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Am nächsten Morgen goss es in Strömen, die Temperatur war um zehn Grad gefallen. Marius griff nach warmer Kleidung und suchte nach einer Regenjacke, fand aber keine. Bis zu den Weigelts brauchte er mit dem Rad zehn Minuten. Das waren zehn Minuten zu viel bei diesem starken Regen. Marius dachte darüber nach, ein Taxi zu nehmen, erinnerte sich des Schreibens der australischen Bank, holte das Rad aus dem Keller und fuhr in einem einzigen langgezogenen Spurt durch den dichten Regenvorhang zu seiner Arbeitsstätte.

Als Marius am Tor klingelte und ihm wie gewohnt Boris öffnete, war er nass bis auf die Haut. Boris hieb ihm auf die Brust, dass er ins Taumeln geriet und sagte: „Das passt. Los, stell dein Rad ab.“ Boris nahm ihn an der Hand und zog ihn mit sich ins Haus.

Marius ging tropfend durch das Foyer. Boris wollte von ihm wissen, ob er bereits das Hallenbad gesehen habe. „Nein“, schwindelte Marius. „Dann wird’s aber höchste Zeit.“ Boris rannte die Treppe hinunter, Marius folgte ihm, eine feuchte Spur hinter sich her ziehend. In der Umkleidekabine fragte Boris, ob er eine Badehose dabei habe. Marius wunderte sich, markierte dann den Entrüsteten und sagte, dass er schließlich zur Arbeit hier sei und nicht zum Vergnügen. Das sah Boris anders. „Heute können wir draußen eh’ nichts machen. Das regnet voll toll, als ob Hamster vom Himmel fallen. Heute ist Schwimmen angesagt. Zieh die nassen Klamotten aus, ich hol’ dir ‘ne Badehose.“

Boris war ganz aufgeregt. In dem Glauben, Marius hätte das Schwimmbad nie gesehen, gebot er ihm, die Augen geschlossen zu halten. Marius gehorchte und ließ sich führen. Vor dem Becken erlaubte ihm Boris, die Augen zu öffnen. Marius wäre überrascht gewesen, das Wrack im Wasser nicht mehr vorzufinden. So musste er sein Erstaunen spielen.

Boris ließ sich hinters Licht führen. „Na, ist das nicht ein Superspielzeug?“

„Wahnsinn! Ein Wrack in ‘nem Hallenbad. Wer hat denn das Schiff versenkt?“

„Dein Vater.“

„Mein Vater hat das gemacht?“ Marius musste sein Staunen nicht mehr spielen.

„Das hat er! Passt denn die Badehose?“

Vorne kniff sie. „Die passt.“

„Nackt baden kannst du hier vergessen. Einmal war Mama mit meinem Vater nackt im Wasser, das gab aber Krawall. Opa kann das nicht haben, Anstand muss sein, sagt er.“ Boris musste lachen. Sein Lachen dröhnte durch die Halle. Marius war froh, dass Boris ins Becken sprang. Er selbst wählte den Weg über die Treppe ins Wasser. Draußen schlug heftiger Regen gegen die großen Scheiben des Bades. Es gab keine bessere Gelegenheit, sich im warmen Wasser zu tummeln.

Marius schwamm gemütlich ein paar Bahnen hin und her und ahnte nichts Böses. Plötzlich sah er Boris nicht mehr, bemerkte ihn weder vor noch hinter sich und schaute nach unten. Das Wasser war ruhig, kein Boris zu sehen. Das Tauchen lag Marius nicht. Während seiner Kindheit war er bemüht gewesen, seinen Kopf über Wasser zu halten, und jetzt war er auch nicht gezwungen zu tauchen, denn Boris beherrschte dies in bester Manier. Marius entdeckte ihn an der Schatzkiste neben dem Wrack. Er sah, wie Boris eine Münze aus der Kiste klaubte und sich nach oben treiben ließ. Prustend und lachend hielt er die Münze über dem Haupt. „Mal sehen, ob die echt ist“, rief er Marius zu und biss hinein. „Hey, die ist steinhart, klasse!“ Boris schwamm an den Rand, zog sich aus dem Wasser und legte die Münze auf einen Tisch. „In der Schatztruhe da unten liegen ein paar richtige Goldmünzen herum. Und ein Überraschungsei. Sagt jedenfalls Opa.“

„Was sagst du? Goldmünzen liegen da unten? Und ein Überraschungsei?“, zeigte sich Marius schon wieder verblüfft.

