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Kapitel 4

Auf der Party in dem besetzten Haus lernte ich dann Malte kennen. Malte war ein paar Jahre älter als ich. Er trug einen Vollbart und war komplett in Schwarz gekleidet mit einem roten Tuch um den Hals. Er kam zusammen mit Karin, die Frauke und ich von der Schule kannten. Die beiden setzten sich zu uns auf den Boden. Frauke und Karin fingen an, über die Schule zu reden. Malte und ich hörten eigentlich nur zu und guckten uns zwischendurch immer wieder an. Inzwischen ging ein neuer Joint durch die Runde. Da Karin nicht kiffte, reichte Malte ihn an mich weiter und mir wurde ganz warm beim Gedanken daran, dass meine Lippen den Joint an der gleichen Stelle berührten, an der seine Lippen kurz zuvor gewesen waren. Während ich tief inhalierte, guckte Malte mich an. Ich bin mir sicher, dass er ziemlich genau wusste, woran ich dachte.

Wir blieben den ganzen Abend draußen auf der Wiese, auch nachdem es dunkel geworden war und die anderen ins Haus gegangen waren. Wir redeten über unsere Schule, die letzte Demo, Politik und alles mögliche andere. Dabei lag Frauke in meinem Arm und Karin bei Malte, aber obwohl die beiden sich eng aneinander kuschelten, war ich mir sicher, dass Malte mich die ganze Zeit beobachtete.

Leider mussten Frauke und ich relativ früh nach Hause. Wir verabschiedeten uns von Malte und Karin. Frauke nahm Karin und Malte in den Arm, Karin nahm mich in den Arm, also umarmte ich auch Malte zum Abschied und spürte, dass er mir mit der Hand über den Rücken strich. Ich konnte Frauke gar nicht schnell genug nach Hause bringen, um in mein Bett zu kommen und von Malte zu träumen.

Den Rest des Wochenendes lief ich herum wie ein Zombie. Ich war geistig überhaupt nicht anwesend und träumte die ganze Zeit nur von Malte. Und auch Montag konnte ich an nichts anderes denken. Frauke merkte natürlich, dass etwas nicht stimmte und sprach mich in der großen Pause in der Schule darauf an. Wir hatten uns wie immer hinter der Schule getroffen, um eine Zigarette zu rauchen. Leider hatte Frauke im 7. Schuljahr Latein genommen, während ich Französisch lernte, so dass wir in unterschiedlichen Klassen waren. Aber wir verbrachten natürlich jede Pause miteinander und lästerten über unsere Lehrer und die lieben Streber unserer Klasse, wobei die Schüler ihrer Klasse deutlich schlimmer waren, denn wer nimmt schon Latein als zweite Fremdsprache? Frauke selber hatte da ellenlange Diskussionen mit ihren Eltern drüber gehabt, die sich aber letztendlich durchgesetzt hatten mit dem Argument, dass Frauke im 9. Schuljahr immer noch Französisch nehmen konnte.

