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Richard

New York City, Winter 1936

„George, mein Freund, wie geht es ihrer Frau und ihrem Sohn?“

Jack Davidson Fellers Junior betrat den Konferenzsaal, in dem George gerade die letzten Feinarbeiten am Modellentwurf des größten privaten Geschäfts und Unterhaltungskomplexes abschloss.

„Hallo Jack! Schön sie zu sehen! Es geht ihnen gut, man kümmert sich rührend um sie.“

George streckte Fellers Junior die Hand zum Gruß.

„Das hoffe ich! Wenn sie mir gestatten, werde ich sie besuchen“, antwortete dieser und schlug kräftig in den Handgruß ein. George lächelte bejahend und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.

„Wie ich sehe, ist das Modell bereits fertig. Sie sind ein Genie! Es sieht großartig aus! Zeigen sie mir ihre Ideen und beschreiben sie mir ihren Entwurf in jedem Detail. Ich will ihn in meinen Phantasien durchschreiten.“ Fellers Junior wirkte fast fanatisch.

„Also gut, wie sie wünschen. Dann machen sie sich auf etwas gefasst! Ich weiß, es wird ihnen gefallen.“ George nahm seinen Zeigestab und hielt ihn in die Mitte der Modellanlage.

„Schauen sie genau hin, Jack! In ihrer Stadt erheben sich derzeit etwa vierzehn Gebäude. Inmitten dieser Gebäude ragt ihr Wolkenkratzer, das Flaggschiff mit siebzig Etagen. Und jetzt schauen sie! Neue Büros, Garagen und Geschäfte, Dachgärten, blühende Anlagen auf dem Boden, Cafes und Sitzelemente für arbeitende Menschen oder jene, die gemütlich sitzen wollen. Neben dem Theater und der City Hall entstehen Museen und mehrere industrielle Ausstellungen, Skulpturen zur rechten und zur linken. Unterirdische Ladenstraßen verbinden den gesamten Komplex und ermöglichen den Zugang zur New Yorker Untergrundbahn. Eine Verbindung zwischen Arm und Reich. Wir werden die freien Plätze je nach Jahreszeit umgestalten. Und jetzt schauen sie genau hin! Im Winter wird unser größter Platz zu einer Eislaufbahn und daneben ein Weihnachtsbaum, so groß, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat! Und jeder, der will, kann hier eintreten.“ George hielt für einen Augenblick inne, dann fuhr lächelnd fort, „und in der fünfundsechzigsten Etage des Wolkenkratzers wird Sergej ihren ganz besonderen Wunsch in die Tat umsetzen und die Rainbow Room Bar nach ihren Wünschen umgestalten, von der aus sie ihr Imperium Tag für Tag überschauen können. Nun, was sagen sie!“ Voller Stolz schaute George seinen Auftraggeber an.

„Es sieht phantastisch aus! Wie ich schon sagte, sie sind ein Genie. Die Welt wird sich verneigen und sie und Sergej werden den Ruhm ernten. Ich danke ihnen! Sie haben meinen Traum für ein paar Minuten Realität werden lassen und ich werde mich dafür erkenntlich zeigen“, sagte Fellers Junior und verließ den Raum.

Noch ein paar Minuten lang schaute sich George sein Modell an und dann verließ auch er den Raum direkt in Richtung New York City Hospital. Dort angekommen eilte er sogleich in das private Krankenzimmer seiner Frau, das, entgegen den anderen weiß gestrichenen kargen Räumen in einem Champagnerton gehalten war. Vor den Fenstern hingen schwere Samtvorhänge, die mit dicken Quasten zur Seite gerafft waren. Inmitten des Zimmers stand ein antikes Tischchen für Blumensträuße und an den Wänden hingen Bilder, die spielende Kinder darstellten. Der Raum war schlicht und dennoch sehr vornehm.

„Hallo Liebling! Hallo mein Sohn!“, begrüßte er seine Frau und seinen kleinen Sohn.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt.

„Natürlich, es ist alles bestens. Wir müssen noch einen weiteren Tag für ein paar Untersuchungen hier bleiben, aber schon bald werden wir nach Hause dürfen“, beruhigte Elisabeth ihren Mann.

