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Ich, der Manager, im Spiegel

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Wer eitel ist, benutzt einen Spiegel. Warum solltest du also einen brauchen? Kommt es wirklich darauf an, ob du dich toll findest? Oder ist es wichtig, dass du toll auf die Kollegen und Mitarbeiter wirkst?

Es gibt zwei Beweggründe, in einen Spiegel zu schauen:

 Ich finde mich toll.

 Ich möchte sehen, wie ich aussehe.

Der letzte Grund sollte es sein, der dich in den Spiegel schauen lässt. Nur ist es allzu oft aber ein erfahrener Manager, der sich die Frage stellt: "Soll ich hineinschauen oder nicht?" Der Manager ist dabei meistens nicht sonderlich motiviert hineinzublicken, denn er wäre ja nicht zum Manager gemacht worden, wenn er nicht eine positive Wirkung auf andere Menschen hätte, oder? Andererseits wird von einem erfolgreichen Manager natürlich verlangt, möglichst schnell auf Basis von wenigen Informationen die optimale Entscheidung zu treffen, was in der Regel wenig Platz für Albernheiten wie Unsicherheit, Rücksichtnahme und das Beleuchten von Alternativen lässt. Nein, der erfolgreiche Manager verliert quasi mit der Ernennung zu einem solchen die Fähigkeiten, die ihn zu einem gemacht haben. Daher kann das Bild nur negativ ausfallen, wenn die Bewertungskriterien nicht angepasst werden. Und wer könnte das besser als du selbst.

Diese Argumentation ist nicht schlüssig, meinst du? Da muss ich widersprechen: denn Folgendes ist offensichtlich richtig und in der Weltgeschichte und der sie dokumentierenden Weltliteratur mehrfach bestätigt und auch nachlesbar:

 Ein Manager muss hart in der Sache sein.

 Ein Manager muss seiner Linie treu sein.

 Ein Manager muss über sich selbst reflektieren können.

 Ein Manager wird an seinem Erfolg gemessen.

Das Ergebnis ist also, dass der Manager in den Spiegel blickt und genau das sieht, was er erwartet und was auch das Unternehmen und seine Chefs von ihm erwarten. Damit wird das Paradoxon dadurch aufgelöst, dass man erkennt, dass es lediglich der Hauptdarsteller selbst sein muss, der sein Bewertungsschema anpassen muss, damit er wieder mit den Anforderungen an sich im Reinen bleibt. Gut, das positive Verhältnis zu seinen ehemaligen Kollegen, jetzt Mitarbeitern bleibt genauso auf der Strecke wie die unternehmensweite Meinung über ihn, aber das ist der Preis der Macht.

Wenn wir also erkennen, dass der Manager bei dem Blick in den Spiegel quasi einer Realitätsverschiebung unterliegt, sind wir einen Schritt weiter, um erfolgreich mit ihm zusammen arbeiten zu können. Wir müssen bei Managern einfach andere Realitäts-Randbedingungen annehmen, um seine Reaktionen, Meinungen und Ansichten verstehen und voraussagen zu können. Aber wie sieht so eine Manager-Realität aus? Für dich und mich ist es klar, dass wir in einem offenen System in der freien Marktwirtschaft agieren, den Randbedingungen wie Angebot und Nachfrage, CAPEX und OPEX, Hire und Fire unterliegen. Wie sieht der Manager aber diese Themen? Begeben wir uns dazu einmal in das Manageruniversum und schauen uns die Gesetze der Unternehmensphysik einmal aus seinem Blickwinkel an.

Die Gesetze des Manager-Universums (Auswahl):

1 Gesetz: "Wenn 20 Leute ein Projekt in einer Woche erledigen können, dann sind 2000 Leute in 20 Minuten fertig."

2 Gesetz: "Wenn die Qualität der Arbeit nicht ausreichend ist, dann hilft es, tägliche Statusberichte einzufordern."

3 Gesetz: "Wenn 50% aller Mitarbeiter über Überlastung klagen, hilft es nicht, die Arbeit umzuverteilen (Nur die guten Mitarbeiter können Krisen bewältigen)."

4 Gesetz: "Wenn eine Ressource zu 100% ausgelastet ist, kann diese mindestens weitere 20% leisten (es gibt ja Überstunden)."

