Читать книгу Die Teufelin - Фэй Уэлдон - Страница 8

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»Aber warum hat sie denn geweint?« wollte Brenda von Bobbo wissen, als Ruth die Treppe hochpolterte und das Haus erbebte. »Hat sie ihre kritischen Tage?«

»Ich denke schon«, sagte Bobbo.

»Welch eine Plage für eine Frau«, sagte Brenda, und Angus hüstelte bei dieser Wendung des Gesprächs leicht verlegen.

Kurz darauf kam Ruth lächelnd herunter und servierte die Suppe.

Bobbo hatte Ruth vor nun mehr als zwölf Jahren kennengelernt. Sie war eine von Angus’ Schreibkräften. Angus war in der Papierbranche tätig und arbeitete gerade auf seine zweite Million hin, die später durch die Einführung der Vermögenssteuer wie Schnee in der Sonne dahinschmolz. Angus und Brenda lebten ausnahmsweise mal in einem Haus und nicht in einem Hotel, was Bobbo zu schätzen wußte, obwohl er auswärts studierte. Die Examen für Buchprüfer ziehen sich über viele Jahre hin, was den Sohn (üblicherweise ist es ein Sohn) ungewöhnlich lange vom Vater abhängig macht.

Ruth war ein hilfsbereites, anstelliges Mädchen, das sich konzentrieren konnte und nicht ständig in den Spiegel schaute. Wenn möglich, vermied sie sogar den Blick in den Spiegel. Sie war noch keine zwanzig, wohnte aber nicht mehr zu Hause. Ihr Schlafzimmer war für die Modelleisenbahn ihres Stiefvaters benötigt worden. Aufgrund ihrer Ungeschicklichkeit und der Empfindlichkeit der Ausrüstung konnten sie und die Eisenbahn nicht gefahrlos ein Zimmer teilen. Einer von ihnen mußte gehen, und Ruth ließ sich leichter abschieben. Es kann Monate dauern, eine Gleisanlage richtig und auf Dauer aufzubauen und einzurichten; eine junge Frau kann sich überall niederlassen.

So war Ruth schließlich in einer Art Studentenheim untergekommen, das hauptsächlich von Verkäuferinnen bewohnt wurde; einer besonders schmalen, eleganten Sorte junger Frauen. Die Gürtel, die ihre Wespentaillen einschnürten, hätten nicht einmal Ruths Oberschenkel umspannt.

Der Auszug aus dem Heim ihrer Kindheit war ohne große Emotionen verlaufen; allen Beteiligten, Ruth eingeschlossen, war klar, daß sie diesem Ort entwachsen war. Sie mochte kein großes Theater. Sie hatte eine Klosterschule besucht, die von Nonnen der abergläubischen und nicht der intellektuellen Art geleitet wurde. Hier konzentrierte man sich darauf, die Mädchen auf ihre künftige Rolle als Frau und Hausmütterchen vorzubereiten; abgesehen von Schreibmaschine und Kurzschrift mußten keine Prüfungen abgelegt werden. Diese Ausbildung förderte Stoizismus und unterdrückte selbstsüchtige Regungen und aufmerksamkeitsheischende Tränen.

Ruths Halbschwestern zeichneten sich in St. Martha besonders im griechischen Tanz aus, was sie dann auch am Ende eines jeden Schuljahrs ganz liebreizend zur Schau stellten. Auch Ruth machte sich bei derartigen Anlässen nützlich – als Kulissenschieberin. »Seht ihr«, sagten die Nonnen, »jeder Mensch hat seinen Wert. In Gottes wunderbarer Schöpfung ist Platz für alle.«

Kurz nachdem Ruth in das Heim umgezogen war, verließ auch ihre Mutter das Zuhause. Vielleicht fühlte auch sie sich von der stetig wachsenden Eisenbahnanlage in die Ecke gedrängt oder war von dem Mangel an sexueller Begeisterung enttäuscht, der oft von Männern gezeigt wird, die diesem lohnenden Hobby verfallen; vielleicht aber war es auch bloß – wie Ruth sich einbildete – die plötzliche Abwesenheit ihrer Tochter, die der Mutter die Freiheit bescherte. Jedenfalls brannte Ruths Mutter mit einem Bergwerksingenieur nach Westaustralien durch, zusammen mit Miranda und Jocelyn, und Ruths Stiefvater tröstete sich kurz darauf mit einer weniger anspruchsvollen Frau, die keinen Anlaß sah, daß Ruth sie besuchen sollte. Schließlich war Ruth keine Blutsverwandte, ja es bestand nicht einmal eine entfernte Verwandtschaft.

Brenda, die durch Angus von diesen Umständen erfuhr, bemitleidete das Mädchen.

»Sie braucht jemand, der ihr ein bißchen unter die Arme greift!« sagte Brenda.

Ruth saß stets in der Telefonvermittlung, wenn Brenda früh, spät oder in der Mittagszeit anrief, immer höflich, ruhig und ungemein tüchtig. Die andern Mädchen machten immer gerade irgendwelche Einkäufe, kleine Halstücher, Ohrringe, Lidschatten und ähnliches, und all das während der von Angus bezahlten Bürozeit (kein Wunder, daß er so oft bankrott war); Ruth tat so etwas nie.

