Читать книгу Unendlich funkenhell - Frau Michelle Schrenk - Страница 12

Kapitel 6

Оглавление

»Ich kann es noch gar nicht glauben, dass wir endlich hier sind!«, ruft Jill, als wir das Closer betreten. Eben haben wir noch unsere Jacken abgegeben, da sind wir schon mitten im Geschehen. Die warme Luft vermischt mit Ed Sheerans Song Shape of you, der Bass vibriert. Die Leute stehen schon dicht an dicht, und wir schieben uns an ihnen vorbei.

Das Blumenkleid, das ich trage, steht mir gut. Jill hat es mir mitgebracht, und ich fühle mich darin ziemlich wohl.

»Schon ganz schön voll hier«, stellt Jill fest. »Wird gar nicht so leicht, Nathan zu finden.«

Sie zwinkert mir zu. »Ich würde vorschlagen, wir trinken erst was.« Ohne eine Antwort abzuwarten, greift sie nach meiner Hand, und wir bahnen uns einen Weg zur Bar. »Und, was willst du?« Sie greift nach der Getränkekarte. »Cola? Oder schau mal, was da steht: London Love. Klingt auch gut. Und passt zu diesem Abend.« Sie tippt auf das bunte Papier und grinst mich an. Ich rolle mit den Augen.

»Von ›Love‹ merke ich nichts«, sie lacht. »Komm schon. Ich meine, gegen einen Cocktail ist nichts einzuwenden, oder?«

Jill hat recht, und so lasse ich mich dazu überreden. Es dauert nicht lange, bis der Typ hinter der Bar zwei leuchtend pinkfarbene Cocktails vor uns abstellt. Ganz nach Jills Geschmack.

Jill greift nach ihrem Glas, hebt es hoch und sieht mir in die Augen. »Auf uns und einen schönen, aufregenden Abend.«

Schon im nächsten Moment klirren unsere Gläser aneinander.

»Es war doch gut, herzukommen, oder? Ich meine, die Stimmung ist super«, sagt Jill und nimmt einen ersten Schluck. Ihre Augen weiten sich. »Ich meine, okay, der schmeckt mal süß, aber lecker. Aber etwas fehlt noch zu unserem Glück. Die Jungs.« Kichernd sieht sie sich um. Sicher sucht sie Thomas, und wenn ich ehrlich sein soll, habe ich auch schon nach Nathan und vor allem nach Louis Ausschau gehalten. Ob er vielleicht auch hier ist? Dabei sollte es mir doch egal sein.

Aber bisher habe ich noch keinen der beiden entdeckt, dafür aber ein paar andere Jungs, die am Rand der Tanzfläche stehen und herumgrölen, darunter auch Thomas und Charly.

Ich zupfe an Jills Oberteil. »Du, dahinten steht Thomas mit den anderen Jungs.«

Als sie ihn entdeckt, beginnen ihre Augen zu funkeln. »Gehen wir hin?«

»Meinetwegen.«

Jemand geht an uns vorbei, und kurz habe ich das Gefühl, dass es Louis ist, aber ich habe mich getäuscht. Der Typ sieht ihm nur ähnlich, mehr nicht. Verdammt, Louis verhält sich abweisend und merkwürdig und ich denke dauernd an ihn! Was ist mit mir kaputt?

Jill mustert mich stirnrunzelnd. »Er geht dir nicht aus dem Kopf. Kann das sein?«

»Unsinn. Ich denke nicht an ihn.« Verlegen nehme ich einen Schluck von meinem Cocktail.

»Tust du doch.« Jill beginnt zu grinsen. »Ich habe übrigens etwas über ihn aufgeschnappt. Ganz aktuell.« Sie zieht mich ganz nah zu sich heran. »Du hast mir doch von dem Laden erzählt und Louis’ Tante Sally. Mary wollte sich ja ebenfalls schlaumachen. Also, es ist nichts Konkretes, aber so, wie ich es verstanden habe, sind er und seine Tante Sally aus Brighton hierhergezogen. Der Grund ist Sallys Grandpa, der den Laden nicht mehr führen kann. Es gab wohl irgendeinen schlimmen Vorfall, seit dem er so verwirrt ist. Sally hatte Louis wohl nach dem Tod seiner Mutter, also Sallys Schwester, und seines Vaters vor etwa zwei Jahren bei sich aufgenommen.«

Ich stocke. »Seine Eltern sind beide tot?«

»Ja, beide, Unfall oder so.«

Ich nehme noch einen Schluck. Das ist hart.

