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Richard

New York City, Frühling 1935

Ein wunderschöner Tag war angebrochen. Die Vögel zwitscherten und durch die zarten langen Gardinen wehte der kühle Morgenwind. Die erwachende Sonne ließ das im edlen Weiß, Gold und Perlmutt gehaltene Schlafzimmer von Elisabeth Price wie einen orientalischen Traum erscheinen. Elisabeth liebte die Nichtfarben, weil sie Reinheit und Klarheit bedeuteten und das Sonnenlicht am hellsten wiedergaben. Und sie liebte Perlmutt, die für sie größte Faszination der Natur, die in allen Möbeln ihres Zimmers erstrahlte, kostbar und rein.

Elisabeth Price war bekannt für diese Vorliebe und ihre daraus resultierende Sammlung von geschmackvollem Perlenschmuck, mit der sie begann, als sie vor vielen Jahren in der Femina ein Foto von Misses George Franklin, einer Dame der New Yorker Gesellschaft sah, deren Kleid scheinbar aus unzähligen weißen Perlentropfen bestand. Eine Frau, die sehr elegant durch den Glanz und die Pracht erschien. Eine Eleganz, die auch Elisabeth ausstrahlte und die die Damen der feinen Gesellschaft ihr insgeheim neideten, denn Elisabeth folgte nicht den Reglements der oberen Schicht oder den Reglements der Mode, sie folgte ihrem eigenen Stil.

Es schlug acht Uhr, als Elisabeth erwachte. Sie roch den wundervollen Morgen, stieg aus ihrer elfenbeinfarbenen Seidenbettwäsche, streifte sich den Morgenrock von Bloomingdale über, öffnete weit ihre Balkontüren und lief hinaus in den Garten, wo ihre purpurroten Rosen erblühten, die sie umhegte und pflegte und von denen sie jeden Tag liebevoll nur eine Einzige abschnitt. Als sie zurückkehrte, klopfte es an ihrer Schlafzimmertür, die sich kurz daraufhin öffnete.

„Guten Morgen, Darling!“ George Price betrat das Schlafzimmer seiner Frau.

„George! Ich habe dein Klopfen gar nicht gehört“, begrüßte Elisabeth ihren Mann freudig und knöpfte etwas errötet ihren Morgenmantel zu.

„Entschuldige! Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.“ Ein Schmunzeln überzog Georges Gesicht.

„Du bringst mich nicht in Verlegenheit! Komm herein und gib mir einen Kuss!“ Elisabeth sah ihren Mann mit einem verführerischen Lächeln an, der sie sogleich in den Arm nahm. Elisabeth stellte sich auf die Zehenspitzen und schüttelte ihren, in Wasserwellen gelegten rabenschwarzen Pagenschnitt sanft nach hinten.

„Darling, es ist bereits acht Uhr und Maria lässt fragen, ob du einen besonderen Wunsch hast, was das Frühstück betrifft.“ George löste sanft die Umarmung.

„Sie ist wirklich eine Seele von einem Mensch. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne sie tun würde.“

Elisabeth ging weg, steckte die Rose in eine kostbare Vase, setzte sich vor ihren ovalen goldenen Spiegel und begann ihr Gesicht zu pudern.

„Nun, hegst du einen besonderen Wunsch?“, fragte George noch einmal.

„Ich möchte Spanisch frühstücken!“, scherzte Elisabeth.

„Du bist wieder einmal unerbittlich! Ich werde Maria sagen, dass du dich nicht entscheiden konntest und warte im Salon auf dich.“

„Danke! Sage ihr bitte auch, dass ich auf der Terrasse frühstücken möchte!“

Elisabeth ging ins Badezimmer, während George ihr nachsah. Er liebte sie einfach über alles.

George war ein angesehener Architekt mit Aufträgen der oberen Zehntausend New York Citys, den wenigen Wohlhabenden, die den Börsenkrach überstanden hatten. Und er war sehr stolz, eine so schöne und kluge Frau an seiner Seite zu wissen.

Im Portal angekommen informierte er Maria, das spanische Hausmädchen, über den Wunsch seiner Frau, setzte sich in den Salon mit Blick auf die Terrasse und beobachtete, wie Maria den Tisch mit sehr viel Sorgfalt und Liebe deckte.

