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1. Burgund in Nordwesteuropa

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1477

Heirat Erzherzog Maximilians mit Maria von Burgund

1479

Sieg Maximilians über Frankreich in der Schlacht bei Guinegate-Thérouanne (7. August)

1482

Vertrag von Arras (23. Dezember): Abtretung Burgunds an Frankreich

1493

Friede von Senlis (Mai): Abtretung des Herzogtums Burgund an Frankreich

1494

Philipp der Schöne wird für mündig erklärt (September)

1506

Tod Philipps. Karl wird Herzog von Burgund

1515

vorzeitige Mündigkeit Karls

1529

Damenfriede von Cambrai: Karl verzichtet auf das Herzogtum Burgund

1531

Maria von Ungarn wird Statthalterin der Niederlande. Reform der Ratsgremien

1536–39

Aufstand und Unterwerfung Gents

1543

Erwerb von Geldern

1544

Friede von Crépy: Verzicht des französischen Königs Franz I. auf die Lehnshoheit über Flandern und Artois

1548

„Augsburger Vertrag“: stärkere Unabhängigkeit der Niederlande vom Reich

1553–59

Residenz Philipps II. in Brüssel

1553–58

Maria Tudor Königin von England

1554

Heirat Philipps II. mit Maria Tudor

Burgund war der erste Herrschaftskomplex, in dem der junge Prinz Karl, der spätere Kaiser Karl V., die Herrschaft übernahm: 1506 wurde er nach dem Tode seines Vaters Philipp des Schönen Herzog von Burgund. Allerdings führte ein Regentschaftsrat für ihn die Geschäfte. Burgund prägte den jungen Herzog kulturell und politisch; dort lernte er, was ein Herrscher sein und tun sollte und welche politischen Konflikte auf ihn warteten. Die Kultur Burgunds am Hof und in den Städten wirkte damals stilprägend, besonders die kunstvolle, gesangliche mehrstimmige Vokalmusik, nach der Herkunft der Musiker die „frankoflämische Vokalpolyphonie“ genannt. Ein ausgefeiltes Hofzeremoniell hob den Rang der Herzöge hervor; ob es in seiner Zeit auch auf andere Staaten gewirkt hat, ist noch unklar. Die politische Lage Burgunds war durch zwei große Konfliktfelder bestimmt: im Innern durch die Auseinandersetzung um die herzogliche Stellung gegenüber den Ständen, nach außen durch einen Dauerkonflikt mit Frankreich. Im Innern hatten die Habsburger nach kurzem Kampf gesiegt, der äußere Konflikt mit Frankreich durchzog Karls gesamte Regierungszeit, ohne gelöst werden zu können.

„Burgund“ umfasste, vereinfacht gesagt, das Gebiet der heutigen Niederlande und Belgiens, das damals zusammenfassend „die Niederlande“ (les pays d’en bas) genannt wurde, dazu im Süden das namengebende Herzogtum Burgund und die Franche-Comté. Zwischen dem Herzogtum und der Franche-Comté einerseits und den Niederlanden andererseits lagen das Herzogtum Lothringen sowie französisches Territorium. Die einzelnen Teile oder „Provinzen“ Burgunds bildeten keinen einheitlichen Staatsverband, sondern ein Konglomerat aus Herrschaften verschiedener Rechtsstellung.

Die burgundischen Staaten

(In Klammern steht das Erwerbungsdatum, wenn es in die Zeit Karls V. fiel.)

Fürstbistum Lüttich; Herzogtum Brabant; Herzogtum Geldern (1543); Herzogtum Luxemburg; Herzogtum Limburg; Franche Comté; Grafschaft Holland; Grafschaft Seeland; Grafschaft Flandern; Grafschaft Hennegau; Grafschaft Artois; Grafschaft Namur; Herrschaft Drenthe (1536); Herrschaft Friesland (1523); Herrschaft Utrecht (1528); Herrschaft Overijssel (1538); Herrschaft Groningen (1536); Lille-Douai-Orchies. Herzogtum Burgund, Grafschaft Rethel und Picardie waren seit 1493 französisch.

