Читать книгу Im Dunkeln lauert die Angst - Eva Breunig - Страница 16
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Miris Blog
Ti amo – That’s amore – All you need is love
Was ist Liebe? – Teil III
Ich war ziemlich fleißig mit meiner Umfrage über die Liebe und habe mittlerweile eine Fülle von Antworten bekommen:
»Liebe ist ein Gefühl«, das sagen viele – vor allem in der Altersklasse 14-25.
»Liebe hat mit Verantwortung zu tun« (Altersklasse 40+). Man übernimmt Verantwortung für das Wohl einer anderen Person. Man bringt sie zum Lachen, hört sich ihre Sorgen an und kocht Tee, wenn sie krank ist. Man teilt sein Geld, seine Wohnung und seine innersten Gedanken.
»Liebe ist eine Entscheidung« (7 Antworten, die meisten in der Altersklasse 50+). (Kann es sein, dass die Ansichten über Liebe sich mit dem Alter ändern???)
»Liebe ist harte Arbeit« (2 Antworten, einmal weiblich, 22 Jahre, in Beziehung, einmal männlich, 44, verheiratet).
»Liebe ist das Schönste, was es gibt« (weiblich, 19, frisch verliebt).
»Liebe ist scheiße« (männlich, 21, frisch getrennt).
»Liebe bedeutet, sich abhängig zu machen« (mein Papa).
»Um zu lieben, muss man bereit sein, verletzlich zu werden« (meine Uroma).
Habt ihr das jetzt aufmerksam gelesen, ja?!
Abhängig? Verletzlich?
Es wird immer schlimmer! Will ich das wirklich wissen?!
Für mich ist »Unabhängigkeit« assoziiert mit Begriffen wie Freiheit, Selbstbestimmtheit, Selbstverwirklichung und Stärke. Lauter gute Sachen, oder? Und »Abhängigkeit« ist dann ja wohl das Gegenteil von all dem?! Was soll daran gut sein? Wie kann man so ein Wort überhaupt in einem positiven Zusammenhang nennen???
Aber Papa meint, dass Freiheit total überbewertet wird: »Freiheit ist bloß ein anderes Wort dafür, dass man nichts mehr zu verlieren hat.« Na toll. Wenn das mein Exfreund hört!!!
Andererseits … Der große Drang nach Freiheit ist schließlich der Grund, warum mein Freund jetzt mein Ex ist …
Dann kam meine Mutter auch noch dazu und erklärte, dass sie ja schließlich in vielem von Papa abhängig wäre – finanziell, emotional und wenn ihr Computer abstürzt – und dass sie das gar nicht furchtbar, sondern eigentlich schön findet. In anderen Dingen hängt wiederum er von ihr ab, so brauchen sie einander gegenseitig. Die Menschen brauchen das, gebraucht zu werden, sagt sie. Denn keiner ist gern überflüssig.
Und Uroma sagt, man muss bereit sein, sein Innerstes preiszugeben, auch auf die Gefahr hin, dass der andere einen dann verletzt. Und das stimmt ja echt: Niemand kann einem so sehr wehtun wie die Person, die man liebt. Ich spreche aus Erfahrung!!!
Aber dieses Risiko muss man eingehen! Wenn man sich aus Vorsicht oder Angst nicht öffnet, kann man niemals echte Nähe erleben. Wer sich vor Verletzung schützen will, »schützt« sich gleichzeitig vor der Liebe.
Das leuchtet irgendwie ein.
Leider.
Also heißt das jetzt, ich hab die Wahl: entweder geliebt, aber abhängig und verletzlich – oder unabhängig, verletzungsfrei, aber allein?
Super. Das sind ja schöne Aussichten!
Hätt’ ich bloß nie gefragt …
Miriam las noch einmal durch, was sie geschrieben hatte, und seufzte. Bemuttern, Klammern und Besitzdenken – Verantwortung – Abhängigkeit, Verletzlichkeit – Nähe und Distanz … Die Sache mit der Liebe war offenbar wesentlich komplizierter, als sie gedacht hatte! Als Kind hatte sie sich das so vorgestellt: sehen, küssen, glücklich leben bis ans selige Ende. Ganz einfach. In den Märchen funktionierte das immer so! Nur dass die Märchen immer nach dem ersten Kuss und der Hochzeit (was praktisch dasselbe war) endeten … Von der langen und schwierigen Zeit, die auf den ersten Kuss folgte, war da nie die Rede!
Nach den Weihnachtsferien war es mit Sebastian immer komplizierter geworden. Zwar himmelte er sie mit großen Worten an und versicherte ihr, wie sehr er sie liebte, gleichzeitig aber schien er immer mehr Freiräume zu brauchen – und immer weniger gemeinsame Zeit mit ihr. Am Anfang ihrer Beziehung hatten sie nächtelang geredet, über Gott und die Welt philosophiert und einander ihre tiefsten Gedanken erzählt. Jetzt hingegen schien Miriam gar nicht mehr zu ihm durchzudringen. Er verschloss sich, wurde unnahbar. Und schien sich auch umgekehrt nicht mehr dafür zu interessieren, was in Miriam vorging, was sie bewegte und wie sie sich fühlte. Er bewunderte sie von Ferne – aber Miriam wollte nicht bewundert und angehimmelt werden wie ein Gemälde oder eine Statue. Sie war doch ein lebendiger Mensch, mit Gedanken und Gefühlen!
Schließlich fühlte sie sich bei dieser Art, einseitig geliebt zu werden, derartig unwohl, dass sie Schluss machte – obwohl ihr dabei das Herz brach.
Ob das Nachbarsmädchen Bettina etwas damit zu tun hatte, dass sie sich so auseinandergelebt hatten, oder ob Sebastian bloß seine Pubertät nachholte und auf Egotrip ging, das wusste sie nicht. Sie wusste überhaupt nichts mehr. Manchmal fragte sie sich, ob sie ihn eigentlich jemals richtig gekannt hatte!
Es tat weh.
Es verletzte.
Aber offenbar konnte man sich vor derartigen Verletzungen nur schützen, indem man sich auch vor der Liebe verschloss. Und das wollte Miriam nun auch wieder nicht.
Noch nicht.