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Kapitel 2

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»Also schön, der Typ erinnert dich an einen Jungen aus deinen Bildern? Bist du dir sicher?«

Wir haben es uns im Coopa Club, einem hübschen Café unweit der Tower Bridge mit Blick auf die Themse gemütlich gemacht, vor uns stehen zwei Milchkaffe. Jill liebt es hier, und auch ich mag es, in den kleinen Holziglus zu sitzen und die Menschen um uns herum zu beobachten.

»Das hört sich sehr schräg an, oder? Ich meine, auf meinen Bildern hat er ja kein richtiges Gesicht. Trotzdem.« Ich greife nach meinem Glas und nehme einen Schluck. Das heiße Getränk tut mir gut und wärmt meinen Magen, der sich jetzt auch langsam beruhigt. Doch hin und wieder werfe ich doch einen Blick zurück zur Tower Bridge, die mit einem Mal unheimlich geheimnisvoll wirkt.

»Ach vergiss es. Das war alles nur eine oberpeinliche Aktion.«

Ich winke ab.

»Zeig lieber mal die Fotos, die du für Instagram gemacht hast.«

Ich weiß, damit treffe ich ins Schwarze, denn Jill liebt das Thema Fotos, und so zückt sie auch gleich ihr Handy. »Na schön, wie du willst.« Sie lächelt. »Aber glaub ja nicht, dass dieses Thema für mich schon gegessen ist.« Während sie auf dem Display herumtippt, weiten sich ihre Augen. »Amy, da sind echt richtig gute Aufnahmen dabei. Schau mal, wie gefällt dir das?« Sie dreht das Handy zu mir. Das Foto zeigt sie auf den Glasplatten. Sie steht auf einem Bein, was total witzig aussieht. »Wirkt beinahe, als würde ich mit einem Fuß in der Themse stehen. Genial, oder? Vor allem im Zusammenspiel mit dem Spiegel.«

»Ja, das ist wirklich gut«, pflichte ich ihr bei. »Das kannst du ruhig auf Instagram stellen, ich wette, das kommt gut an. Auch ohne Filter. Du machst KassiLondon noch Konkurrenz.« Sie ist ihre Lieblingsbloggerin.

»Meinst du? Warte, ich habe ja noch mehr Fotos. Willst du sie sehen?«

Schließlich gehen wir gemeinsam die anderen Bilder durch. Doch irgendwann schweifen meine Gedanken erneut ab. Erst als ich merke, dass Jill mich eindringlich mustert, fange ich mich wieder.

»Er geht dir einfach nicht aus dem Kopf, oder?«

»Was?« Ich zucke zusammen.

»Ist doch okay. Ich meine, er sah schon wirklich sehr gut aus.« Sie grinst, und ich rolle mit den Augen.

»Ach, eigentlich ist das doch total bescheuert, lenk mich bitte ab«, seufze ich.

Jill nickt.

»Ablenkung also, okay, da fällt mir ein, hast du dich schon wegen der Party im Closer entschieden?« Sie schaut mich erwartungsvoll an.

Tausend Gedanken machen sich in meinem Kopf breit. Ich muss es ihr sagen.

»Jill. Es ist nicht so, dass ich nicht will, aber das Geld ist recht knapp momentan. Mum arbeitet schon so viel und ich will nicht dauernd Tante May anschnorren.«

»Hey. Pass auf, Vorschlag: Ich lade dich ein, und wenn es wieder besser ist, dann bist du eben dran. Okay? Deal?«

Ich lache und stupse Jill in die Seite. »Na schön, Deal. Aber ich gebe es dir irgendwann zurück, versprochen.«

»Cool! Ich freue mich riesig. Und mach dir keine Gedanken.« Sie wischt durch ihr Handy und stoppt irgendwann.

»Okay, das ist interessant. Aber eigentlich ist es dir ja egal, also total egal. Und du willst es ja nicht sehen – selbst wenn da dieser geheimnisvolle Typ auf dem Foto wäre …« Sie sieht mich an und grinst.

Jetzt hat sie mich doch neugierig gemacht. »Echt jetzt? Er ist auf einem der Fotos?«

Sie reicht mir das Handy. »Hier, wirklich ganz zufällig aufgenommen, versprochen.«

Ich werfe einen Blick auf das Display, und als ich erkenne, was beziehungsweise wen Jill da zufällig festgehalten hat, wird mir heiß und kalt. Denn auf dem Foto ist unübersehbar der Junge von der Tower Bridge. Er ist ganz deutlich zu erkennen.

Mein Herz macht einen heftigen Satz, denn die Aufnahme hat genau diesen einen Moment eingefangen, als er nachdenklich aus dem Fenster blickte und die Hände lässig in den Hosentaschen vergraben hatte, bevor er sie schließlich an die Scheibe legte. In mir kribbelt es ganz heftig.

