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6. Die ‚Schnur der tausend Wunder‘
ОглавлениеDer Perser war nicht der Letzte, der sich unserer Karawane anschloss. Da Lindsay von jetzt an den Dumbeli-Kurden nicht mehr brauchte, wollte dieser zu seinem Stamm zurückkehren. Aber unsere Gesellschaft schien es ihm angetan zu haben. Er fühlte sich bei uns so sicher wie „im Schoß des Propheten“, und man konnte es ihm nicht übelnehmen, wenn er diesen Schutz so lange als möglich genießen wollte. Er bat um die Erlaubnis, uns bis jenseits der Grenze begleiten zu dürfen. Von dort, vom Urmia-See aus, sei es für ihn am leichtesten und ungefährlichsten, seinen Stamm zu erreichen.
Ich war nicht so hart, nein zu sagen, da es sich ja nur um wenige Tage handelte. So war denn unsere Karawane auf sieben Reiter und neun Pferde angewachsen, die Packtiere des Engländers und des Persers eingerechnet. Zwar hätte ich es lieber gesehen, wenn unser Trupp kleiner gewesen wäre, weil er dann mehr Aussicht gehabt hätte, unentdeckt zu bleiben. Aber das war nun nicht mehr zu ändern. Andererseits bietet eine größere Anzahl auch ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit, wenn diese in unserem Fall auch ziemlich fragwürdiger Natur war. Der Engländer besaß entschieden hohen, persönlichen Mut, aber die Erfahrung hatte mich gelehrt, mich nicht allzu sehr auf ihn zu verlassen, weil seine Tapferkeit die leidige Eigenschaft besaß, dass sie sich manchmal gegen ihn und uns kehrte anstatt gegen die Feinde. Und der Perser war ein noch unbeschriebenes Blatt für mich. Seine Waffen waren zwar gut, aber er hatte mir noch nicht den Beweis geliefert, dass er sie auch zu gebrauchen verstand.
Es war für uns nun höchste Zeit aufzubrechen. Da die Möglichkeit bestand, dass die Deri doch eher zur Verfolgung der Räuber aufgebrochen waren, als Demal Khan meinte, so waren sie uns vielleicht viel näher, als uns lieb sein konnte. Ich schickte daher Omar und Dojan eine Strecke voraus, um nach den Verfolgern Ausschau zu halten. Sobald er ihr Nahen bemerkte, sollte er unverzüglich zurückkehren. Wir hatten dann genügend Zeit, um uns zwischen die Bäume zurückzuziehen, mit denen die Hänge des Tals dicht bewachsen waren.
Omar setzte sich, gefolgt von Dojan, in Galopp. Wir anderen folgten ihm in langsamem Trab. Ich ritt mit Kara Ben Halef voraus, dann kam der Engländer mit Halef und hinter diesen beiden der Dumbeli. Den Schluss bildete der Perser.
Diese Ordnung änderte sich im Lauf des Tages nicht. Halef hatte nur Augen und Ohren für den Engländer, dem er doch alles zu erzählen hatte, was sich seit unserem letzten Beisammensein ereignet hatte, war also für uns nicht zu sprechen. Der Dumbeli-Kurde wagte es überhaupt nicht, an einen von uns das Wort zu richten. Und der Perser schien sich absichtlich abseits zu halten. Vielleicht fürchtete er, es könnten neugierige Fragen an ihn gerichtet werden, und suchte dieser Möglichkeit durch ein unnahbares Schweigen vorzubeugen.
Nun, vor mir wenigstens war er sicher. Ich hätte auch gar keine Zeit gehabt, mich mit ihm abzugeben, denn ich hatte an anderes zu denken. Unsere Lebensmittelvorräte gingen zur Neige. Zwar bemerkte ich, dass sowohl Lindsays als auch des Persers Packtier in dieser Hinsicht gut ausgerüstet waren, aber es widerstrebte mir, mich bei anderen einzuladen, solange es noch andere Möglichkeiten gab. Ich hielt daher fleißig nach einem jagdbaren Tier Ausschau und es gelang mir denn auch noch im Lauf des Vormittags, ein junges Wildschwein zu schießen. Nachdem es ausgenommen worden war, wurde es auf das Pferd des Dumbeli-Kurden gepackt, das am wenigsten zu tragen hatte, und der Ritt wurde fortgesetzt.
Um die Mittagszeit erreichten wir die Stelle, wo unser Bach sich in ein anderes von Osten nach Westen strömendes Gewässer ergoss. Hier erwartete uns Omar Ben Sadek. Es war ihm kein einziges menschliches Lebewesen vor die Augen gekommen.
Wir hatten dem neuen Wasserlauf in der Richtung nach Osten zu folgen. Da das nördliche Ufer ein günstigeres Gelände aufwies, gingen wir an einer geeigneten Stelle über den Bach und bogen dann nach Osten ab. Omar musste wieder, gefolgt vom Hund, in gehöriger Entfernung vorausreiten, denn eine Begegnung mit den Deri schien immer noch nicht ganz ausgeschlossen. Wenn ihm nicht vorher etwas Verdächtiges unterkam, sollte er nach Verlauf von vier Stunden wieder zu uns stoßen.
