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DIE TULPE

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Wohl kaum eine Pflanze des Frühlings ist uns so vertraut wie die Tulpe. Ihre großen leuchtenden Blüten sind im April und Mai die Zierde unserer Gärten und Parkanlagen. Bald nach dem Frühlingsanfang brechen ihre Blätter aus dem Boden hervor. Der Spross wächst ziemlich rasch in die Höhe. Zwischen den Blättern erscheint die grüne Blütenknospe, die vom Stängel weiter emporgetragen wird. Hier vollzieht sich dann an wärmeren Tagen die eindrucksvolle Verwandlung in die leuchtend rote, gelbe oder weiße Blüte. Blätter und Blütenknospe hatten sich schon im Vorjahr in der Zwiebel, jener mächtig angeschwollenen Knospe, gebildet. Indem sie nun aus dem Inneren der Zwiebel hervortreten und sich in der täglich zunehmenden Sonnenwirkung entfalten, erscheint der Frühling durch das lebensvolle Grün der Blätter und das frische Leuchten der Blüten wie auf einem Höhepunkt.

Allerdings, die Tulpe passt nicht recht zu den anderen Zwiebelpflanzen des Frühlings, zu dem Gelb-, dem Blauoder dem Milchstern zum Beispiel. Ihre Blätter und ihre Blüte sind auffallend groß. Das erinnert daran, dass die Tulpe bei uns eigentlich ein Fremdling ist. Sie kam erst im 16. Jahrhundert aus Bulgarien nach Mitteleuropa. Die Heimat der Gattung Tulipa und ihrer verschiedenen Arten sind das südliche Europa und die gemäßigten Gebiete Asiens. So stammt unsere Garten-Tulpe (Tulipa Gesneriana) aus einem südlicheren Frühling. Auch die kleinere Wilde Tulpe (Tulipa silvestris), die man bisweilen in Obstgärten, Parkanlagen und Weingärten findet, wurde im 16. Jahrhundert aus dem Mittelmeergebiet in unsere Gegenden gebracht.

Was jedem Betrachter der Tulpe auffällt, ist ihre einfache Gestalt. Am Spross entfalten sich nur wenige Blätter. Ihre Blattfläche entspringt ohne Stiel unmittelbar aus dem Stängel. Die enge Verbindung mit dem Stängel kommt auch in der Richtung zum Ausdruck; die Blätter wenden sich nicht zum Umkreis, sondern streben nach oben. Und den Blattflächen fehlt die Geste des inneren Sich-Ausweitens; durch den bogenförmigen Verlauf ihrer Blattadern haben sie wie die Blätter aller Zwiebelgewächse eine in sich abgeschlossene Struktur. Besonders das erste Blatt umschließt an seinem Grund den Stängel. Am stärksten ist diese umhüllende Geste aber bei den Schuppenblättern im Inneren der Zwiebel. Sie klingt dann am Spross in der Folge der wenigen Laubblätter etwas ab. So gleicht der Spross insgesamt einer Bildung, die am Anfang der Entfaltung steht. Das gilt auch für das Blühen. Normalerweise weitet sich die Pflanze in der Blütenregion zu einem Blütenstand. Bei den meisten Zwiebelpflanzen entstehen einfache traubenförmige Blütenstände. Bei der Tulpe wird aber nur die Endblüte gebildet. Ihre Blütenhülle ist wie bei allen Liliengewächsen einfach. Und die Blütenblätter sind in ihrer Form den grünen Blättern des Sprosses oft noch recht ähnlich.

Die Form der Blüte ist allerdings eindrucksvoll. Die sechs Blütenblätter umschließen einen weiten, tiefen Innenraum, der sich ganz nach oben richtet (s. Farbabb. 3). An kühleren Tagen schließt er sich, an wärmeren wird er etwas offener. Dabei wachsen die Blütenblätter in die Länge. So wird das Sich-Hinwenden der Blüte nach oben, zur Ferne intensiver. Im Inneren dieses tiefen Blütenkelches sind die Staubgefäße und der Stempel verborgen. Die Filamente der Staubgefäße sind kurz und derb, der Fruchtknoten geht ohne Griffel unmittelbar in die Narbe über.

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