Читать книгу Die Ring Chroniken 1 - Erin Lenaris - Страница 8

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5. Kapitel

Wie ferngesteuert marschiere ich hinter den anderen her. Heißer Zorn tobt in meinem Bauch und mischt sich mit Furcht. Wo bin ich hier hingeraten? Wenn dieser Wahnsinnige unser Training leitet, dann komme ich bestimmt nicht weit.

Die uns zugewiesene Wohneinheit ist zweigeteilt – links der Schlafsaal für uns Mädchen, rechts führt eine Tür zu dem der Jungs. Überall stehen silbern glänzende Wasserspender, an denen wir uns bedienen können. Die großen Glaswände werden sich zur Schlafenszeit verdunkeln, doch jetzt taucht die tief stehende Nachtsonne unsere neue Bleibe in goldenes Licht.

Der friedliche Eindruck täuscht, da bin ich mir sicher.

Zum Wohlfühlen einladen sollen auch die fünf strahlend weißen Betten an der Innenwand unseres Schlafsaals. In ihre glänzenden Kopfteile sind Displays eingelassen, die je einen Namen anzeigen. Olya Olienova, Taiga Merlo … Da! Mein Bett steht zwischen den Schlafstätten von Mila und einem sportlichen, rotwangigen Mädchen namens Anna. Diese stürmt begeistert quietschend auf ihr Bett zu, hebt ihr voluminöses Daunenkissen hoch und drückt es an sich wie ein gigantisches Stofftier. Auch ich klopfe erstaunt auf meine flauschige Decke. Zu Hause wickeln wir uns nur in dünne Tücher ein, alles andere wäre in der stickigen Untergrundsiedlung unerträglich. Wie kalt muss es hier werden, dass man solche Daunenberge braucht?

Über jedem Bett hängt ein Regalfach mit zwei dünnen Schlaftuniken, zwei leichten Hemden aus schimmerndem hellgrauem Stoff mit passenden Hosen sowie Wasch- und Schminkutensilien.

Durch die gläserne Außenwand können wir einen Blick auf die nächste Wohneinheit erhaschen, in der Mädchen aus einer anderen Klasse aufgeregt herumlaufen. Am Ende unseres Schlafraums führt eine Tür auf einen kleinen Balkon. Neugierig gehen wir hinaus und beugen uns über das durchsichtige Geländer. Unser Gebäude steht über einem Abhang auf Stelzen, die weiter vorne immer höher werden. Zehn Meter unter uns wachsen saftiges Moos und dunkelgrüne Farne auf einer von Eichen begrenzten Lichtung. Im Gegenlicht werfen die schwarzen Silhouetten der knorrigen Baumriesen lange Schatten.

„Bitte findet euch im Speisesaal zum Essen ein“, ertönt eine Durchsage. Auf dem Weg dorthin treffen wir die Jungs, die ebenfalls ihre Unterkunft bezogen haben. „Meee-ga-frisch“, murmelt Felix immer wieder, als sich aus der südlichen Glasfront atemberaubende Blicke auf die Skyline von Polaris bieten und wir im Norden zu schroffen Bergkämmen aufschauen. Die moosbepflanzten Wände, auf denen automatische Sprühanlagen regelmäßig feine Tropfen zerstäuben, die elegant geschwungenen Pausenbänke mit eingelassenen Lichtstreifen und die kleinen Tische, deren von innen beleuchtete Oberflächen wechselnde Naturmotive zeigen – Felix muss im Vorbeigehen alles anfassen. Dabei brabbelt er ständig vor sich hin. Während ich wortlos staune, schnieft Mila leise neben mir. Sie hat die Kehrseite von diesem Luxus schon hautnah erlebt.

Im Speisesaal scharen sich die Neuankömmlinge um das prächtige, von Leuchtwänden erhellte Buffet. Über hundert Adoptenanwärter hantieren mit dem glänzenden Servierbesteck oder greifen gleich mit den Fingern zu, laden ihre Teller voll, bekleckern sich beim Wegtragen mit Suppe und plappern dabei unaufhörlich. Aus den Gesprächsfetzen höre ich die unterschiedlichen Akzente heraus. Ich erkenne den kehlig-weichen Einschlag aus dem nahen Westen, den gedehnten Tonfall des fernen Westens und die hüpfende Sprachmelodie des Ostens. Jeder der zehn Rauringsektoren stellt einen Ausbildungstrupp für die eigenen Kraftwerke.