»Ich war auch mal ein häßliches Entlein«, sagte Brenda zu Angus. »Ich weiß, wie das ist.«

»Sie ist kein häßliches Entlein«, sagte Angus. »Häßliche Entlein verwandeln sich in Schwäne.«

»Ich glaube«, sagte Brenda, »das Mädchen braucht jetzt, an diesem entscheidenden Punkt in ihrem Leben, ein richtiges Zuhause. Sie könnte bei uns wohnen. Ich könnte ihr helfen, daß sie was aus sich macht, und sie könnte dafür als Gegenleistung abends nach der Arbeit ein bißchen kochen und putzen. Und fürs Bügeln brauche ich wirklich jemand. Natürlich würde sie auch Miete zahlen. Sie ist ein sehr stolzes Mädchen. Sagen wir, so ungefähr ein Drittel ihres Gehalts.«

»Wir haben keinen Platz«, sagte Angus. Das Haus, in dem sie wohnten, war sehr klein, der einzige Grund, weshalb sie sich darin wohl fühlten. Doch Brenda meinte, Bobbos Zimmer würde während des Semesters sowieso leerstehen.

»Es ist nicht richtig«, sagte sie. »Ein leeres Zimmer ist einfach nicht richtig

»Du hast schon in so vielen Hotels gewohnt«, sagte er, »daß du anfängst, wie ein Hotelmanager zu denken. Aber ich verstehe, was du meinst.«

Brenda und Angus hatten beide das Gefühl, ohne es laut aussprechen zu wollen, daß Bobbos Kindheit und Abhängigkeit nun lange genug gedauert hatte: zu lange, um genau zu sein.

Sein Zimmer sollte mittlerweile wirklich frei sein, damit sie es nach eigenem Belieben verwenden konnten. Elternschaft konnte nicht ewig dauern. Und wenn sie das Zimmer voll haben wollten, dann wäre es mit Ruth mehr als voll. »Bobbo kann ja jederzeit auf dem Sofa schlafen«, sagte Brenda. »Es ist sehr bequem.«

Bobbo war überrascht und verärgert, als er Weihnachten heimkam und man ihm das Sofa als Bett anbot. Seine alten Schulbücher waren aus dem Regal verschwunden, um für Ruths flache, ausgetretene Schuhe Platz zu machen.

»Betrachte Ruth als Schwester«, sagte Brenda. »Die Schwester, die du nie gehabt hast!«

Aber Bobbo war, wie es bei Einzelkindern häufig der Fall ist, vom Gedanken an Inzest unter Geschwistern fasziniert, nahm die Worte seiner Mutter als Rechtfertigung für die Erfüllung seiner Phantasien und kroch mitten in der Nacht in das Bett, das schließlich trotz allem sein Bett war. Ruth war warm und weich und breit, und das Sofa war kalt und hart und schmal. Er mochte sie. Sie lachte ihn nie aus oder äußerte sich verächtlich über seine sexuellen Darbietungen, wie Audrey Singer, das Mädchen, in das Bobbo gerade verliebt war. Bobbo fand, es geschah Audrey recht, daß er Ruth, diesen gewaltigen willigen Berg, verführt hatte. Es war sexueller Selbstmord der dramatischsten Art.

»Sieh nur, was du getan hast!« sagte er in seinem Herzen zu Audrey. »Sieh nur, wohin du mich getrieben hast! Zu Ruth!« »Sieh nur«, sagte er in seinem Herzen zu seiner Mutter, gleich ein paar Fliegen mit einer Klappe schlagend, »sieh nur, was geschieht, wenn du mich aus meinem eigenen Zimmer wirfst, aus meinem eigenen Bett. Ich steig’ einfach trotzdem rein, ganz egal, wer drinnen liegt.«

Ruth war mit der neuen Situation durchaus zufrieden. Sie trug das Wissen um ihre geheime Liebe tief in ihrem Herzen verborgen und fühlte sich mit der Welt versöhnt; sie war einfach nur größer als andere, was aber schließlich nicht mehr auffiel, wenn sie sich hinlegte. Als die neue Frau ihres Stiefvaters zu Weihnachten anrief, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen, konnte sie wahrheitsgemäß antworten, daß es ihr sehr gut ginge, was es dem zuvor schuldbewußten Pärchen ermöglichte, sie ganz zu vergessen. Kurz darauf schrieb Ruths Mutter, dies wäre der letzte Brief, den sie ihr jemals schreiben würde, da ihr neuer Ehemann wünschte, sie solle ihre Vergangenheit endgültig hinter sich lassen, und außerdem gehörten sie beide nun einer wunderbaren neuen Religionsgemeinschaft an, die von der Ehefrau absoluten Gehorsam ihrem Mann gegenüber forderte. Diese Hingabe, so schrieb Ruths Mutter, bringt Frieden. Sie gab ihr ihren Segen (und auch den des Meisters, denn ihr war gestattet worden, ihn persönlich wegen Ruth um Rat zu fragen; der Meister war der Repräsentant der Großen Einheit auf dieser Erde, so wie die Frau die Repräsentantin des Mannes war) und brachte ihre Dankbarkeit zum Ausdruck, daß Ruth nun erwachsen war und sich um sich selbst kümmern konnte. Größere Sorgen bereiteten ihr Miranda und Jocelyn, die noch so jung waren, doch der Meister hatte ihr gesagt, daß alles gut werden würde. Der Brief war ein letzter, endgültiger, liebevoller Abschiedsgruß.

