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Partybekanntschaften und Chauffeurabenteuer

Bei der folgenden Anekdote geht es zur Abwechslung einmal nicht um eine Reisekatastrophe. Vielmehr handelt es sich um ein angenehmes kleines Beispiel dafür, dass Kommunikationsfreudigkeit zuweilen belohnt wird. Es trug sich zu auf einer Unternehmensfeier. Nach einer entsprechenden Anzahl gekühlter Getränke setzte sich neben mich ein alter Bekannter. Wir hatten uns schon länger nicht mehr gesehen und so ergab sich sogleich ein interessantes Gespräch in lockerer Runde. Der Kollege arbeitete inzwischen in Frankreich und berichtete ein wenig, wie es ihm ergangen war. Offenbar hatte sich seine Karriere prächtig weiterentwickelt. Zufällig musste ich in der näheren Zukunft beruflich zu dem Ort, wo der Kollege nun arbeitete und lebte. Schnell entstand die Idee, dass man sich doch treffen könnte. Allerdings hatten wir zum Zeitpunkt dieser Verabredung schon ein, zwei Bier intus und ich ging daher eher davon aus, dass es sich um eine dieser platonischen Partykonversationen handeln würde, auf die dann ganz sicher kein Treffen folgen würde. Als ich einige Tage später mit der weiteren Planung meiner Dienstreise nach Frankreich befasst war, entsann ich mich dieses Gesprächs und schrieb Thilo eine kurze Grußmail. Entgegen meinen Erwartungen antwortete er zügig und sagte, er wolle mich dann abholen.

Die Reise selbst begann mit leichten Hindernissen. Nach weitestgehend schlaflos durchfeierter Nacht musste ich zunächst noch rund 200 Kilometer durch Dunkelheit und Platzregen zum Flughafen fahren, was mir alsbald noch die letzte Restenergie raubte. Am Gate bin ich dann tief und fest eingeschlafen und habe meinen Flug nur deshalb noch mit viel Glück erwischt, weil einem anderen Reisenden einerseits die Aufrufe des Bodenpersonals nach dem fehlenden Passagier und andererseits mein lautes Schnarchen auffielen und er mich vorsichtshalber weckte. Nachdem ich in Frankreich zunächst meiner Arbeit nachging, fuhr ich an meinem freien Tag zu der Firma, für die Thilo arbeitete, und meldete mich wie besprochen am Empfang. Was dann geschah, überstieg meine Erwartung einer gemeinsamen Tasse Kaffee deutlich. Thilo selbst war noch nicht abkömmlich und daher erwartete mich schon ein Fahrer mit schwarzer Limousine. Zu meiner Verwunderung fuhren wir ein ganzes Stück bis nach Toulouse, wo wir zu meiner freudigen Überraschung auf dem Firmengelände von Airbus ankamen. Mir war zwar bekannt, dass Thilo dort ein paar gute Freunde hatte, doch dass wir diesen gleich einen Besuch abstatten würden, hatte ich nicht erwartet. Dass jemand wie ich von einem Chauffeur kutschiert wurde, war schon deutlich mehr Luxusyacht, als ich es kannte. Mittagessen in einem französischen Sternerestaurant – vermutlich das beste, das ich je genießen durfte – sollte dann aber noch das absolute Highlight alles in den Schatten stellen: Über seine Beziehungen hatte er arrangiert, dass ich mich zwei Stunden lang frei im Cockpit-Simulator des Airbus A380 austoben durfte, welcher damals noch brandneu und als richtiges Flugzeug noch an keine Fluggesellschaft ausgeliefert worden war. So endete das, was damals im Brausebrand auf einer Party als lockere Idee für ein Treffen begonnen hatte, darin, dass ich als „Quax, der Bruchpilot" einige Platzrunden und Touch-and-Gos mit dem A380 ausführte, welche ich als Nicht-Pilot zum Entsetzen der anwesenden Piloten offenbar weitestgehend einwandfrei ausführte. Eine phantastische Erfahrung, die ich ewig in Erinnerung behalten werde. Sie sei dem unbekannten Mitreisenden gewidmet, der mich morgens am Gate in letzter Sekunde weckte.