Wir standen also hinter der Schule und rauchten eine Zigarette. Unsere Freunde waren noch nicht aufgetaucht, also konnten wir reden. Frauke fragte mich gleich: „Was ist los mit dir?“ Ich versuchte erst einmal so zu tun, als hätte ich keine Ahnung, wovon sie spricht, aber sie ließ nicht locker. „Ich merk doch, dass was nicht stimmt mit dir. Seit gestern bist du total abwesend. Das einzige, worüber man mit dir noch reden kann, sind Karin und Malte.“ Sie stutzte einen Moment. „Hast du dich etwa in Karin verliebt.“ – „So’n Quatsch“, fuhr ich sie an. „Karin ist doch gar nicht mein Typ.“ Frauke überlegte eine Weile, dann fing sie an zu grinsen. „Ja klar. Jetzt weiß ich: Du hast dich in Malte verguckt.“ Verflucht, warum war ich eigentlich so’n heller Typ. Ich merkte, wie ich rot wurde. Das passierte mir andauernd in den unpassendsten Momenten. Wann immer mir etwas peinlich war oder wenn ich wütend wurde, bekam mein Gesicht gleich die Farbe einer Tomate. Ich bin halt blond mit ziemlich heller Haut. Am besten ist es, das einfach komplett zu ignorieren. Je mehr ich versuche, nicht rot zu werden, umso roter werde ich. Und so war es natürlich jetzt auch. Ich versuchte, an etwas anderes zu denken, aber es nützte nichts. Mein Gesicht wurde ganz heiß. Ich guckte auf den Boden und druckste herum. Es hätte jetzt wirklich nichts genutzt, den Gedanken weit von mir zu weisen. Frauke kannte mich viel zu lange und viel zu gut. Sie stupste mich an: „Hey. Ist doch nicht schlimm. Malte ist ja auch toll.“ Ich guckte Frauke an: „Findest du wirklich?“ Ich freute mich, endlich mit jemand über mich und meine Gefühle für Jungs reden zu können. „Klar. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er dich auch mochte.“ – „Wie jetzt? Als Kumpel oder anders?“ Frauke lachte: „So wie der immer zu dir rüber geguckt hat, könnte da auch mehr gewesen sein.“ Moment mal. Hatte ich jetzt gerade so etwas wie ein Coming Out gehabt? Ich hatte doch Frauke gegenüber gerade zugegeben, dass ich auf einen Mann stand, oder? Und es war irgendwie gar nicht schlimm gewesen. Ich nahm Frauke in den Arm und drückte sie fest: „Ist das okay für dich, dass ich Malte mag?“ Frauke drückte mich auch: „Wie lange kennen wir uns jetzt eigentlich? Glaubst du wirklich, ich hätte noch nicht gemerkt, dass du dir nichts aus Mädchen machst?“ Sie hielt mich ein Stück von sich weg und guckte mir in die Augen: „Mensch, Frank. Wie lange gelte ich jetzt offiziell als deine Freundin? Zwei Jahre? Drei? Und bisher hast du noch nicht einmal versucht, mir unter den Pullover zu fassen. Hältst du mich eigentlich für blöd?“ – „Warum hast du denn nie was gesagt?“ fragte ich sie. „Ich habe es ein paar Mal versucht, aber ich wusste nie, was ich sagen sollte. Und dann dachte ich, du wirst es mir schon sagen, wenn du so weit bist. Ich war mir auch nicht sicher, ob du es selber schon weißt.“ – „Doch. Das weiß ich schon lange, aber es ist nicht so einfach, darüber zu reden. Du bist der erste Mensch überhaupt, der Bescheid weiß. Oder meinst du, die anderen wissen was?“ fragte ich ganz ängstlich. „Nee, keine Sorge, die glauben doch, du bist mit mir zusammen.“ – „Aber ist das denn okay für dich?“ – „Solange du nicht eifersüchtig wirst, wenn ich mit einem anderen herum mache“, lachte Frauke.

Das war doch jetzt toll gelaufen. Ich wusste schon, warum Frauke meine beste Freundin war. Aber jetzt wollte ich doch zu gerne über Malte reden. „Was meinst du? Steht Malte auch auf Jungs?“ – „Ich habe keine Ahnung, aber er hat sich mit Sicherheit mehr für dich als für mich interessiert. Ich habe die ganze Zeit versucht, ihm schöne Augen zu machen, aber er hat mich überhaupt nicht beachtet.“ – „Echt? Aber bin ich nicht viel zu jung für ihn?“ Vielleicht hätte ich als guter Freund jetzt darauf eingehen sollen, dass Frauke anscheinend auch auf Malte stand, aber ich war zu sehr damit beschäftigt, selber an Malte zu denken, um überhaupt zu bemerken, dass Frauke ihn mochte. Und Frauke nahm mir das gar nicht übel, vielleicht fand sie es auch einfach nur toll, über Malte zu reden. Wir verbrachten den Rest der Pause damit, uns gegenseitig zu erzählen, was Malte am Samstag gemacht und gesagt hatte und wie er ausgesehen hatte und wie fest die Beziehung mit Karin wohl wäre. Es ist doch echt toll, eine beste Freundin zu haben, die den gleichen Geschmack hat wie man selber, zumindest was Männer angeht, und mit der man stundenlang über einen Mann reden kann.

Nach der Schule konnten Frauke und ich es kaum erwarten, zu dem besetzten Haus zu kommen und dort hoffentlich Malte zu treffen. Wir hatten in der Schule Karin gesucht, sie aber nicht finden können. Leider befand sich ihre Klasse in einem ganz anderen Teil des Schulgebäudes, weswegen wir uns eigentlich nie zufällig über den Weg liefen. Aber obwohl Frauke und ich uns so viel wie nur möglich in den Gängen von Karins Klasse herum getrieben hatten, waren wir ihr trotzdem nicht begegnet.