»Na ja, Louis ist wohl, als er ganz neu hier war, zufällig an Nathan geraten, und es gab eine unschöne Schlägerei, nach der Louis sogar zu einer kleinen Jugendstrafe verurteilt wurde. Anscheinend wurde das im Schnellverfahren durchgeboxt, keine Ahnung. Wahrscheinlich will Nathans Dad ihn deswegen nicht hier haben.«

Ich muss an Sallys Worte denken, dass Louis eigentlich ein gutes Herz hat. Er hat wohl echt was mitgemacht.

»Schon heftig, oder?«, drängt sich Jill in meine Gedanken. »Dass Louis deswegen sogar eine Strafe bekommen hat. Dann war es nicht nur eine harmlose Prügelei, das kannst du mir aber glauben.«

Ich zucke die Schultern. »Ich denke, das kann man nicht so einfach beurteilen. Wir kennen ja nur die eine Seite der Medaille. Und sagtest du nicht, Nathans Familie hat Einfluss?«

»Na ja, wobei Louis schon wie jemand wirkt, der eher auf Konflikte aus ist, oder?«

»Vielleicht hat er einfach nur viel Mist erlebt. Es ist schwer, wenn man jemanden verliert, den man liebt. Ich weiß, wovon ich rede, ich leide auch immer noch wegen Dad und er hat gleich beide Eltern verloren«, gebe ich zu bedenken.

»Ja, tut mir leid, Amy«, sagt sie bedrückt. »Ich weiß … Vielleicht hast du recht.« Ihr Blick wandert zu Thomas hinüber, der sich gerade mit Lilly unterhält. »Oh Mann, warum muss diese Ziege sich ausgerechnet heute an Thomas ranschmeißen? Und dann noch mit ihren Riesenbrüsten. Das war mein Plan – natürlich ohne die Brüste.« Sie grinst, und ich muss ebenfalls lachen. »Können wir sie nicht irgendwie da weglocken?«

Beschwichtigend streiche ich Jill über den Arm. »Die sucht sich schon noch ein neues Opfer. Du kennst doch Lilly. Und falls Thomas wirklich auf sie steht, dann ist er sowieso ein absoluter Idiot und hat es nicht anders verdient.«

»Du hast recht. Selber schuld.«

Ein Beat dröhnt durch den Raum, der sofort ins Ohr und in die Beine geht. Beschwingt von dem Cocktail will ich nur eins: tanzen. Und Jill scheint es auch so zu gehen. Sie sieht mich an und nimmt den letzten Schluck aus ihrem Glas. »Wahnsinn, was für ein Mix! Trink aus, und dann nichts wie los!«

Kaum habe auch ich mein Glas geleert, greift sie nach meiner Hand und zieht mich auf die Tanzfläche, wo jetzt Hip Hop gespielt wird. »Ich liebe diesen Song«, ruft Jill mir ins Ohr.

Jill lacht ausgelassen, während uns die Klänge der Musik umhüllen und die warme, mit Schweiß getränkte Luft uns einnimmt. Nun bin ich doch froh, hier zu sein. Ich hätte nicht gedacht, dass es mir so leichtfällt, abzuschalten und nur Spaß zu haben. Wie leicht sich alles gerade anfühlt. Einfach mal an nichts denken, nicht an die merkwürdigen Bilder in meinem Kopf, nicht an Louis, nicht an die Zeichnung in seinem Buch oder an was auch immer.

Noch immer lachend zwinkert Jill mir zu, während wir uns im Takt des Beats bewegen. Meine Augen wandern durch die Menge, gleiten über die Köpfe und Gesichter hinweg, und ich stocke. Denn eines der Gesichter kommt mir mehr als bekannt vor. Es gehört zu Louis, den ich am Rand der Tanzfläche an eine Wand gelehnt entdecke. Er trägt ein schwarzes Shirt, die Jeans sitzt leicht auf seinen Hüften. Als unsere Augen sich für die Dauer eines Wimpernschlags treffen, spüre ich ein heftiges Pochen, das sich durch meinen Körper schiebt und sich mit dem Bass der Musik vermischt. Schnell sehe ich wieder weg.

»Der DJ ist ja der Wahnsinn!«, ruft Jill neben mir.