„Ich bin so glücklich Elisabeth“, lächelte George.

Die Geburt Richard Prices hatte sich in den vornehmen Kreisen schnell herum gesprochen, denn überall im Krankenzimmer standen dekorative Blumenglückwünsche. George las Elisabeth jede der Karten laut vor und während sie den eindrucksvollen Wortspielereien lauschte, klopfte es an die Tür. Ein übergroßer Strauß purpurrote, nach lila verblühende Rosen, wurden hereingebracht. Es waren die schönsten Rosen, die Elisabeth je sah. Ihr starker süßer Duft benebelte in nur wenigen Sekunden das Zimmer.

„George, sieh nur! Sind sie nicht wunderschön, wer lässt sie schicken?“ Elisabeth war von Sinnen.

„Es sind persische Rosen, so schön wie sie und ich bringe sie ihnen persönlich.“ Zu Georges und Elisabeths großer Überraschung betrat Jack Davidson Fellers Junior das Zimmer.

„Mister Fellers, was für eine Freude! Die Rosen sind überwältigend. Ich sah eine derartige Schönheit wirklich noch nie!“

Fellers Junior gab Elisabeth eine der Rosen in die Hand, um ihren schweren betörenden Duft riechen zu können. Dann sprach er leise weiter, „es sind meine Lieblingsrosen, denn sie umgibt ein geheimnisvolles Flair. Sehen sie sich die Blüte an, sie ist gefüllt mit über dreißig Blättern. Diese Art der Blüte besitzen nur die Damaszenerrosen, die zu den ältesten Rosen der Welt gehören.“

Elisabeth sah die Faszination in Fellers Juniors Augen und lächelte.

„Wissen sie, meine Liebe, niemand vermag zu sagen, aus welcher Kreuzung von Rosen genau die Damaszenerrose entstand. Einige haben ihren Ursprung in China und im Mittleren Osten, andere an den Küsten des Mittelmeeres und wieder andere in Nordamerika, genau wie wir Menschen. Wir stammen aus Japan oder Indien, aus England oder Ägypten und wir alle verzaubern die Welt mit Einzigartigkeit. Es ist ganz einfach, die Wiege der Damaszener ist wie die Wiege der Menschheit, faszinierend, unergründbar und mit nichts zu vergleichen. Und dennoch, wenn sie nicht am richtigen Platz gedeiht, verwelkt sie oder stirbt.“ Fellers Junior küsste Elisabeths Hand, dann fuhr er fort.

„Ich hoffe, sie und George verzeihen mir meinen überraschenden Besuch, doch ich wollte es mir nicht nehmen lassen, ihnen persönlich zu ihrem gelungenen Sohn zu gratulieren. Er ist ein Prachtjunge!“ Fellers nickte mit dem Kopf, Elisabeth lächelte.

„Oh Jack, ich freue mich immer sehr, sie zu sehen. Natürlich sind die Umstände und der Ort nicht das, was ich mir für ein Treffen vorgestellt habe, doch ich danke ihnen, dass sie die Zeit fanden. In der Tat fühle ich mich noch ein wenig schwach. Doch George hilft mir bei all den Glückwünschen und steht mir ganz wundervoll zu Seite.“ Elisabeth sah ihren Mann dankbar an.

„Ja! Sie können sich glücklich schätzen, einen so wundervollen Mann an ihrer Seite zu haben. Er ist nicht nur ein fürsorglicher Ehemann und Vater, er ist auch ein begabter und großartiger Architekt. Ich bin sehr stolz, ihn bei meinem Projekt an meiner Seite zu wissen. Und dafür werde ich ihn gebührend danken und ich glaube, ich fand heute Morgen genau das Passende. Sie werden erfreut sein. George. Ich bitte sie heute Abend zu einem Glas Sherry in mein Büro, acht Uhr. Elisabeth meine Liebe, erholen sie sich gut. Ich bin sicher, wir werden uns bald wiedersehen.“

Fellers Junior küsste ein zweites Mal Elisabeths Hand, die noch immer die seltene Rose hielt und verließ den Raum. Noch für eine Weile verharrte Elisabeth in ihrem Duft und für einen kurzen Augenblick schien es so, als würde sie glauben, diesen Duft nie wieder riechen zu können, dann sah sie auf und winkte George heran, der sich auf das Bett ganz nah zu ihr setzte.