Blinzelnd versuche ich, den Blick von ihm abzuwenden. Aber so einfach ist das nicht, denn er nimmt mich gefangen. Genau wie die Bilder, die ich vorhin dort oben vor mir sah und die jetzt plötzlich wieder greifbar sind. »Das ist merkwürdig«, sage ich. »Er kommt mir wirklich so bekannt vor. Da ist was an ihm, ich habe ihn bestimmt gezeichnet …«

Jills Blick wird sentimental. »Vielleicht ist das Schicksal!«

»Du immer mit deinem Schicksal.«

»Ist einfach so, alles ist irgendwie schicksalhaft und …«

Jill blickt auf die Uhr und stockt.

»Ach herrje, schon vier? Mist, ich muss dann mal. Ich habe Mum versprochen, mit Spooker rauszugehen.« Spooker ist ihr Hund, ein süßer, aber etwas frecher Beagle, und wenn Jills Mum, die als Krankenschwester in einem großen Londoner Krankenhaus arbeitet, Dienst hat, muss Jill sich um ihn kümmern.

Ich deute auf die Kellnerin, die gerade die Tische putzt. »Soll ich sie rufen?«

Jill schüttelt den Kopf. »Ach, weißt du was? Ich muss sowieso mal für kleine Mädchen. Ich gehe rein, zahle gleich drinnen und komme dann wieder.«

»Dann nimm mein Geld auch mit, okay?« Ich will in meiner Tasche nach dem Geldbeutel kramen, doch Jill legt mir die Hand auf den Arm. »Lass, ich lade dich ein. Und keine Widerrede.« Rasch steht sie auf und verschwindet im Inneren des Cafés.

Als sie gegangen ist, atme ich tief durch und lasse meine Gedanken schweifen. Was für ein verrückter Tag. Die Bilder, mein Gestolpere. Ganz versunken sitze ich da, als ich plötzlich eine Stimme dicht neben mir vernehme. »Hey, gehört der vielleicht dir?«

Ich zucke zusammen und blicke in stechend grüne Augen, die zu einem Jungen gehören. Sein Gesicht ist kantig, seine Haare hellbraun. Er trägt ein blaues Hemd und hält ein gelbgrün gestreiftes Tuch in der Hand.

»Der Schal lag da auf dem Boden, und ich dachte, ich frage dich mal.« Seine Stimme ist tief, und er lächelt mich an. Ein nettes Lächeln. Sofort fallen mir seine geschwungenen Lippen auf.

Ich schüttele den Kopf. »Nein, der gehört mir nicht. Trotzdem danke.«

»Okay, dann hat ihn wohl jemand anderes verloren. Sorry, dass ich dich gestört habe.« Seine Augen haften auf mir, und für einen winzigen Moment kommt es mir vor, als hätte ich ihn ebenfalls schon mal gesehen.

»Kein Problem. War ja nett von dir.«

Er legt den Kopf schief und grinst. Merkwürdig. Dieser Ausdruck in seinem Gesicht, woher kenne ich ihn nur?

»Du gehst auf das St Michael’s College, oder?«

Ich deute auf das Wappen an meiner Schuluniform. »Du scheinst ein Hellseher zu sein.«

Erneut huscht ein Lächeln über sein Gesicht, während er in seine Hosentasche greift und etwas daraus hervorzieht. »Hier, für dich, falls du am Samstag noch nichts vorhast. Und bring ruhig eine Freundin mit, ich werde auch da sein. Soll eine richtig coole Party werden, deswegen ist der Einlass begrenzt.« Er reicht mir zwei bunte Karten, und ich lasse meine Augen darüberwandern.

Erst jetzt verstehe ich, was das ist. »Eintrittskarten ins Closer? Und die gibst du mir einfach so?«

»Na ja, nicht einfach so.« Er räuspert sich. »Eigentlich würde ich dich gern kennenlernen. Du bist mir schon auf der Tower Bridge aufgefallen.«

Daher kenne ich ihn also. Na klar, der Typ mit dem blauen Hemd.

»Ich bin übrigens Nathan, damit du weißt, nach wem du Ausschau halten musst.« Zu meiner Verwunderung steckt er den Schal ein.

Ich ziehe eine Augenbraue nach oben. »Kann es sein, dass der Schal dir selbst gehört?«

Seine Augen funkeln mich an, und er zwinkert mir zu. »Wäre möglich.«

»Dann war das mit dem Schal nur ein Vorwand?«

»Kann schon sein. Also dann, wir sehen uns.« Mit diesen Worten wendet er sich ab und geht davon, während ich dasitze mit einem etwas zu schnell schlagenden Herzen, auf die Karten in meiner Hand starre und gar nicht weiß, wie mir geschieht.

»Wow, der war ja süß. Was wollte er denn?« Als Jill zurückkommt, sieht sie mich fragend an, und ich reiche ihr die Karten. »Nein, das gibt’s nicht!«, kreischt sie. »Karten für die Party im Closer? Woher hast du die? Von ihm?«

Ich nicke.

»Was? Die hat der Typ dir einfach so gegeben?«

»Ja, keine Ahnung warum«, ich lächle sie schief an. »Aber ich vermute mal es war Schicksal.«

Unendlich funkenhell

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