Diese Zeit verging, ohne dass wir irgendwelche Begegnungen zu verzeichnen gehabt hätten. Demal Khan hatte also mit seiner Behauptung Recht gehabt, dass die Gegend, durch die wir kommen würden, unbewohnt sei. Wir waren seit Mittag soweit nach Osten vorgedrungen, dass wir annehmen durften, der Schar, die sicher zur Verfolgung der Schirwani ausgeschickt worden war, ausgewichen zu sein. Wir konnten uns also ziemlich sicher fühlen, denn ein Zusammentreffen mit nur wenigen brauchte uns keine Sorge zu machen.
Omar Ben Sadek erwartete uns an einer Stelle, die sich vortrefflich zum Lagern eignete. Zwar war es noch früh am Tag, aber wir hatten seit dem Morgen eine tüchtige Strecke hinter uns gebracht und mussten unsere Tiere schonen. Halef machte sich sofort mit Liebe und Hingebung an die Zubereitung der Mahlzeit. Unsere Jagdbeute wurde nur zur einen Hälfte gebraten, die andere dagegen für morgen zurückgelegt, und ich kann sagen, dass von allen dem saftigen Braten Ehre erwiesen wurde.
An der nun folgenden Unterhaltung, die auf Arabisch geführt wurde, beteiligten sich alle, sogar der Perser. Er schien allmählich in unserer Gesellschaft aufzutauen, und wenn er dabei auch seine Verhältnisse und das Ziel seiner Reise geschickt zu verbergen verstand, so merkte ich doch, dass wir es mit einem Mann von nicht gewöhnlicher Bildung zu tun hatten. Auch meinem Halef schien er von Minute zu Minute besser zu gefallen, und er hatte nach seiner Meinung, die mir der Kleine am nächsten Morgen, als wir eine Weile allein waren, mitteilte, nur den einen Fehler, dass er unbegreiflicherweise von uns und unseren Heldentaten noch kein Sterbenswörtchen erfahren hatte. Dann und wann kam es mir während des Gesprächs vor, als ob seine dunklen Augen mit einem sinnenden Blick auf mir ruhten, aber sobald mein Auge dem seinigen begegnete, wandte er sich ab.
Als wir uns schließlich zur Ruhe niederlegten, taten wir dies, ohne die Wachen für die Nacht zu bestimmen. Wir konnten uns auf Dojan verlassen, der uns die Annäherung eines Menschen sicher verraten hätte.
Der nächste Tag brachte eine Überraschung, die ich in diesem abgelegenen Erdenwinkel nicht für möglich gehalten hätte.
Wir näherten uns heute der persischen Grenze. Der Ispiraisi Dagh lag zu unserer Rechten und vor uns strebten eine Reihe weniger steile Höhen empor, über deren Kamm die Grenze verlief, wenn ich meiner Karte glauben durfte. Unser Tal führte uns in stetiger, aber fast müheloser Steigung langsam in die Höhe. Einmal während des Vormittags bemerkten wir auf dem anderen Bachufer ein paar schwarze Kurdenzelte, aber es gelang uns, unbeachtet daran vorbeizukommen. Das war auf Stunden das einzige Anzeichen menschlicher Nähe.
Später bog das Tal, dem wir folgten, nach Nordosten ab. Die Höhen traten näher heran und sandten mehrere Bäche zu Tal, die allerdings zu dieser Jahreszeit wenig Wasser führten. Wir folgten dem Hauptbach zwei Stunden. Nach dieser Zeit näherten sich die beiderseitigen Höhen immer noch mehr und bildeten einen Taleinschnitt, dessen Sohle von jetzt an eine stärkere Steigung aufwies.
Wir hatten eben eine Krümmung des Tals hinter uns gebracht, die uns den Anblick nach vorne nahm, da zügelten wir überrascht unsere Tiere. Einige hundert Schritte vor uns tauchte ein Haus auf, ein wirkliches, aus Steinen erbautes Haus, dem freilich jeder Verputz fehlte. Es lag an der Mündung einer Schlucht, die hinter dem Gebäude steil in den Berg eingeschnitten war, und füllte beinahe die ganze Lücke aus, eben noch Raum gewährend für einen starken Wasserstrahl, der sich rauschend talwärts ergoss.
Offenbar hatten wir hier die Quelle des Gewässers vor uns, dem wir seit gestern Mittag gefolgt waren. Das eigentliche Talende war aber nicht hier zu suchen, sondern weiter aufwärts, wie ich mit Befriedigung feststellte, denn die Schlucht, aus der das Wasser hervorbrach, war höchstens für einen Kletterer gangbar.
Beim Weiterreiten erblickten wir hinter dem Gemäuer ein Mühlrad. Wir hatten es also nicht mit der Behausung eines Berghirten oder eines Jägers zu tun, sondern mit einer Mühle. Denn eine Mühle musste es sein, wenn auch das Mühlrad stillstand.