Maria war in der Tat eine Seele von einem Mensch, denn sie freute sich über jede Arbeit, die ihr aufgetragen wurde. Und als George Maria so sah, da kamen sie wieder, die Erinnerungen an sein Elternhaus. Ein reiches Elternhaus, in dem man ihm Ignoranz gegenüber der unteren Schicht, den Immigranten und Hungernden gelehrt hatte. Er konnte und wollte das Elend in den Strassen nicht sehen, er wollte nichts hören von den Familien in den Elendsquartieren, dessen Kindern die Würmer aus der Nase krochen. Er wollte nichts hören, von all den Hungernden und Sterbenden und er wollte nichts wissen von den Menschen, die nur gebrochen seine Sprache sprachen.

George lebte unbeschwert in der Welt der Reichen bis zu jenem Abend, als Maria unerwartet in seiner Haustür stand, mit einem Zettel in der Hand. Bis zu jenem Abend, der alles veränderte:

Es war bereits dunkel und der vom Hudson River in die Stadt ziehende Nebel trübte die Sicht, als George die Hausglocke hörte.

„George! Es hat geläutet! Würdest du bitte die Tür öffnen!“, rief Elisabeth aus dem Salon.

George öffnete die Haustür und sah den Umriss einer Frau. Sie war sehr klein und auffällig dick. Sie trug ein buntes Kopftuch und einen viel zu großen alten Mantel. Im Licht der Eingangsbeleuchtung konnte George erkennen, dass die Frau eine etwas dunklere Hautfarbe hatte. Erschrocken trat er einen Schritt zurück.

„Wir geben nichts! Betteln verboten! Verstehen sie!“

George wollte die Tür schließen, doch dann bemerkte er, dass ihm die unbekannte Frau ein Stück Papier entgegenhielt.

„Was wollen sie?“ Unsicher nahm er den Zettel an und las.

„Ich verstehe nicht, warten sie hier!“ George schloss die Tür und rief nach Elisabeth.

„Darling! Draußen steht eine Frau! Sie gab mir einen Zettel mit deiner Handschrift und der Adresse unseres Hauses. Bestimmt hat sie ihn irgendwo gefunden und glaubt, wir geben ihr etwas dafür.“

„Was für ein Zettel? Darf ich ihn sehen?“ Elisabeth kam aus der Küche und begutachtete ihre Handschrift.

„Natürlich! Ich erinnere mich! Das kleinen Mädchen...“

„Welches kleine Mädchen?“, fragte George sichtlich irritiert.

„Ich vergaß, es dir zu erzählen. Ich war neulich bei Macys und da war ein kleines Mädchen. Sie saß vor dem Eingang auf den kalten Steinen und sie hielt ihre Hände auf, für ein bisschen Geld. Sie tat mir sehr leid und ich kaufte ihr etwas zu Essen.“

George sah seine Frau verständnislos an und schüttelte mit dem Kopf.

„Oh, George! Wenn ich die Not von hundert Menschen schon nicht stillen kann, dann fange ich wenigstens bei einem an“, antwortete Elisabeth.

„Du bist nicht Mutter Teresa!“, mahnte George.

„Ich weiß! Ich sollte das nicht tun. Doch sie schlang das Essen förmlich herunter. Dann lief sie aus Dankbarkeit ein Stück meines Weges mit und ich fragte sie, wo sie denn wohne und ob sie keine Eltern habe. Und sie erzählte mir, dass es nur ihre kranke Großmutter und ihre Mama gäbe, die nun nicht mehr in diesem vornehmen Haus arbeiten würde und dass sie oft großen Hunger habe. Ich fragte das Mädchen, was ihre Mutter arbeitete und sie erzählte mir, das sie einst als Hausmädchen diente. Weißt du George, ich dachte an die vielen Kinder, die in den Straßen leben und daran, dass wir doch ein Hausmädchen suchen und so schrieb ich unsere Adresse auf dieses Stück Papier.“

„Elisabeth, du bist unverbesserlich! Nun gut, dann werde ich sie hereinbitten. Ich hoffe, du hast keinen Fehler gemacht!“

Gefolgt von Elisabeth, öffnete George noch einmal die Tür und bat die fremde Frau in die Empfangshalle, die sich offensichtlich sehr darüber freute.

„Das ist meine Frau, Elisabeth. Von ihr erhielten sie diesen Zettel.“

„Guten Tag, Señora Price!“, sagte die Frau schüchtern.

„Guten Tag! Setzten sie sich! Wie ist ihr Name?“, fragte Elisabeth sehr höflich.