„Jedenfalls keines aus Schokolade, das würde ja im Wasser futsch gehen. Das ist mir auch egal, das Ei interessiert mich nicht die Bohne, ich tauch’ eh nur nach dem Gold. Der Rest ist Blech. Komisches Geld aus der DDR, was schon damals nix wert war, sagt mein Opa, aber einige Münzen sind aus purem Gold. Die muss ich erst mal da unten finden, muss richtig rumwühlen und das mit angehaltener Luft. Kannst du das auch, Marius?“

„Glaube ich eher nicht. Tauchen war nie mein Ding.“

„Opa mag Draufgänger. Wenn du eine Goldmünze rausholst und ihm in die Hand drückst, ist mein Opa richtig beeindruckt.“

Marius hätte nie ohne Not seinen Kopf unter Wasser gesteckt. Er wollte das auch diesmal tunlichst vermeiden. „Opa würde dir glatt auf die Schultern klopfen“, hakte Boris unerbittlich nach.

Marius gab sich geschlagen. Er tauchte unter, hielt dabei krampfhaft die Augen geöffnet und steuerte die Truhe an. Er kam bis auf einen Meter an sie heran. Schnell wurde ihm die Luft knapp, er musste hoch. Marius wollte Mumm zeigen, kämpfte sich erneut nach unten und wühlte wie wild in der Truhe, fand aber nur Blech und machte, dass er nach oben kam.

„Und?“, fragte Boris.

Marius schüttelte sein nasses Haupt.

„Schade. Aber wenn du willst, kannst du ihm meine Münze geben. Dann machst du echt ganz schön Punkte bei Opa. Überleg’s dir gut.“

Marius dachte nach. Und schüttelte wieder seinen Kopf.

Der Regen hatte an Kraft kaum nachgelassen, so dass an Arbeit im Freien nicht zu denken war. Trotzdem beendete der Diener Karl das Badevergnügen. Herr Weigelt wollte Marius sehen. Dem fuhr eine Gänsehaut über den Rücken, dann stieg er schwerfällig aus dem Wasser.

Marius trocknete sich hastig in der geräumigen Umkleidekabine ab, dann zog er seine feuchte Kleidung an und ging mit Karl nach oben. Boris schloss sich ihnen an. Marius folgte Karl und seiner eigenen Tropfspur durch das Foyer in die Bibliothek. Herr Weigelt saß am Tisch über einem Buch. Als er die drei bemerkte, klatschte er einmal kräftig in die Hände.

„Wie ich euch beneide, ihr jungen Dachse.“

Herr Weigelt sah das Gesicht von Marius, und er musste lachen. „Diese Begrüßung hätten Sie bestimmt nicht erwartet.“

„Guten Tag, Herr Weigelt. Wegen dem Regen konnte wir unsere Arbeit leider nicht fortsetzen, da gingen wir ins…“

„Da gingen wir ins Hallenbad, ich weiß. Mein Enkel war nicht zu überhören, er prustet wie ein ganzes Rudel Walrösser. Man kann in der Bibliothek alles hören, sie liegt genau über dem Bad.“

Boris drängelte sich an Marius und Karl vorbei und legte die Goldmünze auf das Buch. „Guck mal Opa, die hat der Marius aus dem Fass im Pool gefischt.“

„Wirklich?“ Herr Weigelt zog die dichten Augenbrauen nach oben. „Das hätte ich Ihnen ehrlich gesagt nicht zugetraut, Herr Kilian. Alle Achtung!“

Boris stand hinter seinem Großvater, legte behutsam seine linke Hand auf dessen Schulter und den Zeigefinger der anderen Hand auf seine Lippen. Marius schwieg. Herr Weigelt sprach. „Wäre ich noch mal so jung wie ihr und könnte toben und tollen, dass es durch das ganze Haus zu hören ist. Aber ein alter Mann wie ich, muss sich damit begnügen, dass er noch ein wenig schnaufen kann.“