Eine Mühle hier in dieser menschenarmen Gegend! Merkwürdig! Welcher weltfremde Träumer mochte auf den vertrauensseligen Gedanken gekommen sein, sich hier die Burg seines Glücks zu bauen? Oder war es vielleicht ein Menschenfeind, der sich in die Einsamkeit zurückgezogen hatte und zum Zeitvertreib, und wenn es ihm gerade gefiel, ein wenig Müller spielte? Und stand das Rad zufällig nur heute still oder hatte die Mühle längst die Zwecklosigkeit ihres Daseins eingesehen und sich zur Ruhe gesetzt? Vielleicht war sie sogar unbewohnt und ihr früherer Besitzer war dem Stern seines Glücks anderswohin gefolgt.
Es zeigte sich sogleich, dass das Letztere nicht der Fall war, denn in diesem Augenblick stürmten zwei riesige Köter mit wütendem Gekläff hinter dem Haus hervor auf uns los. Dieser Begrüßung nach zu schließen, musste der Herr der Mühle eine etwas rauborstige Gemütsart besitzen. Jetzt traten, durch den Lärm der Hunde herbeigerufen, zwei wildblickende, kräftig gebaute Burschen vor die Tür. Auf einen Pfiff des einen ließen die beiden Köter, wenn auch widerstrebend, von Dojan ab, über den sie sich hergemacht hatten, ohne dass ihnen dieser besondere Achtung geschenkt hätte.
Wir waren unterdessen vor dem Gebäude angekommen und konnten es genau betrachten. Es zeigte eine aus starken Bohlen gezimmerte Tür, während die Fenster nur schmale, schießschartenähnliche Öffnungen waren. Das Ganze machte aus der Nähe gesehen fast den Eindruck einer kleinen Festung.
„Wer seid ihr und was sucht ihr hier?“, begann der eine, der den Pfiff ausgestoßen hatte, ohne zu warten, bis er von uns angesprochen wurde.
„Wir sind friedliche Reisende und wollen über die Grenze hinüber.“
„Wer hat euch erlaubt, dieses Gebiet zu betreten?“
„Der Padischah, wenn du nichts dagegen hast.“
„Seine Erlaubnis gilt hier so gut wie nichts. Hier sind die tapferen Kurden vom Stamm der Deri die Herren. An sie und ihren Scheik habt ihr euch zu wenden, wenn ihr durch ihr Gebiet reisen wollt.“
„Verzeih, o erlauchter Besitzer dieses Palastes, wir sind keinem einzigen begegnet.“
„Das tut nichts. Ihr könnt die Abgabe auch an uns bezahlen.“
„Wie hoch ist sie?“
„Für jeden Mann hundert Piaster, also im Ganzen siebenhundert.“
Siebenhundert Piaster sind nach deutschem Geld ungefähr hundertsechsundzwanzig Mark.44
„Das ist sehr billig. Ich hatte eine größere Forderung erwartet.“
Der Mann nahm meine vermeintliche Willfährigkeit als bare Münze. Er warf einen begehrlichen Blick auf unsere Tiere und meinte dann:
„Ja, man merkt es euren Pferden an, dass ihr sehr reich seid. Also heraus mit dem Geld!“
„Erlaube mir vorher eine Frage! Bist du vielleicht selber der berühmte Scheik der tapferen Deri?“
„Nein.“
„Dann muss ich dir zu meinem größten Bedauern mitteilen, dass ich die Abgabe nicht an euch bezahlen werde.“
„Ni – i – icht?“, dehnte der Kurde verblüfft.
„Nein. Deine weise Einsicht muss dir doch schon längst gesagt haben, dass ich nur scherzte.“
„Ich verbitte mir einen solchen Scherz“, fuhr der andere auf. „Wenn ihr nicht freiwillig zahlt, so werde ich euch dazu zwingen.“
„Wie wolltest du das anfangen?“
„Ich lasse euch einfach nicht fort. Wir haben Waffen und außerdem hetze ich die Hunde auf euch.“
„Eure Waffen und Hunde fürchten wir nicht. – – Halt, du bleibst hier!“, herrschte ich seinen Begleiter an, der sich in der Richtung an der Tür fortschleichen wollte, vermutlich, um hinter den dicken Mauern sichere Deckung zu suchen.
Gleichzeitig zog ich beide Revolver und richtete sie auf die Kurden. Der eine gab sein Vorhaben, durch die Tür zu verschwinden, auf, und sein Gefährte, der bisher das Wort geführt hatte, wich vor der drohenden Waffe unwillkürlich einen Schritt zurück.
Halef rutschte unruhig im Sattel seines Barkh hin und her und ich bemerkte, wie seine Hand nach der Peitsche zuckte. Er hielt sich aber noch zurück, weil er meinen warnenden Blick auffing.
