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2.4.2 Nichtdeklarierte Ziele
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Exportkontrollregelungen haben jedoch heute noch einen weiteren Sinn, der zwar nicht offen kommuniziert, jedoch sehr oft zwischen den Zeilen ersichtlich wird: Die Exportkontrolle wird insb. von Regierungen sehr gerne als ethisches Feigenblatt – und damit als modernes Kommunikationsinstrument – eingesetzt. Insbesondere westeuropäische Staaten, und die Schweiz ist hier bedauerlicherweise keine Ausnahme, betonen gerne, wie sehr sie sich nicht nur der Non-Proliferation, sondern auch der Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet fühlen. Das hindert diese Staaten aber nicht daran, autokratisch regierte Länder, welche zwar eine grundsätzlich pro-westliche Haltung an den Tag legen, gleichzeitig aber die Menschenrechte ihrer Bürger und insb. Fremder im eigenen Lande fortwährend und systematisch missachten, nicht nur mit Dual-Use und besonderen militärischen Gütern zu beliefern, sondern bisweilen auch mit Kriegsmaterial.
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Es fällt schwer, solche Widersprüche mit der propagierten Werthaltung dieser Staaten in Einklang zu bringen. Solche Widersprüche werfen die Frage auf, ob die Exportkontrolle dieser Staaten nicht vielmehr dazu dient, sich selbst und allenfalls befreundete Nationen vor der Bedrohung durch nukleare und konventionelle Waffen zu schützen. Eine solche Haltung mag egoistisch sein, verwerflich ist sie dadurch jedoch nicht. Verwerflich wird sie durch die Unehrlichkeit; BÖTTCHER spricht gar von Heuchelei.[51] Eine solche Haltung erodiert Glaubwürdigkeit und Autorität einer Regierung – und macht es den Rechtsunterworfenen unnötig schwer, sich an grundsätzlich sinnvolle Regelungen zu halten, weil sie immer damit rechnen müssen, dass andere als die deklarierten Zielsetzungen damit verfolgt werden.
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Exportkontrollregelungen im Bereich Dual-Use Güter betreffen sodann viele, wenn nicht gar einen Grossteil der heutigen Güter für industrielle Produktion. Staaten, denen der Zugang zu diesen industriellen Investitionsgütern verwehrt bleibt, haben faktisch keine Chance, selbst jemals eine industrielle Fertigung aufzubauen und sich so zu einer Industrienation zu entwickeln.
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Man muss daher die Frage zumindest aufwerfen, ob die scharfen Exportkontrollregelungen im Bereich der Industriegüter neben den deklarierten Zielen nicht auch das Ziel verfolgen, zu verhindern, dass sich die von den Kontrollen erfassten Länder wirtschaftlich zu einer Konkurrenz für die eigene Industrie aufbauen können, also eine «Ersatzkolonialisierung» darstellen. Mit dieser in den Raum gestellten Frage soll keineswegs in Abrede gestellt werden, dass eine moderne industrielle Fertigung auch zur Fertigung von Waffen, Waffenbestandteilen und Munition verwendet werden kann. Auf der anderen Seite muss aber auch gesehen werden, dass man in der westlichen Welt überwiegend die Meinung vertritt, der beste Garant des Friedens sei materieller Wohlstand für die breite Bevölkerung. Indem bestimmte Länder von diesem materiellen Wohlstand für die breite Bevölkerung durch Verhinderung der Industrialisierung abgeschnitten werden, werden die Regionen, in welchen sich diese Länder befinden, auch dauerhaft von Befriedung und Stabilität abgeschnitten. Auch dies erscheint als Widerspruch zur nach aussen deklarierten Werthaltung vieler Staaten.