Plötzlich erhob sich Herr Weigelt schwer stöhnend aus seinem Rollstuhl. Boris und Karl wollten helfen, aber er gebot ihnen Einhalt. Mit zusammengebissenen Zähnen drehte Herr Weigelt eine Runde um den Tisch, hielt sich dabei an der Kante fest und gab nicht auf, bis er die Runde vollendet hatte. „Was bin ich erleichtert, wieder sitzen zu dürfen. Früher war ich schnellen Fußes wie ihr, heute kann ich froh sein, einmal um den Tisch herumzukommen, ohne dabei umzufallen. Das macht mich traurig, aber das ist der Lauf der Zeit. Das Leben ist in der Tat ein Kreislauf, und ich gönne mir ab und zu das Vergnügen, daran teilzuhaben, indem ich rings um den Tisch gehe. Wären Sie so freundlich, mir Gesellschaft zu leisten, Herr Kilian?“

Karl brachte Tee, Boris spielte an seiner Modellrennbahn, Herr Weigelt klappte das Buch zu. Sie rührten in ihren Tassen, Marius ausdauernd. Herr Weigelt legte den Löffel auf die Untertasse und fragte wie beiläufig, ob der Anbau der Tomaten vorankäme.

Marius gab eine weitschweifige Erklärung ab, mengte den Rindenmulch mit dem heutigen Regenguss, sprach über Dünger und Würmer, lobte Boris für seine Hilfe, pries seinen Vater für den tadellos aufgeräumten Schuppen, wollte in aller Ausführlichkeit über die Wetteraussichten der nächsten Tage berichten, die Besserung versprachen, als Herr Weigelt ihn unterbrach.

„Herr Kilian.“

„Ja?“

„Sie werden sicher bewerkstelligen können, dass meine Tomaten wachsen und gedeihen. Vielleicht haben Sie nicht das gute Händchen, wie das Ihrem Vater vergönnt war, aber wer durfte dies schon für sich in Anspruch nehmen? Das hatte ich auch nicht immer, als ich die Tomaten selbst gezogen habe. Manches ging schief, ich habe wie Sie ein üppiges Lehrgeld bezahlen müssen. Was mir wichtig ist, wichtiger als alles andere, das ist das Wohlergehen meiner Familie. Die besteht aus meiner Tochter und meinem Enkel. Um meine Tochter muss ich mir keine Sorgen machen, die hat Energie, die drei Männer zusammen nicht aufbringen können. Boris ist stark wie drei Kerle, aber dafür nicht besonders helle im Kopf. Seit er auf die Welt gekommen ist, leidet er an dieser Beeinträchtigung. Sie wissen darüber Bescheid, dass ihm der nötige Sauerstoff fehlte. So genau will ich das gar nicht wissen. Ich höre, was meine Gebrechen betrifft, meinen Ärzten auch nicht immer zu. Aber was Boris anbelangt, so darf ich behaupten, dass er an seinem Leben Gefallen gefunden hat. Nicht wahr, Boris?“

„Was ist denn, Opa?“

„Du bist gerne bei mir, hm?“

„Klarer Fall. Meine Autos sausen drauf los, das ist der Wahnsinn, Opa. Willst du mitspielen? Ach ne, du kannst ja nicht“, rief ihm Boris zu.

„Er ist schon drollig, mein kleiner großer Junge.“

„Ich denke, er ist ein feiner Kerl“, sagte Marius und dachte an die Goldmünze, die Boris für ihn aus der Tonne gefischt hatte, damit er bei seinem Großvater Eindruck schinden konnte. Herr Weigelt schien Gedanken lesen zu können.

„Das war die Idee Ihres Vaters, im Hallenbad ein Wrack ins Wasser zu lassen. Er hatte das Tauchtalent von Boris erkannt. Das hat eine Stange Geld gekostet, aber das war es mir wert. Früher habe ich dies alles selbst gemacht, mich um Boris gekümmert, meiner Tochter beim Studium geholfen, ich war ein patenter Kerl. Aber heute? Verstehen Sie mich nicht falsch, da oben -“, Herr Weigelt tippte an seine Stirn - „ist alles in Ordnung, aber vom Halse abwärts fühle ich mich wie ein alter Mann. Na ja, ich zähle ja fast neunzig Jahre.“

„Daher hat mein Vater diese Rolle übernommen, zumindest was Ihren Enkel betraf“, erfasste Marius und gewann neuen Mut.