Der Wortführer schien einzusehen, dass mit uns nicht gut Kirschen essen sei, und lenkte ein.
„So gib uns wenigstens die Hälfte der Summe!“, setzte er seine erste Forderung herab.
„Nein.“
„Auch nicht zweihundert Piaster? Hundert für mich und hundert für meinen Gefährten?“
„Hm! Deine Sägemühle scheint nicht besonders einträglich zu sein, weil du zu solchen Mitteln deine Zuflucht nimmst. Findest du so wenig Absatz für deine Bretter?“
Sofort war der Kurde wieder auf der Höhe. „Was geht dich meine Mühle an? Wir haben so viel, als wir brauchen. Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten!“
„Wir werden deinen weisen Rat befolgen und also sofort weiterreiten.“
„Und die zweihundert Piaster?“
„Wir zahlen nicht einen einzigen.“
„Allah bestrafe dich für deinen Geiz! – Welchen Weg werdet ihr einschlagen?“
„Gibt es denn noch einen anderen als den über diese Höhe?“
„Nein, nein“, erwiderte er rasch, fast etwas zu rasch, wie es mir vorkam. Dabei bemerkte ich, wie er einen blitzschnellen Blick des Einverständnisses mit seinem Gefährten wechselte.
„So sind wir also fertig miteinander. Ich wünsche dir, dass der ganze Stamm der Deri sich in Zukunft statt der steinernen Häuser lauter solche aus Holz bauen möge. Dann werden die Bretter deiner Mühle reißenden Absatz finden und die Piaster werden sich in deinem Beutel häufen. Chodeh dauleta ta mazen b’ket – Gott vermehre deinen Reichtum!“
Damit wandte ich mein Tier zum Weiterreiten. Der Kurde aber rief, im höchsten Grad erbost: „Und euch möge Allah Unglück über Unglück senden auf eurem Weg! Reitet in die Dschehenna!“
„Und dir lasse Allah Steine wachsen im Bauch, du schmieriger Zersäger von Bäumen und nach Pech stinkender Anfertiger von Brettern, die kein Mensch kauft, weil er sie nicht brauchen kann!“, platzte Halef jetzt los, der es nicht vertragen konnte, dass der Kurde das letzte Wort behalten sollte. „Deine Mühle ist das armseligste Gerümpel, das mir jemals untergekommen ist, und deine Bretter taugen höchstens zur Herstellung von noch armseligeren Särgen für die Leichen deiner Deri, von deren Tapferkeit bis jetzt noch kein Mensch etwas gehört hat. Allah schicke die Bauchfellentzündung und alle Arten von Pest über sie und lasse sie zu Hunderten daran sterben, damit sie die Wohltat kennenlernen, die darin stecken muss, in deine Särge gestopft zu werden. Und wenn dann noch zwei Särge übrig bleiben, dann tue mir den Gefallen und lege dich selber hinein, dich und deinen Genossen hier, der mich anschaut, als hätte er schon jetzt die Pest im Leib. Ihr werdet euch dann fühlen wie im Vorhof des siebten Himmels und Allah preisen, dass er Bäume wachsen ließ, aus denen man Bretter anfertigen und Särge formen kann. Chodeh t’aveschket – Allah erhalte dich!“
Damit ritt er uns lachend nach, während die beiden Kurden uns wütende Flüche nachschickten, die aber bald im Getrappel der Pferdehufe untergingen. Halef hatte seinem Herzen Luft gemacht und dadurch das Gleichgewicht seiner Seele wiedergewonnen. Leider konnte ich nicht so heiter gestimmt sein wie er, denn der Auftritt vorher machte mir Sorge. Die Eile, mit der der Kurde versichert hatte, es gebe keinen anderen Weg als den von uns gewählten, und der Blick, den er dabei auf seinen Gefährten geworfen hatte, waren auffällig. Sie ließen fast die Vermutung aufkommen, als habe er den dringenden Wunsch, dass wir gerade diesen Weg und keinen anderen einschlagen möchten, und dass uns auf diesem Weg eine Gefahr drohe. Aber welche? Und bestand diese immer und für jeden des Wegs Daherkommenden oder nur in unserem Fall? Das Letztere ließ sich freilich nur dann annehmen, wenn es einem der beiden gelang, vor uns über den Pass zu kommen und gewissen Leuten auf der anderen Seite unser Kommen zu melden.
Noch etwas ließ mir keine Ruhe, nämlich die Mühle. Es war doch ein mehr als sonderbarer Gedanke, eine solche in dieser dünn bevölkerten Gebirgsgegend zu bauen. Oder handelte es sich vielleicht gar nicht um die Ausübung des ehrbaren Sägmüllerhandwerks, sondern um etwas anderes? Ich dachte dabei unwillkürlich an den Schmuggel, der von den Deri in großem Maßstab betrieben werden sollte. Da konnte es leicht sein, dass die Mühle ganz einfach den Deckmantel hergeben musste für gewisse Vorgänge, die das Licht des Tages zu scheuen hatten. Die beiden Kurden hatten überhaupt keinen guten Eindruck gemacht. Wenn sie nach Deutschland gekommen wären, hätten sie jedem Maler Bild stehen können für einen Rinaldo Rinaldini. Und wenn ich sie einer schlimmen Handlung für fähig hielt, so wäre der Schmuggel noch das Harmloseste gewesen.