„Entschuldigen sie vielmals, Señora Price! Ich vergaß mich vorzustellen. Mein Name ist Maria Eleonora Martinez de Sanchez“, antwortete die Frau mit gebrochenem Akzent.

„Maria Eleonora Martinez Sanchez! Es freut mich sehr, dass sie gekommen sind! Darf ich ihnen einen Tee anbieten?“

„Danke, sehr gerne! Bitte, nennen sie mich Maria!“

Elisabeth ging in die Küche, während George die Fremde bei jeder ihrer Bewegungen beobachtete. Die Situation war ihm unangenehm und er war erleichtert, als Elisabeth endlich den Tee servierte.

„Sie haben eine sehr nette Tochter. Wie geht es ihr?“, fragte sie mit warmer Stimme und goss Maria eine Tasse ein.

„Danke! Es geht ihr gut. Ich habe ihr gesagt, sie soll die Menschen nicht belästigen. Es tut mir sehr leid, dass sie es trotzdem tat.“ Maria sprach mit vollendeter Höflichkeit und kühler zurückhaltender Würde, was George sichtlich freundlicher stimmte.

„Es muss ihnen nicht Leid tun. Aber ich verstehe ihre Ansicht. Wo genau kommen sie her?“, fragte Elisabeth weiter.

„Meine Familie und ich stammen ursprünglich aus Spanien.“ Nur sehr zögernd kamen die Worte über Marias Lippen.

„Spanien? Das ist doch ein Land in Europa!“ Erstaunt sahen sich Elisabeth und George an.

„Ja, Señora Price! Es liegt in Europa am Meer.“

„Mein Gott, das ist unvorstellbar weit! Wie kamen sie nach New York City?“ Maria zögerte, doch Elisabeth bat sie, die Geschichte ihrer Familie zu erzählen. Maria nahm ihr Kopftuch herunter, sie nahm es in beide Hände und fing langsam an zu sprechen.

„Unsere Reise begann vor vielen Jahren in Sant Joan, einem kleinen Dorf am Rio Flumen, wo ich geboren wurde. Meine Familie lebte schon seit Generationen in Sant Joan. Sie besaß dort ein kleines Landgut mit Weizenfeldern. Wir alle lebten gemeinsam dort, meine Eltern, meine Großeltern, meine beiden Onkel und meine Schwester. Nur mein Bruder Juan war nicht bei uns, er verbrachte seine Zeit in Barcelona, einer Stadt am Meer. Für ihn war Sant Joan eine Einöde. Er wollte unbedingt in die große Stadt und so verließ er die Familie schon sehr früh. In Barcelona schloss er sich einer Gruppe an, die sich politisch engagierte. Ich glaube, sie hieß Generation von achtzehnhundert…, ich weiß es nicht mehr genau. Manchmal kam er unverhofft mit Freunden nach Hause und es gab jedes Mal heftige Diskussionen mit Papa und dann verließ er uns wieder. Ich habe nie verstanden, worüber sie stritten. Eines Tages kam er wieder nach Hause, doch diese Mal war es anders. Papa brachte Juan ohne ein Wort in die Berge. Kurz darauf kamen Soldaten, die ihn suchten. Es hieß, dass alle jungen katalanischen Männer in die Armee müssen. Juan wollte nicht. Er und seine Freunde kämpften hoffnungslos dagegen und am Ende blieb ihnen nur die Flucht. In jenen Tagen, so berichtete uns Juan später, gab es große Unruhen und viele Menschen verloren ihr Leben. Die Soldaten kamen immer und immer wieder und suchten nach ihm, sie hätten ihn getötet. Die Lage wurde wohl immer schwieriger, denn meine ganze Familie hatte schreckliche Angst, ich konnte es spüren. Dann, eines Nachts, weckte uns mein Papa. Meine Mutter hatte Speisevorräte und für jeden ein Bündel gepackt. Großmama und Großpapa weinten, sie umarmten uns lange und fest und dann gaben sie uns Geld und wir gingen in die Berge, ohne sie. Dort trafen wir Juan wieder und eine Gruppe von Schmugglern. Wir ritten bei Nacht und versteckten uns bei Tag und während der endlosen Auf und Abstiege, erzählte uns mein Bruder von einem Land, namens Amerika, in dem man frei sein würde. Indem es gute Kleidung und Essen im Überfluss geben sollte, vor allem keinen Hass und keine Angst. Er sagte, dass wir auf dem Weg dorthin seien und da erst begriff ich, was geschehen war. Wir ließen alles zurück, Großmama und Großpapa, meinen geliebten Hund Bebbo, mein zu Hause. Damals ahnte ich noch nicht, welches Schicksal uns alle erwarten würde.“

Maria hielt für einen kurzen Moment inne, dann fuhr sie fort.