Die Herzöge von Burgund hatten ihre Gebiete zu Lehen teils vom Reich, teils von Frankreich (Flandern und Artois). Der Herzog von Geldern verkaufte seine Rechte 1477 an Burgund, aber weder sein Sohn noch Frankreich erkannten diesen Verkauf an, sodass das Gebiet zwischen Habsburg und Frankreich umstritten blieb.


Trotz ihrer Lehnsabhängigkeit hatten die Herzöge von Burgund schon im 15. Jahrhundert eine sehr selbstständige Politik treiben können, vor allem aufgrund ihres Reichtums. Der burgundische Hof war der reichste Europas dank der Steuerkraft der reichen Städte wie Gent, Antwerpen und Brügge, die hauptsächlich vom Handel und von der Wollweberei lebten. Die Wolle bezogen die niederländischen Tuchhändler und die Manufakturen meist aus England, weshalb sie auch an guten diplomatischen Beziehungen zu England interessiert waren.

Manufakturen

Manufakturen nennt man größere Werkstätten (12 bis mehrere Dutzend Arbeiter), in denen arbeitsteilig produziert wurde. Der Manufakturarbeiter war meist ein spezialisierter Handwerker, aber er war nicht für das gesamte Produkt, sondern nur für einen Teil-Arbeitsgang verantwortlich. Manufakturen konnten durch Arbeitsteilung und Standardisierung und aufgrund ihrer Freiheit von den Zunftbeschränkungen mehr produzieren als das traditionelle zünftische Handwerk.

Gestützt auf seinen Reichtum, versuchte der letzte selbstständige Herzog von Burgund, Karl der Kühne (frz.: le téméraire, eigentlich: der Verwegene, Draufgänger, der Blindwütige, 1467–1477), sich durch Eroberungspolitik ein vergrößertes, zusammenhängendes und unabhängiges Territorium zu schaffen. Aber er scheiterte am Widerstand der Eidgenossenschaft. Die Schweizer schlugen ihn 1476 bei Grandson, bei Murten und ein halbes Jahr später bei Nancy. In dieser Schlacht am 5. Januar 1477 fiel Karl der Kühne.

Die Stände nutzten diesen Moment sofort aus, um sich eine stärkere Beteiligung an der Regierung zu sichern. Sie erkannten Karls des Kühnen Tochter Maria als Herzogin an, im Gegenzug musste sie ihnen aber das so genannte Große Privileg gewähren.

Das Große Privileg

Das Große Privileg vom 11. Februar 1477 stärkte die Stellung der Stände gegenüber der Landesherrschaft. Die Stände des Landes (Generalstände) und der einzelnen Provinzen (Provinzialstände) sollten sich selbstständig versammeln können, d.h. ohne vom Landesherrn einberufen worden zu sein. Sie sollten außerdem über Krieg und Frieden entscheiden dürfen. Die Institutionen, die unter Karl dem Kühnen zur Konzentration der Herrschaftsbefugnisse beim Landesherrn beigetragen hatten, das Obergericht in Mecheln und der Allgemeine Rechnungshof, wurden abgeschafft.

Die Schwäche der burgundischen Regierung im Moment des Herrscherwechsels nutzte auch der französische König Ludwig XI. (1461–1483). Er besetzte das Herzogtum Burgund, die Freigrafschaft und die Picardie und führte Krieg, um womöglich ganz Burgund für Frankreich zu gewinnen. Marias Herrschaft wurde also doppelt bedroht, von den Ständen und von Frankreich.