Die Trainer haben ihren eigenen Tisch. Die meisten sind kräftig, breitschultrig und muskelbepackt, mit Kurzhaarfrisur oder ganz glatt rasiert wie Tarmo. Nur einer hebt sich mit seinen dunklen, welligen Haaren, die ihm in die Stirn fallen, von den anderen ab. Er wirkt nicht nur jünger, die hohen Wangenknochen und das Grübchen an seinem Kinn machen ihn auch zu dem mit Abstand bestaussehenden Trainer. Die dunklen Brauen zusammengekniffen, hört er zu, wie Tarmo etwas erzählt und dabei mit der Gabel wild herumfuchtelt. Stirnrunzelnd lauscht er Tarmos Gerede, doch anstatt dem Ober-Glatzkopf zu widersprechen, beugt er sich nur über seinen Teller. Als er schließlich aufschaut, treffen sich unsere Blicke. Er zieht eine Braue hoch, und mir bleibt das letzte Stück Kürbis im Hals stecken. Ertappt! Schnell senke ich den Blick, während mir das Blut in den Kopf schießt.

Die Ungewissheit und der Lärm zerren an meinen Nerven. Aus den Unterhaltungen und dem lauten Gelächter höre ich Anspannung und Nervosität heraus. Einzig Milas traurig-sanfte Stimme hebt sich wohltuend von dem aufgeregten Geschnatter ab. Auch Felix‘ Witze helfen dabei, den Druck in meinem Magen etwas zu dämpfen.

Gemeinsam müssten wir es doch schaffen.

Am nächsten Morgen sind die während der Nacht schwarz getönten Fensterscheiben gerade erst wieder hell geworden, da informiert uns der Lautsprecher, dass das Frühstück für uns ausfällt. Als Adoptenschüler der Sektorengruppen A und B müssen wir nüchtern bleiben, weil uns heute die Nomen-Implantate eingesetzt werden.

Hungern. Implantate. Operationen. Verspricht ja ein toller Tag zu werden! Ich schlüpfe in die seidenweiche und dabei federleichte Kleidung, kämme mir rasch die Haare und schleiche zusammen mit Mila auf den Gang hinaus, um Felix zu suchen, den die Ansage bestimmt auch schon geweckt hat. Wir finden ihn beim Wasserspender, wo er auf die Endlosschleife aus dem Lautsprecher horcht.

„Nomen?“, fragt er. „Was soll das sein? Na, es reimt sich immerhin schon mal auf Omen.“

„Das steht für Nanotechnologische Optimierung, Medizin und Nachrichten“, erklärt Mila.

Überrascht dreht sich Felix zu ihr. Dann lacht er und boxt sie freundschaftlich in die Seite. „Mila, das wandelnde Lexikon!“

Sie lächelt scheu zurück und errötet. „Das kennst du bestimmt aus den Nachrichten. Das Nomen-Implantat ist schließlich das erfolgreichste Produkt von WERT. Hier im Regenring kriegen das schon die Kinder. Soll wirklich praktisch sein! Man kann damit Filme und Nachrichten anschauen oder selber welche verschicken. Die Daten werden direkt in deinem Blut gespeichert.“

„In meinem Blut?“ Felix reißt die Augen auf.

Mila stutzt. „Kennst du das nicht? Das gibt es doch schon seit zwanzig Jahren! – Echt jetzt? Das ist dir neu?“ Sie schüttelt verwundert den Kopf. „Na ja, die Grundidee ist, dass DNA-Ketten nicht nur unser Erbgut, sondern beliebige Informationen speichern können. Das Nomen schreibt seine Daten also auf Aminosäure-Fäden, schüttet sie ins Blut seines Trägers und filtert sie zum Auslesen wieder heraus.“

Felix kräuselt die Nase. „Und der ganze Müll verstopft uns dann die Adern, oder was?“

„Da wird gar nichts verstopft“, beruhigt ihn Mila. „Die Datenpäckchen sind viel, viel kleiner als deine Zellen. Die passen überall durch. Und dann enthält jedes Blutströpfchen deine kompletten Daten!“

Unbehaglich rubble ich an meinem Rauring. Bei dem Gedanken, bald als lebender Datenspeicher herumzulaufen, wird mir ganz mulmig. Worauf habe ich mich da nur eingelassen?

