Читать книгу Alte Seelen I: Die Macht der Erinnerung - Eva Eichert - Страница 3
Prolog: Normandie, 1291
ОглавлениеWie sehr er es doch hasste zu rennen. Und alles nur wegen diesem verfluchten Ding in seinem Gesicht. Kilian spürte, wie die Kraft bereits aus seinen Gliedern gewichen war. Eigentlich hätte er einfach zu Boden sacken müssen, doch die Macht der Maske hielt ihn aufrecht, und trieb ihn immer weiter vorwärts auf den Wald zu. Das dumpfe Donnern der Hufe hinter ihm kam immer näher. Nah genug, um das Rascheln und Klirren ihrer Rüstungen und Waffen wahrzunehmen. Zur Hölle mit ihnen! Eigentlich wollte er doch nichts anderes als ein durchgebratenes Stück Fleisch. Wenn man wochenlang nur karge wässrige Suppe und Gerstenbrei hatte, konnte man nicht von ihm verlangen, dass er noch höflich lächelte, wenn ihm eine halbrohe Haxe serviert wurde. Und dann war da noch dieses verdammte Jucken, das ihn an den Rand seines Verstandes brachte.
„Wir haben ihn!“, brüllte einer seiner Verfolger.
Ein metallisches Schaben verriet ihm, dass mindestens einer von ihnen sein Schwert zog. Sie würden ihm im Vorbeireiten das Haupt abschlagen, wenn er weiter versuchte, einem Kampf auszuweichen. Kilian fluchte. Es war nicht klug, Männer der Kirche zu töten, doch sie ließen ihm keine andere Wahl mehr. Blitzschnell warf er sich zur Seite. Er hörte, wie die Klinge eines Schwertes dicht hinter ihm die Luft durchschnitt. Kilian sprang wieder auf und wandte sich mit blitzenden Augen seinen Feinden zu. Die Häscher lenkten ihre Rösser um ihn herum, um ihm jede weitere Möglichkeit zur Flucht zu nehmen und richteten ihre Waffen gegen ihn.
„Im Namen Gottes und seiner heiligen Mutter Kirche: Gebt auf, Hexer! Wir haben den Befehl euch nach Paris zu bringen. Das Gericht des Herrn wird dort über euer weiteres Schicksal entscheiden.“
Und da war es wieder: Dieses unerträgliche Jucken in seinem Gesicht, während das Gewebe unter der Maske versuchte zu regenerieren. Andere konnten das Eichenholz in seinem Gesicht nicht sehen. Erst bei näherer Betrachtung erkannte man, dass seine Züge auf merkwürdige Weise miteinander verschwammen, doch die Maske selbst blieb unentdeckt. Wenigstens etwas, das ihm seine endlos scheinende Existenz etwas erleichterte. Nicht lange und die Schmerzen würden zurückkehren, und ihm die Besinnung rauben. In ihm raste die Wut eines Raubtieres, das in die Ecke gedrängt worden war. Kilians bernsteinfarbene Augen schienen zu glühen, als sich die Kräfte des Dämons in seinem Inneren mit aller Macht entluden. Lodernde Flammen, die direkt aus der Hölle zu kommen schienen, schossen rings um ihn aus dem Boden, als sich haarfeine, beißende Tentakel in sein Antlitz bohrten. Der Fluch der Maske begann erneut zu wirken. Kilian kreischte auf und griff sich instinktiv ans Gesicht. Unbarmherzig fraßen sie sich durch das Fleisch. Das Feuer erlosch. Kroch wieder in jene unbeschreiblichen Tiefen zurück, aus der sie gekommen waren, während ihr Meister unter den Qualen langsam auf die Knie sackte und nach vorne in den Ackerstaub fiel.
*
„… nenn' es meinetwegen Eitelkeit, wenn ich es auf deine Abstammungslinie schiebe, meine Züchtung. Allerdings hatte ich mir für dich ein nobleres Dasein vorgestellt, als das, welches du in den letzten hundert Jahren geführt hast.“
Kilian blinzelte und kniff umgehend die Augen wieder zusammen, als ihn das flackernde Licht des Lagerfeuers neben ihm blendete.