Weitere skurrile Erfahrungen mit Chauffeurdiensten konnte ich später übrigens noch im Rahmen wirklich ausgefallener Termine erleben, obwohl ich es privat leider noch immer nicht viel weiter als bis zum Klapprad gebracht habe. In meiner Studentenzeit ergab es sich einmal, dass ein guter Freund seine Firma verkaufen wollte. Ich hatte eine Idee, welcher Konzern Interesse an dem Kauf des Betriebes haben könnte und schrieb dem Konzernchef – ziemlich naiv – eine E-Mail mit diesem Vorschlag. Wenige Tage später erhielt ich dessen Antwort, dass die Idee ihm gefalle und wir uns alle zusammensetzen müssten. Naivität siegt. Der Konzernchef schickte uns Flugtickets und mein Freund und ich flogen zur Zentrale nach Rotterdam. Am Flughafen wartete aber nicht -wie besprochen- unser Ansprechpartner auf uns, sondern zu unserem bassen Erstaunen ein pinguinartig gekleideter Chauffeur vor einem goldenen 7er BMW. Zugegeben, an dieser Stelle hätten wir vielleicht skeptisch werden sollen, was rückblickend auch berechtigt gewesen wäre. Wie auch immer – man sagte uns, dass unser Gesprächspartner zu beschäftigt sei, um uns selbst abzuholen und dass wir nun doch zur Amsterdamer Konzernzentrale gefahren würden, wo man auf uns wartete. Als wir beide hinten im bequemen Lederinterieur dieser Riesenschüssel Platz nahmen, konnten wir uns ein Grinsen nicht verkneifen. Wir kamen uns schon ein wenig vor wie Komparsen in einem schlechten James Bond - Abklatsch. Dieser Eindruck sollte sich im Laufe des Tages noch verstärken. In der Zentrale angekommen, fuhren wir in die Penthouseetage eines Büroturms und statt der üblichen Büros erblickten wir dort etwas sehr, sehr üppig ausgestattetes Loungeartiges mit großzügiger Kamin- und Zigarrenecke etc., pp. So war es nicht überraschend, dass es sich für uns anfühlte wie die Einkehr des Propheten persönlich, als unser Ansprechpartner, der Konzernchef, tatsächlich zu uns schwebte. Die Verhandlungen liefen leider nicht ganz so wie erhofft und wir fuhren bald zurück zum Flughafen, natürlich wieder in der goldenen Limo mit Chauffeur. Anschließend flogen wir wieder im Flugzeug einer der konzerneigenen Fluggesellschaften zurück nach Deutschland. Vielleicht ein Jahr später hatte ich nochmals in einem anderen Zusammenhang ein Treffen mit dem Chef der holländischen Firmengruppe. Erwähnenswert, denn beim zweiten Mal wirkte er bereits derart fertig, dass er uns aschfahl in Empfang nahm und während der Besprechung mehrfach einschlief, was außerhalb Japans wirklich als etwas Besonderes aufzufassen ist. Auch aus dem zweiten Treffen entwickelte sich leider kein Geschäft und wenig später brach der holländische Konzern in sich zusammen. Unser Ansprechpartner landete wenigstens zeitweise im Gefängnis (da konnte er sich wenigstens etwas ausschlafen) und von seinem Imperium ist kaum ein Unternehmen mehr am Leben. Aber es war nicht alles umsonst. Er hatte Dinge geschaffen, die bleiben, wie die Erinnerung an den goldenen 7er BMW mit Pinguinchauffeur.

