Читать книгу Der Heilige mit der roten Schnur - Flavius Ardelean - Страница 20

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Das Skelett Bartholomäus Knochenfaust zog den Karren in den Schutz ausgehöhlter Felsen und machte dann ein Feuer mit Zweigen, die der einäugige Reisende gesammelt hatte. Mit dem Mond über ihnen setzten sie sich dann ans Feuer und lauschten den Geräuschen der Nacht.

»Eine schöne Welt öffnet sich in der Nacht, wenn die des Tages sich schließt«, sagte Bartholomäus und zündete sich eine lange Pfeife an.

Der Rauch kam dick, schwer, holzig aus den Falten seiner Robe, drang zwischen den Rippen des Skeletts hervor und ringelte sich um das lodernde Feuer. Der Reisende holte seinen Beutel hervor und legte das Essen vor sie auf den Boden, einen Kanten Brot und Schinken, Bier und einen Apfel; er bot Bartholomäus davon an, der war jedoch in eine merkwürdige Meditation verfallen und sog immerzu an seiner Pfeife und gab kein Wort mehr von sich, erst weit nach Mitternacht sagte er:

»Nun, lieber Reisender, hoffe ich, dass meine Geschichte deinen Gefallen gefunden hat, denn es ist noch viel von ihr übrig und es wäre schade, sie gerade jetzt abzubrechen, da du von der Geburt und der Kindheit dessen gehört hast, welcher die Stadt gegründet hat, der wir uns gemeinsam nähern wie zwei alte Freunde, obwohl wir uns gerade erst kennengelernt haben. Wir haben den kleinen Taush an der entscheidenden Stelle zwischen der Mutter und dem Alten Tace zurückgelassen, und es wäre nicht gut, ihn dort zu lange festzuhalten und zu vergessen. Morgen machen wir uns auf den Weg und die Geschichte mit uns und siehe, so erfüllen sich die Welten in Welten und Leben in Leben. Aber wo die WELT ist, ist auch die UN’WELT, und wo da Leben ist, ist auch der Tod, und der Mensch ist auf all das vorbereitet. Auch wir, bereiten wir uns in Ruhe auf das vor, was kommen wird. Schließe also, werter Reisender, dein Auge und ruhe dich aus bis zum Morgen, und ich werde das Feuer hüten und mich um deine versprochene Bezahlung für Weg und Erzählung kümmern, genau wie wir es ausgemacht haben.

Und der Mann streckte sich aus und schlief gleich in der Wärme der Flammen ein. Bartholomäus Knochenfaust beugte sich über ihn und in dieser ersten Nacht auf der Reise des Pilgers mit dem Skelett nach Alrauna zahlte der Reisende den ersten Teil des Wegs. Bartholomäus begann, die Beine des Mannes zu entbeinen, zuerst das linke, dann das rechte, langsam, sorgsam, in jedem Schnitt die Erfahrung vieler Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte. Vom Gesäß bis zu den Fersen verließen jeder Muskel, ob groß, ob klein, jede Sehne und die Haut ihren Knochen, an dem sie gewachsen waren, und mit geschickten Knochenfingern befestigte Bartholomäus sie sorgfältig an seinen Knochen. Eine ganze Nacht mühte sich das Skelett ab, ihm das Fleisch von den Beinen zu reißen, und erhielt so von dem Mann das erste Wegegeld, das Wegegeld des Bartholomäus Knochenfaust.

Als die Sonne hinter den alten Felsen hervorkam, weckte Bartholomäus den Pilger und beide stiegen in den Karren und machten sich weiter auf zur Festung des Heiligen Taush. Wohl zwei Stunden sah der Reisende nur nach unten, mal auf seine Knochen, mal auf das frische Fleisch an den Beinen des Skeletts, immer hin und her und ohne ein Wort zu sagen, bis Bartholomäus die Geschichte des kleinen Taush weiterzuerzählen begann, wo er sie am gestrigen Abend abgebrochen hatte. Und da ist nun, was er erzählte:

Der Heilige mit der roten Schnur

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