»Unsere Eltern«, sagte Bobbo, »sind gesandt, um uns in Versuchung zu führen!« Er genoß Ruths Abhängigkeit von ihm, die Art und Weise, wie der Blick ihrer dunklen, tiefen, leuchtenden Augen ihm durch das Zimmer folgte. Er schlief gern mit ihr. Sie war eine warme, dunkle, immerwährende Zufluchtsstätte, und wenn Licht war, konnte er immer noch die Augen schließen.

»Vielleicht heiraten sie«, sagte Brenda zu Angus, »und ziehen beide aus.«

Ruth verbrauchte mehr heißes Wasser, als Brenda erwartet hatte, vor allem im Bad. In Hotels ist das heiße Wasser umsonst.

»Ich glaube kaum«, sagte Angus. »Ein Junge wie Bobbo muß eine kluge Wahl treffen, was seine zukünftige Frau anbelangt, mit einem Blick für Geld und Beziehungen.«

»Ich hatte weder das eine noch das andere«, sagte Brenda, »und trotzdem hast du mich geheiratet!« Und sie küßten sich, voller Sehnsucht, endlich wieder allein zu sein, ohne die jüngere Generation.

Bobbo ging zurück aufs College, bestand seine letzten Buchprüferexamen und holte sich eine Leberentzündung. Ruth stellte fest, daß sie schwanger war.

»Heiraten!« sagte Bobbo entsetzt.

»Sie ist eine Perle unter den Frauen«, sagte Brenda. »Ich weiß nicht, wie dein Vater ohne sie auskommen soll. Sie ist tüchtig und pflichtbewußt und gut

»Aber was werden die Leute sagen

Brenda tat so, als hätte sie nichts gehört und bot das Haus zum Verkauf an. Sie und Angus zogen wieder ins Hotel, jetzt, wo Bobbo auf eigenen Beinen stehen konnte. Audrey Singer gab ihre Verlobung mit einem anderen bekannt. Bobbo trank eine halbe Flasche Whisky, erlitt einen bösen Rückfall und heiratete Ruth, als diese im fünften Monat schwanger war. Hepatitis ist eine deprimierende, schwächende Krankheit, und Bobbo kam es zu der Zeit so vor, als hätte seine Mutter recht, und eine Frau wäre wie die andere. Ruths großer Vorteil war, daß sie da war.

Auf dem Gang zum Standesamt trug Ruth ein Hochzeitskleid aus weißem Satin, und Bobbo erkannte, daß er sich womöglich geirrt hatte. Zwischen den einzelnen Frauen konnte es beträchtliche Unterschiede geben. Er glaubte, die Leute hämisch kichern zu hören. Kaum war das Baby geboren, da ging sie mit dem nächsten schwanger.

Danach bestand Bobbo darauf, daß Ruth eine Spirale trug, und sah sich nach geeigneteren Empfängerinnen seiner Zuneigung und sexuellen Energie um. Er fand sie problemlos, als erst mal die Auswirkungen seiner Hepatitis nachgelassen hatten. Er verabscheute Unehrlichkeit und Heuchelei und teilte Ruth stets mit, was geschehen war und was demnächst geschehen würde, wenn es sich einrichten ließ. Er sagte ihr, daß auch sie frei für sexuelle Experimente ihrerseits war.

»Wir werden eine moderne offene Ehe führen«, hatte er ihr erklärt, bevor sie heirateten. Sie war im vierten Monat, und es ging ihr ziemlich schlecht.

»Natürlich«, sagte sie. »Was bedeutet das?«

»Das bedeutet, daß wir beide unsere Leben voll ausleben und stets ehrlich zueinander sein müssen. Die Ehe muß unsere Leben wie ein schützender Mantel umhüllen und darf sie nicht beschneiden. Wir müssen das als Startpunkt betrachten, nicht als Ziellinie.«

Sie hatte zustimmend genickt. Manchmal preßte sie, um ihre Übelkeit zurückzudrängen, ihren Mund mit den Fingern zusammen. Das tat sie auch jetzt, während er über seine persönliche Freiheit sprach. Er wünschte, sie würde es nicht tun.

»Wahre Liebe ist nicht besitzergreifend«, erklärte er ihr. »Nicht unsere Art häusliche, dauerhafte Liebe. Eifersucht ist, wie jedermann weiß, ein gemeines, niedriges Gefühl.«

Sie hatte ihm beigepflichtet und war ins Badezimmer gerannt.

Bald stellte er zu seiner Bestürzung fest, daß sich sein Vergnügen an sexuellen Experimenten durch das Wissen steigerte, daß er es schließlich seiner Frau erzählen würde. Als Zeuge erotischer Ereignisse stand er außerhalb seines eigenen Körpers. Die Erregung wurde größer und die Verantwortung geringer, da er alles mit Ruth teilen konnte.