„Die Hilfe der Schmuggler endete nach unzähligen Nächten an einer Eisenbahnstation. Von da aus setzten wir unsere Reise in einem Viehwagon fort. Nach endloser Fahrt, kamen wir in einem großen Hafen an, wo man uns bereits erwartete. Es war unglaublich. Wir bekamen Papiere und Papa gab den Männern fast unser gesamtes Geld dafür. Tausende von Menschen warteten auf die Überfahrt nach Amerika. Nach zwei Tagen bereitete man uns endlich vor. Wir wurden entlaust, gebadet und bekamen Proviant. Anschließend gingen wir an Bord eines großen Schiffes. Ich hatte noch nie zuvor ein so großes Schiff gesehen oder gar so verschiedene Menschen. Die Männer des Schiffes verfrachteten uns in das zweite untere Zwischendeck, es war grauenhaft. Alle waren dicht gedrängt, es war nass und kalt. Überall roch es nach Übergebenem, nach Urin und Kot und die Ratten liefen im gesamten Zwischendeck herum. Frauen, die schwanger waren, hatten Angst ihr Baby zu gebären. Viele Menschen wurden krank und in eine Ecke gelegt, damit sich keiner ansteckte. Einige von ihnen starben. Schließlich, nach fast zwei Wochen kamen wir im Hafen von New York City an. Das erste, was wir sahen, war die große Statue der Freiheit. Ein Mann las uns die Inschrift vor: „Gebt mir eure Müden, eure Armen, eure zusammengepferchten Massen, die sich danach sehnen, frei zu atmen.“ Wir waren überglücklich, endlich frei zu sein. Alle umarmten sich, tanzten und sangen. Doch leider hatten wir uns getäuscht. Der Weg in die Freiheit war noch sehr weit. Im Hafen trieb man uns auf kleine Boote, die uns geradewegs nach Ellis Island brachten. Sie wissen ja, die Insel der Tränen im Upper Bay, Tränen der Freude und Tränen des Leids. Auf der Insel bekam jeder eine Nummer. Keiner von uns verstand die Sprache und das machte es uns sehr schwer zu begreifen, was dann mit uns geschah. Ärzte teilten uns in Gruppen auf. Mein Bruder und mein Vater wurden von uns getrennt. Sie untersuchten meine Schwester, meine Mutter und mich von Kopf bis Fuß. Sie untersuchten alles, was es mit einfachen Mitteln zu untersuchen gab. Viele Frauen, besonders diejenigen, die verschleiert waren, fühlten sich peinlich berührt. Sie prüften Gesichtszustand, Haare und Hände, die Atemtätigkeit und das Herz. Aber was sollten sie schon nach Wochen der Flucht erwarten. Einige Frauen wurden mit Kreide markiert, es waren verschiedene Buchstaben. Ich glaube sie bezeichneten die jeweilige Krankheit. Später hörten wir sie weinen. Ich habe keine von ihnen die Insel verlassen sehen. Nach all den Untersuchungen begleitete man uns dann zu einer Tür mit der Aufschrift Push to New York City. Hinter dieser Tür war sie dann endlich, die Freiheit. Wir hatten es geschafft, zumindest glaubte ich das in diesem Augenblick. Später suchten wir Juan, es war ein furchtbares Durcheinander. Kinder schrieen, Frauen weinten oder tanzten vor Freude. Manche Männer schlugen wütend um sich oder fielen sich voller Freude in die Arme. Nach etwa zwei Stunden fanden wir meinen Bruder. Er saß in einer Ecke und weinte. Papa war nicht mehr bei ihm. Juan sagte uns, dass man ihm ein Kreidezeichen gab und wegbrachte. Wir sahen Papa nicht wieder. Mama brach zusammen und so sehr wir uns auch um sie bemühten, sie wollte nicht mehr. Juan versuchte herauszufinden, was mit Papa geschehen war, doch keiner verstand ihn. Eine spanische Missionsschwester wurde auf uns aufmerksam und nahm sich unser an. Wir waren sehr froh, einen Menschen, der unsere Sprache sprach, getroffen zu haben. Sie machte uns Hoffnung und führte uns durch die Straßen von New York City, vorbei an den Straßenbahnen, Autos und Märkten mit Unmengen von Lebensmitteln. Es war überwältigend, aber gleichzeitig auch fremd und erschreckend groß. Die Missionsschwester führte uns geradewegs in das spanische Viertel nach East Harlem, wo wir auch blieben. Mein Bruder Juan hatte großes Glück, er fand bald Arbeit im Hafen. Meine Schwester Elena, sie war sehr gewitzt und sehr klug, bekam einen Monat später Arbeit in einer Hemdenfabrik, die wenig später nieder brannte. Unzählbar viele Frauen, kaum älter als dreiundzwanzig und einige sogar erst dreizehn Jahre alt, schufteten in dieser Fabrik. Eines Tages brach im neunten Stock ein Feuer aus. Und da die Fabrikbesitzer Monate vor diesem Tag alle Türen zu den Feuerleitern fest verschlossen hatten, damit die Arbeiterinnen keine Pause an der frischen Luft machen konnten, verbrannten alle Mädchen und Frauen, die an diesem Tag in der großen Halle arbeiteten. Meine Schwester Elena war unter ihnen.“