Mein Blick wandert weiter zum DJ-Pult, das über der Tanzfläche platziert ist. Die Lichter blenden mich kurz, sodass sie mir erst die Sicht nehmen, doch dann erkenne ich den DJ und traue meinen Augen kaum. Denn da oben steht kein Geringerer als Nathan. Er trägt Kopfhörer, scheint völlig in der Musik versunken zu sein. Eine Haarsträhne fällt ihm in die Stirn.

Ich schlucke und deute in Richtung Mischpult. »Das gibt’s nicht!«

»Was ist?«

»Schau mal da oben, da ist Nathan. Er ist einer der DJs!«

Jill reißt die Augen weit auf. »Tatsächlich. Wow, das ist zu krass! Da haben wir also das Geheimnis um die Karten gelüftet: Er legt hier auf. Ich drehe durch! Das ist ja megascharf!«, kreischt sie ein wenig zu schrill, was mir schon fast peinlich ist.

Als hätte Nathan sie gehört, dreht er genau in diesem Moment den Kopf in unsere Richtung. Ob er mich erkannt hat? Tatsächlich! Er hebt die Hand, winkt uns zu, und ich winke zurück.

»Er hat uns gesehen!« Jill, die jetzt ganz aus dem Häuschen ist, greift nach meiner Hand, um mich herumzuwirbeln.

Und so tanzen wir weiter, während Nathan mir immer wieder Blicke zuwirft.

Ein neues Lied wird aufgelegt und ich fühle mich total frei. Ich drehe mich im Kreis, und zucke zusammen.

Denn vor mir steht Louis – mal wieder! –, seine wasserblauen Augen auf mich gerichtet. Sein Shirt schmiegt sich unübersehbar eng um seinen Oberkörper, und mein Herzschlag beschleunigt sich unwillkürlich. Sag mal, muss der denn immer im Weg herumstehen?

Ich will mich abwenden, als ich von irgendwoher einen weiteren Schubs bekomme und nach vorn gegen Louis’ Brust gedrückt werde. Na toll.

Seine Brust fühlt sich hart und trotzdem weich an, und ein Kribbeln erfasst meinen gesamten Körper, als ich den Stoff seines Shirts mal wieder berühre. Sofort hüllt mich dieser Duft nach Zedernholz ein. Er kommt mir so vertraut vor, dass es mir unmöglich erscheint, dass ich ihn erst in den letzten Tagen zum ersten Mal gesehen habe. Oder ist es der Cocktail, der mir bereits zu Kopf steigt?

Ich muss mich zusammenreißen, darf mich nicht so an ihn lehnen. Ich bin ihm so nah, dass ich seinen Herzschlag fühlen kann.

Gerade als ich von ihm abrücken will, spüre ich seine Hände unerwartet an meiner Taille. Wie schon gestern im Laden umfassen sie mich und ziehen mich ganz kurz ein wenig enger zu ihm heran, gegen seine Hüften. Ein kribbelnder Strahl Wärme fährt in meinen Bauch, als er mich an sich presst.

Doch ehe ich mir weiter Gedanken darüber machen kann, was hier gerade passiert, schiebt er mich schon von sich. »Als ob du nicht meine Nähe suchst.« Seine raue Stimme lässt mich erschauern, während seine Augen intensiv auf mir liegen.

»Vielleicht suchst du ja meine Nähe?«, erwidere ich, als ich mich ein wenig gefangen habe. »Du stehst jedenfalls verdächtig oft im Weg herum.«

»Und du fällst verdächtig oft gegen mich.«

Seine Brust hebt und senkt sich, und für einen Moment sieht es so aus, als würde er leicht lächeln, doch dann schiebt er sich an mir vorbei, während ich zurückbleibe und nicht weiß, wohin mit all meinen Gedanken und Gefühlen. Die Musik dröhnt, aber ich bin irgendwo ganz anders.

Ich sehe ihm nach, wie er sich einen Weg durch die Menge bahnt und die Blicke der Mädchen auf sich zieht. Ein Stich bohrt sich erbarmungslos in meine Brust, als er vor einer Blondine stehen bleibt. Es ist keine Geringere als Lilly, die wohl das Lager gewechselt hat. Leider zu Louis. Sie lächelt ihn an, und die beiden beginnen, sich zu unterhalten. Zu gern würde ich wissen, worum es dabei geht.

»Was war das denn bitte?«, fragt Jill, die neben mich getreten ist.

Es gelingt mir nicht, zu antworten, denn ich bin noch immer zu perplex über das, was da gerade geschehen ist.

