Читать книгу Tagebuch eines Hilflosen - Francis Nenik - Страница 720
03.01.2019
ОглавлениеDer Trump-Satz des Tages lautet: »I don’t care about Europe.« Wobei das Desinteresse alles andere als neu ist. Es ist vielmehr Ausdruck einer in weiten Teilen der amerikanischen Gesellschaft tief verwurzelten Ignoranz gegenüber der Alten Welt, ein großes Schulterzucken bei dem Gedanken, dass auf der anderen Seite des Großen Teiches auch Menschen über die Erde stapfen. Donald Trump bedient diese Tradition. Sätze wie dieser lassen seine Wähler andächtig nicken. Europa selbst ist dabei aber nur Teil eines viel größeren Desinteresses, das im Grunde alles umfasst, was nicht die Vereinigten Staaten sind – und Jobs. Jobs und America First sind das, was viele Amerikaner wollen. Und Donald Trump gibt es ihnen. Aber er war nicht der erste und wird auch nicht der letzte sein. Er ist nur derjenige, dessen Stammtischparolen besonderen Widerhall finden – in den Kneipen, in denen sie seit Jahrzehnten gehört, gepflegt und weitergesponnen werden.
Die Ethnolinguistin Julie Lindquist hat derartige Gespräche bereits 1992 aufgezeichnet und später in ihrem Buch A Place to Stand. Politics and Persuasion in a Working-Class Bar wiedergegeben. Die Aussagen der Kneipenbesucher lesen sich nicht anders als Trumps Tiraden, nur dass die damaligen Heilande George Bush, Dan Quayle und – vor allem – Ross Perot hießen. Viele Arbeiter und Angestellte waren fasziniert vom Selfmade-Milliardär Perot, der sich als Anti-Establishment-Kandidat und erfolgreicher Jobschaffer inszenierte. Kein Wunder, dass sie ihm mit ihren Worten nacheiferten und schon damals so sprachen wie Donald Trump heute.
»I wanna get the country JOBS«, sagt einer der Gesprächsteilnehmer anno 1992 in einer Bar in Chicago. »I don’t care about Europe, Mexico, I don’t care about nobody! Get the kids in my country jobs.«
Die damaligen »kids« sind heute die Wähler Donald Trumps.