Ihnen war beiden klar, daß die Schuld an allem Ruths Körper trug. Er hatte diesen Leib notgedrungen und irrtümlicherweise geheiratet und würde ihm gegenüber seine grundsätzlichen Pflichten erfüllen, aber nie würde er sich mit diesen gewaltigen Ausmaßen abfinden; Ruth wußte das nur zu gut.

Lediglich seine Eltern schienen zu erwarten, daß er sich wie ein treuer, netter Ehemann verhielt, so wie sich Angus Brenda und Brenda Angus gegenüber benahm. Sie behandelten Bobbo und Ruth wie einen richtigen Ehemann und eine richtige Ehefrau und nicht wie ein Paar, das versehentlich geheiratet hatte.

Ruth hatte die Babys im Kinderwagen durch den Park geschoben und sich mit Süßigkeiten und romantischen Liebesromanen – darunter die von Mary Fisher – getröstet, während Bobbo in der Welt vorangekommen war.

Kurz nachdem sie nach Eden Grove gezogen waren, hatte Bobbo auf einer seiner Partys in einem überfüllten Raum Mary Fisher gesehen, und sie hatte ihn gesehen und zu ihm gesagt: »Ich möchte Klientin von Ihnen werden.«

Und er hatte gesagt: »Sofort.«

Und die Vergangenheit verblaßte für Bobbo, einschließlich der Leiden und Ekstasen, die er bei Audrey Singer kennengelernt hatte, und die Gegenwart wurde übermächtig, und die Zukunft verwandelte sich in ein wunderbares gefährliches Mysterium.

So begann die Affäre. Bobbo und Ruth fuhren Mary Fisher von der Party nach Hause. Um sich unverzüglich ins Vergnügen stürzen zu können, hatte Mary Fisher ihren Rolls-Royce voller Ungeduld leider sehr unglückselig geparkt, denn sie behinderte eindeutig den Verkehr; während sie mit dem Gastgeber flirtete, schleppte die Polizei ihren Wagen ab.

Sie würde, so sagte sie, am Morgen ihren Diener Garcia schicken, um das alberne Vehikel abzuholen. Doch jetzt, sagte sie, könnten Bobbo und Ruth sie auf der Heimfahrt mitnehmen?

»Selbstverständlich!« rief Bobbo. »Selbstverständlich.«

Ruth hatte angenommen, daß Mary Fisher gemeint hatte, sie selbst sollte auf dem Heimweg abgesetzt werden, doch als Bobbo an der Ecke Eden Avenue und Nightbird Drive stoppte, erkannte sie ihren Irrtum.

»Begleite sie wenigstens bis zur Tür«, protestierte Mary Fisher, ein Akt der Herablassung, den Ruth ihr nie verzieh, doch Bobbo meinte nur lachend:

»Irgendwie glaube ich nicht, daß Ruth so leicht das Opfer einer Vergewaltigung werden könnte, oder, Darling?« Und Ruth erwiderte loyal: »Das macht mir absolut nichts, Miss Fisher. Wir wohnen in einer Sackgasse, da ist das Wenden in der Dunkelheit so schwierig! Und wir haben die Kinder ohne Babysitter gelassen. Ich muß wirklich so schnell wie möglich heim.«

Aber niemand hörte ihr zu, also stieg sie hinten aus – Mary Fisher saß vorn, neben Bobbo –, und noch bevor die Tür zufiel, hörte sie Mary Fisher sagen: »Du wirst mir nie verzeihen. Ich wohne so weit draußen. Fast an der Küste. Genau genommen, direkt an der Küste.« Und Bobbo entgegnete: »Glaubst du, ich weiß das nicht?«, und dann schlug die Tür zu, und Ruth stand im Dunkeln, während die kräftigen roten Rücklichter des Wagens in der Finsternis davonschossen. Mit ihr fuhr Bobbo nie so: rrrum, rrrum! Und sie bat Bobbo nie um einen Gefallen, fragte nie, ob er sie mal mitnehmen oder was für sie besorgen könnte; stets machte er ein Riesentheater, wenn sie es tat. Wie konnte Mary Fisher es wagen? Und wieso bezauberte ihn ihre Anmaßung, anstatt ihn abzustoßen? Eine Fahrt bis zur Küste, während Ruth lieber durch den Regen lief, bloß um Bobbo nicht fünfzehn Sekunden lang aufzuhalten.

Sie ging nach Hause und dachte darüber nach und lag die ganze Nacht lang wach. Selbstverständlich kam Bobbo nicht heim, und am Morgen schrie Ruth die Kinder an, bevor sie sich klar machte, daß es nicht fair war, ihren Kummer an ihnen auszulassen; sie riß sich zusammen und aß vier getoastete Brötchen mit Aprikosenmarmelade, als das Haus still und sie alleine war.

