Читать книгу Die Teufelin - Фэй Уэлдон - Страница 5
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ОглавлениеOh, Mary Fisher, die du im luftigen Turm wohnst! Was gibt es heute zum Abendessen? Vielleicht weißt du es gar nicht. Vielleicht überläßt du das dem Personal. Und wer leistet dir Gesellschaft? Vielleicht hast du noch andere Liebhaber zur Auswahl, die mit dir durch die Spiegelglasfenster hinaus auf Hafen und Meer schauen; die mit dir zusammen beobachten, wie der Mond aufgeht und der Himmel sich verfärbt? Vielleicht kommst du gar nicht zum Essen und bist in Gedanken schon bei den dir bevorstehenden Liebesfreuden? Du Glückliche! Aber egal, wen sonst, Bobbo wirst du heute abend nicht bei dir haben. Heute abend ißt Bobbo bei mir.
Ich werde die Flügeltüren vom Speisezimmer zum Garten hin öffnen, das heißt falls kein Wind aufkommt. An der Garagenwand ranken sich hübsche Pflanzen hoch, die abends sehr gut duften.
Im vergangenen Monat hat Mary Fisher allein fürs Fensterputzen 295,75 Dollar ausgegeben. Die Summe wurde von der Bank in Zypern auf Mary Fishers Haushaltskonto überwiesen. Wenn Bobbo mal zu Hause ist, dann bringt er recht häufig Mary Fishers Abrechnungen mit. Ich schlafe nicht viel in den Nächten, die er bei mir ist. Ich steige still und leise aus dem Bett, gehe in sein Arbeitszimmer und schaue Mary Fishers Leben durch. Bobbo schläft tief und fest. In Wahrheit kommt er heim, um auszuspannen und um verlorenen Schlaf nachzuholen.
Ich putze unsere Fenster selber; manchmal ist es durchaus ein Vorteil, groß zu sein.
Heute abend gibt es im Haus Nightbird Drive Nr. 19 Pilzsuppe, mit Hühnerragout gefüllte Vol-au-vents und Mousse au chocolat. Bobbos Eltern kommen zu Besuch. Er will sie nicht aufregen, also wird er den braven Vorstadtgatten spielen und ausnahmsweise mal wieder am Kopfende der Tafel sitzen. Er wird hinausschauen zu Kletterpflanzen, Stockrosen und Geißblatt. Mir macht die Gartenarbeit Spaß. Ich liebe es, die Natur zu beherrschen und die Dinge zu verschönern.
Bobbo kommt recht gut voran in dieser Welt. Er hat Erfolg. Früher bekleidete er eine untergeordnete Stellung beim Finanzamt, aber die gab er dann auf, riskierte ohne Rücksicht auf Verluste seine Pension und fing als Steuerberater an. Jetzt verdient er eine Menge Geld. Es paßt ihm gut in den Kram, daß ich in Eden Grove praktisch aus dem Weg bin. Bobbo unterhält in der City ein hübsches Apartment, fünfzehn Kilometer östlich von Mary Fisher, wo er gelegentlich Parties für seine Klienten gibt; hier sah er Mary Fisher das erstemal von Angesicht zu Angesicht, hier übernachtet er, wenn dringende Geschäfte anstehen. Zumindest sagt er das. Ich besuche Bobbos Wohnung oder sein Büro nur äußerst selten. Ich lasse durchblicken, daß ich zuviel zu tun habe. Für Bobbo wäre es peinlich, wenn mich seine schicken neuen Kunden zu Gesicht bekämen. Das wissen wir beide. Bobbos reizlose Frau! Für einen kleinen Steuerbeamten mag sie passen, aber nicht für einen selbständigen Finanzexperten auf dem Weg nach oben.
Mary Fisher, ich hoffe, du ißt heute abend eingedosten roten Lachs, der schon schlecht ist, und bekommst Fischvergiftung. Doch derartige Hoffnungen sind vergeblich. Mary Fisher ißt frischen Lachs, abgesehen davon, daß ihr empfindlicher Gaumen sofort jedes Gift entdecken würde, auch wenn es für andere gröbere Gaumen absolut nicht feststellbar wäre. Wie vornehm, wie geschwind sie den vergifteten Bissen ausspucken und sich so retten würde!
Mary Fisher, ich hoffe, heute abend tobt ein solcher Sturm um deinen Turm, daß die Spiegelglasfenster bersten und die Wasserwogen hereinbrechen und du weinend und schreckensstarr ertrinkst.
Ich mache Blätterteig für die Pasteten, und nachdem ich mit einem Weinglas den Teig ausgestochen habe, nehme ich die dünnen Reststreifen und knete sie zu einem Figürchen, das eine gewisse Ähnlichkeit mit Mary Fisher besitzt, stelle den Backofen auf höchste Leistung und röste das Figürchen, bis die Küche von einem solchen Gestank erfüllt ist, daß nicht einmal mehr der Rauchabzug damit fertig wird. Gut.
Ich hoffe, der Turm verbrennt und Mary Fisher mit ihm, so daß der Geruch brutzelnden Fleisches aufs Meer hinauszieht. Ich würde das Ding selbst anzünden, aber ich kann ja nicht Auto fahren. Zum Turm komme ich nur, wenn Bobbo mich hinfährt, und das tut er nicht mehr. Hundertacht Kilometer. Das ist, so sagt er, viel zu weit.
Bobbo, der Mary Fishers glatte glänzende Schenkel spreizt, dann, wie es seine Gewohnheit ist, seinen Finger dort einführt, wohin sein eigentliches konzentriertes Selbst bald folgen wird.
Ich weiß, daß er es bei ihr genauso macht wie bei mir, weil er es mir erzählt hat. Bobbo glaubt an Ehrlichkeit. Bobbo glaubt an die Liebe.
»Hab Geduld«, sagt er. »Ich habe nicht die Absicht, dich zu verlassen. Es ist einfach so, daß ich im Augenblick in sie verliebt bin und mich dementsprechend verhalten muß.« Liebe, sagte er! Liebe! Bobbo redet viel über Liebe. Mary Fisher schreibt über nichts anderes als über Liebe. All you need is love. Ich nehme an, ich liebe Bobbo, weil ich mit ihm verheiratet bin. Aber Liebe ist, verglichen mit Haß, ein farbloses Gefühl. Sie macht kribbelig und rastlos und elend.
Meine Kinder kommen aus dem sommerlichen Garten ins Haus. Ein Geschwisterpaar. Der Junge ähnelt ein bißchen meiner Mutter, und genau wie sie jammert er ganz gern. Das Mädchen, groß und plump wie ich, ist von einer Rachsucht, hinter der sich die Verzweiflung von zuviel Gefühl verbirgt. Hund und Katze folgen den beiden. Das Meerschweinchen raschelt und schnüffelt in seiner Ecke herum. Gerade eben habe ich seinen Käfig saubergemacht. Die Schokolade für die Mousse blubbert und schmilzt in der Kasserolle. Das ist das Glück, die Vollkommenheit des häuslichen Lebens in der Vorstadt. Damit sollten wir zufrieden sein: Das ist unser Schicksal. Aus der Gosse ungezügelter Begierden auf den glatten Rasen ehelicher Liebe.
Das sagen Sie, hörte ich meine Mutter antworten, als ihr der Priester auf dem Sterbebett das ewige Leben in Aussicht stellte.