»Du darfst die beiden nicht so anstarren«, raunt sie mir zu. »Los, lass uns zu Nathan rübergehen.« Ehe ich etwas entgegnen kann, greift sie nach meiner Hand und zieht mich in Richtung des Mischpults.

Doch mir bleibt keine Verschnaufpause. Meine Wangen werden spürbar rot, als Nathan mich mit seinem Blick fixiert, dem Typen neben ihm kurz etwas zuruft und dann die Kopfhörer abnimmt. Ich muss zugeben, dass er schon sehr cool aussieht, wie er so lässig vor uns steht, umgeben von all den Lichtern und der Musik. Dennoch sehe ich kurz zu Louis, der lächelt, während Lilly ihm etwas in sein Ohr flüstert. Ich beschließe, die beiden zu ignorieren. Mir total egal, was er macht. Oder auch nicht. Ach, verdammt.

»Hey, schön, dass ihr da seid«, begrüßt uns Nathan und reißt mich damit aus meinen Gedanken. »Wollen wir was trinken?«

Wir schieben uns durch die Menge und stellen uns an die Bar.

»Ein wirklich cooles Geheimnis«, bemerkt Jill an Nathan gewandt.

Als er lacht, hebt und senkt sich seine Brust. »Ich hoffe, die Überraschung ist gelungen.«

»Allerdings.«

Er streicht sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Perfekt. Was wollt ihr trinken? Bier? Einen Cocktail? Geht auf mich.«

»Das ist lieb, doch das musst du nicht machen«, antworte ich.

Er greift nach meiner Hand und berührt sie ganz kurz. »Aber ich will es machen. Sehr gern sogar.«

Ich kann nicht leugnen, dass er etwas in mir auslöst. Und dass da jetzt ebenfalls eine Wärme ist, die durch meinen Bauch wandert.

»Also, was wollt ihr?«

»Noch zwei Cocktails?«, fragt Jill. »Was meinst du, Amy?«

»Ja, klingt super.«

Nathan winkt die Bedienung, die hinter dem Tresen steht, zu sich. »Hey, Jenny, zwei London Love und ein Bier bitte.«

Sie wirft ihm ein breites Lächeln zu. »Kommt sofort, Nathan.«

Wenig später stehen die Getränke schon vor uns.

»Du kennst auch jeden hier«, stellt Jill fest, nachdem sie den ersten Schluck aus ihrem Glas genommen hat.

»Na ja, jeden nicht.« Nathan lächelt und sieht dabei direkt mich an. »Und, wie gefällt es euch?«

»Die Stimmung ist unglaublich. Und du legst echt gut auf. Wie kommst du denn dazu?«, frage ich, in der Hoffnung, dass er mir nicht anmerkt, wie nervös ich gerade bin, denn die Wärme in meinem Bauch hat sich schon ziemlich ausgebreitet. Der London Love hat es wirklich in sich.

Seine Stimme wird noch weicher. »Na ja, ich mag es einfach. Und es ist cool, dass ich hier ein wenig ran darf. Mein Dad kennt Jaydon, der hier oft auflegt.« Er blickt zum DJ-Pult, an dem jetzt ein anderer Junge steht. »Wir wechseln uns immer ein bisschen ab.«

Er mustert mich intensiv, und ich spüre von Neuem diese Wärme. »Dein Dad kennt wirklich viele Leute«, bemerke ich.

»Ja, aber Jaydon ist ehrlich. Wenn ich nichts könnte, dann dürfte ich auch nicht ran.«

»Dann willst du mal DJ werden?«

Er lacht. »Eher nicht, ich bin schon für die Firma eingeplant. Das hat bei uns Tradition.«

Als ihm der andere Junge vom Mischpult aus zuwinkt, zuckt Nathan die Schultern. »Jaydon ruft mich. Zu schade, ich muss jetzt wieder auflegen. Aber wir sehen uns später, ja? Ich würde nämlich gern noch ein bisschen Zeit mit dir haben.«

Ich nicke. »Klar.«

Er zwinkert uns noch zu, dann geht er durch die Menge davon.

Als er außer Hörweite ist, beugt Jill sich zu mir. »Er ist echt toll. Den musst du uns warmhalten.« Sie kichert.