Bobbo kam sehr müde heim, ließ das Abendessen ausfallen, ging sofort zu Bett und fiel in tiefen Schlaf, aus dem er erst am nächsten Morgen gegen sieben Uhr erwachte. Er sagte: »Jetzt weiß ich, was Liebe ist« und stand auf und zog sich an, wobei er sich im Spiegel anstarrte, als würde er dort etwas vollkommen Neues sehen. Auch die nächste Nacht blieb er weg und danach jede Woche zwei oder drei Nächte.

Manchmal erklärte er, er hätte noch spät zu arbeiten und würde in der Stadt übernachten; gelegentlich jedoch, wenn er sehr müde oder sehr aufgekratzt war, gestand er ein, daß er bei Mary Fisher gewesen war, und er erzählte von den Dinnergästen – berühmte Leute, reiche Leute, von denen selbst Ruth schon gehört hatte – und was es zu essen gegeben und was für geistreiche, bezaubernde, schlimme Sachen Mary Fisher gesagt und was für ein Kleid sie getragen hatte und wie es dann hinterher gewesen war, als er ihr endlich das Kleid ausziehen konnte.

»Ruth«, pflegte er zu sagen, »du bist mein Freund. Du mußt mir in dieser Angelegenheit alles Gute wünschen. Das Leben ist so kurz. Mißgönne mir dieses Erlebnis, diese Liebe nicht. Ich werde dich nicht verlassen, du mußt dir deswegen keine Sorgen machen. Du hast es nicht verdient, verlassen zu werden. Du bist die Mutter meiner Kinder. Sei geduldig, es wird vorübergehen. Wenn es dich verletzt, so tut es mir leid. Aber laß es mich wenigstens mit dir teilen.«

Ruth lächelte, hörte zu und wartete, und es ging nicht vorüber. An den stillen Tagen dachte sie über die Natur der Frauen nach, die so wenig Rücksicht auf Ehefrauen nahmen.

»Eines Tages«, sagte sie, »mußt du mich mal zum Essen in ihren Turm mitnehmen. Finden die Leute es nicht merkwürdig, daß deine Frau nie dabei ist?«

»Das sind keine Leute wie du«, sagte Bobbo. »Nur Schriftsteller und Künstler und so was. Und niemand, der was ist, heiratet heutzutage noch.«

Doch er mußte ihre Bemerkung Mary Fisher weitererzählt haben, denn kurz darauf wurde Ruth in den Turm eingeladen. Es waren lediglich zwei weitere Gäste anwesend: der örtliche Anwalt mit Frau, beide schon etwas bejahrt. Mary Fisher erklärte, die anderen hätten im letzten Moment abgesagt, doch Ruth glaubte ihr nicht.

Bobbo hatte sein Bestes getan, um Mary Fisher davon abzuhalten, Ruth einzuladen, hatte aber keinen Erfolg gehabt.

»Wenn sie Teil deines Lebens ist, Darling«, sagte Mary Fisher, »dann möchte ich, daß sie auch Teil meines Lebens ist. Ich möchte sie richtig kennenlernen, nicht bloß als eine Person, die du mitten in der Nacht an einer Straßenecke abgesetzt hast. Keine meiner Heldinnen würde das zulassen! Ich sag dir, was ich machen werde. Wir machen eine jener Dinnereinladungen daraus, die Pflicht und nicht Vergnügen sind.«

Bobbo fragte manchmal Mary Fisher, warum sie ihn liebte. Mary Fisher sagte, weil er Geliebter und Vater war, das Verbotene und das Erlaubte, alles in einer Person, und außerdem war die Liebe sowieso eine geheimnisvolle Sache, und Amor war nun mal eigensinnig, und warum wollte er das überhaupt wissen, konnte er es denn nicht einfach hinnehmen?

Bobbo nahm es hin. Ruth kam zum Essen. Sie stolperte und errötete, und die Haare auf ihrer Oberlippe und an ihrem Kinn glänzten im Lichtschein; sie hatte Wein aufs Tischtuch gegossen und die falschen Dinge zu den falschen Leuten gesagt und alles durcheinander gebracht.

»Glauben Sie nicht auch«, hatte sie zu dem Anwalt gesagt, »daß es um so mehr Verbrechen gibt, je mehr Polizei es gibt?« »Sie meinen«, hatte er freundlich erwidert, »je mehr Polizei, desto weniger Verbrechen. Gewiß doch.«

»Nein, ganz gewiß nicht«, sagte Ruth aufgeregt, während ihr der Spinat über das Kinn lief, und Bobbo mußte sie mit einem Tritt unter dem Tisch zum Schweigen bringen.

Manchmal dachte Bobbo, Ruth wäre verrückt. Sie sah nicht nur nicht so aus wie andere Leute, man konnte sich auch nicht darauf verlassen, daß sie sich so wie andere Leute benahm.