In dieser Lage bedeutete es eine Stärkung für Maria, dass sie 1477 Maximilian, Erzherzog von Österreich, den „letzten Ritter“, heiratete. Er führte den Krieg gegen Frankreich und errang in der Schlacht bei Guinegate-Thérouanne 1479 einen glänzenden Sieg. Als sich aber der Krieg länger hinzuziehen drohte, weigerten sich die Stände, weitere Steuern zu bewilligen, und suchten mit Frankreich Frieden zu schließen. Maximilian war zum Frieden nicht geneigt, weil er kein burgundisches Gebiet an Frankreich abtreten wollte. Deshalb betrieben die Stände unter Führung Flanderns ihre eigene Politik gegen Maximilian und respektierten seine Autorität immer weniger. Schließlich führten sie sogar Krieg gegen ihn, einen Krieg, der von Frankreich geschürt und unterstützt wurde. Als Maria 1482 starb, erhoben sie den vierjährigen Sohn Maximilians und Marias, Philipp den Schönen, zum Herzog – faktisch stand er allerdings unter der Vormundschaft der Stände. Im Vertrag von Arras (23. Dezember 1482) setzten sie über Maximilians Kopf hinweg eine frankreichfreundliche Politik durch: Die erst zweijährige Tochter Maximilians und Marias, Margarete, wurde an den französischen Kronprinzen Karl (den späteren König Karl VIII.) verheiratet, und als „Mitgift“ wurden das Herzogtum Burgund und weitere Gebiete an Frankreich abgetreten. Maximilian akzeptierte aber den Vertrag nicht und musste deshalb die Stände und Frankreich zugleich bekämpfen. Die schlimmste Niederlage in diesem Krieg erlitt er 1488, als ihn in Brügge bewaffnete aufständische Bürger überraschten, ihn einkesselten, festnahmen und vier Monate lang gefangen hielten. Erst dann konnte sein Vater, Kaiser Friedrich III. (1440–1493), ein Reichsheer aufbieten und ihm zu Hilfe kommen. Sehr allmählich gewann Maximilian wieder die Oberhand, aber sowohl die Niederwerfung der aufständischen Stände und Städte als auch der Krieg mit Frankreich zogen sich noch bis 1493 hin. Den Krieg mit Frankreich beendete der Frieden von Senlis. Maximilian musste auf das Herzogtum Burgund, die Grafschaft Rethel und die Picardie verzichten, sie wurden französisch. Die Stände besiegte Maximilian militärisch und kassierte 1492/93 das Große Privileg. Damit verloren sie die rechtliche Garantie ihrer starken Stellung.

Maximilians und Marias Sohn Philipp der Schöne wurde 1494 als Herzog von Burgund für mündig erklärt. Nach seinem frühen Tod 1506 ging die Herrschaft über die habsburgisch gebliebenen Provinzen Burgunds an Maximilians Enkel über, den 1500 geborenen Erzherzog Karl (den späteren Kaiser Karl V.). Der Regentschaftsrat ließ ihn 1515 vorzeitig für mündig erklären, um eine frankreichfreundliche Politik durchzusetzen, der auch der junge Herzog zuneigte. Diese politische Linie ließ sich allerdings nicht lange durchhalten, denn sowohl Karl als auch der französische König Franz I. (1515–1547) erhoben Anspruch auf Gebiete des jeweils anderen. Franz I. reklamierte das Reichslehen Mailand als sein rechtmäßiges Erbe, Karl das Herzogtum Burgund. Deshalb führten beide Herrscher fast fortdauernd gegeneinander Krieg, und jeder unterstützte die Feinde des anderen. Für Burgund hieß das, dass Frankreich den Herzog von Geldern in seinem Kampf gegen Burgund mit Waffen und Geld versorgte, um Karl Schwierigkeiten zu machen. Karl wiederum versuchte, gegen Frankreich den König Heinrich VIII. von England (1509–1547) zum Verbündeten zu gewinnen – was ihm zeitweise, aber nicht durchgehend gelang. Die Bündnisse jener Zeit waren sehr labil, Loyalität gründete sich nur auf Familienverbindungen und das jeweilige politische Interesse, das sehr schnell wechseln konnte. Karl verzichtete schließlich im Damenfrieden von Cambrai 1529 endgültig auf das Herzogtum Burgund, nachdem er es in mehreren Kriegen nicht hatte gewinnen können.