Wenig später steht Nathan wieder am DJ-Pult, und meine Augen wandern immer wieder zu ihm hinüber. Trotzdem kann ich es mir nicht verkneifen, nach Louis Ausschau zu halten. Schließlich entdecke ich auch ihn, er steht noch immer nicht weit von uns entfernt mit Lilly zusammen, und auch Ashley ist dabei. Kurz habe ich das Gefühl, dass er zu mir herübersieht. Doch der Moment hält nicht lange an, denn schon nimmt Lilly ihn in Beschlag, greift nach seiner Hand und zieht ihn mit sich auf die Tanzfläche.

Jill, die alles beobachtet hat, wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Sie will noch irgendwas sagen, doch da tauchen Thomas und Charly an der Bar auf und versperren mir die Sicht auf die drei.

»Hey, Mädels. Na, alles klar?«, fragt Thomas, woraufhin Jill ihn strahlend anlächelt. »Dieser Neue legt hier auf, und zwar richtig gut. Sehr cool. Woher kennt ihr ihn eigentlich?«

»Ach, er hat uns die Karten gegeben«, antwortet sie. »Amy kennt ihn.«

Er nickt anerkennend. »Und jetzt macht ihr Tanzpause? Ihr wart ja auch gut dabei.«

Jills Wangen erröten leicht. »Dann habt ihr uns also gesehen?«

»Klar.« Er deutet auf ihr Oberteil. »Hübsches Top übrigens.«

Während Charly sich wohl vorgenommen hat, mich zu unterhalten, verwickelt Thomas Jill in ein Gespräch. Auch eine halbe Stunde später scheinen den beiden die Gesprächsthemen nicht auszugehen. Mit Charly und mir hingegen geht es schleppend, was aber auch daran liegt, dass ich absolut keine Lust habe, mich mit ihm über Sport zu unterhalten. Und weil ich nicht aufhören kann, immer wieder in Louis’ Richtung zu blicken, kann ich Charly sowieso nicht wirklich folgen. Dabei hatte der Abend doch so gut angefangen.

»Jedenfalls trainiere ich mindestens zwei Stunden jeden Tag«, höre ich Charlys Worte nur mit einem Ohr und versuche, ein Gähnen zu unterdrücken. »Nicht schlecht, oder?« Er deutet auf seinen Oberarm, den er jetzt vor mir anspannt.

»Ich habe auch auf Instagram ein Profil, die Mädels stehen drauf.«

»Ja, ganz toll.« Ich antworte einfach irgendwas, denn erstens ist es mir egal, und zweitens geht gerade Louis zusammen mit Lilly an mir vorbei. Abermals treffen sich unsere Blicke.

Sehnsüchtig schaue ich zur Tanzfläche, was Jill glücklicherweise bemerkt.

»Wollen wir auch tanzen?« Auf Jill ist Verlass und wenig später stürzen auch wir vier uns ins Getümmel. Die Musik geht mir in die Beine, und als ein neuer Song erklingt, werfe ich die Arme hoch und bewege mich im Takt. Nathan hat es wirklich drauf. Ich sehe zu ihm hinüber, er lächelt zurück.

Eine ganze Weile tanzen wir noch alle zusammen, als ich gegen einen Typen hinter mir stoße.

»Sorry«, er grinst mich an. Am Hals hat er ein merkwürdig verschlungenes Tattoo. Ich bin mir sicher, dass ich es schon irgendwo gesehen habe.

Irgendwas an ihm ist seltsam. Wir tanzen, bis es mir irgendwie zu eng wird. Mein Kopf schwirrt. Die Hitze, die Cocktails …

»Ich muss mal auf die Toilette«, sage ich zu Jill, die nickt.

»Soll ich mit?«

»Nein, bin gleich wieder da«, sage ich, bevor ich mich abwende und zu den Toiletten steuere.

Zum Glück ist nicht viel los, und ich bin schnell an der Reihe. Als ich fertig bin, wasche ich mir die Hände und lasse kurz ein wenig kaltes Wasser über meine Handgelenke laufen, besser. Ich trete nach draußen und will gerade zurück, als ein Typ vor mir stehen bleibt und mir den Weg versperrt. Als ich das Tattoo an seinem Hals und die dunklen Augen sehe, erkenne ich ihn wieder.

»Na, Süße, alles klar bei dir?«

Irgendwas an ihm gefällt mir nicht.

»Ja, alles klar, aber ich muss dann mal zu meinen Freunden zurück. Kann ich mal vorbei?«

Dieser Blick. Dieses Tattoo. Es kommt mir bekannt vor. Doch woher nur?

Ich will mich von ihm entfernen, aber er kommt noch einen Schritt näher. »Das kann doch noch kurz warten, oder?«, raunt er, während sein Körper meinen berührt.