„Ah, du bist wach. Ich war es so langsam leid, Selbstgespräche zu führen.“
Er drehte den Kopf vom Feuer weg und öffnete die Augen, um sich langsam wieder an Licht zu gewöhnen. Anders, als er gedacht hatte, befand er sich nicht in einer modrigen Kerkerzelle, und er war auch nicht in Ketten gelegt. Er lag auf einem weichen Fell inmitten einer Waldlichtung, und der Geruch nach gebratenem Fleisch stieg ihm in die Nase. Als er sich dem Feuer, und damit dem Unbekannten, zuwandte, folgten die Bilder seiner Umgebung nur unwillig seiner Bewegung. Ein Effekt, den jeder, der schon einmal etwas über Durst getrunken hatte, gut kannte. So wunderte er sich auch nicht, dass er den Mann, der ihm gegenüber am Feuer saß, nur als schemenhafte Gestalt wahrnahm. Kilian war sich sicher, dass sich dies mit der Zeit wieder legen würde.
„Ihr seid keiner meiner Häscher“, flüsterte er.
„Nein, bin ich nicht“, bestätigte der Fremde und wies mit einem Kopfnicken auf den Stock über dem Lagerfeuer, auf welchem mehrere Fleischstücke aufgespießt waren. „Du hast doch bestimmt Hunger. Es redet sich leichter, wenn der Bauch gefüllt ist.“
Kilian nickte und richtete sich langsam auf. Sein Magen knurrte tatsächlich und der Geruch erweckte in ihm eine Gier, die er nur schwer zähmen konnte. Hastig riss er den Stock von den beiden im Boden steckenden Astgabeln, die ihn über dem Feuer gehalten hatten und biss zu. Als er das erste Stück zerkaute, war er sich sicher, dass er in seinem ganzen Leben noch nie schmackhafteres Fleisch gekostet hatte. Selbst zu jenen Tagen, als er noch bei seiner Familie gelebt hatte. Nichtsahnend … aber frei!
„Du hast kein Grund dich zu beschweren. Dein Abstieg war einzig und allein deine Entscheidung“, sagte der Fremde, als hätte er seine Gedanken gelesen. „Eigentlich alles, was dir bisher widerfuhr, war deine Entscheidung.“
Kilian sah kurz auf. Unzählige Fragen zermarterten sein Gehirn, doch zuerst würde er sich sättigen. „Was ist das? Schwein?“
Der Fremde lächelte. „Priester.“
Kilian hielt im Kauen inne, und starrte seinen Gegenüber fassungslos an. „Das ist …?“
„Menschenfleisch“, bestätigte dieser mit einem Kopfnicken. „Würdest du meinen Vasallen öfters mal etwas zukommen lassen, könnte er endlich mal seine ganze Macht entfesseln.“
Kilian wollte vor Entsetzen ausspeien, doch das erwartete Gefühl des Ekels stellte sich nicht ein. Da war nichts! Keine Abscheu, kein Gewissen, nur der Geschmack des köstlichen Mahls, das ihn schneller wieder zu Kräften kommen ließ, als alles, was er je zuvor gegessen hatte.
„Hättest du sie damals nicht alle abgeschlachtet, wüsstest du, was er braucht.“ Der Fremde stand auf und begann wild mit den Armen zu gestikulieren, während er weitersprach: „Aber neeeiiiin! Du wolltest ja unbedingt deine Freiheit. Musstest alles zerstören, was ich für dich aufgebaut habe!“
Kilian schüttelte verwirrt den Kopf. „Was habt ihr mit der Bruderschaft zu tun?“
Der Fremde erstarrte in seiner Bewegung, bevor er von einem Augenblick auf den anderen verschwand. „Einfach alles!“, flüsterte er ihm von hinten ins Ohr.
Kilian sprang auf und wich einige Schritte vor dem Unbekannten zurück. „Wer seid ihr?“, fragte er, lauernd, auf jede Bewegung seines Gegenübers achtend.