5 Gesetz: "Wenn eine Ressource zu mehr als 100% ausgelastet ist, ist ein Fehler in der Auslastung: mehr als 100% geht nicht! (Der Mann existiert ja genau einmal.)"

6 Gesetz: "Setze immer Tools ein, um Prozesse zu schaffen."

7 Gesetz: "Erfülle immer ALLE Kundenwünsche, vor allem die der internen Kunden."

8 Gesetz: "Lehne nie einen Auftrag ab, es könnte dir als Unfähigkeit, Zeichen von Missmanagement oder fehlender Kundenorientierung ausgelegt werden. (Wir lassen keinen im Regen stehen.)"

9 Gesetz: "Mit Priorisierungen kann jedes Ressourcenproblem gelöst werden."

10 Gesetz: "Statusberichte, die nicht "im Plan" zeigen, sind fehlerhaft."

11 Gesetz: "Eskaliere immer mit ausreichendem Vorlauf, am besten Wochen bevor das Problem aufgetaucht ist."

12 Gesetz: "Abhängigkeiten zwischen Projekten decken immer die anderen auf."

13 Gesetz: "Come-Together-Events heben das Arbeitsklima."

14 Gesetz: "Es ist reine Zeitverschwendung, Entscheidungsgründe transparent zu machen, die meisten Mitarbeiter sind von den Gründen zu weit weg."

15 Gesetz: "Das Abbauen von Überstunden und Resturlaub senkt die Rückstellungen und erhöht das EBITDA und ist als Ziel ebenso wichtig wie die Terminerfüllung und natürlich mit einander vereinbar."

Diese Gesetze stellen natürlich nur einen kleinen Ausschnitt aus der Realität des Manageruniversums dar. Die Liste ließe sich unendlich erweitern und würde ohne weiteres in der Lage sein, alle restlichen Seiten dieses Buches zu füllen. Wichtig ist bei der Betrachtung dieser Gesetze, sich in den Manager hineinzuversetzen, der diese Gesetze vertritt und fest davon überzeugt ist, dass Teilaussagen oder sogar einzelne Gesetze als Ganzes volle Gültigkeit haben. Aber wie kommt es zu dieser Fehlwahrnehmung? Betrachten wir dazu ein Gespräch zwischen Joe und seinem Chef:

"Hey, Joe. Warte bitte kurz." – "Hallo Peter, was gibt's. Ich habe eigentlich keine Zeit, ein dringendes Meeting..." – "Dauert nur eine Sekunde. Es gibt doch dieses alte Projekt 17. Weißt du noch? Du bist der Produktmanager davon. Mussten wir seit 5 Jahren nicht mehr anfassen." Joe wurde unwohl. Dunkel konnte er sich an das Projekt 17 erinnern. "Nun, Klaus hat Tool 25 anpassen müssen, wegen der Abhängigkeit zu Anforderung 78. Junge, das war ein Ding! Ist fast bis zum Executive eskaliert, als 'rauskam, dass er die Abhängigkeiten nicht beachtet hatte. Service-Effects für Endkunden konnten nur mit der Aufstockung des Projektteams um das 3-fache vermieden werden, Junge, Junge, aber war ja nicht mein Budget, haha! Na, egal. Wir, das heißt du musst jetzt noch checken, dass das Projekt 17 noch läuft! Ich glaube ja nicht, dass es da Probleme gibt, aber, naja, man weiß ja nie, du checkst das bitte asap..." Joe wurde immer unwohler. Verunsichert fragte er Peter: "Seit wann ist das denn bekannt? Gibt es eine Kundenanforderung, das zu überprüfen und bis wann muss das gecheckt sein (Was heißt asap bei dir, Peter?)?" – "Na eigentlich hätten die gar nicht migrieren dürfen, ohne das zu checken, aber der Kunde hat so gedrückt und dann noch die projektinternen Probleme..., naja der Projektantrag wird von Klaus nachgereicht, da steht dann auch die Ressourcenanforderung für dich drin. Ich habe ihm schon mal "Grün" signalisiert. Die Ressourcenanforderung liegt ja auch in der Vergangenheit, das heißt, du bist schon quasi fertig, haha! Die Releasekoordination hat wie immer Susanne, und die sagt, es sei alles klar, mit deinem Projekt 17 gab's noch nie Probleme..." Joe begann nun auch noch zu schwitzen: "Susanne? Die ist doch erst ein Jahr im Unternehmen, die kann doch gar nichts über Projekt 17 wissen. Wieso macht die eine solche Aussage? Nein, hat keinen Sinn, ich muss das checken. Ich melde mich bei dir. Aber in den nächsten 2 Monaten bin ich dicht, das muss hintenangestellt werden, wenn was geändert werden muss." Peters Gesichtsausdruck zeigte plötzlich einen Anflug von Unverständnis: "Wieso denn das, Joe? Alle sagen mir, es gibt keine Probleme mit deinem Projekt 17 und es läuft alles, nur der Produktmanager himself ist unsicher? Hast du deine Themen nun im Griff oder nicht?"