Bobbo befürchtete, daß Mary sich ihm gegenüber etwas kühler verhielt, seit sie Ruth kennengelernt hatte. Niemandem tat es gut, in enger Beziehung zu unglücklichen und glücklosen Leuten zu stehen. Liebe, Erfolg, Energie, Gesundheit, Glück drehten sich in engem Kreis, trieben sich aus eigener Energie an, befanden sich jedoch gleichzeitig in einem höchst labilen Gleichgewicht. Ein Körnchen Sand im Getriebe, und die ganze Maschinerie konnte zum Stillstand kommen. Glück und Segen verwandeln sich nur zu leicht in Unheil! Und jetzt liebte er Mary Fisher und liebte sie und liebte sie, und seine Eltern waren zum Dinner gekommen, und seine Frau hatte geweint und eine Szene gemacht und das Essen auf den Boden geworfen, und er hatte nicht das geringste für sie übrig. Ruth stand zwischen ihm und dem Glück: unverrückbar! Hatte es in der ganzen Geschichte der Ehe jemals solche Unverrückbarkeiten gegeben?

Bobbo hatte zu Mary Fisher gesagt: »Mary, empfindest du keine Schuldgefühle, weil du eine Affäre mit einem verheirateten Mann hast?«

Und Mary hatte erwidert: »Ist das, was wir haben, eine Affäre?« Sein Herz hatte entsetzt zu hämmern begonnen, bis sie hinzugefügt hatte: »Ich dachte, es wäre mehr. Es fühlt sich an, als wäre es mehr! Es fühlt sich an, als wäre es für immer.« Die Freude hatte ihn zum Schweigen gebracht, und sie hatte weitergesprochen: »Schuldgefühle? Nein. Liebe entzieht sich unserer Kontrolle. Wir verlieben uns. Niemand trägt daran schuld. Du nicht. Ich nicht. Und ich vermute, weil Ruth nie etwas erwartet, wird sie auch nie etwas bekommen. Wir können unser Leben nicht verderben, weil sie fast ohne Freude geboren wurde. Es war ein Akt der Freundlichkeit deinerseits, als du sie geheiratet hast, und ich liebe dich deswegen, aber jetzt, mein Liebster, sei gut zu mir. Lebe mit mir. Hier, jetzt, für immer!«

»Und die Kinder?«

»Sie sind Ruths Krone und ihre Juwelen. Sie sind ihr ganzer Trost. Sie kann sich so glücklich schätzen. Ich habe keine Kinder. Ich habe niemanden außer dir.«

Sie sagte das, was er hören wollte. Es war hinreißend. Und nun saß er hier an einem Vorstadttisch, zusammen mit seiner Mutter, seinem Vater und seiner Vergangenheit, und dachte an Mary Fisher und wie sehr sie ihn brauchte und sehnte sich nach einer gemeinsamen Zukunft, und dann kam Ruth endlich mit der Suppenterrine herein.

Ruths tapferes Lächeln geriet über der Suppe ins Schwanken. Ihre Schwiegereltern starrten sie in ruhiger freundlicher Erwartung an. Und Ruth schaute auf die drei Hundehaare, die in dem grauen Schaum der durch Sahne verdickten köstlichen Pilzsuppe schwammen.

Der Hund hieß Harness. Bobbo hatte ihn Andy zu dessen achten Geburtstag gekauft. Ruth kümmerte sich um ihn. Harness mochte Ruth nicht. Für ihn war sie eine Riesin, ein Affront gegen die natürliche Ordnung der Dinge. Er akzeptierte das Essen, das sie ihm gab, schlief aber dort, wo sie es ihm verboten hatte, quetschte sich unter Schränke und schnappte nach suchenden Händen, nagte die Polster an und machte gewaltigen Radau, wenn man ihn irgendwo zurückließ, wo er nicht sein wollte. Er haarte, klaute Essen, fraß pfundweise Butter (wenn er welche auftreiben konnte) und kotzte sie sofort wieder aus. An den paar Sonntagen, an denen Bobbo zu Hause war, ging er gern mit Harness im Park spazieren, zusammen mit Andy; Vater und Sohn fühlten sich dann glücklich und wohl. Ruth blieb allein zurück, entfernte mit einem speziellen kleinen, batteriebetriebenen Staubsauger Haare von irgendwelchen Polsterungen und Bezügen. Sie mochte Harness nicht.

»Laß die Suppe nicht kalt werden, Ruth«, sagte Bobbo, als wäre das eine ihrer üblichen Angewohnheiten.

»Haare!« Das war alles, was Ruth hervorbrachte.

»Es ist ein hübscher sauberer Hund«, sagte Brenda. »Uns stört das nicht, oder, Angus?«

»Natürlich nicht«, sagte Angus, den es durchaus störte. Als Kind hatte Bobbo immer einen Hund haben wollen, was Angus stets verhindert hatte.

»Kannst du nicht mal den Hund von der Suppe fernhalten?« fragte Bobbo. Es war falsch, das zu sagen, und er wußte es, kaum daß er es ausgesprochen hatte. Er versuchte bei Ruth die Formulierung »Kannst du nicht mal ...« zu vermeiden, aber es rutschte ihm heraus, wann immer er sich über sie ärgerte, was in letzter Zeit immer häufiger vorkam.

Tränen traten in Ruths Augen. Sie hob die Suppenterrine hoch. »Ich gieß sie durchs Sieb«, sagte sie.

