Читать книгу Der Fall Maria Okeke - Eva Ashinze - Страница 11

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Die Beerdigung von Maria fand in der Kapelle Rosenberg statt, die beinahe zu klein war für alle Trauernden. Da waren Mitschüler, Freunde und einige ältere Frauen und Männer, von denen ich annahm, es handle sich um Marias Lehrer. Zudem viele Mitglieder der afrikanischen Gemeinde, wohl vor allem Freunde und Bekannte von Henry. Auf dem Altar stand ein grosses Foto von Maria. Eine Mitschülerin las ein Gedicht von Rilke vor. Ein Gospelchor sang zwei, drei Hymnen, und der schwarze Pfarrer sprach über Marias Leben, ihre Erfolge. Darüber, wie stolz ihr Vater auf sie gewesen war. Darüber, wie stolz die Gemeinde auf sie gewesen war. Welche Freude sie in die Welt gebracht hatte. Und darüber, wie leer diese Welt ohne Maria sei. Es war bewegend. Und traurig. Henry sass gramgebeugt da, das Gesicht vor Kummer ganz grau. Er weinte. Viele weinten.

Für meine Schwester hatte es keine Beerdigung gegeben. Es gab keine Möglichkeit, gemeinsam Abschied zu nehmen. Es gab keine Möglichkeit, gemeinsam zu trauern. Es war 1992, als Maria verschwand. Am frühen Abend des 4. Juni 1992 fuhr Maria mit dem Fahrrad zu einer Freundin. Sie trug eine verwaschene Jeans und ein pink-schwarz gestreiftes Shirt. Um die Handgelenke trug sie zehn schmale Reifen aus Goldimitat, und in den Ohrlöchern baumelten grosse Kreolen. Das krause dunkle Haar trug Maria offen, es umrahmte ihren Kopf wie eine Löwenmähne. Für die damalige Zeit war sie in unserer Kleinstadt durchaus eine aussergewöhnliche Erscheinung. Als sie davonfuhr, winkte Maria mir zu. Die goldenen Reifen klimperten. Niemand sah Maria je wieder. Es gab keine Spur, keine ernsthaften Verdächtigen, keine Hinweise. Maria verschwand und hinterliess nichts als ein Loch in der Welt, das ihren Umriss trug. Sie war aus der Welt herausgeschnitten worden.

Der Fall Maria Okeke

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