Читать книгу Im Dunkeln lauert die Angst - Eva Breunig - Страница 14

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»Ich sollte endlich lernen gehen«, grunzte Leni und wälzte sich auf dem Fellteppich, der wie ein künstlicher Eisbär aussah, auf den Bauch. »Aber hier bei dir ist es gemütlicher!«

Die Wohnung, die Daria mit ihrer Schwester Miriam und zwei weiteren Studentinnen bewohnte, lag unter dem Dach im Haus ihrer Großeltern. Es war dasselbe Haus, in dem auch der spannende verwinkelte Keller lag, den sie immer für ihre Pfadfindergeländespiele benutzten. Und die Dachwohnung war fast genauso verwinkelt. Es gab alle möglichen kleinen Nischen, Abstellkammern und Dachluken. Manche Fenster öffneten sich zur Straße, andere in den Hof oder in winzige Lichtschächte, und von einem konnte man sogar einen kleinen Zipfel des nahen Stephansdomes sehen. Jedes Mädchen in der Wohngemeinschaft hatte ein eigenes Zimmer, und außerdem gab es die Küche und den Essplatz als gesellige Treffpunkte. Das Wohnzimmer war meistens von zusätzlichen Gästen belegt; die ausländischen Mitbewohnerinnen hatten öfter mal Besuch aus ihrer jeweiligen Heimat, und Darias und Miriams Pfadfinderfreunde aus aller Welt kamen auch gern vorbei und übernachteten in dieser superzentralen Location im Herzen Wiens.

Die Zimmer waren weitgehend mit alten Möbeln vom Flohmarkt oder aus dem Fundus der Großeltern eingerichtet. Dazwischen gab es einige Stücke von Ikea, und die Schreibtische, die maßangefertigt in die Dachschrägen passen mussten, hatten die Zwillinge mit ihrem Vater selbst gezimmert. Das Ganze war ein buntes Sammelsurium aus Altem und Neuem, geschmückt mit farbigen Tüchern und selbst gemalten Bildern in barocken und verschnörkelten Rahmen. Es war ungewöhnlich, witzig und so richtig zum Wohlfühlen. Genau wie die Bewohnerinnen.

»Du hättest deine Lernsachen ja mitbringen können«, bemerkte Daria vom Schreibtisch herunter.

»Als ob ich irgendwas lernen könnte, wenn ich hier bin«, murmelte Leni.

»Warum denn nicht? Ich kann’s doch auch!«

»Wenn ich hier bin, bin ich mit dir zusammen«, stellte Leni klar. »Und dann muss ich dich ansehen, mit dir reden, dich im Arm halten … Wie soll ich dabei lernen?«

Ein Lächeln huschte über Darias Gesicht.

Es war schon schmeichelhaft, dass ihr Freund nach über einem halben Jahr Beziehung noch immer so verschossen in sie war, dass er kaum den Blick abwenden konnte! Wenn auch in mancher Hinsicht ein bisschen mühsam. Leni studierte Chemie, und das ging ohne Lernen wirklich nicht.

»Wenn du deine Skripten mithättest, könntest du jetzt friedlich lernen, während ich am Computer arbeite«, erklärte sie.

»Willst du mir damit vielleicht sagen, dass ich störe?«

»Hm, äh, nein, natürlich nicht … Aber wenn du mich dauernd ansiehst, mit mir redest, mich im Arm hältst und so weiter, kann ich mich halt nicht sehr gut auf den Computer konzentrieren!«

»Sollst du auch nicht. Du sollst dich auf mich konzentrieren!«

Daria lachte und rollte die Augen. »Leni, du bist kindisch!«, verkündete sie und tätschelte seine strohblonden Haare. »Ich konzentrier mich gern auf dich, aber ab und zu muss ich auch was anderes tun. Jetzt sei ein braver Junge, geh nach Haus und lern was!«

»Du willst mich ja nur los sein, damit du wieder ›Miracle Forest‹ spielen kannst«, schmollte er.

»Ich will dich überhaupt nicht los sein!«, widersprach sie. »Aber ja, ich würde gern eine Runde spielen …«

»Meine Freundin liebt ein Computerspiel mehr als mich!« Leni schob die Unterlippe vor und setzte den herzerweichenden Blick eines ausgesetzten Hundebabys auf.

»Du bist wirklich unmöglich!« Daria wusste nicht, ob sie lachen oder mit ihm schimpfen sollte. »Du weißt genau, dass ich eine Seminararbeit über die künstlerische Gestaltung von Computerspielen schreibe! Und die Bumm-krach-Kampfspiele mit ihren explodierenden Robotern oder Rennautos geben dafür nun mal nicht viel her! Aber ›Miracle Forest‹ hat wirklich …«

»… faszinierende Settings, eine gute grafische Umsetzung und ansprechende Aufgaben«, vollendete Leni den Satz für sie. »Es ist einfach die bessere Welt, und wenn Fräulein Daria Lechner könnte, würde sie noch heute dorthin übersiedeln und fortan nur noch Mithras sein!«

»Hey, wow, du hast dir den Namen meiner Figur gemerkt!«, stellte Daria überrascht fest.

»Du hast ihn schließlich oft genug erwähnt«, bemerkte Leni mit einem leicht sarkastischen Unterton. »Bedeutet ›Freund‹ auf Indisch oder so. Damit passt er gut in eine Umgebung, in der Versatzstücke aus jeder Epoche und jeder Gegend der Erde herumkriechen! Griechische Mythologie, nordische Götter, diverse Monster aus aller Welt und eine Prise Hollywood – ein tolles Durcheinander!«

»Genau richtig, um mir Inspirationen für coole Geländespiele zu holen«, wandte Daria ein. »Ich bin ja nicht bloß zum Vergnügen dort, sondern nutze meine Erfahrungen gleich doppelt – fürs Studium und für die Pfadis!«

»Jaja, schon gut«, beschwichtigte Leni. »Warum hast du dir eigentlich eine männliche Figur ausgesucht?«

»Mal was anderes.« Daria zuckte mit den Schultern. »Warum nicht?«

»Hast du – also, hat Mithras auch eine Freundin, wenn er schon ›Freund‹ heißt?«, erkundigte er sich leichthin.

Daria drehte sich auf ihrem Stuhl herum und lachte ihn an. »Hey, sag mal – bist du eifersüchtig?«, staunte sie. »Auf ein Spiel?? Hör mal, wenn du so neugierig bist, warum spielst du nicht einfach selbst einmal? Du könntest dich unerkannt an mich – ich meine, an Mithras – heranpirschen und mich beobachten, ich würde es nicht mal wissen!«

»Wer sagt dir, dass ich das nicht längst tue?«, fragte er herausfordernd.

Einen Augenblick lang sah sie ihn verblüfft an. Dann erschienen zwei verschmitzte Grübchen in ihren Wangen. »Na, dann weißt du ja, was ich in dem Wald so alles treibe!«

»Ab jetzt wirst du dich bei jeder Figur, der du begegnest, fragen, ob ich das bin«, grinste er.

»Nicht bei denen, die ich in der nächsten halben Stunde treffe!«, lachte sie zurück. »Schneller kannst du unmöglich zu Hause sein, und jetzt bist du ja offensichtlich nicht online!«

Im Dunkeln lauert die Angst

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