Damenfriede von Cambrai

Damenfriede heißt der in Cambrai geschlossene Friedensvertrag von 1529, weil er von zwei Frauen ausgehandelt wurde, der Tante Karls, Margarete von Österreich (1480–1530), und der Mutter des Königs Franz, Louise von Savoyen (1476–1531). Die „Damen“ mussten eingreifen, weil es die beiden Herrscher aus gegenseitiger Erbitterung ablehnten, miteinander zu verhandeln.

Da Franz I. in diesem Friedensvertrag auf die Lehnshoheit über Flandern und Artois verzichtete, hätten die Konflikte um Burgund eigentlich gelöst sein müssen. Burgund blieb in den 30er-Jahren auch von Kriegszügen verschont, weil die Auseinandersetzungen zwischen Karl V. und Franz I. sich auf Italien konzentrierten. 1542 wurde es aber wieder zum Kriegsschauplatz – offiziell, weil der Herzog Wilhelm von Jülich (1538–1592) nach dem Tod der letzten Herzöge von Geldern 1539 Ansprüche auf das Herzogtum erhob und von Frankreich darin unterstützt wurde, tatsächlich wohl einfach deshalb, weil Burgund an Frankreich grenzte und es dem französischen König deshalb nicht schwer fiel, ein Heer dorthin zu schicken und dem Habsburger damit Schwierigkeiten zu machen. Karl V. konnte Geldern allerdings nach kurzem Feldzug 1543 unterwerfen und für sich gewinnen; der Herzog musste versprechen, das französische Bündnis zu lösen.

Für den Krieg gegen Frankreich hatte Karl die Hilfe des englischen Königs Heinrich VIII. und 1544 auch die Hilfe des Römischen Reichs gewinnen können. Zwar scheiterte der geplante Marsch auf Paris, aber auch König Franz hatte weder Geld noch Soldaten mehr für einen Feldzug. Am 18. September 1544 schlossen die beiden Kriegsgegner Frieden in Crépy – allerdings gegen den ausdrücklichen Widerspruch des französischen Kronprinzen Heinrich.

Friede von Crépy

Der Friede von Crépy bestätigte die Abmachungen von Cambrai, ohne ausdrücklich von ihnen zu sprechen. Das bedeutet, dass beide Seiten nur auf Ansprüche verzichteten, die sie schon zuvor nicht hatten durchsetzen können – Karl auf Burgund, Franz auf die Lehnshoheit über Flandern und Artois.

Erst nach den vielen Kriegen gelang es Karl, die burgundischen Niederlande etwas stärker zu einem einheitlichen Staatsverband zu machen. Schon 1521/22 in den Teilungsverträgen mit seinem Bruder Ferdinand I. (geb. 1503, König 1531–1564, Kaiser ab 1558) hatte er Burgund so behandelt, als wäre es ein einheitliches Staatsgebiet, und es sich und seinen Nachkommen zugesprochen. Nachdem Franz I. von Frankreich im Frieden von Crépy 1544 auf die Lehnshoheit über Flandern und Artois verzichtet hatte, machte Karl im „Augsburger Vertrag“ 1548 den burgundischen Herrschaftenverband stärker unabhängig vom Reich. Er gehörte zwar als „Burgundischer Kreis“ zum Reich, unterstand aber weder der Gesetzgebung noch der Rechtsprechung des Reichs. 1549 sprach Karl ihn ausdrücklich seinem Sohn Philipp II. (geb. 1527, König von Spanien 1556–1598) zu.

