöne Erinnerungen an den Verstorbenen schreiben sollte. Meine Mutter fand das absurd, deshalb habe ich das Buch an ihrer Stelle vollgeschrieben.
Ich verdränge die bedrückenden Gedanken und setze mich vor den gläsernen Zimmermonitor, der an der Wand gegenüber vom Esstisch hängt. Die Ergebnisse der Theorieprüfung müssten jeden Moment da sein. Dann erfahre ich, ob ich die erste Runde des WERT-Aufnahmetests geschafft habe. Unruhig klopfe ich mit dem Rauring auf die Tischplatte, bis sich der Bildschirm mit einem lauten Summen einschaltet und die offizielle Sprecherin der Nordregierung erscheint.
Silvy Gold macht ihrem Namen alle Ehre. Sie trägt ihr goldblondes Haar aufwendig hochgesteckt, eine schimmernde Strähne quer über die Stirn gekämmt. Wahrscheinlich braucht sie literweise Haarspray, um den Schwung jedes Mal so perfekt hinzukriegen. Und erst das Make-up! Ihr kohlschwarzer Lidstrich ist ein kleines Kunstwerk, ihr makelloses Gesicht einfach beneidenswert. Dennoch ist sie mir irgendwie unheimlich. Sie spricht die Nachrichten schon, solange ich denken kann, allerdings scheint sie nie zu altern.
Silvy lächelt. „Guten Morgen und herzliche Grüße von WERT. Bitte identifiziere dich“, ertönt es aus ihrem vollkommenen Mund.
Ich klacke meinen Rauring gegen das Lesegerät neben dem Bildschirm.
„Vielen Dank. Wir haben dich identifiziert. Emony Keller, Siedlung 4823, Registernummer 4823371. Die Ergebnisse deiner Theorieprüfung liegen vor.“
Mein Puls hämmert.
An Silvys Miene ist nicht abzulesen, wie der Test für mich gelaufen ist. Diese Frau befasst sich nicht näher mit dem, was sie sagt. Sie leiert jeden Satz im gleichen Tonfall und mit ihrem Einheitslächeln herunter, egal, ob es sich um die Ehrung eines verdienten Bürgers oder um eine Katastrophe handelt. Man hat keinen Schimmer, was einen erwartet.
„Liebe Emony, ich habe gute Nachrichten für dich. Mit deinem Ergebnis von siebenundachtzig von hundert möglichen Punkten bist du zum praktischen Test zugelassen.“
Erleichtert atme ich aus. Mein Kopf fühlt sich seltsam leicht an.
„Herzlichen Glückwunsch im Namen der WERT-Gesellschaft. Bitte warte auf weitere Anweisungen.“ Silvy lächelt noch einmal, bevor ihr Bild verschwindet. Wer sonst noch bestanden hat, verrät sie natürlich nicht. Das ist typisch. Über die offiziellen Nachrichten erfahren wir Siedlungsbewohner kaum etwas voneinander. Klatsch und Gerüchte verbreiten sich dagegen wie ein Lauffeuer, trotz der vielen Spitzel, die Unruhestifter anschwärzen.
Also warten. Warten, warten.
Meine Fingerspitzen klopfen einen Zweivierteltakt, der bald in wildes Trommeln übergeht. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Der Theorieteil war machbar. Tektonik, Bodenphysik, Kontrolltechnik. Nicht, dass mich das interessiert hätte, doch Zahlen und Fakten kann ich mir einbläuen. Die praktischen Prüfungen sind was ganz anderes. Da geht es richtig zur Sache. Wer es schafft, weiß vorher keiner. Letztes Jahr wurde Borg abgelehnt. Borg, der einarmige Klimmzüge machen konnte oder im Handstand die Treppen runterlief. Durchtrainiert und siegessicher trat er an, am Boden zerstört kehrte er zurück. Seitdem ist er nicht mehr der Gleiche. Maya haben sie erstaunlicherweise genommen. Sie, die beim Laufen über ihre eigenen Füße fällt, stolperte geradewegs ins Adoptenprogramm. Angeblich wegen ihrer psychischen Qualitäten. Gehorsam, Linientreue und absolute Zuverlässigkeit. Alles Eigenschaften, die mir komplett fehlen.
Die Fanfare für politische Eilmeldungen reißt mich aus der Grübelei. Das allgegenwärtige WERT-Emblem mit der Nordhalbkugel, aus der unten Steckerkontakte wachsen, taucht auf dem Bildschirm auf. Dann wird der Monitor schwarz, und aus der Dunkelheit erscheint das fleischige Gesicht von Santos Sark. Die Kamera fährt langsam zurück, um den Energie-Senator und WERT-Direktor in ganzer Größe zu zeigen. Wie immer steht der mächtigste Mann der Welt, das spärliche steingraue Haar schnurgerade über den Kopf gebürstet, hinter einem Rednerpult und schaut staatstragend in die Kamera.
