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Sich zurücknehmen: wie weit?

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Sich zurückzunehmen ist eine Kunst! Hier unterscheidet sich der Profi vom Amateur, hier wird die Spreu vom Weizen getrennt! Aber wie erkennt man, wann es klug ist, einen weichen Eindruck zu hinterlassen und wann es angebracht ist, Härte zu zeigen. Selbst wenn der Manager in einer Schulung zum Thema Führung aufgepasst hat und nicht nur versucht hat, der einzigen dort anwesenden weiblichen Führungskraft zu imponieren oder auch nur einfach die vorherigen Kapitel aufmerksam gelesen hat, ist es doch schwierig, gerade beim Hart-oder-Weich sein, den anderen korrekt einzuschätzen, wenn er dabei ist, dich einzuschätzen. (Wenn du diesen Satz problemlos lesen konntest, bist du übrigens zum Manager geeignet.) Um die verschiedenen Stadien des Weichwerdens oder Hartwerdens in einem Dialog zu erkennen, trainieren wir das am besten.

Fallbeispiel, Fortsetzung: (Erinnerst du dich noch an das Beispiel mit Projekt 17, Tool 25 und Anforderung 78? Wenn nicht: auch nicht schlimm, dann geht es dir nur wie unserem Manager Peter, der drei Stunden nach der Diskussion mit Joe schon wieder den ganzen Sachverhalt durcheinandergebracht hat und nun in der Fortführung der Diskussion Härte zeigen muss...)

Joe hatte die vergangene Stunde – statt die Zeit mit seiner Mittagspause zu verschwenden – eine Bestandsaufnahme für Projekt 17 gemacht, und das mit folgendem Ergebnis: Projekt 17 funktionierte nicht mehr, da der Einfluss der Änderungen von Tool 25 derartige Auswirkung hatte, dass die Daten für Projekt 17 in einem anderen Format geliefert wurden. Diese Formatänderung war nicht unternehmens-konform und auch die Nachfrage bei dem Projektleiter für die Einführung von Tool 25 (Klaus) hatte das bestätigt. Auf der Suche nach dem "Verursacher", normalerweise Anforderer oder Kunde genannt, hatte Joe seinen ganzen Charme bei Susanne eingesetzt, was ihm zwar eine Einladung zu einem Abendessen eingebracht hatte, aber auch wiederum zeigte, dass Susanne den Anforderer nicht kannte. Erneute Rückfragen bei Klaus brachten ebenfalls nichts und da es noch keinen Projektantrag gab, in dem vielleicht ein Anforderer hätte verzeichnet sein können, stand Joe auf dem Schlauch. Er nahm sich vor, den Sachverhalt bei seinem Chef Peter vorzubringen und ihn um Unterstützung zu bitten.

"Hallo Peter, ich habe mich schlau gemacht, wegen dieser Sache mit Projekt 17 und Tool 25." – Peter musste überlegen, dann klärte sich sein Blick. Richtig! Er hatte Joe ja vorhin richtiger Weise abgewatscht, weil er seine Projekte nicht im Auge behielt. In diesem Business darf man nicht unaufmerksam sein. Controlling ist alles. Nur was war nochmal Tool 25? – "Ja, prima, ich wusste doch, dass ich mich in dir nicht getäuscht habe. Wir sind doch sauber, oder?" – "Wie man es nimmt" eröffnete Joe. "Die Änderungen an Tool 25 haben die Toolkette unterbrochen, das Datenformat ist regelwidrig verändert worden und ein Auftraggeber ist auch nicht auszumachen. Wer hat Klaus denn eigentlich losgeschickt?"