Innerhalb des burgundischen Herrschaftsverbandes hatten schon die Herzöge vor Karl dem Kühnen ein gewisses Maß an „Herrschaftsverdichtung“ erreicht. Das Hofzeremoniell (später das „spanische“ genannt, weil Karl V. es für Spanien übernahm) hielt die Höflinge deutlich auf Distanz zum Herzog. Burgundische Adlige mussten jedes Jahr für eine gewisse Zeit am Hof Dienst tun; so erfuhr der Herzog, was im Land vorging, und konnte seine Entscheidungen im Lande leichter durchsetzen. Das burgundische Obergericht in Mecheln war neben dem Herzog die oberste Rechtsinstanz im Lande und konnte – was für jene Zeit sehr ungewöhnlich war – den niederen Gerichten Weisungen erteilen oder Fälle zur Revision zurückgeben. Damit bahnte sich die Ablösung des Rechts von der Person des Herzogs an. Karl V. vollzog 1531 einen weiteren Schritt in diese Richtung, indem er die Regierungsgremien teilte: Es wurde ein „Rat“ für die Finanzen, einer für die Außenpolitik und einer für die Justiz gebildet. Damit wurde die Herrschaftsausübung unabhängiger von der ständigen Anwesenheit des Herrschers, und die Statthalterin – in der Regierungszeit Karls V. führten ausschließlich Frauen für ihn die Regentschaft in den Niederlanden – behielt leichter den Überblick über die Regierungsgeschäfte.

Die Versammlung der so genannten Generalstände, der Stände des gesamten Landes, unternahm nach der Zeit Maximilians keine Versuche mehr zu einer eigenständigen Regierung. Sie konnten zwar zäh verhandeln, wenn Karl V. sie wegen seiner ständigen Kriege vor allem gegen Frankreich um Geldbewilligungen anging, und die Statthalterinnen mahnten ihn öfter, Burgund nicht übermäßig zu belasten. Aber zu spektakulären Verweigerungen kam es nicht – mit einer Ausnahme. Als Karl V. 1536 von den Ständen eine besonders hohe Steuer verlangte, wehrte sich die Stadt Gent, möglicherweise aus Furcht vor steigendem Steuerdruck, weil Karl im Jahr zuvor eine Bewilligung für mehrere Jahre verlangt, aber nicht erhalten hatte. Der Magistrat weigerte sich, die Steuer aufzubringen. Als die Statthalterin Maria von Ungarn (1531–1556) daraufhin 1539 einen neuen Magistrat einsetzte, wurde er durch eine Erhebung der Zünfte gestürzt. Karl V. aber reagierte hart; er ließ die Stadt militärisch besetzen, und Gent verlor seine Privilegien und musste an der Stelle eines Klosters den Bau einer herrschaftlichen Zitadelle zulassen. Die gemeinsame Revolte gegen die Steuerbelastung wagten die Stände nicht. Gewalt allein ließ eine Herrschaft offenbar nicht illegitim erscheinen.

Burgund kann man als ein Kernland des Imperiums Karls V. bezeichnen. Die burgundischen Stände und Städte trugen durch ihre Steuerkraft erheblich dazu bei, seine kostspielige kriegerische Politik zu finanzieren, und sie blieben ihm gegenüber loyal, vermittelt durch die offenbar kluge Regentschaft seiner Statthalterinnen. Die Bedeutung Burgunds unterstrich der Kaiser, indem er ab 1553 seinen Sohn Philipp, den Kronprinzen (Infanten), in Brüssel residieren ließ. Gegen Ende der Regierung Karls sah es sogar eine Zeit lang so aus, als sollten die Niederlande zum Mittelpunkt eines neuen Imperiums werden, solange nämlich Karl und Philipp auf die dynastische Verbindung Spaniens mit England hofften.