Ab dieser Stelle kippt die Stimmung im Gespräch. Uninformiert und vor vollendete Tatsachen gestellt ist Joe in der Defensive, ohne auch nur irgendetwas getan zu haben. Warum? Der Manager Peter macht hier mehrere Kardinalfehler auf einmal:

 Peter spricht Joe auf ein für sich selbst wichtiges Thema an, als Joe keine Zeit hat.

 Peter verwendet Informationen im Überfluss, die Joe nicht vorliegen und verbindet diese auch noch mit kausalen Abhängigkeiten, die Joe auf die Schnelle nicht nachvollziehen kann.

 Peter baut Druck auf Joe auf, indem er von Problemen anderer Kollegen spricht, von denen er meint, dass sie ihm nicht begegnen könnten.

 Peter hat bereits Entscheidungen, die Joe direkt angehen, getroffen, ohne vorher mit Joe Rücksprache zu halten.

 Peter lässt die Argumente von Joe bzgl. Ressourcenengpässen mit einem Pauschalargument, welches eigentlich gar keines ist, nicht gelten.

Es wäre nun wichtig, dass sich der Manager Peter einmal seine Wirkung auf Joe im Spiegel anschaut, aber wir haben ja bereits festgestellt, dass das Manageruniversum andere Naturgesetze hat. Daher wird Peter beim Blick in den Spiegel lediglich seine Argumente und seine Verhaltensweise entsprechend der oben angeführten Gesetze erkennen und sich bestätigt sehen, d.h. dass diese Fehler eigentlich nur Joes Fehler sind. Die (wenigen) Kommentare von Joe haben natürlich auch eine Spiegelwirkung auf Peter, der die Antworten wie folgt wahrnimmt:

 Joe hat keine Zeit für Peter, obwohl er ausdrücklich betont, dass es nur eine Sekunde dauert.

 Joe wird schnell nervös, als die Sprache auf Projekt 17 kommt. Das ist ein erstes Indiz, dass Joe nicht über alle Produkte in seiner Verantwortung gut informiert ist.

 Joe reagiert ablehnend, obwohl Peter ausführlich die Wichtigkeit des Projektes und die Negativ-Erfahrungen von Klaus darlegt. Es ist doch logisch und auch im Interesse der Abteilung, dass sich so etwas in Peters Verantwortungsbereich nicht wiederholen darf. Schließlich hat man doch ein Selbstverständnis in der Abteilung.

 Joe spricht Peter indirekt die Kompetenz ab. Er stellt seine Entscheidung in Frage, für die Ressource "Joe" grünes Licht zu geben.

 Schließlich kritisiert er auch noch die Kompetenz von Susanne, auf die Peter doch schon scharf ist, seitdem sie im Unternehmen angefangen hat. Das muss Peter doch verärgern...

Mit dem letzten Satz verlässt Peter endgültig die Sachebene und versucht nur noch, seine Kompetenz darzustellen. Er "lässt den Manager raushängen". An dieser Stelle ist die Unterhaltung beendet, noch bevor die eigentliche Kommunikation begonnen hat. Neben diesen Feststellungen ist auch noch zu erkennen, dass Manager offensichtlich einen anderen Zeitbegriff haben, schnell voreilige Schlüsse ziehen, Persönliches mit Fachlichem vermengen und ein riesiges Ego haben, da ist es schwer, sich zurückzunehmen. Doch vorher halten wir noch schnell Axiom 3 fest:

Axiom 3: Sei immer informiert, auf wen dein Chef scharf ist.

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