»Nein, das kann es nicht. Ich muss los«, sage ich und schiebe ihn weg. Der spinnt wohl! Er stinkt zudem ziemlich nach Alkohol, und die ganze Situation löst ein merkwürdig unangenehm vertrautes Gefühl in mir aus. Er drängt sich nun immer näher an mich.

»Was soll das? Lass das!«, rufe ich.

Doch der Typ grinst mich nur an.

»Ach, komm schon. Jetzt hab dich nicht so. Beim Tanzen hast du mir Signale gegeben, da wirst du doch jetzt nicht kneifen.«

Was? Welche Signale denn?

Ich stoße ihn weg. »Ich habe dich aus Versehen angerempelt. Das ist alles andere als ein Signal!«

Als er nachrückt, versuche ich erneut, ihn wegzudrücken, doch er lässt nicht locker, und ein Bild schiebt sich in meine Gedanken. Darin sehe ich erneut das Mädchen aus den Bildern, ein Junge drückt sie gegen die Wand, heftig und energisch. Ein himmelblaues Kleid. Augenblicklich geht mein Puls schneller, ich bekomme keine Luft mehr. Alles ist so verwirrend.

»Lass sie los, du Idiot!« Wie aus dem Nichts ertönt eine scharfe Stimme, und ich erkenne nur noch, wie der Typ von mir weggerissen wird.

Der Junge, der ihn am Arm gepackt hat und noch immer festhält, hat schwarze Haare und blaue Augen.

»Was fällt dir ein, dich einfach einzumischen?«, brüllt der Fremde ihn an.

Doch Louis stößt ihn unbeeindruckt zur Seite, dann wendet er sich mir zu. »Komm, gehen wir.«

Ehe ich verstehe, was da gerade passiert, greift er schon nach meiner Hand, und von Neuem schießt Wärme in meine Fingerspitzen.

Rasch zieht er mich mit sich um ein paar Ecken und schließlich durch eine Tür, die er hinter uns zuzieht.

Hier draußen im Hinterhof ist es ruhig, die Musik dringt nur noch wie durch Watte zu uns durch, frische Luft wirbelt um uns herum, und ich lehne mich an die Wand. Mein Puls rast, mein Kopf schwirrt vor Aufregung.

Er kommt zu mir her und sieht mich eindringlich an. »Alles klar?«

Wieder ist er mir so nah.

»Ja, alles klar.«

»Gut«, er atmet tief durch. Was er wohl denkt?

Unsere Blicke treffen sich, und ich nehme aufs Neue das unglaubliche Blau seiner Augen wahr. Als er schließlich die Hand nach mir ausstreckt und wir uns berühren, ist da wieder dieses kurze funkenhelle Leuchten. Louis zuckt ein wenig zurück, und ich frage mich, ob er es nicht doch auch sehen kann. Doch ehe ich darüber nachdenken kann, streicht er mit den Fingern durch mein Haar, während ich in seinem Blick versinke.

»Nicht gut ist nur, dass ich jetzt Ärger habe, weil ich dich retten musste.«

Hat er das eben wirklich gesagt?

So ein Idiot! Was soll das?

»Du hättest mich nicht retten müssen«, sage ich kühl, gehe voran und tippe ihm gegen die Brust.

»Schon gar nicht, wenn du es mir dann vorhältst, ich …« Keine Ahnung, was ich noch sagen will, denn mit einem Mal greift er erneut nach meiner Hand und zieht mich zu sich heran.

»Und jetzt? Was wird das? Erst ignorierst du mich, dann wirfst du mir eine Rettung vor und jetzt?«, frage ich.

Er beugt sich vor, weiter, noch weiter.

»Jetzt ignoriere ich dich nicht«, flüstert er, lässt meine Hand los, streicht stattdessen sanft über meinen Arm.

»Das merke ich, aber was wird das?«

»Vielleicht war das eben nicht richtig, ich hätte das nicht sagen sollen. Sorry.«

Ich sehe ihn an, suche seinen Blick und unsere Augen versinken ineinender. Mein Herz schlägt schnell, aber die Worte, die mir auf den Lippen liegen, muss ich aussprechen.

»Also, was willst du?«

»Wer weiß, vielleicht will ich dich jetzt küssen«, antwortet er zu meiner Überraschung und dann greift er um meine Taille und zieht mich noch näher zu sich heran, sodass nun mein Oberkörper seine Brust berührt. Sanft legt er einen Finger auf meine Lippen, und diese zarte Berührung fährt mir endgültig unter die Haut.