Unsere Gruppe ist in einer Stunde zur Untersuchung dran. Bis dahin heißt es warten. Felix erinnert sich an eine abgelegene Sitzecke, die er bei unserer Ankunft entdeckt hat. „Zu dritt übersteht man die Wartezeit leichter“, meint er. Mila und ich zucken mit den Schultern und folgen ihm ans Ende der Galerie, die rund um die Trainingsräume verläuft.

„Hier ist es schön“, sagt Mila seufzend, setzt sich in einen der blattförmigen Schalensessel und zieht die Knie an die Brust. Erst jetzt bemerke ich, wie rot und geschwollen ihre Augen sind. Der Verlust ihrer kleinen Irri macht ihr schwer zu schaffen.

Selbst Felix sieht geknickt aus. Eine Weile starren wir schweigend aus dem Fenster. Draußen herrscht dichter Nebel. Wo gestern alles in lebhaftem Grün geleuchtet hat, ist heute alles grau in grau.

Doch Felix kann nie lange stillsitzen. Schon im nächsten Augenblick bewegen sich seine Hände in der Hosentasche. Ich kann ihm an der Nasenspitze ablesen, dass er etwas ausheckt. Verschwörerisch lehnt er sich zu Mila herüber. „Möchtest du ein Geheimnis hören? Aber du darfst es niemandem verraten. Du musst schweigen wie ein Grab.“

Milas Antwort wartet er gar nicht erst ab. „Emony hat einen Lügendetektor eingebaut“, raunt er ihr zu. „Wenn sie auch nur die kleinste Schwindelei hört, brennen ihr buchstäblich die Ohren, und ihr Hals zeigt Alarmstufe Rot.“

Ich stöhne laut auf. Felix prahlt mit meinem Lügenfeuer, als ob es eine Superkraft wäre. Dabei bereitet es mir nichts als Ärger. Sogar bei meinen eigenen Flunkereien bricht es aus. Niemand kann sich vorstellen, wie nervig das ist.

Ungläubig schüttelt Mila den Kopf, daher schlägt Felix einen Test vor. Mila soll zwei Geschichten erzählen, eine wahre und eine falsche. „Unser Rotkehlchen wird die Lüge erkennen“, verkündet er voller Vorfreude.

Mila schnieft und wischt sich über die Nase. „Mir fällt gar nichts ein.“

„Das ist doch ganz einfach! Erzähl uns, wo du herkommst. Und zwischendurch flunkerst du ein bisschen … Ich zum Beispiel komme aus dem Grünland.“ Felix zieht den Glücksglobus aus seiner Tasche und deutet auf einen der kleinen Kontinente. „Hier kannst du es sehen.“

Bestürzt schiebt Mila seine Hand beiseite. „Du musst deinen Talisman verstecken“, flüstert sie. „Sonst nehmen sie ihn dir weg und bestrafen dich vielleicht noch dafür.“

Sofort greife ich nach dem Rauringsplitter unter meinem Hemd. Schnell stelle ich meinen Hemdkragen auf, um ihn noch besser zu verbergen. Felix verzieht erschrocken den Mund und steckt seinen Globus hastig weg, wobei sein Blick unruhig umherschweift. Aber weil weit und breit niemand zu sehen ist, lächelt er uns wieder an. „Was ich sagen wollte: Meine Urgroßeltern waren Grünbauern mit ganz vielen Tieren auf ihrem Hof.“ Verschwörerisch zwinkert er mir zu. „Naaa, Emo, wo bleibt dein Lügenfeuer?“

„Das kümmert sich nicht um deine Scherze. Nur echte Lügen brennen und jucken bei mir.“

Mila richtet sich im Sessel auf und blinzelt erstaunt. „Du meinst, wenn dich jemand bewusst täuschen will? Dann erkennst du die Unwahrheit?“

Felix schaut sich vorsichtig um. „Wir verraten dir noch ein Geheimnis. Senator Sark ist ein Lügner. Wenn ihn Emony nur in den Nachrichten sieht, sträuben sich bei ihr schon die Haare“, flüstert er.

Wie unbedacht von Felix! Wenn Mila nicht dichthält, sind wir beide dran. Ich werfe ihm einen warnenden Blick zu.

