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MIT DER SAISON 1993/94 wurde ein neues Kapitel Fußball- und Fernsehgeschichte aufgeschlagen, als man nämlich entschieden hatte, die Spiele der Zweiten Fußball-Bundesliga live im deutschen TV zu übertragen – am Montagabend!

Von Anfang an war dies eine Geschichte, die bei den eingefleischten Fußball-Anhängern für große Bauchschmerzen sorgte. Denn für sie war das natürlich alles andere als ein ­idealer Termin. Sie mussten unter der Woche reisen, von Freiburg nach Hamburg, von Köln nach Dresden, dafür zum Teil ein, zwei Tage Urlaub nehmen. Ehrlich gesagt, ging ein Sturm der Entrüstung durch das Fan-Lager der zweiten ­Fußball-Bundesliga. Von Kommerz war die Rede, von Geld­macherei. Und der Buhmann, der Buh-Sender war natürlich schnell ausgemacht, das war das Deutsche Sportfernsehen DSF, das sich die Übertragungsrechte für diesen Montagabend gesichert hatte. Viele Kritiker meinten zudem, das müsse doch nun wirklich nicht sein, dass jetzt auch noch die Zweite Fußball-Bundesliga live im TV übertragen werde, das würde doch kein Mensch brauchen.

Die Einschaltquoten freilich stimmten, und das von ­Anfang an. In der Spitze schauten bis zu drei Millionen Zuschauer zu, wenn Hertha BSC Berlin gegen den 1. FC Kaiserslautern, wenn Borussia Mönchengladbach gegen den 1. FC Köln spielten. Für den Fernsehsender war es, was die Einschaltquoten betrifft, eine echte Erfolgsgeschichte.

Mir als Kommentator bzw. Moderator der Sendung stellte sich das etwas anders dar. Für mich, der ich das Gesicht der zweiten Fußballbundesliga am Montagabend war, war es eher desillusionierend. Dabei hatte ich mich tierisch da­rauf gefreut – endlich auch beim Fußball live dabei, Sta­dion­atmosphäre schnuppern, Hühnerpelle kriegen.

Es fing an bei der Übertragung Fortuna Köln gegen den Karlsruher SC im Kölner Südstadion. Die Auswärtsfans vom KSC, von der Montagabend-Regelung besonders betroffen, waren stinksauer. Und wenn das DSF der Buh-Sender war, so war ich als dessen Aushängeschild die bevorzugte Zielscheibe der Kritik. Nun, im Sport leben die Emo­tionen. An nichts Böses denkend, laufe ich an diesem Tag ­relativ nah am Fanblock der Karlsruher vorbei, um zu meiner Moderations­position auf der anderen Seite des Spielfeldes zu gelangen. Plötzlich spuckt mich ein Fan von der Seite an, trifft mich voll auf der linken Wange. Das fand ich freilich gar nicht witzig! Mein damaliger Aufnahmeleiter konn­te mich gerade noch davon abhalten, auf den Mann loszu­gehen: »Bloß kein Theater, komm weiter, du bist gleich auf Sendung« … Und so bin ich mit ihm mitmarschiert, natürlich ohne auch noch meine rechte Wange hinzuhalten. Ganz im Gegenteil, im Weggehen streckte ich der Fankurve den linken Mittelfinger entgegen. Na, das hätte ich lieber bleiben lassen sollen, das sorgte nicht gerade für Begeisterung bei der KSC-Anhängerschaft! Dass sie nicht sofort über den Zaun kletterten, um mich zu lynchen, war alles. Pfeifkonzert, Hassgesänge: »Buschmann, du Hurensohn«, und ich weiß nicht, was noch alles. Das hatte ich also von meiner Geste.

Viele meinten hinterher, vor allem natürlich viele aus dem Karlsruher Fan-Lager, er ist doch selbst schuld, der ­Buschi, warum zeigt er uns den Mittelfinger, der blöde Hund. Von der Geschichte vorher, dass mir ins Gesicht gespuckt worden war, hatte kaum jemand etwas mitbekommen, das hatte man aus der Distanz wohl nicht so deutlich gesehen.