»Das ist eine gute Idee!« sagte Brenda. »Da kann nichts passieren.«

»Bring sofort die Suppe zurück«, rief Bobbo. »Sei nicht albern, Ruth. Das ist schließlich keine Katastrophe. Nichts weiter als drei Hundehaare. Fisch sie einfach raus.«

»Aber vielleicht sind sie vom Meerschweinchen«, sagte Ruth. »Es rannte vorhin über die Anrichte.« Das Meerschweinchen konnte sie von allen Haustieren der Kinder am wenigsten ausstehen. Seine Schultern waren krumm, und seine Augen lagen zu tief. Es erinnerte sie an sich selbst.

»Du bist müde«, sagte Bobbo. »Du mußt müde sein, sonst würdest du nicht solch einen Unsinn reden. Setz dich.«

»Laß sie doch die Suppe durchsieben, Lieber«, sagte Brenda, »wenn ihr das am Herzen liegt.«

Ruth kam bis zur Tür. Dann drehte sie sich um. »Es ist ihm egal, ob ich müde bin oder nicht«, sagte Ruth. »Er denkt gar nicht mehr an mich. Er denkt nur noch an Mary Fisher, wißt ihr, die Schriftstellerin. Sie ist seine Geliebte.«

Bobbo war entsetzt über diese Indiskretion, dieses unloyale Verhalten, gleichzeitig aber auch dankbar. Ruth konnte man nicht trauen. Schon immer hatte er das gewußt.

»Ruth«, sagte er, »es ist meinen Eltern gegenüber äußerst unfair, sie in unsere Familienprobleme zu verwickeln. Sie haben nichts damit zu tun. Hab ausnahmsweise mal Mitleid mit unbeteiligten Außenstehenden.«

»Aber ich hab damit was zu tun«, sagte Brenda. »Dein Vater hat sich niemals so benommen. Ich weiß gar nicht, von wem du das hast.«

»Sei so nett und respektiere meine Intimsphäre, Mutter«, sagte Bobbo. »Das ist das mindeste, was du nach der Kindheit, die ich hatte, tun kannst.«

»Und was hattest du für eine Kindheit?« wollte Brenda wissen und verfärbte sich rosa.

»Deine Mutter hat recht«, sagte Angus. »Ich denke, du solltest dich bei ihr entschuldigen. Aber was fair ist, muß fair bleiben, Brenda. Ich meine, du solltest es den jungen Leuten selbst überlassen, mit ihren Problemen fertig zu werden.«

»Vater«, sagte Bobbo, »es war genau diese Haltung von dir, die mir eine der schrecklichsten Kindheiten verschaffte, die ein Kind nur haben kann.«

Erst kürzlich hatte ihn Mary Fisher über die Ursachen, weshalb er so unglücklich war, aufgeklärt.

»Ich habe deine Mutter niemals unglücklich gemacht«, sagte Angus. »Du kannst über mich sagen, was du willst, aber ich habe einer Frau nie absichtlich weh getan.«

»Dann kann ich nur sagen«, erklärte Brenda, »daß du es zufällig getan hast.«

»Frauen bilden sich immer alle möglichen Sachen ein«, sagte Angus.

»Vor allem Ruth«, sagte Bobbo. »Mary Fisher ist eine meiner besten Klienten. Ich kann mich glücklich schätzen, sie in meinen Büchern zu haben. Ganz sicher habe ich Achtung vor ihr als kreativer Persönlichkeit – sie ist bemerkenswert talentiert –, und ich würde mich sehr gern als ihr Freund bezeichnen, aber ich fürchte, unsere Ruth hat ein äußerst mißtrauisches Gemüt.«

Ruth schaute von ihrem Schwiegervater zu ihrer Schwiegermutter und zurück, sah dann ihren Mann an und ließ die Terrine mit der Pilzsuppe fallen, die über den Metallrand schwappte, wo die Kacheln aufhörten und der Teppich begann; vom Klang der neuen Katastrophe angelockt, kehrten Kinder und Tiere zurück. Ruth glaubte, daß Harness lachte.

»Vielleicht sollte sich Ruth einen Job suchen«, sagte Angus.

Er kniete auf dem Boden und löffelte die Suppe zurück in die Schüssel, allerdings langsamer, als der Teppich sie absorbierte, so daß er den Löffel fest in den Flaum pressen mußte, damit er die kostbare graue Flüssigkeit schöpfen konnte. »Wer beschäftigt ist, kommt nicht auf dumme Gedanken.«

»Es gibt keine Jobs«, erklärte Ruth.

»Unsinn«, sagte Angus. »Wer wirklich arbeiten will, findet auch was.«

»Das stimmt nicht«, sagte Brenda. »Bei dieser Inflation, Rezession und was weiß ich noch ... Du meinst doch nicht im Ernst, daß wir das essen sollen, Angus, oder?«

»Verschwendung zahlt sich nicht aus«, sagte Angus.

Bobbo wünschte sich weit, weit weg, wünschte sich, bei Mary Fisher zu sein, um ihr perlendes Lachen zu hören, ihre blasse Hand halten und ihre kleinen Finger einen nach dem anderen in seinen Mund nehmen zu können, bis ihr Atem schneller ging und sie ihre Lippen mit ihrer rosigen, ach so rosigen Zunge befeuchtete.