An dieser Stelle greift zunächst die Manager-Eigenschaft des selektiven Zuhörens. Peters Kurzzeitgedächtnis wird gelöscht und der Satz "Toolkette unterbrochen" wird exklusiv eingebrannt. Gleichzeitig steigt sein Blutdruck und das Verhalten wird schon einmal auf "Hart sein" eingestellt. Doch während sich das Gesicht von Peter langsam rötlich verfärbt, schauen wir besser auf die Fehler von Peter und Joe in dieser sehr kurzen Unterhaltung:

 Joe holt Peter nicht ab. Dass er das tun muss, ist sicherlich nicht selbstverständlich, andererseits ist Peter ein erfolgreicher Manager, also ist es hier doch ein Fehler von Joe, es nicht zu tun. Joe hätte voraussetzen müssen, dass Peter nach drei Stunden schon alle wichtigen Fakten längst vergessen hat.

 Die Formulierung "mit dieser Sache" holt Joe Peter nicht nur nicht ab, sondern signalisiert Peter eine gewisse Oberflächlichkeit.

 Peter antwortet nicht auf der gleichen Ebene. Joe will eine fachliche Unterhaltung führen, Peter erinnert sich an das Gesprächsende von vor 3 Stunden, aus dem er mit einer bestimmten Meinung über Joes Arbeitsweise und damit über Joe persönlich herausgegangen ist. Auf dieser Ebene antwortet Peter.

 Joe macht den entscheidenden Fehler: er wechselt auf die Prozessebene und dringt damit in einen Managerdomäne ein!

"Oh nein! Jetzt erzähl' mir bitte nicht, wir haben auch noch ein Prozessproblem! Das ist ja eine Katastrophe! Um Gottes willen! Wie oft soll ich euch noch sagen, dass der Kunde nur dann optimal arbeiten kann, wenn die auf ihn abgestimmten Prozesse optimal durch unsere Tools unterstützt werden. Es kann einfach nicht sein, dass hier schon wieder geschlampt wird. Und dann fragt nachher wieder keiner, wer es gewesen ist, es heißt einfach wieder pauschal: die Tools sind schuld. Mensch, Joe, wie hast du das wieder hingekriegt?" – "Aber Peter, mal langsam, hast du mir nicht zugehört? Ich habe doch an der ganzen Geschichte bisher nicht mitgewirkt, wieso fährst du jetzt aus der Haut?" – Der berechtigte Einwand hatte keinen Effekt. Peter war auf hartem Kurs, das zog er jetzt durch... – "Und genau das ist das Problem. Du ziehst weder die Informationen aktiv an dich heran noch bist du bereit, ein Problem zu deinem eigenen zu erklären, um proaktiv an der Lösung mitzuarbeiten. Zu sagen: "Ich war nicht informiert" wird mir hier zur Mode. Das kann es nicht sein. Wir haben eine Verantwortung unseren Kunden gegenüber, die mit der Bereitstellung des Tools endet, das geht hin bis zur Prozessverantwortung. Wieso hast du keine regelmäßigen Abstimmungsmeetings einberufen? Wieso gibt es keine Verantwortungsmatrix, das muss doch controlled werden, so geht das doch einfach nicht." – An dieser Stelle hatte sich Peter nun zu sehr in Rage geredet und seine Manager-Pflicht verletzt! Er begann zu sehr, Dinge zu verallgemeinern und verlor damit die Kontrolle über die Argumentationskette. Joe nutzte das schamlos aus: "Und genau das zu controllen ist Susannes Aufgabe!"

1:0 für Joe, aber es ist ein bitterer Sieg. Die Diskussion steht am Scheideweg, sie kann nun in beide Richtungen kippen: Peter kann sich geschlagen geben und weich werden. Oder er setzt eine weitere Management-Technik ein, um sich aus dieser Zwangslage zu befreien. Doch bevor wir dieser Unterhaltung weiter folgen, schauen wir uns einmal an, wie Peter sein "Hart-Sein" in der Argumentation einsetzt:

 Peter wird laut.

 Peter wiederholt Direktiven und aus seiner Sicht feststehende Grundsätze.

 Peter verwendet Unterstellungen und verallgemeinert, stellt das gleich mit der Verhaltensweise Dritter.

