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Das Kapitol Historische Anmerkungen Das Kapitol (regio VIII)
ОглавлениеUnter den verschiedenen fast bis zum Tiber reichenden Ausläufern der Hochebene im Nordwesten Roms ist das Kapitol der am weitesten vorgerückte. Ursprünglich war es mit dem Quirinal durch einen Sattel verbunden, Trajan ließ diesen jedoch abtragen, um sein Forum zu errichten. Am nordöstlichen Rand des von der Servianischen Mauer umschlossenen Gebiets gelegen, erhebt sich das Kapitol trennend zwischen der durch den Lauf des Velabrum geschaffenen Senke (Forum, Forum Boarium) und dem Marsfeld und überragt die Tiberinsel und die Furt durch den Tiber. Diese strategische Lage und seine Beschaffenheit prädestinierten es für die vermutlich von den Anfängen der Stadt an erfüllte Funktion einer Zitadelle. Es handelt sich um Roms kleinsten Hügel, seine Länge beträgt ca. 460 m von Norden nach Osten bzw. Süden nach Westen, seine Breite 180 m. Seine einzige leicht zugängliche Seite ist die südöstliche, die dem Forum und damit dem Stadtinnern zugewandt ist. Am höchsten ist der Hügel bei Santa Maria in Aracoeli, 46 m über dem Meeresspiegel. Mehr als seine Höhe war es aber seine Beschaffenheit – die Felsabhänge, von denen er auf allen Seiten, bis auf die zum Quirinal hin gelegene, umgeben war –, die ihn uneinnehmbar machte. Zwei Anhöhen, das Capitolium und die Arx, die eine Senke, das Asylum, einrahmten, waren für den Hügel charakteristisch und sind noch erkennbar: In der Senke liegt heute der Kapitolsplatz, auf dessen linker und rechter Seite die beiden Treppen des Vignola – die eine zur Kirche Santa Maria in Aracoeli (Arx-Anhöhe), die andere zum Garten an der Via del Tempio di Giove – hinaufführen (Kapitolsanhöhe).
Der antiken Überlieferung zufolge soll hier die älteste Siedlung auf dem Gebiet der späteren Stadt Rom von Saturn gegründet worden sein. Nach der Gottheit sind ein Altar am Fuße des Hügels (zu dem zu Beginn der Republik ein Tempel hinzukam) und ein Stadttor benannt. Das hohe Alter der Siedlung wurde durch die am Fuße des Hügels in der area sacra von Sant’Omobono entdeckte bronzezeitliche Keramik des 14.–13. Jahrhunderts v. Chr. sowie die erst kürzlich am Südeingang zum Tabularium entdeckte eisenzeitliche Keramik anscheinend bestätigt. Den Nachweis für die Existenz eines eisenzeitlichen Dorfes auf dem Kapitol erbrachten jüngste Restaurierungsarbeiten an den Kapitolinischen Museen.
Das Kapitol. 1. Tempel des Iuppiter Optimus Maximus – 2. Tempel der Ops Opifera – 3. Tempel der Fides – 4. Ara Gentis Iuliae (?) – 5. Nicht identifizierte Tempel auf der severischen forma urbis – 6. Tabularium – 7. Tempel des Veiovis – 8. Gebäude aus der Kaiserzeit – 9. Insula bei der Aracoeli – 10. Überlieferte Lage des Tempels der luno Moneta – 11. Reste des Tempels der luno Moneta und des Auguraculum – 12. Porticus der Dei Consentes – 13. Tempel des Vespasian – 14. Tempel der Concordia – 15. Tempel des Saturn – 16. Septimius-Severus-Bogen – 17. Gefängnis.
Zur Zeit des Romulus eroberten die Sabiner das Kapitol angeblich aufgrund des Verrats der römischen Jungfrau Tarpeia, die den Eindringlingen die Tore geöffnet haben soll. Zur Belohnung sollen sie sie unter ihren Schilden begraben haben. Tarpeia ist vielleicht einfach nur die Schutzgöttin des Hügels (mons Tarpeius lautete wahrscheinlich der älteste Name des Kapitols, und mit dem Namen saxum Tarpeium [„Tarpejischer Fels“] ist von jeher ein Felsabgrund des Hügels belegt worden). Die Sage könnte ihren Ursprung in einem Standbild der Gottheit haben, das sie trophäenartig inmitten eines Waffenhaufens darstellt. Bei der Stadtgründung richtete Romulus in der Senke zwischen den beiden Anhöhen angeblich eine Freizone für Überläufer aus den Nachbarsiedlungen ein, die nach ihrer Funktion als Asylum bezeichnet worden sein soll. Eine andere Bezeichnung für diese Senke lautete inter duos lucos, „zwischen den zwei heiligen Hainen“.
Eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte des Kapitols ist die Erbauung des großen Tempels des Jupiter, der Juno und der Minerva, mit der nach der Überlieferung der erste König der Etrusker, Tarquinius Priscus, begann und Tarquinius Superbus fortfuhr. Die Einweihung – oder vielleicht auch nur eine von mehreren Einweihungen – erfolgte freilich erst zu Beginn der Republik, am 13. September des Jahres 509 v. Chr. In diesem Bauwerk wurden die Sibyllinischen Bücher aufbewahrt, die Orakelspruchsammlung griechischen – um genauer zu sein: kumanischen – Ursprungs, die Tarquinius Superbus erworben haben soll. Ältere Heiligtümer waren ihm vorausgegangen: Die gleichen Funktionen im Zusammenhang mit den Triumph-Zeremonien wird wohl auch der Tempel des Iuppiter Feretrius erfüllt haben, den gar Romulus selbst gegründet haben soll. Auf dem Areal des Jupitertempels befanden sich auch die Heiligtümer des Terminus und der Juventas, die in das neue Gebäude integriert wurden, weil sie sich nicht verrücken ließen.