Der englische König Heinrich VIII. hatte sich nach langem Bündnis mit Frankreich in seinen letzten Regierungsjahren wieder den Habsburgern angenähert. Ihm folgte zunächst sein Sohn Edward VI. (1547–1553), danach Heinrichs älteste Tochter Maria Tudor. Als Tochter der Spanierin Katharina von Aragón war Maria mit dem spanischen Königshaus verwandt – und sie war katholisch, was im Zeitalter der beginnenden Spaltung der westlichen Kirche auch in der Politik eine Rolle zu spielen begann. Karl verheiratete 1554 seinen Sohn Philipp mit der englischen Königin. Die beiden Eheleute setzten einander wechselseitig zu Erben ein, und damit hätte die Verbindung ein großes spanisch-niederländisch-englisches Imperium entstehen lassen können. Allerdings hätten sich auch die Reibungsflächen mit Frankreich vergrößert, denn Englands nördlicher Nachbar Schottland war traditionell mit Frankreich verbündet. Die Verbindung Philipps mit Maria hatte nur eine einzige, freilich politisch bedeutsame Konsequenz. Maria als katholische Herrscherin versuchte, die Reformation Englands, die ihr Vater ab 1534 eingeführt hatte, wieder rückgängig zu machen. Das gelang ihr zwar nur oberflächlich, aber Philipp erreichte es, dass der Papst das Interdikt über das Land aufhob – das bedeutete sozusagen kirchenpolitisch, dass er das Land wieder als der papsttreuen Kirche zugehörig ansah. Für Maria war das eine Stärkung ihrer politischen Position. Aber aus den dynastischen Plänen wurde nichts, weil Maria unfruchtbar war und schon 1558 starb. Philipp heiratete 1559 eine französische Prinzessin, Elisabeth von Valois, und besiegelte mit dieser Hochzeit den Frieden mit Frankreich, den Frieden von Cateau-Cambrésis. Am territorialen Besitzstand beider Mächte änderte dieser Friede nichts, sodass er auf den ersten Blick unbedeutend aussieht. Er hielt allerdings fast vierzig Jahre lang – für das kriegerische 16. Jahrhundert eine lange Zeit –, weil Frankreich in den folgenden Jahrzehnten durch innere Auseinandersetzungen gelähmt wurde und für größere kriegerische Unternehmungen nach außen weder Geld noch Soldaten übrig hatte.

Etwas grob zusammenfassend könnte man das politische Schicksal Burgunds im 16. Jahrhundert aus seinem Reichtum erklären. Burgund war ein reiches Land, deshalb schätzten es seine Herrscher als Finanzquelle und versuchten, diese Quelle so intensiv wie möglich auszuschöpfen. Zu diesem Zweck hatten sie starke zentrale Institutionen errichtet und verlangten hohe Steuern, so oft und so lange es ging. Der Reichtum verschaffte aber auch den Ständen eine starke Stellung. Weil sie die Steuern aufbrachten und einzogen, suchten sie so weit wie möglich darüber mitzubestimmen, was mit dem bewilligten Geld geschah, und in schweren Konflikten wie in der Auseinandersetzung mit Maximilian setzten sie eine Politik nach ihren eigenen Interessen durch, unbekümmert um die Wünsche oder Absichten des Regenten. Schließlich machte der Reichtum das Land als Kriegsbeute attraktiv. Weil Burgund ein reiches Land war, wollten sowohl die Kaiser als auch die Könige von Frankreich es ganz besitzen, statt es z. B. unter sich aufzuteilen, was als politischer Kompromiss immerhin möglich gewesen wäre. Da aber keine der rivalisierenden Mächte mit der anderen allein fertig wurde, umwarben sowohl die Kaiser als auch die französischen Könige Heinrich VIII. von England als Bündnispartner; nach Interessenlage wechselnd verbanden sie sich mit ihm. Auf mittlere Sicht erwies sich Habsburg als der Gewinner im Machtspiel um Burgund. Karl V. konnte den größten und reichsten Teil des burgundischen Länderkomplexes, die Niederlande, für sich und das Haus Habsburg behaupten und zuletzt sogar wieder die guten Beziehungen mit England herstellen, auf die schon Margarete von Österreich (Statthalterin 1507–1530) großen Wert gelegt hatte. Nach dem Scheitern der englischen Pläne Karls V. rückte Burgund allerdings an die Peripherie des Reichs. 1556 bis 1559 hatte Philipp als Herrscher in Brüssel regiert; danach kehrte er nach Spanien zurück und machte ab 1561 Madrid zur Hauptstadt seines Reichs. Das war wohl ein Grund dafür, dass er die Herrschaft über die Niederlande nicht mehr lange behaupten konnte: Die Stände der Niederlande sahen bald nicht mehr ein, warum sie ihren Reichtum für eine Politik hergeben sollten, die nur einem landfremden Herrscher und seinen imperialen Plänen zu nutzen schien.

Habsburgs europäische Herrschaft

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