„Du kannst mich nennen wie du willst“, murrte dieser und ließ sich nun seinerseits auf dem Fell nieder. „Meinesgleichen pflegt sich nicht vorzustellen. Wahre Namen können ziemlich lästig werden, wenn sie in die falschen Hände geraten. Womit wir endlich beim eigentlichen Thema wären.“
„Und das wäre?“
„Ich finde, du hast dich lange genug mit meinem Vasallen amüsiert.“
Kilian schüttelte verständnislos den Kopf.
„Ich bin hier, um das einzufordern, was mir gehört.“
Der Hexer verfiel in schallendes Gelächter. „Ihr wollt einen Exorzismus?!“
Der Fremde verzog angewidert das Gesicht. „Ein abstruser Gedanke.“
„Was wollt ihr dann?“
„Dass du endlich das tust, wozu ich dich erschaffen habe!“, brüllte der Unbekannte verzweifelt.
„Ich diene niemandem.“
„Das mag bisher so gewesen sein“, sagte der Fremde.
„Und wird auch so bleiben.“
„Die Sturheit der Stedinger hat offensichtlich stärker auf dich abgefärbt, als ich befürchtet hatte.“
„Das ist lange her.“
„Offensichtlich nicht lange genug. Du fragst noch nicht mal, ob für dich etwas dabei herausspringt.“
„Ihr verwechselt mich mit einer Hure.“
„Jeder hat seinen Preis.“
„Da irrt ihr euch aber gewaltig.“
„Das denke ich nicht. Auch wenn es nur eine einzige Sache gibt, die dir wichtiger wäre, als deine Freiheit.“
„Die da wäre?“
„Josua.“
Kilian starrte ihn einen Augenblick erzürnt an. „Josua ist tot“, flüsterte er mit knirschenden Zähnen.
„Alles stirbt“, lächelte der Fremde, „Dennoch verfüge ich über die Macht, dir deine Rache zu verschaffen.“
„Selbst ich kann keine Toten zurückholen“, lachte Kilian verbittert.
Sein Gegenüber verzog das Gesicht. „Du bist ganz schön von dir überzeugt, dass du glaubst, es gäbe auf dieser Welt keine Macht, welche die deine übersteigen könnte. Ich habe sechs Generationen auf dich gewartet, von den fast hundert Jahren, die du dahin gesiecht bist, will ich gar nicht erst anfangen …“, er stand auf. „Deine Antwort!“
„Nein!“
„Wie du …“ Er kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden. Kilians Hand zuckte vor. Eine flammende Kugel schoss auf den Fremden zu, traf ihn an der Brust und schleuderte ihn mehrere Schritt weit nach hinten. Der Körper brannte lichterloh, dennoch wartete Kilian noch einige Augenblicke ab, bis er davon überzeugt war, dass er sich nicht mehr rührte.
„Scharlatan.“ Es war nicht der erste, der geglaubt hatte, ihn und seine Macht missbrauchen zu können, und es würde bestimmt nicht der Letzte gewesen sein. Kilian spie verächtlich aus, als ein leises Lachen die Luft erfüllte. „Du kannst nicht töten, was keinen Körper hat, Lakai!“
Er wurde von einer unsichtbaren Macht emporgehoben und mit unglaublicher Wucht gegen den nächsten Baum geschleudert. Das Krachen seiner Rippen dröhnte durch seine Ohren. Wie ein Blatt, das vom Sturm mitgerissen wurde, löste er sich von dem Stamm und prallte gegen den nächsten. Das Holz ächzte unter der unerwarteten Belastung. „Du gehörst miiiir!“ Wieder schlug Kilians Körper gegen einen Baum, bevor er wie ein nasser Sack zu Boden fiel. In seinem Inneren knackte es, während sich seine Knochen wieder in die richtige Position bewegten. „Deine Antwort!“
Kilian biss die Zähne zusammen und stand langsam auf. „Nein!“, brüllte er zurück. Erneut wurde er von dem Sturm erfasst und schlug rücklings gegen den nächsten Stamm. Er hörte das Brechen seines Rückgrates, als sich Oberkörper und Beine um den Stamm wickelten. „Deine Antwort!“
Kilian fiel zu Boden. Er hatte jegliches Gefühl zu seinem Körper verloren. „Nein…“ Er wollte es entschlossen hinaus brüllen, doch es war nur noch ein lallendes Flüstern, das seine Lippen verließ. Erneut wurde er in die Luft gehoben. Er spürte, wie sich sein Körper wieder in eine natürliche Haltung zurückbog. Kilian konzentrierte sich, zentrierte all seiner Macht in seinem Inneren bis der Druck groß genug wurde und ließ sie frei. Die Energien breiteten sich explosionsartig aus und setzten die umstehenden Bäume in Brand. Stöhnend fiel er zu Boden und wartete mit einem Anflug von Resignation auf die Stimme, die ihn erneut verhöhnen würde, doch sie kam nicht. Erschöpft lauschte er den Geräuschen um sich herum. Doch da war nichts, was darauf hinwies, dass sein Widersacher noch da war. Nur ausruhen … nicht schlafen. Auf gar keinen Fall einschlafen!