Meine dritte und letzte Erfahrung mit Chauffeurskurrilitäten und erwähnenswerten Ereignissen trug sich auf der griechischen Mittelmeerinsel Kreta zu. Mein damaliger Chef und ich hatten dort einen Gesprächstermin mit einem deutschen Geschäftsmann. Dieser hatte eine Reihe von Firmen in Griechenland, mit denen wir eine Kooperation anstrebten. Wir arbeiteten stets so kostensparend wie möglich und hatten uns daher die günstigsten Low Cost Tickets für den Flug nach Griechenland gekauft, die wir nur bekommen konnten. Nach unserer Landung änderte sich dieser Ansatz ein wenig. Der Industrielle, mit dem wir uns treffen wollten, schickte uns ebenfalls einen 7er BMW mit einer Innenausstattung, von der man sonst nicht zu träumen wagt – diesmal allerdings zum Glück nicht in goldener, sondern in schwarzer Farbe. Der Chauffeur brachte uns zunächst zur Firmenzentrale mit künstlichem Koi Karpfen Fluss durch die Empfangshalle und dann zum großzügig angelegten Ferienhaus unseres Geschäftspartners. Wir checkten ein und trafen uns abends zum ersten Mal mit ihm zum Essen. Die aus meiner Sicht amüsante Diskrepanz zwischen unserer Low-Cost-Sichtweise und dem Kulturclash mit Chauffeur und Limousine setzte sich im Laufe des Abends in ähnlicher Art und Weise fort. Nie werde ich vergessen, wie mein Chef mit fast feierlicher Stimme ausführte, dass unsere kleine Firma jüngst ein paar Dauerkarten für den Fußballclub unserer Stadt erworben habe und dass wir ihn, unseren Geschäftspartner, doch gern bei nächster Gelegenheit mal einladen würden, mit uns eines der Spiele anzugucken. Irgendwie hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass wir aufgrund der offensichtlichen philosophischen Gegensätze aus Sicht des Industriellen vermutlich zwangsläufig popelig mit unserem Vorschlag erscheinen müssten und genau so bestätigte die Antwort dieses Herrn es dann leider auch: „Oh ja, das ist ein guter Club. Ich habe seit vielen Jahren die größte verfügbare VIP-Loge im Stadion privat gemietet. Wissen Sie, wenn man das über die Firma abwickelt, ist mir das einfach zuviel Papierkram. Vielleicht mögen Sie einfach mal bei uns vorbeischauen? Im VIP Bereich geht es auch einfach entspannter zu.“ Mein damaliger Chef hatte sichtlich Mühe, nicht vor Scham im Boden zu versinken und ich unternahm große Anstrengungen, mir so stark auf die Zunge zu beißen, dass ich ein unangebrachtes Grinsen vermeiden konnte. Wer nun denkt, die Limosine mit Chauffeur von der Anreise wäre schon das Highlight gewesen, der täuscht sich. Für den Rückflug hatten wir wieder die günstigsten Tickets der Welt für den geringsten Preis auf Erden gebucht. So fügte es sich trefflich, dass unser Partner überrascht feststellte, dass er und wir ja am selben Tag nach Deutschland zurückreisen wollten. „Dann lassen Sie doch einfach Ihre Tickets sausen und kommen Sie mit mir mit! Ich habe meinen Privatjet hier auf der Insel und nehme Sie gerne darin mit nach Hause, wenn wir eh alle zurück nach Deutschland wollen.“ Whow! Einmal im Leben im Privatjet richtig einen auf „dicke Hose“ machen – der Moment schien gekommen. Selbstverständlich willigten wir ein und frei nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“ hatten wir eine phantastische Rückreise. Zunächst fuhren wir zum privaten Flugzeughangar, den unser Partner sich auf der Insel hatte errichten lassen. Das finde ich sehr konsequent. Ihr Auto parken Sie ja auch nicht in der Garage Ihres Nachbarn, sondern in der eigenen. Dort hüpfte er kurz auf den Flugzeugschlepper und schob seinen funkelnd neuen Privatjet eben schnell selbst aus dem Hangar aufs Flugfeld. Auch um den Rückflug kümmerte er sich persönlich: Zwar hatte unser Partner stets eine komplette Cockpitcrew, bestehend aus einem Kapitän und einem Kopiloten, in seiner Nähe im Hotel untergebracht, doch da er selbst einen Pilotenschein hatte, durfte einer der uniformierten Piloten zum Start und zur Landung jeweils hinten in der Flugzeugkabine Platz nehmen; mit hochgekrempelten Ärmeln setzte sich unser Partner schnell selbst auf den Kapitänssitz und übernahm das Ruder. Was für ein frustrierender Job muss es für einen Berufspiloten sein, eine Woche lang in einem Hotel fern der Heimat auf seinen einzigen Diensteinsatz pro Woche zu warten, den er sich dann nur von einem Passagiersitz aus angucken darf...?! Aber egal, unsere Sorge war das in diesem Moment nicht. Wir genossen einfach nur aus vollen Zügen den Flug und kamen uns einmal so richtig wichtig vor. Viel, viel wichtiger natürlich, als wir es je waren. Auch aus dieser Kooperationsidee wurde übrigens nichts. Sie müssen mich für einen ziemlichen Loser halten, der ständig wie Graf Koks zu Kooperationsgesprächen reist, die dann aber alle erfolglos verlaufen. Damit haben Sie aber nur teilweise Recht. Per Faustregel sagt man, dass aus zehn Geschäftsanbahnungen nur eine etwas wird. Das heißt, dass ich noch recht gut im Rennen bin. Die ab jetzt gezählte siebente Fahrt mit einem Chauffeur müsste dann mein Durchbruch sein, also Contenance. Nach meinem Flug im Privatjet bin ich aber erstmal mit dem öffentlichen Bus nach Hause gefahren, ein Taxi war mir zu teuer...

Fotos zur Geschichte:

http://www.facebook.com/media/set/?set=a.107295406093892.13049.100004402989835&type=3&l=d514e11231


Im Sturzflug nach Merkwürdistan

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