Aber was gingen mich schließlich die zollamtlichen Beziehungen zwischen der Türkei und dem Reiche des silbernen Löwen an? Ich fühlte mich nicht berufen, mich in Dinge einzumischen, die fernab meiner eigentlichen Aufgabe lagen. Solange mich die Schmuggler in Ruhe ließen, bestand für mich keine Veranlassung, mich um ihre Angelegenheiten zu kümmern.
So ritt ich, in Gedanken verloren, stumm dahin und gab dabei nicht sonderlich auf den Weg zu unseren Füßen Acht. Der Sattel, nach dem wir emporritten, war nicht mehr weit entfernt und der Baumbestand zu beiden Seiten der Talsohle wurde immer spärlicher.
Ich wurde aus meinem Sinnen durch Kara aufgeschreckt, der hinter mir ritt.
„Sihdi, ist das nicht eine Spur?“
Ich zügelte mein Tier und sah mir die von Kara bezeichnete Stelle näher an. Ja, richtig, das war nicht bloß eine Spur, das war schon beinahe ein Pfad, der öfters begangen wurde. Freilich konnte nur ein geübtes Auge darauf aufmerksam werden, und es freute mich, dass es gerade Kara, mein Schüler, war, der diese Beobachtung gemacht hatte.
Die Spuren wiesen seitwärts zwischen die Bäume hinein und mussten, wenn sie ihre anfängliche Richtung beibehielten, nach dem oberen Teil der steilen Schlucht führen, an deren unterem Ausgang die Mühle lag. Was sollte das bedeuten? Und was war in der Schlucht, die mir als völlig ungangbar erschienen war, zu finden? Wollten die Leute die Mühle aufsuchen, so hatten sie es viel bequemer, wenn sie einfach auf dem Weg talabwärts gingen, auf dem wir heraufgekommen waren. Dann stießen sie geradewegs auf die Mühle.
Ich hätte der Spur sicher keine Beachtung geschenkt, wenn mir das Verhalten der Mühlenbewohner nicht verdächtig vorgekommen wäre. Zwar konnte ich mir keinen Zusammenhang denken, der zwischen diesem Höhenweg und etwaigen Racheplänen dieser Menschen bestanden haben konnte, aber das Misstrauen war einmal da und nicht mehr zum Schweigen zu bringen.
Ich blickte talabwärts. Fast der ganze Weg, den wir von der Mühle an bis zu dieser Stelle zurückgelegt hatten, lag offen vor unseren Augen und es zeigte sich keine lebende Seele. Das war aber kein Beweis, dass uns die Kurden nicht folgten, denn wenn sie es wirklich im Sinn hatten, war anzunehmen, dass sie das im Schutz der Bäume tun würden, von denen das Tal eingesäumt war.
Ich entschied mich rasch. Selbst auf die Gefahr hin, den beiden rachsüchtigen Gesellen auf diesem Höhenweg zu begegnen, musste die Sache gewagt werden. Sie ließ mir keine Ruhe.
„Kara, nimm meinen Assil und deines Vaters Barkh in Verwahrung und warte hier an dieser Stelle auf uns! Du, Omar, reite mit den anderen langsam voran bis zur Höhe des Sattels und behalte von dort aus die Gegend nach vorne und rückwärts im Auge! Und du, Halef, gehst mit mir!“
Ohne eine Antwort abzuwarten, stieg ich vom Pferd. Halef folgte sofort meinem Beispiel und reichte seinem Sohn die Zügel seines Pferdes. Dann schritten wir so schnell, als es uns der holprige Weg erlaubte, den Spuren nach.
Es zeigte sich, dass ich mit meiner Vermutung, der Höhenweg führe nach dem oberen Teil der Schlucht, Recht gehabt hatte. Von einigen wenigen Unregelmäßigkeiten abgesehen, die durch das unebene Gelände bedingt waren, führte der Pfad die Tallehne entlang geradewegs nach der bezeichneten Richtung.
Allmählich, als wir uns der Gegend näherten, wo wir die Schlucht zu suchen hatten, wurde das Gelände steiniger. Große Felsbrocken lagen über den Hang hin verstreut und behinderten das Vorwärtskommen. Aber das schadete nichts, solange der Pfad so deutlich erkennbar blieb wie bisher.
Endlich standen wir am Rand der Schlucht, der aussah, als ob eine dämonische Kraft einen tiefen Messerschnitt von oben bis unten in den Berg hinein gemacht hätte. Dieser Schnitt musste freilich von einem ziemlich schartigen Messer vorgenommen worden sein, denn es gab genug Kanten und Felsvorsprünge, die aus der Schlucht herausund in diese hineinragten. Unten sprang rauschend und schäumend ein Bach zu Tal, derselbe, den wir bei der Mühle gesehen hatten.