Erst am nächsten Morgen hatte er sich soweit erholt, dass er wieder gehen konnte. Dennoch verbrachte er eine weitere Nacht auf der Lichtung, genoss das, was von dem Priester noch übrig war und suchte sich seinen Weg aus dem Wald. Als er nach einigen Stunden den salzigen Geruch des Meeres wahrnahm, fiel es ihm nicht mehr besonders schwer eine menschliche Siedlung zu finden. Er folgte dem würzigen Lockruf des Meeres und kam bereits am frühen Abend in einem kleinen Fischerdorf an. Es war nur eine winzige Siedlung mit gerade mal einer Handvoll Gebäuden. Kopfschüttelnd bemerkte er die Salzablagerungen und Muscheln an den hölzernen Wänden der Häuser. Vor über hundert Jahren hatten sein Vater und sein Großvater an Deichen mit gebaut, um ein Sumpfgebiet vor den Fluten des Meeres zu schützen, und diese Leute waren noch nicht einmal klug genug, ihre Häuser am erhöhten Waldrand zu errichten. Einige Männer waren dabei, ihre Netze zum Trocknen aufzuhängen und blickten ihm unwillig entgegen. Es kam wohl nicht häufig vor, dass sich ein Fremder hierher verirrte und so wie es schien, war dies den Einwohnern auch nur recht. Kilian war sich des Eindrucks, welchen er auf den ersten Blick vermittelte, wohl bewusst: Ein Landstreicher, der versuchte, sich bei anderen Leuten durchzufüttern, ohne dafür zu zahlen. Nachdem Kilian vor drei Tagen den Gastwirt in einem Wutanfall getötet hatte, war er von den Männern der Kirche in seinem Zimmer überrascht worden, als er gerade dabei war, sich schlafen zu legen, und so trug er nichts als seine Leinenwäsche am Leib. Mittlerweile glich diese nur noch dreckigen Lumpen. Sie hatten ihm noch nicht einmal die Zeit gelassen, seine Stiefel anzuziehen. Er sah sich nach einer Straße um, konnte jedoch keine entdecken. Offensichtlich lebten die Menschen hier in zufriedener Abgeschiedenheit und hatten aufgrund ihrer spärlichen Habe wohl auch keine Überfälle zu befürchten. Kurz, sie waren so uninteressant, dass dies wohl der sicherste Ort der Welt sein dürfte. Jedenfalls für jene, die bereits seit Generationen hier lebten.
„Du hast hier nichts verloren!“, brüllte ihm einer der Männer feindselig entgegen.
Kilian zwang sich zu einem Lächeln und streckte die Hände etwas zur Seite, um ihnen zu signalisieren, dass er keinerlei bösartige Absichten hatte. „Verzeiht“, rief er zurück. „Ich suche nur Obdach für die Nacht. Noch nicht einmal ein Mahl. Ich bin bereits gesättigt.“
Die Männer warfen sich gegenseitig misstrauische Blicke zu, bevor einer von ihnen vortrat und in Richtung Osten zeigte. „Hinter den Dünen findet ihr einen alten Schuppen. Dort könnt ihr für eine Nacht bleiben. Aber morgen früh seid ihr verschwunden.“
Kilian bedankte sich und folgte der Beschreibung des Fischers. Es war ihm nur recht, nicht in einem der stinkenden Häuser nächtigen zu müssen und sich eventuellen neugierigen Fragen auszusetzen. Er kannte diesen Schlag von Menschen. Fremdenfeindlich, argwöhnisch, und doch lechzten sie nach allen Geschichten, die sich außerhalb ihrer kleinen beschränkten Welt zutrugen.