„Ich fühle mich jetzt doch ein wenig schwach und müde. Doch bevor du gehst, möchte ich dir noch etwas sagen. Es ist mir wichtig, dass du weißt, dass ich dich über alles liebe und, dass ich unseren Sohn über alles liebe. Ich trage euch beide tief in meinem Herzen und das wird immer so bleiben. Ich werde euch beschützen und in meine Gebete einschließen. Versprich mir, dass du für Richard immer das Beste tun wirst und, dass du Maria die Familie zurückbringst. Versprich es mir!“ Elisabeth gab George einen innigen Kuss und sah ihm tief in die Augen. George nahm seine Frau in den Arm, die wenige Minuten später einschlief. Er stellte die persische Rose dicht neben Elisabeths Bett und wünschte ihr einen wunderschönen Traum.

Es schlug acht Uhr abends. Pünktlich betrat Jack Davidson Fellers Junior den Konferenzsaal, in dem George bereits wartete. Noch einmal begrüßten sich die beiden Männer. Kurz darauf betrat ein gut gekleideter Mann den Saal und überreichte Fellers Junior stillschweigend einen Umschlag. Dieser nickte dem Mann dankend zu, der sich sofort anschickte wieder zu gehen. Fellers Junior hielt George den Umschlag entgegen.

„Ich möchte ihnen und ihrer Frau ein Geschenk zur Geburt ihres Sohnes machen.“

Neugierig öffnete George den Umschlag, er konnte nicht glauben, was er darin las. Fassungslos sah er seinen Auftraggeber an.

„Das kann ich unmöglich annehmen“, sagte er stockend.

„Es ist mein Wunsch, mein absoluter Wunsch, dass Elisabeth und sie mein Geschenk annehmen und ich wäre zutiefst beleidigt, wenn sie es nur aus falschem Stolz heraus ablehnen würden.“ Fellers Junior sah George mit ernsten Blicken an, dann ging er hinaus.

„Danke, Jack! Ich danke ihnen von Herzen“, rief George ihm nach und Jack Davidson Fellers Junior winkte ihm zu, ohne sich umzudrehen. George, der die freudige Überraschung noch nicht richtig begriffen hatte, ließ sich ein Taxi kommen. Er wollte so schnell als möglich, Elisabeth die Neuigkeiten mitteilen. Er wollte ihr mitteilen, dass Fellers Junior ihnen beiden das schon lange leer stehende Haus Henrie Dames überlassen hatte. Henrie Dames war Schriftsteller und bis zu seinem Tode ein enger Freund der Fellers. Seine Familie sammelte Zeit ihres Lebens antike Möbelstücke und Elisabeth liebte antike Möbel, weil diese auf sie einen besonderen Zauber ausübten. Sie liebte Sessel im Louis Quinze Stil, vergoldete Wandtische mit geschnitzten Beinen und Puttenköpfen, goldenen Wandspiegel mit barocken und Federgekrönten Kartuschen. Sie liebte die Schönheit und die Kunst und Fellers Junior wusste das. Er wusste, dass das Haus Henrie Dames Elisabeths Träume erfüllen würde. Es stand unverändert im Künstlerviertel Manhattans in Greenwich Village und es gehörte ein Schlüssel dazu, der nur der auserwählten High Society Manhattans überreicht wurde. Es war in der Tat ein Schlüssel, der zu einem realen Schloss passte. Ein Schloss, das wenn es geöffnet wurde, in den schönsten Park der Insel führte. George konnte kaum erwarten, es ihr zu sagen. Er fuhr ins Krankenhaus und rannte hinauf zu ihrem Zimmer. Er öffnete die Tür und er sah Elisabeths Bett, es war leer, nur die persischen Rosen standen noch im Zimmer. Ihre Blätter vielen, eins nach dem anderen und es schien, als würden sie weinen.

Die Wiege der Damaszener

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