»Vergiss es. Warum sollte ich das wollen?«

»Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass du anscheinend ständig meine Nähe suchst. Und ich frage mich, was du damit bezwecken willst.«

Unsere Blicke verschmelzen miteinander, und als ich auch noch spüre, wie seine Hand von meiner Taille zu meinem Rücken wandert, kribbelt es. In meinem Bauch wird es schwer und leicht zugleich.

»Ehrlich gesagt, hast du sie eben gesucht«, sage ich.

Er grinst. »Vielleicht, ja.« Er beugt sich langsam vor.

Wie nah wir uns sind. Mein Herz schlägt wie verrückt, mein Puls rast und dann, als ich glaube, gleich seine Lippen auf meinen zu spüren, wird die Tür aufgerissen, und Jill taucht zusammen mit Nathan im Türrahmen auf. »Gott sei Dank, Amy! Hier bist du.«

Ruckartig lässt Louis mich los, weicht zurück und bringt auf diese Weise Abstand zwischen uns.

Jill mustert uns beide mit zusammengekniffenen Augen. Später werde ich ihr einiges erklären müssen. »Wir haben dich schon überall gesucht. Charly meinte, er hätte dich mit jemandem mitgehen sehen. Ich wusste ja nicht, dass es Louis ist.«

Nathan spannt seine Muskeln deutlich sichtbar an. »Ist wirklich alles okay? Was wollte er von dir?«

»Ja, ehrlich, alles gut.« Ich nicke. »Louis hat mir geholfen, von so einem fiesen Typen wegzukommen.«

Jill zieht eine Augenbraue nach oben. »Was? Von einem Typen?«

»Er war etwas aufdringlich geworden«, erkläre ich rasch.

»Die Frage ist, wer hier aufdringlich ist.« Nathan sieht Louis merkwürdig an, doch dieser scheint sich davon wenig beeindrucken zu lassen.

»Ach, halt den Mund«, sagt er nur.

Aber Nathan lässt nicht locker. »Ich würde hier nicht so einen auf wichtig machen, denn sonst …«

»Was sonst? Schickst du dann deinen Daddy, damit er mich von der Schule schmeißen lässt, du Wichtigtuer?«

Jill kommt zu mir und nimmt mich in den Arm. Ich schmiege mich an sie. »Komm, lass uns heimgehen. Es ist sowieso schon Zeit, nicht dass es Ärger gibt.«

»Danke«, sage ich mit dem Versuch eines Lächelns zu Louis, doch sein Blick ist kühl geworden. Die Wärme, die eben noch hier war, ist verflogen. Er schiebt sich an uns vorbei, als würde ihn das alles nichts angehen.

Nathan verzieht das Gesicht. »So ein Idiot!«

»Alles okay?«, frage ich.

Er nickt. »Ja, klar. Ich wünschte nur, ich hätte dir helfen können.«

»Louis war ja da«, versuche ich, ihn zu beschwichtigen.

Doch ich bewirke damit nur das Gegenteil, denn Nathan zieht eine Augenbraue nach oben und wirkt nun wieder total angespannt. »Ja, Louis natürlich. Er ist immer so hilfsbereit.«

»Tut mir leid. Ich weiß nicht, was da zwischen euch ist, aber er hat mir geholfen. Also gibt es keinen Grund, sauer auf ihn zu sein.«

»Geht’s dir wirklich gut?«, fragt Nathan. Sein Blick haftet intensiv auf mir.

»Ja, wirklich. Danke, dass du dich um mich sorgst. Aber es ist gut, ehrlich.« Als ich mich umsehe, entdecke ich Louis am Rand der Tanzfläche. Er ist noch da. Allein bei seinem Anblick beschleunigt sich mein Herzschlag erneut.

Nathan hat ihn ebenfalls bemerkt. »Ein gut gemeinter Rat: Lass dich nicht von ihm täuschen.«

Ich runzele die Stirn. »Von wem? Von Louis?« Völlig überfahren sehe ich Nathan an. Seine Mimik in diesem Augenblick fühlt sich so vertraut an und doch irgendwie fremd. »Warum? Er hat mir doch wirklich nur geholfen.«

Nathans Blick wird noch befremdlicher. »Geholfen. Ja, das denkt man immer. Aber glaub mir eines, du solltest dich von ihm fernhalten. Er ist nicht der, für den du ihn hältst.« Als seine Hand kurz meine berührt, stellen sich sofort die feinen Härchen in meinem Nacken auf, und ein merkwürdiges Gefühl breitet sich in mir aus.

Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. »Warum denn das? Was hat er dir getan? Mal im Ernst, was ist das zwischen euch?«

Nathans Mundwinkel zucken. »Sagen wir so, er sollte nicht hier sein. Er ist … er spielt gern Spielchen. Vor allem das des geheimnisvollen Typen. Damit glaubt er, zu bekommen, was er will. Also glaub mir, ich meine es nur gut mit dir. Ich weiß, wovon ich rede.«

»Das war vielleicht ein Abend.« Ich seufze, während ich versuche, den Haustürschlüssel ins Schloss zu stecken, ohne Mum oder Tante May aufzuwecken.

»Du sagst es, kaum zu glauben.« Jill ist immer noch ganz aufgebracht. »Was sich manche Jungs erlauben, ist echt der Hammer. Ich bin froh, dass Louis so schnell reagiert hat. Aber sonst war der Abend doch schön. Und Thomas … Amy, er ist so unglaublich, in meinem Bauch kribbelt es noch immer.«

Sofort muss ich daran denken, was Louis’ Berührungen in mir ausgelöst haben. Was es wohl mit diesem Licht auf sich hat? Ich erinnere mich an seine Augen und an die Bilder in meinem Kopf. Aber dann fallen mir auchNathan und seine Worte ein, die mich noch immer total verwirren. Dass Louis Spielchen spielt, einen auf geheimnisvoll macht – klar, irgendwie tut er das ja auch.

»Denkst du über den Abend nach? Über das, was Nathan gesagt hat?«, will Jill wissen. Natürlich habe ich ihr davon erzählt, und sie kann wie immer meine Gedanken lesen.

Ich lehne mich gegen den Türrahmen. »Schon. Wieso hat er mich vor Louis gewarnt?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Na ja, sie können sich eben nicht leiden. Louis wurde sogar bestraft wegen der Sache zwischen den beiden. Da wundert mich das Ganze nicht.« Im Dunkeln stolpert sie über die Schwelle und rumpelt gegen die Tür. »Ups!«

»Pssst, du weckst noch alle auf! Tante May schimpft, wenn wir zu spät da sind.«

Jill verzieht das Gesicht. »Entschuldigung. Wobei ich sowieso glaube, dass deine Mum noch wach ist. Also hat Tante May nichts zu melden.«

»Trotzdem. Lass uns reingehen, ich muss wirklich ins Bett.«

Als wir später im Bett liegen, schläft Jill sofort ein und schnarcht wie ein Bär. Manchmal kann ich nicht fassen, dass so ein zartes Wesen wie sie solche Geräusche von sich geben kann. Während sie schnarcht, liege ich wach.

Noch immer lässt mich das, was passiert ist, nicht los. Da war Louis’ Wärme, diese komischen hellen Funken. Das alles ist so verwirrend. Wollte er mich echt küssen? Es war, als hätte er es bereits Tausende Male getan. Dabei weiß ich, dass das nicht möglich ist.

Ich versuche, mich zu sammeln, und lasse meine Augen über den Sternenhimmel gleiten, der über mir leuchtet. Die Unendlichkeit, die in den Sternen liegt, funkenhell hüllt sie mein Herz ein. Tausend Sterne, tausend Momente in einem Leben. Ist es das, was am Ende bleibt?

Louis’ Augen hatten etwas an sich, das mich an einen Sternenhimmel erinnert. An Bilder, an Tausende von Gefühlen, die ich nicht einordnen kann.

Doch so schön der Nachthimmel auch ist, irgendwann gibt mein Körper nach, und mir fallen die Augen zu.

Gerade als ich die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit betrete, hallt ein Satz durch meinen Kopf: However much you love me, my love for you will always be greater. You and me through all times.

Der Satz wirkt so authentisch und echt auf mich, dass ich eine Gänsehaut bekomme. Und sofort wirbeln wieder unzählige Bilder durch meinen Kopf. Ich sehe das Mädchen in dem blauen Kleid, das Liebespaar auf der Tower Bridge, sehe die beiden unter dem Sternenhimmel stehen. Ich weiß nicht, ob ich träume oder noch wach bin. Doch ich weiß eins: dass diese Bilder da sind. Und dass ich sie nicht so einfach loswerde.

Unendlich funkenhell

Подняться наверх