Marias Hände verkrampften sich, der Schmerz über den Verlust ihrer Schwester war ihr noch immer ins Gesicht geschrieben. Elisabeth und George waren wie gelähmt, sie wussten nicht, was sie sagen sollten. Maria entspannte ihre Hände und sprach weiter.

„Mein Bruder, Juan, verließ uns noch in derselben Nacht. Ich denke, er gab sich die Schuld an allem, was passierte. Wir sahen auch ihn bis heute nicht wieder und ich bete dafür, dass es ihm gut geht. Seit dieser Zeit spricht Mama nur noch sehr wenig, ich glaube sie hofft, dass Papa eines Tages kommen wird, um sie zu holen. Sie lebt in ihren Träumen in Spanien. Oft hat sie ein seltsames Lächeln im Gesicht und ich möchte ihr diese Hoffnung einfach nicht nehmen, auch wenn ich weiß, dass es unmöglich ist. Nachdem Elena tot war und Juan uns verlassen hatte, musste ich für das tägliche Brot sorgen. Erneut half mir die spanische Missionsschwester. Sie bot mir Arbeit als Küchenhilfe bei Henrie und Ordilla Miller in Greenwich Village an. Dort arbeitete ich etwa drei Jahre lang, bis eines der Zimmermädchen kündigte und ich in die obere Etage wechselte. Ich überlebte sie alle, eine nach der anderen ging fort. Sie heirateten oder arbeiteten in anderen Häusern weiter. Schließlich war ich diejenige, die am längsten im Hause war und man übertrug mir die Leitung der neuen Zimmermädchen. Während der Zeit im Hause Miller, verliebte ich mich in den zweiten Diener und wir heirateten schon bald. Ein Jahr später brachte ich meine Tochter Elena zur Welt, das kleine Mädchen, das sie trafen. Ich nannte sie nach meiner Schwester. Ich arbeitete bis zum Börsenkrach, doch danach waren auch die Millers bankrott und ich verlor meine Arbeit. Mein Ehemann ging auf eines dieser großen Reiseschiffe und kam nicht zurück. Seitdem suche ich neue Arbeit. Ich wusste nicht, ob ich ihrem Zettel glauben schenken konnte oder ob es nur eine Laune des Schicksals war.“

Maria hielt den Atem an. Fragend schaute sie von Elisabeth zu George, die immer noch nicht glauben konnten, was sie da hörten.

„Maria, das alles ist so schrecklich! Ich kann es gar nicht glauben! Es tut uns sehr Leid für ihre Familie und wahrscheinlich können wir niemals nachempfinden, was sie durchlebten. Doch jetzt sind sie hier und ich freue mich, dass sie gekommen sind. Ich möchte, dass sie für uns arbeiten. Wir können sie in unserem Haus sehr gut gebrauchen!“

Elisabeth nahm Georges Hand und wartete auf seine Zustimmung.

„Also gut! Sie können morgen früh acht Uhr mit der Arbeit beginnen.“

Elisabeth sah ihren Mann an und dankte ihm mit einem Lächeln.

„Señora Price! Señor Price! Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin überglücklich und ich verspreche ihnen, dass sie es nicht bereuen werden!“

Maria nahm ihr Kopftuch und wischte sich damit ihre Tränen ab.

Die Wiege der Damaszener

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