„Boris ist meist in heiterer Stimmung. Er benötigt jedoch einen Menschen, der ihn an der Hand nimmt und ihm einen gewissen Schutz gewährt. Auf sich allein gestellt würde er niemals zurechtkommen. Selbst hier in diesem Haus wäre dies für Boris mit Schwierigkeiten verbunden, obwohl ihm das eigentlich bestens vertraut sein müsste. Sie haben sicher bemerkt, dass alle Zimmer mit Beschriftungen versehen sind. Boris hat sie selbst geschrieben, getreu einer Vorlage Ihres Vaters. Mein Enkel kann nur sehr eingeschränkt lesen und schreiben, nicht viel mehr als seinen Namen und das, was hier über den Türen steht.“

„Das tut mir leid, Herr Weigelt.“

„Das muss Ihnen nicht leid tun, Herr Kilian. Aus diesem Grund sind Sie hier eingestellt worden, um meinem Enkel das Leben abwechslungsreicher zu gestalten. Die Geschichte mit den Tomaten“, zwinkerte ihm der alte Herr zu, „ist nicht viel mehr als ein kleiner Teil vom Ganzen. Wenn Sie weiterhin dazu beitragen, dass Boris bei guter Laune bleibt, soll das Ihr Schaden nicht sein.“

Marius atmete tief ein und aus. Herr Weigelt vernahm es und lächelte.

Unvermittelt sprang Boris von seiner Rennbahn auf, eilte zum Tisch und wollte auch Tee. Karl nahm eine Tasse von einem Rollwagen und goss ihm eine Tasse ein. Währenddessen schaute Boris auf das Buch, in dem sein Großvater gelesen hatte. „Ist das ein deutsches U-Boot, Opa?“

„Richtig, mein Junge.“

„Nicht wahr Opa, ich kann tauchen wie ein U-Boot.“

„Du bist ein prima Taucher. Allerdings kann ein Unterseeboot viel länger und tiefer tauchen als du.“

„Ich wär’ auch gern auf einem U-Boot.“

„Da drin ist es furchtbar eng, Boris. Das würde dir nicht gefallen. Sie müssen wissen, Herr Kilian, dass ich früher auf einem U-Boot gefahren bin, wenn auch mehr oder weniger unfreiwillig.“

„Sie waren im Krieg?“, mutmaßte Marius.

Unwillkürlich reckte Herr Weigelt den Hals nach vorne. Sein Blick verriet die Erregung, die er bei seinen Worten verspürte. „Genau, ich war damals im Krieg auf einem U-Boot. Raten Sie mal, welche Aufgabe ich dort hatte.“

„Sie waren der Erste Offizier? Oder der Steuermann?“, riet Marius und wollte es dabei mit seinem Chef nicht verderben.

„Falsch! Ich war der Koch.“

„Der Koch?“

„Das war eine verantwortungsvolle Aufgabe. Ich musste für eine Besatzung von fünfzig Männern kochen! Das erwies sich als eine Heidenarbeit. Allein bei einem tosenden Sturm den riesigen Suppentopf auf dem winzigen Herd zu halten, kostete mich unendliche Mühen. Ich war reichlich stolz auf mich“, sagte Herr Weigelt und lachte.