 Peter verwendet indirekte Argumente. Die Ausführungen, dass Joe keine Informationen "an sich zieht" und nicht "proaktiv" arbeitet, sind nur dann haltbar, wenn es ein Argument geben würde, dass er so handeln muss. Das könnte zum Beispiel dadurch gegeben sein, dass es in der Abteilung von Peter die Direktive: "Wir lassen keinen im Regen stehen.", "Mit uns geht alles", "Der Kunde ist König" oder "Nein sagen die anderen." geben würde. Doch solche Direktiven sind nicht nur gefährlich, sondern setzen auch alle Beteiligten nur unnötig unter Druck. Mehr noch kann es vorkommen, dass man in dem Aufgabenbereich des Auftraggebers wildert, ohne es zu wollen. Eine solche Einstellung sorgt früher oder später für Unzufriedenheit der Mitarbeiter und Konflikte mit anderen Abteilungen und den Kunden.

 Peter verwendet viele Feststellungen, die er anschließend als Sachverhalte in seine Argumentationskette einbringt. Zur "Schwächung" seines Gegenübers verwendet er gezielt Fragen, deren Antwort er vorauszusehen scheint. Und dabei begeht er dann den Fehler.

Peter erkannte nun auch seinen Fehler. Wie konnte er nur so dumm sein. Und dann auch ausgerechnet zu Lasten von Susanne. Sollte er einlenken und weich werden? Nein, nicht mit ihm, so nicht. Das Thema schien darüber hinaus so komplex zu sein, dass er schon wieder den Anforderer und auch das Tool vergessen hatte, welches der Grund für diese Diskussion war. Bei solchen komplexen Fragestellungen konnte Peter ungefährdet die Managementstrategie "unvorhergesehener Themenwechsel" einleiten: "Das ist doch hier gar nicht die Frage." sagte Peter ruhiger. Er musste sich nun konzentrieren, denn Joe sollte ja nicht mitbekommen, dass er ihn in eine Sackgasse argumentiert hatte. "Releasekoordination ist immer nur so gut, wie die Zuarbeit, die dem Koordinator geleistet wird, und an der Stelle haben wir eine Bringschuld." Joe schaute ein wenig irritiert. Peter erkannt blitzschnell, dass die Kuh noch nicht vom Eis war, er war noch zu nah am Thema und befand sich immer noch in der Argumentationskette. "Toolunterstützung aus einem Prozess heraus hat nun mal eine enge Bindung zur Releasekoordination, das kann man nicht trennen. Das wäre ja gleichbedeutend mit der Ablehnung eines Kundenauftrages!" – Na bitte – so schnell ist man wieder auf Kurs, aber: Vorsicht! – "Und du kennst unseren Abteilungsgedanken. Ein "Nein" ist keine Lösung. Also müssen wir uns dem Thema stellen und proaktiv mitarbeiten." – Nein, Peter war noch nicht durch, aber Joe hielt still. Andererseits gelang es Peter nicht, sich schnell genug vom Thema zu entfernen, daher beschloss er, dann doch weich zu werden und den Stress aus der Diskussion heraus zu nehmen. Egal, das Ergebnis der Diskussion zählte, und das Ergebnis musste sein, dass er Recht behielt und eine Anweisung aussprechen konnte, der Joe folgen musste. "Daher ist es wichtig, dass wir die Toolkette schnell wieder zum Fliegen bringen. Ich werde noch mal mit dem Projektmenschen sprechen und die Anforderung hinterfragen und du erarbeitest mir bitte bis morgen Mittag eine provisorische Roadmap, woraus hervorgeht, bis wann wir was wie auf die Reihe kriegen können. Und morgen Nachmittag priorisieren wir dann deine Themen neu und quetschen die Lösung noch rein. Wäre doch gelacht, wenn wir das nicht hinkriegen würden. Ok?" – Joe fühlte sich zugeredet und überfahren. Er hatte schon zu oft Diskussionen dieser Art mitmachen müssen, daher ergab er sich in sein Schicksal. Dieses Mal.

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