Die Spur, der wir gefolgt waren, verlief zu unserer Überraschung deutlich erkennbar nicht am Rand der Schlucht entlang, sondern geradewegs in diese hinunter. Das war mehr als seltsam. Was mochten die Leute, die hier gegangen waren, dort unten gesucht haben? Nun, wir würden es ja hoffentlich erfahren. Nachdem wir so weit gegangen waren, wollten wir auch auf den Grund der Sache dringen.
Halef, der Eifrige, war natürlich voraus, indem er sich von Absatz zu Absatz hinunterschwang. Ich rief ihm eben ein lautes „Halef! Vorsicht!“ zu, doch, es war schon zu spät. Sein Fuß musste an einer Wurzel hängengeblieben sein, denn er strauchelte und wäre sicher abgestürzt, wenn er sich nicht noch im letzten Augenblick mit den Fingern im Erdreich festgekrallt hätte. Dann bemerkte ich, wie er sich langsam aufrichtete und den Gegenstand in Augenschein nahm, an dem sein Fuß hängengeblieben war.
„Sihdi, eine Kitân, eine Schnur!“, rief er erstaunt.
„Du wirst dich täuschen. Es wird wohl nur die Wurzel eines Strauchs sein, die dich zu Fall gebracht hat.“
„Nein, ich täusche mich nicht. Es ist wirklich eine Schnur.“
„Das wäre doch sonderbar. Warte, ich werde gleich hinunterkommen.“
Ich glitt die wenigen Schritte zu ihm hinunter und blickte dann in ungläubigem Erstaunen auf das längliche Etwas, das er zwischen den Fingern hielt.
Ja, wo befand ich mich denn? War ich wirklich im wildesten Kurdistan oder nicht vielmehr im lieben Deutschland, wo das, was ich hier vor mir sah, zwar schon bekannt war, aber doch erst anfing, Gemeingut aller zu werden. Denn was Halef in der Hand hielt, war – ein elektrischer Draht, der lose durch die Schlucht gelegt war. Und das Ganze stellte, das erkannte ich auf den ersten Blick, nichts anderes als eine Fernsprechanlage dar, allerdings in der einfachsten Form.
Ein Telefon in Kurdistan!
Solche Dinge mochten zwar vereinzelt vielleicht schon damals in Teheran und Isfahan zu finden sein. Aber von der Hauptstadt bis in die Berge von Kurdistan ist es ein weiter Weg. Und das ist nicht nur örtlich, sondern vielmehr noch geistig gemeint. Wenn ich erst nach hundert Jahren in dieses Land gekommen wäre und es im Besitz dieses Geräts gefunden hätte, dann hätte ich mich vielleicht nicht gewundert. Aber jetzt!
Ich war keinen Augenblick im Zweifel, dass es sich hier um eine Verbindung handelte, die die Schmuggler unter sich angelegt hatten. Wahrscheinlich war sie nicht einmal die einzige. Ich stellte mir vor, dass im Gebiet der Deri entlang der Grenze mehrere solche geheime Verbindungen bestanden. Das war ja wohl auch mit der Grund, warum der Schmuggel gerade bei ihnen in solcher Blüte stand.
Natürlich hatte ich in der Schluchtmühle die eine Erdstelle einer solchen Verbindung zu suchen. Wo aber und wie weit entfernt war die andere? Wenn ich an das verdächtige Benehmen der beiden Männer dachte, so ging ich in der Annahme wohl nicht fehl, dass die Empfangsstelle auf unserem Weg lag oder wenigstens in seiner Nähe. Aber die genaue Entfernung anzugeben, war nicht möglich.
Wer war es gewesen, der auf den klugen Gedanken gekommen war, die neue Erfindung für sich auszunutzen? Natürlich der Anführer der Schmuggler. Aber welche Persönlichkeit verbarg sich unter diesem Titel? Ein Kurde wohl kaum. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dieser Gedanke im Gehirn eines Kurden entstanden sein könne. Eher noch ein gewandter Türke oder ein findiger Perser. Doch das war schließlich Nebensache. Wichtiger für uns war, und das war mir sofort klar geworden, dass dieser elektrische Draht für uns eine Gefahr bedeutete.
Die beiden Kurden hatten uns für sehr reich gehalten. Das mochte zwar bei Lindsay zutreffen. Aber auch unsere Rassenpferde stellten ein Vermögen dar, und um dieses in die Hände zu bekommen, hatte es schon manch einer nicht nur auf einen gewöhnlichen Raub, sondern auf unser Leben abgesehen. Ich nahm als ganz sicher an, dass die Kunde von unserem Kommen, zusammen mit unserem Steckbrief, sogleich nach unserem Aufbruch auf dem elektrischen Draht über die Grenze geschickt worden war. Und wie ich die Kurden kannte, würden sie keinen Augenblick zögern, uns irgendwo einen Hinterhalt zu legen, um uns von der Sorge um unseren Besitz zu befreien.