Man wird jedoch Verständnis haben. Wenn du ins Gesicht gespuckt bekommst, dann bleibst du nicht cool. Medien­leute sind aber doch Profis, mag man einwenden, die müssen mit so etwas distanziert und locker umgehen. Aber abge­se­hen davon, dass diese Szene in die Anfangszeit meiner Kar­riere fiel, hatte ich nie gelernt, souverän auf sowas zu rea­gieren. Manche Leute behaupten, das schaffe ich bis heute nicht. Ich bin ein Mensch, auch wenn ich am Mikrofon vor einer Kamera stehe.

Ich war also erst mal bedient und dachte, das ist ja ein toller Job, wenn das montags immer so abgeht. Und so war es dann auch. Zu Beginn jeder Übertragung wurde gesungen: »Scheiß-DSF, Scheiß-DSF«. Das wurde so ein Volkssport unter den Anhängern. Nach einem Einsatz in Karlsruhe wurde ich direkt nach Spielende von zwei Polizeibeamten in Empfang genommen. Während des gesamten Spiels hatte es die fast schon üblichen Hassgesänge gegeben, gerade auch in meine Richtung: »Buschmann, du Arschloch, Buschmann, du Fotze« – darf man das so schreiben? Ich weiß es nicht. Nun, wenn du auf deinem Kommentatorenplatz sitzt, findest du das zwar blöd, aber du lässt es irgendwann auch nicht mehr an dich ran. Als die beiden Beamten jedoch sagten, Herr Buschmann, Sie kommen jetzt besser mal mit uns mit, wir geleiten Sie zum Parkplatz, da bekam ich schon ein sehr mulmiges Gefühl. Ich glaube, der Karlsruher SC hatte daheim verloren. 30, 40 Fans hatten sich versammelt, um mich am Medienausgang in Empfang zu nehmen und mir nochmals ihre ­Meinung zu sagen. Als ich in die Gesichter dieser Fans blickte, konnte ich richtig Hass erkennen. Da passiert schon Einiges in dir – was hatte ich denen eigentlich getan? Ich dachte immer, ich lebe extrem im und für den Sport! Und es gab ­weitere Tiefpunkte. Beim FC St. Pauli hielten Fans ein Plakat mit meinem Konterfei im Fadenkreuz einer Zielscheibe hoch. Während der laufenden Vorberichterstattung warfen sie mit Bierbechern in Richtung meiner Moderations­posi­tion, die schlauerweise sehr nah bei ihnen eingerichtet war. Das war auch im TV zu sehen. Das waren so Momente, die machten einfach keinen Spaß, die taten sogar sehr weh.

Für mich persönlich waren diese Montagabende, das kann ich wirklich so sagen, gerade in den ersten, fünf, sechs, sieben Jahren, in denen ich ziemlich angefeindet wurde, ­äußerst schwierig. Aber ich kann die Reaktion der Fans im Nachhinein sogar verstehen. Denn es ist auch mir natürlich klar, dass es in erster Linie für die Liga, das Fernsehen und die Klubs sehr lukrativ war, am Montagabend zu spielen; dann auch für mich, denn ich begriff die Zweite Liga als Chance, den Fuß in die Tür zum bezahlten Fußball zu bekommen, mich zu etablieren. Für die Fans jedoch bedeutete es nicht zuletzt Aufwand, Zeit, Geld und Abdriften in den Kommerz.

Heute ist mir klar, dass diese unschönen Szenen weniger persönliche Geschichten waren, sondern es war einfach die Wut – Hass ist immer ein hartes Wort – der eingeschwo­renen Fans gegen diese Montagabend-Übertragungen generell. Und die entlud sich dann gegen den Reporter, der für die Zweite Liga am Montagabend im DSF stand.

Nochmal: Ich habe heute, mit ein bisschen Abstand, durchaus Verständnis dafür, dass den Fans die Montagabende nicht ganz so geschmeckt haben. Seit vielen Jahren läuft die Zweite Bundesliga nun über den Sender. Mittlerweile sind die Übertragungen längst etabliert. Ich bin dafür nicht mehr unterwegs. Aber sie haben mich begleitet, knapp 20 Jahre. Die rund 200 Übertragungen, an denen ich beteiligt war, waren im Kern intensive und prägende Erlebnisse.

Am Ende kackt die Ente!

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