Читать книгу Misstrauen - Florian Mühlfried - Страница 9
Worum es geht
ОглавлениеIn den folgenden Kapiteln soll das Spektrum des Misstrauens in seinen jeweiligen Facetten ausgeleuchtet werden. Das zweite Kapitel beschreibt offen gezeigtes Misstrauen, das zentripetal ins Innere von Gesellschaft und Politik wirken soll. Auch nach dessen politischer Akzeptanz und Relevanz wird gefragt. Wie viel Misstrauen kann Demokratie vertragen? Und was passiert, wenn Misstrauen verdrängt wird?
Das dritte Kapitel behandelt verdeckte Formen des Misstrauens anhand verschiedener Beispiele des Umganges mit Fremden. Manchmal nimmt in diesem Kontext das Misstrauen feindselige Züge an und äußert sich in Abwendung (passiver Modus), manchmal unterfüttert es einen Modus der doppelbödigen Interaktion (aktiver Modus). Letztere kann als eine Form von Gastfreundschaft verstanden werden, mit der ungefragt erscheinende Fremde domestiziert und damit ihrer Gefahr beraubt werden sollen. Am Beispiel der Praxis von Gastfreundschaft in Georgien wird ausgeführt, wie Misstrauen im Verborgenen wirken kann, während es von einem schönen Schein verdeckt wird.
Im vierten Kapitel geht es erneut um eine offene Form von Misstrauen, die allerdings nicht in die Gesellschaft hineinwirken, sondern sich von dieser lösen will, die also zentrifugal wirkt. Beispiele für solch radikale Misstrauenskulte sind die Mafia, der Islamische Staat (IS) oder faschistische Gruppierungen. Im Zentrum des fünften Kapitels steht eine abschließende Bewertung des Potentials und der Risiken von Misstrauen.
Das Fallmaterial stammt überwiegend aus westlichen Gesellschaften, wird hier jedoch durch Beispiele aus der ehemaligen Sowjetunion ergänzt, um eine breitere Perspektive auf das Phänomen Misstrauen zu ermöglichen. Damit einher geht die Absicht, aktuelle Diskussionen um die Verfasstheit unserer Gesellschaft um eine ethnologische, also kulturvergleichende Perspektive anzureichern. In den letzten Jahrzehnten hat sich die deutschsprachige Ethnologie aus solchen Diskussionen – mit Ausnahme der Debatten um Migration, Multikulturalität und (neuerdings) Terrorismus – weitgehend herausgehalten. Dabei galt die Ethnologie einst intellektuellen Impulsgebern wie Jacob Taubes (1923–1987) neben der Geschichte und der Philosophie als Kerndisziplin der Theoriebildung. Der Versuch, die ethnologische Perspektive wieder ins Spiel zu bringen, ist zugleich ein Versuch, aktuelle Themen nicht aus der Mitte eines Faches heraus, sondern vom Rande her zu denken – dort, wo sich Anschlüsse herstellen lassen.