Diese Erwägungen waren mir durch den Kopf gezogen, als ich wie entgeistert auf den Fund starrte, den Halef gemacht hatte.
„Siehst du nun, Sihdi, dass es doch eine Schnur ist?“, bemerkte dieser.
„Du irrst, Halef. Dieses Ding sieht zwar wie eine Schnur aus, ist aber in Wirklichkeit ein Kupferdraht.“
„Bist du auf einmal blind geworden? Oder meinst du, dass ich den Unterschied zwischen einer Kitân und einem Schirît nuhâs45 nicht kenne?“
Ich gab keine Antwort, sondern nahm mein Messer und schabte die wirklich vorzüglich gearbeitete Abdichtung an einer Stelle weg. Sofort kam das blanke Metall zum Vorschein.
„Was ist das, Halef?“
„Maschallâh! Es geschehen Zeichen und Wunder! Ich hätte auf meine Seele und auf meine Seligkeit schwören mögen, dass hier jemand aus irgendeinem Grund eine Schnur gespannt hat.“
„So hättest du, wie du siehst, falsch geschworen.“
„Aber zu welchem Zweck ist diese Schnur, die gar keine richtige Schnur ist, hier gelegt worden? Etwa, damit irgendein Wild daran hängen bleiben soll?“
„Du hast es erraten“, erwiderte ich ernst. „Es soll wirklich ein kostbares Wild damit gefangen werden.“
„Du sagst das in einem eigenen Ton. Was meinst du damit?“
„Wir selber sind es, die man damit fangen will.“
„Ma fhimtak – ich verstehe dich nicht.“
„Das glaube ich gern. Du wirst mich auch später nicht verstehen, wenn ich dir alles erklärt habe.“
„Seit wann hältst du deinen Halef für so schwach von Verstand? Ich werde dich verstehen.“
„Wollen sehen! Also höre! Mit Hilfe dieser kupfernen Schnur haben gewisse Leute auf der anderen Seite der Grenze die Botschaft erhalten, dass wir auf dem Weg zu ihnen sind.“
„Allâh akbâr – Gott ist groß! Wie soll das möglich sein? Und wer soll die Botschaft gesandt haben?“
„Die beiden Männer in der Mühle. Sie haben ihre Botschaft in diesen Draht hineingesagt, und die Männer, die am anderen Ende des Drahtes horchten, haben sie Wort für Wort vernommen.“
„Hm! Ich kann mir zwar nicht denken, was du mit diesem Hineinsagen meinst, wo ich doch kein Loch sehe. Aber ich kann dir trotzdem beweisen, dass die Länge deines Verstandes diesmal so dünn geworden ist, dass sie fast nicht mehr zu sehen ist. Soll ich?“
„Ich bitte dich darum.“
„Wie weit sind nach deiner Meinung die Leute entfernt, die diese unbegreifliche Botschaft erhalten sollen?“
„Das kann ich nicht sagen. Es ist möglich, dass man mehrere Stunden bis zu ihnen zu reiten hat.“
„Kuwajjis – vortrefflich! Es müssen also Stunden vergehen, bis die Nachricht auf dieser Wunderschnur zu ihnen kommt. Wir sind aber erst vor Kurzem von der Mühle aufgebrochen. Wie könnten da die anderen bereits von uns wissen? Was sagst du nun? Gibst du zu, dass die Breite meines Verstandes die Länge des deinigen vollständig zerquetscht hat?“
„Ich gebe gar nichts zu, sondern sehe nur das eine, dass du mich nicht verstanden hast. Ich behaupte, dass die Nachricht auf diesem Kupferdraht schneller reitet als dein Barkh, schneller als mein Assil, schneller…“
„Schneller als dein Assil, der Sohn des hochedlen Rih, der mit dem Wind um die Wette ritt? Das ist nicht wahr, Sihdi, damit beleidigst du dein braves Tier, das das nicht um dich verdient hat. Schäme dich!“
„Du hast mich unterbrochen, Halef. Ich behaupte noch mehr. Die Botschaft reitet auf dem Wunderdraht noch schneller als die Eisenbahn im Land der Franken, von der ich dir erzählt habe, ja sie reitet…“
„Hör auf, Sihdi, hör auf! Wer kann das glauben!“
„…sie reitet noch schneller als der Blitz. In dem Augenblick nämlich, da ein Wort in das eine Ende des Drahtes gesprochen wird, wird es am anderen Ende auch schon gehört.“
„Allâh, Billâh, Tillâh! Du lügst, Sihdi! Du musst lügen! Aber du lügst wunderschön! Ich bitte dich, fahre fort!“
„So meinst du, dass ich dir nur ein Märchen erzähle?“
„Natürlich! Es kann ja gar nicht anders sein.“
„Zum Erzählen von Märchen ist jetzt keine Zeit. Ich sagte dir schon, dass wir in Gefahr sind. Du kennst mich doch und musst schon aus dem Ton meiner Stimme hören, dass ich im Ernst spreche.“
Halef warf mir einen so verzweifelt unsicheren Blick zu, dass ich das Lachen verbeißen musste.