„Liebe Bürgerinnen und Bürger. Heute wende ich mich mit einer wichtigen und besorgniserregenden Mitteilung an Sie. Letzte Nacht wurde erneut ein Anschlag auf die Wasserversorgung im Kontinentalland verübt. Die Nord-Süd-Pipeline Nummer zweiundvierzig wurde dabei schwer beschädigt, zwanzigtausend Kubikmeter Wasser gingen verloren.“
Neben Sark erscheinen Fotos der beschädigten Pipeline, auf der die Terroristen ihr Erkennungszeichen hinterlassen haben. Sie machen aus dem Stecker-Symbol von WERT einen furchterregenden Schlangenkopf, verwandeln seine gelben Kontinente in stechende Augen und seine Metallkontakte in blitzende Giftzähne. Das Bild sprühen sie auf Wasserleitungen, Schleusentüren und Lüftungsaggregate. Wir waren da, sagen sie damit. Ihr seid nirgends sicher.
„Solche Anschläge führen zu Wasserknappheit, daher ist die Erhöhung der Literpreise unumgänglich“, erklärt der Senator. Ich mag seine Stimme nicht. Sie klingt irgendwie glitschig, wie der giftige Schleim, den ich jede Woche aus den Leitungen der Hydrokulturanlage herauskratzen muss. Als Sarks schmierige Worte in mein Bewusstsein kriechen, beginnen meine Ohren unangenehm zu kribbeln. Es ist, als würden mir Ameisen in die Gehörgänge kriechen. Ich balle die Fäuste zur Verteidigung gegen die fiktiven Krabbeltiere.
„Die bestmögliche Versorgung des Kontinentallands ist bei WERT unsere absolute Priorität, deshalb trifft uns dieser perfide Anschlag zutiefst.“ Mich dagegen treffen Sarks Worte wie eine neue Ameisenattacke. Die imaginären Insekten beißen sich an meinen Ohrläppchen fest, versenken ihre Zangen in meiner Haut, spritzen ihr brennendes Gift in die Wunden und hinterlassen rote Flecken.
„Aber – wir – sehen – nicht – tatenlos zu“, spricht Sark weiter. Seine Stimme jagt die Ameisen von meinem Hals über die Schultern bis zu meinen Händen hinunter. Es sticht und juckt zum Verrücktwerden.
„Der Mensch kommt bei uns immer zuerst, daher werden wir alle verfügbaren Ressourcen einsetzen, um die Versorgungslücke zu schließen“, verkündet der Senator. Sein Mund verzieht sich zu einem Lächeln, das allerdings nur die untere Gesichtshälfte erreicht. Sarks Augen strahlen Kälte aus und übermitteln eine andere Botschaft: Überheblichkeit, Verachtung, Bedrohung. So empfinde ich es zumindest.
„Unsere Tankwagen sind bereits zu den Siedlungen 4800 bis 4900 unterwegs. Bis Ihre Wohnungen wieder direkt beliefert werden können, erhalten Sie Ihre Tagesrationen bei den Sammelpunkten an der Oberfläche.“
Stocksteif sitze ich da. Der Juckreiz und Kratzzwang wird unerträglich. Doch ich darf mich nicht kratzen. Nicht kratzen. Nicht. Kratzen. Nicht … Ich reibe über die wunden Stellen an meinem Hals.
So ergeht es mir immer, wenn ich Lügen höre.
Das war früher brandgefährlich für mich und meine Eltern. Schon am ersten Schultag habe ich der scheinheiligen Lehrerin auf den Kopf zugesagt, dass sie lügt. Als sie mich mit zuckersüßen Belehrungen ruhigstellen wollte, brach mein Jähzorn durch. Schreiend stampfte ich mit den Füßen auf und wurde vorzeitig heimgeschickt. Am nächsten Tag musste ich zum Psychotest. Beim Gedanken daran rast mein Puls heute noch. Mein Vater hat dafür mit mir geübt und geübt, bis ich die richtigen Antworten ruhig aufsagen konnte. Zumindest daheim in der Wohnung hat es geklappt. Beim Test lief es trotzdem nur mäßig. Der Sondertrakt für Verrückte blieb mir erspart, doch der Schulleiter empfahl Heimunterricht. Das war eine schwere Aufgabe für meinen Vater, der nach seinen Nachtschichten als Schweißer an der Pipeline immer völlig erschöpft war. Manchmal ist er vor den Lehrbüchern eingeschlafen.
Ich betrachte meine Fingernägel. Die sind die größte Gefahr, wenn mich der Kratzzwang überfällt. Sie müssen immer schön rund und glatt gefeilt sein. Dennoch ist die Haut an meinem Hals schuppig und rau, an den frischen Kratzwunden schmerzhaft entzündet.
Der Arzt diagnostizierte Ignigitis, die „Feuerkrankheit“. Daraufhin folgten endlose Allergietests, die allesamt kein Ergebnis brachten. Ich hätte denen schon erzählen können, was mir fehlt: Ich bin allergisch gegen Lügen.
Oder ich bin wirklich verrückt.