Die Abendsonne tauchte die sandigen Dünen in blutiges Rot, als er das erreichte, was der Mann als Schuppen bezeichnet hatte. Kilian starrte auf den grob zusammengezimmerten Verschlag, der nur aus ein paar in den Boden gesteckten Brettern bestand, die mit einigen Stricken zusammengehalten wurden. Als Dach dienten einige verwanzte Felllappen, die mit getrocknetem Lehm zusammengeklebt waren. Unter freiem Himmel zu nächtigen wäre um einiges komfortabler, doch zumindest bot die Konstruktion etwas Schutz vor Wind und Regen.
Im Inneren fand er zerbrochene Werkzeuge und gerissene Netze, die so durchlöchert waren, dass sich die Flickarbeit nicht mehr gelohnt hätte. Er warf alles, was aus Holz oder Metall bestand hinaus und machte es sich auf den modrigen Geflechten so bequem wie möglich. Er dachte über den Fremden im Wald nach, der eindeutig von irgendetwas besessen gewesen war, das nicht von dieser Seite der Welt stammte. Ein Dämon? Oder etwas Mächtigeres … Sein Sieg erschien ihm im Angesicht dessen, was zuvor mit ihm passiert war, zu leicht, jedenfalls konnte er nicht daran glauben, das Wesen vernichtet zu haben. In die Flucht geschlagen … vielleicht … Es würde ihn wieder aufsuchen, dessen war er sich sicher. Kilian grübelte noch einige Minuten über die Worte des Wesens. Wieso war es der Meinung, ihn erschaffen zu haben? Züchtung …?! Er schlief erschöpft ein. Seine Träume versetzten ihn in ein geheimnisvolles Gewölbe, tief unter Konstantinopel. Das riesige Emblem eines Salamanders, der im Kreis auf den Mittelpunkt einer Spirale zukroch, befand sich am Boden. Weit dahinter Gestalten in braunen Kapuzenroben, wie die von christlichen Mönchen. Sie standen um einen Altar, auf dem sich ein Paar dem Liebesspiel hingab. Er konnte ihre Gesichter nicht erkennen und versuchte sich zu nähern, als der brennende Schmerz in seinem Gesicht ihn aus dem Schlaf riss.
Kilian griff sich brüllend ins Gesicht und rollte von dem Haufen aus alten Netzen herunter zu Boden. Immer tiefer arbeiteten sich die glühenden Tentakel der Maske in sein Gewebe. Aus irgendeinem Grund erschien ihm der Fluch diesmal viel intensiver. In seinen Qualen erwartete er die hoffnungsvolle Erlösung in der Ohnmacht, die ihn sonst heimsuchte, doch sie kam nicht. Kilian warf sich unter unerträglichen Schmerzen wie wild zwischen den Bretterwänden hin und her und brachte den Verschlag gefährlich zum Schwanken.
„Ich will, dass es aufhööööört!“, kreischte er, dem Wahnsinn nahe, während seine Finger, die Ränder der Eichenholzmaske umfassten. Ein gellender Schrei hallte zwischen den Dünen wieder. Und dann passierte es. Die Maske gab nach. Es hörte sich an wie eine Mischung aus Schmatzen, und dem ratschenden Geräusch, wie reißendes altes Leder, als sich die Haut von seinem Fleisch löste. Kilian sackte keuchend auf die Knie. Blut tropfte von seinem Gesicht, als das verfluchte Artefakt aus seinen Fingern glitt und auf einem leeren Pergament landete. Sein Blut sammelte sich an den Rändern, zog sich zu dicken Tropfen zusammen und glitt hinunter. In dem Moment, wo es das Pergament berührte, schien es sich wie von Geisterhand selbst zu beschreiben. Ein leises triumphierendes Gelächter erklang, während Kilian wie erstarrt die Zeilen las, die fortan seine ganz Existenz bestimmen sollten.