Auch nachmittags in der Villa trafen wir sie nicht. Malte war auch nicht dort. Frauke und ich machten unsere Hausaufgaben in der Villa, quatschten mit den Bewohnern, hörten Musik, rauchten einen Joint und gingen erst so spät wie möglich nach Hause.

Die nächsten Tage verliefen ähnlich. Wir suchten in der Schule nach Karin und gingen nachmittags zur besetzten Villa, aber erst am Donnerstag trafen wir Karin in der Schule. Wir begrüßten sie wie eine alte Freundin, obwohl wir bisher eigentlich kaum Zeit miteinander verbracht hatten. Sie erzählte uns, dass sie die ganze Woche lang in den Pausen damit beschäftigt gewesen war, die nächste Demo zu organisieren. Die Schülervertretung unserer Schule wollte gemeinsam daran teilnehmen und malte Transparente dafür. Stimmt, ich hatte völlig vergessen, dass Karin unsere stellvertretende Schülersprecherin war.

Frauke und ich hatten schon unseren Antrag für die Befreiung vom Unterricht gestellt, so dass wir bei dieser Demo auch wieder dabei sein würden. Zum Glück stellte dann Frauke die Frage, die mich selber am meisten interessiert: „Wird Malte auch dabei sein?“ Karin guckte Frauke an: „Ja. Warum?“ – „Och. Nur so“, druckste Frauke herum. „Willst du etwa was von Malte?“ fragte Karin. „Nö. Ich fand den nur nett. Außerdem ist er doch mit dir zusammen.“ Karin lachte: „Malte? Mit mir zusammen? Guter Witz.“ Jetzt mischte ich mich auch ins Gespräch: „Aber ihr seid doch zusammen gekommen.“ – „Malte ist genauso wenig mit mir zusammen wie du mit Frauke.“ Woher wusste sie das denn jetzt? Außer Frauke wusste das doch keiner. Ich guckte Frauke vorwurfsvoll an. „Guck mich nicht so an, ich habe keinem was erzählt“, pflaumte Frauke mich an. „Keine Sorge. Ich sag schon nichts“, meinte Karin beruhigend. „Malte war sich ziemlich sicher, dass du auf Jungs stehst. Er meinte, Schwule hätten da so was, das man Gaydar nennt, womit sie sich untereinander erkennen können. Keine Ahnung, ob das stimmt, aber es macht schon irgendwie Sinn. Ich kann mich nicht erinnern, dass du dich je für jemand anders als für Frauke interessiert hättest. Und du warst am Samstag schon ziemlich auf Malte fixiert.“ Ich war jetzt viel zu überrascht darüber, was Karin mir über Malte erzählt hatte, um darüber nachzudenken, dass ich mich gerade schon wieder geoutet hatte. „Heißt das, dass Malte auch schwul ist?“ fragte ich ganz aufgeregt. „Malte behauptet, dass er bi ist, aber ich glaube, das sagt er nur, weil das besser ankommt“, antwortete Karin.

Ich hätte jetzt gerne noch stundenlang über Malte geredet, aber es klingelte und wir mussten zurück zum Unterricht, den ich mir eigentlich hätte schenken können, weil ich sowieso nichts mehr mit bekam.

Den Rest des Tages und auch den nächsten Tag verbrachte ich auf einer Wolke. Malte war schwul. Und er hatte mit Karin über mich geredet, das heißt, er interessierte sich für mich. Die Zeit verging einfach viel zu langsam bis zum Samstag.

Frauke und ich gingen zwar auch am Donnerstag und am Freitag nach der Schule zu dem besetzten Haus, aber Malte war immer noch nicht dort. Doch ich wusste ja, dass er am Samstag auf der Demo sein würde. Freitagabend ging ich viel zu früh ins Bett. Ich wollte ganz schnell einschlafen, denn wenn ich aufwachen würde, wäre es Samstag und ich würde Malte wieder sehen.

Aber das klappte natürlich nicht, die ganze Nacht wälzte ich mich hin und her und konnte einfach nicht einschlafen. Dauernd sah ich auf die Uhr, ob die Nacht denn endlich vorbei wäre, aber die Stunden zogen sich wie Kaugummi.

Verdamp lang her

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