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Ananda stellt Bedingungen

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Obwohl Ananda diese große Aufgabe gerne übernehmen möchte, stellt er zunächst acht Bedingungen; werden sie ihm erfüllt, ist er bereit, für immer des Erwachten Begleiter und Diener zu werden. Zu diesen Bedingungen gehört, dass der Buddha eine geschenkte Robe oder Unterkunftsangebote oder persönliche Einladungen nie an Ananda weitergeben soll. Umgekehrt will Ananda immer dann, wenn er zu einem Mahl eingeladen wird, diese Einladung an den Buddha weitergeben dürfen. Ananda will damit dem Verdacht entgegenwirken, dass er den Job nur annimmt, um persönlich davon zu profitieren.

Zudem verlangt Ananda, dass er Menschen, die aus abgelegenen Gebieten gekommen sind, zum Buddha bringen kann. Dass er, wann immer er Fragen zur Lehre hat, sie dem Buddha jederzeit stellen kann. Und dass der Buddha, wann immer er in Anandas Abwesenheit eine Belehrung gibt, diese für ihn wiederholt. Diese Bedingungen sind Ananda wichtig, um auf seinem spirituellen Weg voranzukommen. Der Buddha erklärt sich bereit, alle seine Bedingungen zu akzeptieren.

Die Zustimmung zur letzten Bedingung ist nicht nur für Ananda selbst von größter Tragweite, sondern auch für alle nachfolgenden Generationen, bis zu uns heute. Denn von diesem Zeitpunkt an hat er jede Belehrung und Lehrrede des Buddha – ohne Ausnahme – gehört. Und er besitzt die außergewöhnliche Fähigkeit, sich an alles, was der Erwachte je gelehrt hat, aufs Wort genau zu erinnern – auch noch viele Jahre nach dessen Tod. Auf dem ersten Konzil, der Versammlung aller vollständig befreiten Schüler des Buddha, etwa ein Jahr nach dessen Hinscheiden, werden alle Lehrreden rezitiert und bestätigt, und es ist Ananda, der sie als Erstes wiedergibt: »So habe ich’s gehört …« Folgerichtig lautet auch einer seiner Ehrentitel: »Der, der viel gehört hat.«

Wir können die Bedeutung der Lehrreden des Buddha und deren spätere Auslegungen für uns heute kaum überschätzen. Wer der Dharma-Praxis und der Entfaltung von Weisheit und Mitgefühl einen zentralen Platz in seinem Leben einräumt, kann wohl kaum zu viel von dieser Lehre hören. Meine Lehrer und Lehrerinnen, von denen manche außergewöhnlich verwirklichte Menschen waren, saßen ihr Leben lang ihren Lamas, Ajahns oder Sayadaws unermüdlich zu Füßen, um ihnen zuzuhören. Diejenigen, welche noch leben, tun dies bis heute. Und wenn ihre Lehrer gestorben sind, empfangen sie die Belehrungen gegenseitig voneinander.

Es ist ein großes Privileg, Dharma-Vorträge hören zu können. Diese mögen interessant und unterhaltsam, eintönig oder gar langweilig sein. Aber immer ist es bereichernd, sie zu hören. Denn sie machen nicht nur mit der Lehre und der Praxis bekannt und vertraut, sondern erinnern immer wieder unmissverständlich daran, diese Lehre auch anzuwenden und konkret umzusetzen.

Der Prozess des Lernens wird in der tibetischen Tradition mit thö – sam – gom umschrieben. Dies bedeutet so viel wie zuhören, darüber nachdenken und meditieren. Das wache Zuhören ist dabei das Erste und Grundlegende. Dann wird über das Gehörte reflektiert und kontempliert. Erst auf dieser Grundlage folgt das Meditieren, das sich mit dem Gehörten, Reflektierten und Kontemplierten Vertraut-Machen, das Umsetzen und Anwenden.

»So habe ich’s gehört«, berichtet Ananda. Und wir können ihm unendlich dankbar sein – ihm, dem ersten Ohrenzeugen in der ununterbrochenen Kette von Menschen, die diese kostbaren Lehren über viele Generationen bis zu uns überliefert haben.

Von ihm selbst ist wenig überliefert. In den Theragata, den gesammelten Versen der Älteren (Thera heißt »Älterer« im respektvollen Sinne), gibt es einige wenige Verse, die Ananda zugeschrieben werden.

Aus des Erhabenen Mund hört’ ich zweiundachtzigtausend Lehrreden.

Und zweitausend mehr aus dem Mund seiner großen Schüler.

Von vierundachtzigtausend Reden die Bedeutung ich nun kenn’.

Wer das Dhamma nicht hört und auch nicht versteht,

Der altert töricht wie ein Ochse.

Sein Bauch nimmt zu, sein Magen wächst,

Nur die Erkenntnis tut es nicht. (…)

Folgst du jenen, die viel Dhamma hörten,

Wird die Lehre nicht versiegen.

Die Wurzel des vortrefflichen Lebens ist es,

Ein Dhamma-Beschützer zu sein.21

Man kann Ananda als einen der großen Beschützer der Lehre sehen: In umsichtiger Weise betreut er den Buddha, kümmert sich um die vielen Besucher und sorgt dafür, dass die Belehrungen des Erwachten richtig und vollständig weitergegeben werden.