Das berühmteste Ereignis in der Geschichte des Kapitols ist die von den Römern geleistete Gegenwehr bei der Besetzung der Stadt durch die Gallier 390 v. Chr. Wenig später, im Jahre 383, wurde der Hügel mit einer gewaltigen Terrassierungsmauer abgestützt, die auch als Befestigungsanlage dienen konnte.
133 v. Chr. wurde in der Nähe des Tempels der reformerische Volkstribun Tiberius Gracchus ermordet. An der Stelle, an der er fiel (möglicherweise war es der Absatz der Treppe, die beim Jupitertempel zum Marsfeld hinunterführte), wurde später seine vom Volk wie eine Gottheit verehrte Statue errichtet.
83 v. Chr. wurde das Kapitol von einem furchtbaren Brand fast völlig zerstört: u.a. brannte der ehrwürdige Jupitertempel nieder und verbrannten mit ihm die Libri Sibyllini. Mit dem Neubau wurde ein Anhänger Sullas beauftragt, Q. Lutatius Catulus. Die Arbeiten zogen sich bis mindestens 69 v. Chr. hin. Eine unlängst entdeckte Inschrift überliefert den Namen des Architekten oder, besser gesagt, eines der am Projekt beteiligten Architekten: Lucius Cornelius.
Im Jahre 69 n. Chr., dem Jahr der Anarchie nach dem Tod Neros, entbrannte auf dem Hügel eine Schlacht zwischen den hierher geflüchteten Anhängern Vespasians und denjenigen des Vitellius. Dabei kam es zu einem entsetzlichen Brand, der das Kapitol ein zweites Mal verheerte. Kaum hatte der neue Kaiser Vespasian die Gebäude auf dem Hügel fertigstellen lassen, brach 80 n. Chr., unter Titus, erneut ein Feuer aus: Die Flammen griffen, nachdem sie das Marsfeld verwüstet hatten, auf den Hügel über und zerstörten die gerade erst sanierten Gebäude. Die Last des Wiederaufbaus hatte der 81 nach dem Tod seines Bruders Titus zum Kaiser erhobene Domitian zu tragen. Aus dieser letzten Bauphase sind einige Denkmäler erhalten: die Porticus der Dei Consentes und der Tempel des Vespasian am Hügelabhang zum Forum hin.
Der einzige befahrbare Weg zum Kapitol war der Clivus Capitolinus, eine auf der Höhe des Septimius-Severus-Bogens beginnende Verlängerung der Via Sacra: Einen längeren Teil der Strecke erkennt man heute noch unmittelbar nach der Porticus der Dei Consentes. Der weitere Streckenverlauf ist verschüttet, so wie der Großteil des Südhangs: Angeblich verlief der Weg ursprünglich erst geradeaus und mündete dann, nach einer Biegung nach Norden, vor dem Jupitertempel in die Area Capitolina ein. Es handelte sich dabei um den letzten Abschnitt der Triumphzugsroute.
Es sind lediglich zwei weitere Zugangswege zum Kapitol bekannt: die Scalae Gemoniae (die Gemonische Treppe) und die Centum Gradus („Hundert Stufen“). Die Scalae Gemoniae führten zur Arx hinauf und verliefen annähernd so wie die moderne Freitreppe zwischen Carcer und Concordia-Tempel: Auf sie wurden die Leichen der im nahe gelegenen Gefängnis Hingerichteten geworfen. Die von den antiken Schriftstellern darüber hinaus erwähnten Gradus Monetae waren wahrscheinlich die Verlängerung der Scalae Gemoniae zum Tempel der Iuno Moneta, dem höchsten Punkt der Zitadelle. Den zweiten Zugangsweg bildete eine weitere Freitreppe, die vielleicht in Richtung Area Capitolina zur Hügelseite mit Aussicht auf die area sacra von Sant'’Omobono hinaufführte. Die auf der Grundlage einer Textpassage des Tacitus (Historiae III, 71) in der Regel auf sie bezogene Bezeichnung Centum Gradus („Hundert Stufen“) ist wohl nicht als Eigenname, sondern als Längenangabe zu verstehen. Eine andere Hypothese lautet, dass es sich bei den Centum Gradus und den Gradus Monetae um dieselbe Treppe handelt. Diese soll zum Gipfel des Tarpejischen Felsens (saxum Tarpeium) hinaufgeführt haben, der aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gegenüber dem Capitolium, sondern gegenüber der Arx zu verorten ist: Wir wissen nämlich, dass sich der berühmte Felsen über dem Forum erhob. Die hier vorgenommenen Hinrichtungen standen natürlich in einem engen Zusammenhang mit dem darunter liegenden Carcer und den nahe gelegenen Gerichten am Comitium.
Auf dem Kapitol fanden einige der wichtigsten politischen Aktivitäten und offiziellen Zeremonien des römischen Staates statt. Hier wurden die Tributkomitien abgehalten (zumindest war dies einige Jahre lang zur Zeit der Republik der Fall); hier endeten die Triumphzüge vor dem Jupitertempel, wo der siegreiche Feldherr ein Opfer darbrachte. Hier wurde zudem am 1. Januar die Amtsantrittszeremonie der Konsuln gefeiert; von hier aus machten sich die Statthalter in die Provinzen auf. In der Nähe des Tempels der Ops Opifera, auf der Area Capitolina, wurde, wie aus einem neuerdings entdeckten Dokument hervorgeht, das aerarium militare populi Romani, die militärische Staatskasse für die Versorgung der Veteranen, aufbewahrt, von Augustus als Pendant zu der im Tempel des Saturn untergebrachten zivilen Staatskasse eingerichtet.