Boris ließ sich anstecken und lachte lauthals mit. Als er sich beruhigt hatte, fragte er: „Hast du gut gekocht, Opa?“

„Damals hat sich niemand bei mir beschwert, Boris. Wobei die Leute an Bord Schwierigkeiten gehabt hätten, auf hoher See eine andere Kantine zu finden.“

„Da hätten sie aber lange suchen müssen, Opa. Hättest du auf einem U-Boot kochen können, Karl? Hättest du nicht, das kann nur der Opa.“

Karl grummelte etwas vor sich hin, das Marius nicht verstand. Er versuchte sich, Herrn Weigelt als jungen Mann vorzustellen, der einen großen Kochlöffel in der Hand hielt und vor einem riesigen Topf stand, der unaufhörlich hin und her schwankte. In diesem Augenblick fiel Marius sein Großvater ein. Der hatte aufgeschrieben, wie er damals den Krieg erlebte. Sein Vater hatte ihm diese Erinnerungen anvertraut. Bisher glaubte Marius, keinerlei Muße gefunden zu haben, um nur einen Blick hineinzuwerfen. Er erzählte Herrn Weigelt davon. Der hörte aufmerksam zu, während Boris wieder seine Autos über die Rennbahn fahren ließ. „Haben Sie begonnen, die Aufzeichnungen Ihres Herrn Großvaters zu lesen, Herr Kilian?“, fragte Herr Weigelt.

„Nein, bisher nicht“, gab Marius kleinlaut zur Antwort.

„Dann tun Sie das, allein aus Respekt vor Ihrem Großvater. Wissen Sie nicht, dass bei den Russen Papier knapp war? Das heißt, dass Ihr Großvater in der Gefangenschaft sich gezwungen sah, Brot gegen Papier einzutauschen, um das, was er erleiden musste, sich von der Seele schreiben zu können“, sprach der alte Mann und wurde bei jedem Wort erregter, dass selbst Boris für einen Moment von seinen Autos aufschaute. Karl dagegen stand da wie eine Wachsfigur und verzog keine Miene. Herr Weigelt starrte Marius an, dass dem Angst und Bange wurde. Zu seinem Glück entspannten sich die Gesichtszüge seines Chefs wieder.

„Lesen Sie in den Aufzeichnungen Ihres Großvaters, und berichten Sie mir davon. Ich bin sehr an Geschichte interessiert. Nicht nur wir Alten, auch die Jungen müssen sich dieser Geschichte stellen, um sie besser verstehen zu können. Das ist für unser ganzes Land von erheblicher Bedeutung. Tun Sie das, wenn ich Sie freundlich darum bitte?“, fragte Herr Weigelt mit sanfter Stimme.

Viele Jahre hatten die Erinnerungen des Großvaters von Marius unbeachtet in der Wohnung seiner Eltern gelegen. Was sollten ihn auch die Angelegenheiten eines Mannes kümmern, den er nie kennengelernt hatte? Zunächst hatte sein Vater Marius in seinem Brief dazu überreden wollen, sie zu lesen, doch war ihm die Sicherung seiner Existenz ungleich wichtiger erschienen. Und jetzt bat ihn ausgerechnet der Mann, der ihm Arbeit und Lohn gab, das Versäumte umgehend nachzuholen. Marius sah zu Herrn Weigelt und glaubte, es sich nicht anders erlauben zu können, als ergeben zu nicken und sich für den heutigen Tag zu verabschieden.

Als er zu Hause war, musste Marius nach dem Schriftstück seines Großvaters suchen. Er fand es unter einem Foto seiner Eltern im Nachttisch des Schlafzimmers. Dort hatte Marius die Erinnerungen von Hermann Kilian abgelegt, um sie aus dem Weg zu haben. Bald darauf hatte er vergessen, wo sie lagen. Marius blickte auf die klare und gut lesbare Handschrift und fuhr mit der Nase über das Papier, welches etwas muffig roch. Ein Gefühl von Beklommenheit, begann ihn zu beschleichen, doch welche Befürchtungen sollte er haben, sich mit der Vergangenheit seines Großvaters zu beschäftigen?

Marius fasste sich, trug die gebündelten Seiten in das Wohnzimmer, ließ sich auf das Sofa fallen, legte die Beine auf den Tisch und begann zu lesen.

Es dauerte nicht lange, da nahm Marius die Beine herunter und beugte sich in angespannter Haltung über das Papier. Denn obwohl er mit jenen Geschehnissen längst vergangener Zeiten in weiten Teilen unvertraut geblieben war, kam ihm rasch zu Bewusstsein, dass die Sorgen und Nöte seines Großvaters mit den seinen in keiner Weise zu vergleichen waren.

Der Schatz des Gregor Gropa

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