„Wenn du so redest, muss ich dir fast glauben. Aber erzähle weiter! Geht denn bei der großen Entfernung nichts von der Stärke des Tons verloren?“
„Bei großen Entfernungen allerdings. Aber bei kleinen Entfernungen, sagen wir bis zu zehn Reitstunden, merkt man keine Abschwächung des Tons.“
„Allâh kerîm – Gott ist gnädig! Zehn Reitstunden! Und das nennst du eine kleine Entfernung! – Dann ist es ja genau so, als ob die Sprechenden gar nicht voneinander entfernt wären?“
„Nicht anders.“
„Und sie sprechen miteinander so rasch wie wir, wenn wir beisammen sind?“
„Genau so!“
„Haida fauk il akl – das geht über meinen Verstand!“, seufzte Halef.
„Sprachst du nicht eben noch von der Breite deines Verstandes und dass du mich sehr gut verstehen würdest?“
„Verzeih, Sihdi! Dein Kupferdraht hat sich in so vielen und engen Windungen um meinen armen Kopf gelegt, dass ich fast gar nicht mehr denken kann. Aber sage mir noch das eine: Woher weißt du das alles so genau, was du mir jetzt erzählt hast?“
„Ich kenne diese Einrichtung von Deutschland her, wo sie allgemein bekannt ist.“
„Und du hast mir noch nie etwas von dieser Kitân el alf adschîbi, von dieser Schnur der tausend Wunder, gesagt!“, meinte er vorwurfsvoll.
„Wozu auch! Du hättest mir ja doch nicht geglaubt! Aber schweigen wir jetzt von diesem Gegenstand! Es ist höchste Zeit, zu unseren Gefährten zurückzukehren.“
Ich warf noch einen Blick die Schlucht hinauf und hinab. Sie war so halsbrecherisch steil, dass nur ein guter Kletterer das Wagnis hatte unternehmen können, eine Leitung anzulegen. Wie er das fertiggebracht hatte, war mir ein Rätsel. Nun, der Anführer der Schmuggler verfügte wohl über die nötigen Kräfte, und schließlich waren die Kurden ja von Natur aus gute Bergsteiger. Von meinem Standpunkt sah es aus, als ob die Schlucht an keiner einzigen Stelle betreten werden könne. Vielleicht war der Pfad, auf dem wir hierhergekommen waren, die einzige Möglichkeit, in sie hinabzusteigen.
Auf der Rückkehr war Halef sehr schweigsam. Er schien die neuen Erkenntnisse, die ich ihm erschlossen hatte, nicht so schnell verdauen zu können. Bei Kara angekommen, bestiegen wir, ohne eine Erklärung abzugeben, unsere Tiere und ritten den anderen nach, die wir nach einer halben Stunde auf der Höhe des Sattels einholten.
Es zeigte sich, dass die Höhe, auf der wir hielten, noch nicht die letzte war. Vor uns lag ein langes Tal, das in der Entfernung einer guten Reitstunde nach einem ähnlichen Sattel führte, der allerdings um ein Erkleckliches höher war als der, auf dem wir standen. Ich nahm mein Glas an das Auge und richtete es nach diesem Einschnitt, der offenbar den Weg darstellte, den wir hätten einschlagen sollen, bemerkte indes nicht die Spur eines Menschen. Es war klar, dass die erwarteten Kurden, wenn sie schon da waren, was ich bezweifelte, sich auf oder hinter dem Sattel versteckt hatten, über den wir nach ihrer Ansicht kommen mussten.
Unter den obwaltenden Umständen konnte es mir indes nicht einfallen, diesem ihrem Wunsch entgegenzukommen. Ich suchte mit dem Glas die weiter östlich liegenden Höhen ab und da schien es mir, als ob es nicht unmöglich sei, über sie hinwegzukommen. Freilich würde dieser Weg an Pferde und Reiter keine geringen Anforderungen stellen.
Es war nun an der Zeit, die Gefährten über die Lage aufzuklären. Ich tat dies mit wenigen Worten. Der Engländer war natürlich sofort im Bilde. Der Perser schwieg, aber ich sah ihm an, dass er über unsere Entdeckung gar nicht so erstaunt war, wie ich angenommen hatte. Offenbar war ihm die ‚Schnur der tausend Wunder‘, wie Halef sie getauft hatte, nichts Unbekanntes mehr. Anders freilich verhielten sich Kara und Omar. Das Gehörte überstieg ihre Fassungskraft, und sie wollten gern Näheres wissen. Es war indes jetzt nicht die Zeit, sich darüber zu verbreiten, denn wenn wir noch vor Einbruch der Dämmerung die vor uns liegenden Höhen überwinden wollten, dann hieß es sich sputen. Ich schnitt also alle weiteren Erörterungen ab und wendete mein Pferd zu Tal.