„Im Gesicht merke ich gar nichts“, wiegle ich ab. „Wenn er zu reden anfängt, überkommt mich manchmal ein komisches Gefühl. Aber das geht doch jedem so.“

Da bricht es aus Mila heraus: „Mein Vater verabscheut den Sark auch! Das sagt er natürlich nicht laut, aber das Sektorbüro hat es trotzdem irgendwie spitzgekriegt. Jetzt haben sie ihn auf dem Kieker und wollen ihm wegen aufsässiger Gesinnung seinen Rauring wegnehmen. Dabei kann er mit seinem schwachen Herz sowieso schon nicht mehr an den Pipelines arbeiten!“ Milas Stimme ist ungewohnt laut geworden. Als sie das merkt, zieht sie verschämt den Kopf ein und schiebt leise nach: „Wenn er den Ring auch noch verliert, ist er ein Niemand, eine Unperson. Mit dem Register-Chip ist er auf einen Schlag sein Konto los und seine ganze Rente. Deshalb will ich Adoptin werden.“

Mila beißt sich auf die Lippe, als hätte sie Angst, sich verplappert zu haben. Am liebsten würde ich sie ganz fest drücken. Schließlich weiß ich jetzt, dass ich den schleimigen Sark nicht als Einzige hasse.

„Ich muss für meinen Vater sorgen“, rechtfertigt sie sich. „Seit dem Tod meiner Mutter hat er doch nur noch mich.“

„Hast du auch keine Geschwister, so wie Emony und ich?“, fragt Felix.

„Nein“, antwortet Mila, einen Tick zu energisch.

Meine Ohren kribbeln. „Bist du wirklich ein Einzelkind?“

Milas Mund bleibt eine Sekunde lang offen stehen. „Jetzt schon. Mein großer Bruder ist spurlos verschwunden. Vor einem Jahr.“ Sie zieht die Knie wieder an die Brust und legt ihren Kopf darauf. Mehr will sie nicht erzählen.

Ich weiß genau, wie es ihr geht.

Endlich ruft uns der Lautsprecher ins Medizinzentrum. Felix springt auf und verschwindet in Richtung Schlafsaal, um seinen Talisman unter der Matratze zu verstecken, bevor uns die Ärzte filzen. Wieder taste ich nach meiner Rauring-Kette, die nun unter dem hochgeschlossenen Hemdkragen verborgen ist. Hoffentlich nehmen sie mir die nicht weg. Sie ist zusammengelötet und hat keinen Verschluss. Um sie abzunehmen und zu verstecken, hätte ich sie kaputt machen müssen. Aber das hätte ich nie übers Herz gebracht, denn diese Kette ist die einzige greifbare Verbindung zu meinem Vater. Die kann ich unmöglich zerreißen.

Während ich über all das nachgrüble, sind Mila und ich in dem fensterlosen, aber von kühlen Lichtfeldern taghell erleuchteten Untersuchungsraum angekommen. Schnaufend schließt auch Felix zu uns auf. Die Untersuchung soll mit einer Blutabnahme beginnen, erklärt uns eine Tonbandstimme. Zur individuellen Anpassung unseres Nomen-Implantats seien umfangreiche Labortests notwendig. Blutgruppen, Rhesusfaktoren, Rezeptorstrukturen, blabla, schwafel, schwafel. Jedes Implantat ein Unikat! Und ganz nebenbei werde uns die große Ehre zuteil, mit unserer Blutspende der weiteren Nomen-Forschung zu dienen.

„Und wenn ich nix spenden will?“, sagt Felix grummelnd, wobei er unruhig auf den Zehenspitzen auf und ab wippt.

„Gibt es denn hier keinen Arzt?“, fragt Olya und wickelt nervös eine blonde Locke um ihren Finger.

Als Antwort surrt eine Milchglasscheibe zur Seite und gibt den Blick auf eine Reihe glänzender Stative frei. Darauf sind erschreckend große leere Flaschen montiert, von denen dicke Schläuche herunterhängen. Keller, Kern, Omen … Jede hat ein Namensschild. Sie sollen ganz offensichtlich mit Blut gefüllt werden. Felix schnappt hörbar nach Luft. Alle flüstern aufgeregt durcheinander.

Mit einem Mal nähern sich polternde Schritte. Aufgeregt drehen wir uns um. Das wird doch nicht Tarmo sein? Er ist es. Schlagartig wird es mucksmäuschenstill.