Nicola trat die Katze, die Mercy genannt wurde, aus dem Weg, und die Katze flitzte zum Kamin und hockte sich dort rachesinnend nieder, und Brenda fing an zu jammern und deutete auf die Katze, und Harness geriet in übergroße Erregung und sprang Andy in einem halbsexuellen Angriff an, und Ruth stand einfach nur so da, eine Riesin, und tat gar nichts, und Bobbo verlor die Beherrschung.

»Seht ihr, wie ich leben muß!« brüllte er. »Immer ist es so. Meine Frau erzeugt nur Chaos und Zerstörung, wo sie auch ist; sie vernichtet jedermanns Glück.«

»Warum liebst du mich nicht?« jaulte Ruth.

»Wie kann man was lieben«, schrie Bobbo, »was durch und durch unliebenswürdig ist?«

»Ihr seid beide durcheinander«, sagte Angus und überließ dem Teppich die restliche Suppe. »Ihr habt zu hart gearbeitet.«

»Es ist schwer für eine Frau«, sagte Brenda. »Zwei heranwachsende Kinder! Und mit dir hatte man es auch nie leicht, Bobbo, nicht mal als kleiner Junge.«

»Mit mir hatte man es furchtbar leicht«, kreischte Bobbo. »Dir war nur jeder Augenblick zuwider, den du mit mir verbringen mußtest.«

»Wir gehn, Brenda«, sagte Angus. »Je weniger man sagt, desto leichter läßt es sich wieder kitten. Wir gehen essen.«

»Eine großartige Idee«, brüllte Bobbo, »da meine Frau eure Hauptmahlzeit bereits auf den Boden geworfen hat.«

»Nur keine Aufregung«, sagte Brenda. »In Los Angeles bauen sie Häuser ohne Küchen, weil sich niemand mehr die Mühe macht zu kochen. Und recht haben sie.«

»Aber ich hab den ganzen Tag damit zugebracht«, schluchzte Ruth. »Und niemand will es essen.«

»Weil es ungenießbar ist!« brüllte Bobbo. »Warum bin ich nur immer von Frauen umgeben, die nicht kochen können?«

»Ich ruf dich morgen früh an, Liebes«, sagte Brenda zu Ruth. »Gönn dir ein gemütliches Bad und schlaf dich richtig aus. Dann wirst du dich gleich besser fühlen.«

»Nie werde ich dir verzeihen, daß du zu meiner Mutter so unhöflich warst«, sagte Bobbo kalt zu Ruth, laut genug, daß seine Mutter es hören konnte.

»Gib bloß ihr nicht die Schuld«, sagte Brenda schlau. »Du warst unhöflich, nicht sie. Ich bin eine ausgezeichnete Köchin, ich hab bloß keine Lust zum Kochen.«

»Eine Ehe ist keine leichte Sache«, bemerkte Angus und zog seinen Mantel an. »Das ist wie Elternschaft, manchmal muß man daran arbeiten. Natürlich bleibt oft genug mehr an dem einen Partner als an dem anderen hängen.«

»Ganz sicher ist das so!« sagte Brenda bedeutungsvoll und zog ihre Handschuhe an. Sie stand schief da; sie hatte vergessen, Deodorant unter ihren rechten Arm zu tun, und ihre hübsche braune Bluse begann einen sich vergrößernden Fleck unter dem Arm zu zeigen.

»Siehst du, was geschieht?« Bobbo wandte sich Ruth zu. »Du hast es sogar geschafft, daß meine Eltern sich streiten! Wenn du irgendwo Glück siehst, mußt du es zerstören. Genau die Sorte Frau bist du.«

Brenda und Angus verließen das Haus. Sie gingen nebeneinander den Weg hinunter, jedoch ohne sich zu berühren. Häuslicher Krach wirkt ansteckend. Glückliche Paare tun gut daran, die Gesellschaft unglücklicher Paare zu meiden.

Ruth ging ins Badezimmer und schloß die Tür hinter sich ab. Andy und Nicola holten die Mousse au chocolat aus dem Kühlschrank und teilten sie sich.

»Würde dir ganz recht geschehen, wenn ich jetzt zu Mary fahr«, sagte Bobbo durch das Schlüsselloch. »Du hast heute abend nichts als Unheil angerichtet! Du hast meine Eltern aufgeregt, du hast deine Kinder aufgeregt, und du hast mich aufgeregt. Selbst die Tiere hatten darunter zu leiden. Endlich hast du mir dein wahres Gesicht gezeigt. Du bist eine drittklassige Person. Du bist eine schlechte Mutter, eine noch schlimmere Ehefrau und eine fürchterliche Köchin. In Wirklichkeit bist du gar keine Frau. Ich glaube, du bist ein Teufel, genau, eine Teufelin!«

Als er das sagte, schien es ihm, als würde sich das Schweigen, das auf der anderen Seite der Tür herrschte, verändern; er dachte, vielleicht hatte er sie so erschreckt, daß sie bereit war, sich zu entschuldigen und zu unterwerfen. Doch obwohl er klopfte und gegen die Tür hämmerte, kam sie nicht heraus.

Die Teufelin

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