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Das Leben in den Vorstadtgettos und das Gefühl des Ausgeschlossenseins
ОглавлениеDie jungen Menschen aus der Banlieue, die sich dem radikalen Islam anschließen, haben eine grundlegende Gemeinsamkeit: den Hass auf die Gesellschaft. Sie leiden unter einem tiefen Gefühl sozialer Ungerechtigkeit. Soziologische Untersuchungen zeigen, dass sie ihren Ausschluss als eine unverrückbare Gegebenheit erleben, als Stigmatisierung, die ihnen auf die Stirn geschrieben steht und ihrem Akzent so unwiderruflich anhaftet wie ihrer vom Argot der Vorstadtgettos und den angloarabischen Ausdrücken geprägten Sprache. Ihr körperliches Auftreten wird von anderen Bürgern oft als bedrohlich wahrgenommen. Sie haben mit der Gesellschaft gebrochen und verabscheuen Uniformen, selbst die von Feuerwehrmännern, als Ausgeburt einer unterdrückerischen Ordnung. Ihre Identität ist zutiefst geprägt vom Antagonismus zwischen „Integrierten“ – ob sie nun „Gallier“ sind oder Franzosen nordafrikanischer Herkunft, denen der Aufstieg in die Mittelschichten gelungen ist – und Ausgeschlossenen. Stigmatisiert in den Augen der anderen, leiden sie unter dem intensiven Gefühl der eigenen Herabsetzung, das sich in einer Aggressivität ausdrückt, die beim geringsten Anlass aufflammen kann. Diese wendet sich nicht nur gegen Fremde, sondern häufig auch gegen Familienmitglieder, insbesondere den jüngeren Bruder oder auch die jüngere Schwester, falls sie es wagt, mit einem Jungen auszugehen (sie gehen zwar ihrerseits mit den Schwestern anderer aus, messen aber in ihrem Verhältnis zu Frauen mit zweierlei Maß). Das Vorstadtgetto wird zum inneren Gefängnis und die Selbstverachtung verkehrt sich in den Hass auf andere.