„Wir prüfen jetzt eure Belastbarkeit“, erklärt er mit scharfer, schneidender Stimme. „Schwächlinge haben hier im Trainingslager nichts zu suchen, also sortieren wir frühzeitig aus.“

Nun bleibt selbst Felix die Spucke weg. Sein Mund steht halb offen. Alle Farbe ist ihm aus dem Gesicht gewichen, sogar seine Sommersprossen sind verblasst.

Tarmo klopft auf eine der leeren Flaschen. Es klingt erschreckend hohl, doch der Glatzkopf grinst. „Jetzt stellt sich heraus, was in euch Dörrpflaumen steckt!“

Beim Anblick der blitzenden Stative wird mir schummrig. Aus dem Augenwinkel bemerke ich eine Bewegung. Das Mädchen neben mir ächzt, und ihre Knie knicken ein.

„Das ist die Erste“, verkündet Tarmo höhnisch. Er winkt zwei Helfer herbei, damit sie die Ohnmächtige hinaustragen.

„Wer freiwillig gehen will, tut das am besten jetzt“, sagt er und schaut sich herausfordernd um.

Weil sich keiner meldet, werden die ersten drei an die Blutabnahmeständer angeschlossen und kriegen einen Schaumstoffball in die Hand gedrückt. Den sollen sie rhythmisch quetschen, damit das Blut im Schlauch hochsteigt. Meine Knie fühlen sich wie Pudding an. Ich blicke mich nach einem Stuhl um, allerdings gibt es keinen.

Als ich zusammen mit Mila und einem kräftigen Typen namens Ben aufgerufen werde, versichert mir mein Verstand, dass das machbar sein sollte. Aber mein Bauch ist da anderer Meinung. Mit einem flauen Gefühl im Magen beobachte ich, wie der Arzthelfer meine Unterarme nach einer passenden Vene absucht und die potenzielle Einstichstelle desinfiziert. Ein Zittern geht durch meinen Körper, kaum dass er die metallene, kalte Kanüle in meine Vene schiebt. Meine Finger fühlen sich matt und kraftlos an, doch ich schließe meine Hand um den Quetschball, der die Form einer halben WERT-Weltkugel hat, und drücke zu. Ich konzentriere mich auf das leise Zischen des Erdballs, dem bei jedem Quetschen die Luft entweicht. Im Unterarm spüre ich ein dumpfes Stechen. Ist das jetzt gut oder schlecht?

Egal. Ich schaffe das.

Der Junge neben mir drückt seinen Ball mit aller Kraft und lockt so dunkelrotes Blut aus seinen Venen. Langsam steigt es in dem durchsichtigen Schlauch hoch und kriecht durch die Windungen wie Sonora, die sich auf das Chamäleon zu schlängelt. Ich wende mich ab.

„Nicht wegschauen“, befiehlt Tarmo. „Guck auf die Flasche! Da drin ist schließlich dein Innerstes.“

Olya fragt, ob die Gefäße wirklich randvoll werden müssen. Grinsend bejaht Tarmo das. Ein kollektives Aufstöhnen erfüllt den Raum.

Dann hören wir nur noch das Gurgeln in unseren Schläuchen. Nicht nur das eklige Geräusch lässt mich genauer hinblicken. Tarmos Antwort auf Olyas Frage hat auch meinen Ohrläppchenbrand ausgelöst. Und da sehe ich es: Die Flasche hat eine doppelte Wand, genau wie der Schlauch. Das Blut muss nur die äußere Gefäßhülle füllen.

Um Felix und Mila meine Entdeckung mitzuteilen, schnalze ich leise mit der Zunge und zeige mit dem Kinn auf die Flasche. Mila schaut mich fragend an, schließlich lächelt sie. Felix dagegen starrt nur blicklos ins Leere. Als Kind ist er einmal gegen einen Generatorkasten geknallt und hat sich eine Platzwunde am Kopf geholt. Es war halb so schlimm, aber er ist umgekippt, weil er sein eigenes Blut nicht sehen konnte. Kein Wunder, dass er jetzt gefährlich schwankt.

Vor lauter Sorge um Felix vergesse ich meine eigene Angst und schaue überrascht auf, als der Pfleger meine Nadel entfernt. Ich habe es geschafft. Wieder einen Schritt näher daran, eine Adoptin zu werden.

Die Ring Chroniken 1

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