Nach dem Tod des Buddha findet Ananda auch wieder Zeit, sich mit aller Energie der eigenen Meditationspraxis zu widmen. Da er der Einzige ist, der alle 84 000 Lehrreden gehört hat, braucht man ihn auf dem Konzil, der ersten Versammlung aller erwachten Schüler. Dort sind jedoch nur vollständig Befreite zugelassen, und dazu gehört Ananda noch nicht. So drängt man Ananda, noch eifriger zu praktizieren, damit er die »Teilnahmebedingungen« für die Versammlung erfüllt. Ananda ist nun gefordert! Tag und Nacht meditiert er ununterbrochen – auch in der letzten Nacht vor dem Konzil, das bei Sonnenaufgang beginnen soll. Während einer Gehmeditation wird ihm plötzlich klar, dass sein Bemühen viel zu angestrengt und verkrampft ist.

So entscheidet er, sich zur weiteren Meditation hinzulegen, um so die Faktoren des Erwachens in seinem Geist in die richtige Balance zu bringen. Genau während er dies tut, öffnet sich sein Geist für die drei noch fehlenden Stufen des Erwachens – die zweite und die dritte Stufe22 – und in dem Moment, als sein Kopf das Kissen berührt, ist er ein Arahat, ein vollständig Befreiter.23 Damit ist er frei von sämtlichen täuschenden und quälenden Fesseln von Herz und Geist wie Verlangen, Abneigung, Anhaften an Zuständen der Reinen Form und des Formlosen sowie den verbleibenden Spuren von Stolz, Ruhelosigkeit und Verblendung. All die Bemühungen und Anstrengungen seines langen, unermüdlichen, beispielhaften Praxisweges sind zur Reife gelangt. Doch ist er nicht nur vollständig befreit, nein, er ist auch gleich mit allen übersinnlichen Kräften24 ausgestattet. Dies erlaubt ihm, so die Überlieferung, sich im nächsten Augenblick auf dem für ihn reservierten Platz auf dem Konzil, wo alle bereits auf ihn warten, zu manifestieren – genau als die Sonne über dem Horizont aufgeht.

Richtiges Bemühen ist die eigentliche Kunst der Meditation. Es bedeutet, immer wieder zur unmittelbaren Erfahrung des Hier und Jetzt aufzuwachen und in direkten Kontakt damit zu treten. Dazu ist die Bereitschaft notwendig, Erfahrungen genau so zu fühlen, so zu belassen und so zu akzeptieren, wie sie gerade sind. Dies steht im Gegensatz zur üblichen Tendenz unseres Geistes, sich mit den Erfahrungen zu identifizieren, sich darin zu verlieren, um dann zu versuchen, sie entweder zu behalten oder loszuwerden oder sonstwie unter Kontrolle zu bekommen. Dieser Tendenz wirken wir entgegen, wenn wir mit sanfter Präzision, entspannter Sorgfalt und liebevoller Entschlossenheit dem Leben so begegnen, wie es in jedem Augenblick wirklich ist.

Dazu kultivieren wir Qualitäten des Geistes, wie zum Beispiel die sogenannten Sieben Faktoren des Erwachens: Achtsames Gewahrsein, Erforschen, Enthusiastisches Bemühen, Freudiges Interesse, Ruhe, Sammlung und Gelassenheit. Diese Erleuchtungsfaktoren ermöglichen es uns, das Wesen der Wirklichkeit, das heißt, deren Vergänglichkeit, Unzulänglichkeit und nichtselbstexistente, leere Natur zutiefst zu erkennen. Eben diese Erkenntnis ist es, die Herz und Geist von den Leid schaffenden Eigenschaften – Verlangen, Abneigung und Verblendung – letztlich zu befreien vermag. Und eben in dem Moment, in dem Ananda von seinem allzu angestrengten Bemühen ablässt, er sich entspannt, gelangen die Qualitäten des Erwachens ins perfekte Gleichgewicht – er realisiert vollständige Befreiung.

Ananda ist für sein außerordentliches Wissen um die Lehre bekannt, aber auch für seine Fürsorglichkeit und seine Bereitschaft, sich vorbehaltlos aufzuopfern. Einmal wird der Buddha, so die Legende, von einem wild gewordenen Elefanten angegriffen. Als Ananda sieht, dass der Erwachte in Gefahr ist, wirft er sich kurzentschlossen vor den Elefanten, um sich für den Erhabenen zu opfern. Der Buddha aber verfügt über übersinnliche Kräfte und vermag so Ananda vor dem sicheren Tod zu retten. Seine unerschütterliche und liebevolle Präsenz besänftigt den Elefanten, der sich beruhigt niederlegt.

Geschichten dieser Art lösen heute oft eine Debatte darüber aus, ob es wirklich solche übersinnlichen Kräfte gibt, wie sie der Buddha bei dieser Gelegenheit eingesetzt hat. Von größerer Relevanz für uns an dieser Geschichte ist aber die grenzenlose Hingabe Anandas, der sich ohne Zögern in Lebensgefahr begibt, um den Buddha vor der drohenden Gefahr zu schützen.

Wirkliche Hingabe an den Dharma und an Menschen, die Hilfreiches bewirken, ist eine mächtige Kraft auf dem spirituellen Weg. Hingabe ist dem Vertrauen nah verwandt, eine Eigenschaft, die oft als »Tor zu allen guten Qualitäten des Herzens und des Geistes« bezeichnet wird. Erst wenn wir Vertrauen und Hingabe entwickelt haben, können wir uns wirkungsvoll einer spirituellen Praxis widmen. Das bedeutet nicht, dass wir uns in blindem Glauben einer charismatischen Person oder einem religiösen Glauben oder Dogma unterwerfen oder hingeben sollten. Vielmehr bedeutet es, eine Praxis, die wir selbst ausprobiert und für wirkungsvoll befunden haben, von ganzem Herzen umzusetzen. Gepaart mit Weisheit und Klarheit können Vertrauen und Hingabe im Inneren wie im Äußeren tiefe spirituelle Wandlung bewirken.

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