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Fünf

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Frankfurt war langweilig oder Curd hatte Frankfurt noch nicht verstanden. Er wollte es auch nicht verstehen. Er nahm jetzt öfter den frühen ICE – Sprinter, der ihn in gut drei Stunden ins Zentrum brachte und das war unschlagbar, vor allem weil er vom Hauptbahnhof in zehn Gehminuten bei Emmental war. Als er einmal zur Abkürzung über ein paar Nebenstraßen ging, musste er sich fast übergeben. In unmittelbarer Nähe des exklusiven Parks mit den S-Klassen, den Panameras und den Bentleys auf den Parkplätzen vor den Wolkenkratzerwahrzeichen von Mainhattan, lagen auf dem Gehsteig Gruppen von menschenähnlichen Wesen, die sich gerade über einem Feuerchen in einem Löffel ihren Heroincocktail verflüssigten. Sah aus wie das in den Untergrund transformierte, familiäre Bleigießen in den bayrisch katholischen Familien an Silvester, fand Curd. In der gleichen Straße standen zwei Polizisten und unternahmen - nichts. War das die berühmte hessische Toleranz? In Bayern gäbe es so etwas ganz sicher nicht und er war darüber sehr froh. Sicher lebten in Bayern genauso viele Süchtige, aber sie störten nicht das Ambiente der Innenstadt.

Curd schlug die Zeit in Frankfurt mit scheinbar wichtigen Aktionen am Bildschirm tot. So oft wie möglich suchte er den Kontakt mit Benedikt. Er fand das schon schwierig genug, weil er ja nicht auffallen sollte. Was er zielführend mit ihm reden sollte, fiel ihm nicht ein. Und so beschränkte sich die Kommunikation in diesen Tagen auf puren Smalltalk, auch dann, wenn er ihn einmal mit zum Essen in die Kantine begleitete. Ob Benedikt wohl besser wusste, was er machen sollte? Curd bekam nicht den geringsten Hinweis darauf und fand seine Spionagetätigkeit ausgesprochen fruchtlos und langweilig.

Hie und da lief ihm auch Mohnkötter über den Weg. Sie grüßten sich jedes Mal freundlich und jeder fragte, wie es dem anderen ginge und erfuhr, dass es jeweils gut gehe. Einmal strahlte Mohnkötter etwas mehr als sonst.

„Ihre Freude ist ansteckend“, sagte Curd. „Darf man zu irgendetwas gratulieren?“

„Darf man, darf man, Herr Dr. Hofmann, wir haben wahrscheinlich unseren ersten, richtigen Kunden akquiriert.“

„Oh, das ist aber schön, wer ist es denn?“ Curd war sich schon im Klaren, dass diese Frage unerlaubt war.

„Es ist Jupiter“, Mohnkötter lachte stolz. „Ich darf es doch nicht sagen, sie verstehen?“ Planeten sind edler als Käse, dachte Curd.

„Na klar verstehe ich das. Hat er denn wenigstens viel Geld?“

„Oh ja, das hat er. Das hat er wirklich. Und es ist nicht vom Staat. Aber ich muss jetzt los. Tschüs, Herr Hofmann.“

„Wer ist denn Jupiter?“ fragte er Benedikt direkt. „Alle sind ganz euphorisch.“

„Kann ich nicht sagen. Aber ich weiß, dass man von ihrer Firma sehr viele lokale Geräte, hauptsächlich mobile, einkaufen muss.“

„Wissen die Leute bei mir das schon?“

„Aber sicher. Wir warten gerade auf das Angebot.“

In München traf Curd Karlchen auf dem Flur. „Was hast du es so eilig?“

„Wir haben vielleicht einen großen Kunden, Edam, heißt er.“

„Und Edam ist viel besser als Emmental, oder?“

„Viel besser. Die wollen Tausende von mobilen Endgeräten.“

„Das ist aber merkwürdig.“

„Wieso ist das merkwürdig, das ist einfach nur gut.“

„Komm mal mit nach draußen.“

„Ich habe keine Zeit, sorry.“

„Du solltest sie dir aber nehmen.“

„Aber nur eine Minute.“

Sie schlenderten vor dem großen Eingangsportal hin und her.

„Emmental benötigt gerade mobile Endgeräte und wir zum gleichen Zeitpunkt auch. Das ist doch kein Zufall.“

„Du vermutest, dass Emmental die gar nicht selbst braucht.“

„Ich weiß es. Das ist keine Vermutung. Bei denen heißt Edam Jupiter.“

„Was? Ach so. Du denkst, Emmental macht uns Konkurrenz?“

„Könnte doch sein, oder?“

„Dann geh gleich mit zu Wienand und Müller. Ich habe einen Termin bei denen wegen des neuen Kunden.“

Wienand war etwas überrascht, als Franzen Curd im Schlepptau hatte. „Was treibt sie zu uns, Herr Hofmann“, sagte Müller.

Karl antwortete: „Es besteht eine Vermutung, dass Emmental den gleichen Kunden bedienen will wie wir. Sie haben angeblich einen neuen Kunden, genannt Jupiter und sie brauchen zeitgleich die mobilen Endgeräte.“

„Wenn das stimmt, ist es eine schlechte Nachricht. Aber dann hätte sich ihre neue Tätigkeit bereits ausgezahlt, Herr Hofmann.“ Man sah es Wienand an, dass er stolz war, mit Curd bei seinen Kollegen angeben zu können.

„Sie können doch auf Geschäftsleitungsebene Emmental kontaktieren und den Fall abklären.“

„Leider geht das so nicht. Wir wissen nämlich nicht, wer hinter Emmental wirklich steht.“

„Aber die haben doch einen Auftrag vom LKA. Dann kann es doch nichts Schlimmes sein.“

„Das bedeutet gar nichts, Herr Hofmann. Das LKA weiß auch noch nicht, wer Emmental ist, sonst wüssten wir es auch.“

„Wie das? Klingt für mich ein wenig verschlungen?“

Wienand überging die Frage. „Wir müssen jetzt genau überlegen. Als erstes müssen wir wissen, ob es sich tatsächlich bei Jupiter und Edam um die gleiche Firma handelt. Das ist ihr Job, Herr Hofmann.“

„Ich weiß ja nicht einmal bei uns, wer Edam ist.“

„Das brauchen sie auch gar nicht zu wissen. Wenn sie uns sagen, wer Jupiter ist, genügt uns das.“

„Kurios. Und als zweites?“

„Wenn wir wissen, wer Jupiter ist und beide sind nicht dieselben, dann ist alles okay. Wenn sie aber identisch sind, dann müssen sie ihren Benedikt überzeugen, dass Emmental unsere Regeln missachtet, und dass sie Jupiter nicht beliefern dürfen. Emmental hat schließlich seinen Sitz in Deutschland, egal wer die Eigentümer sind.“

„Und dann?“

„Dann sind wir fein raus und die einzigen Lieferanten.“

„Das bedeutet doch aber....“

„Wir wissen, was das bedeutet, Herr Hofmann. Das ist aber nicht ihre Baustelle.“

„Ihr wollt also die eventuelle Missachtung der Regeln nur nutzen, um selbst ins Geschäft zu kommen?“ Curd stand mit Karlchen beim unvermeidlichen Latte Macchiato.

„Was heißt hier 'ihr', du meinst 'wir.'“

„Ich habe mir das nicht ausgedacht. Und ich muss dir sagen, es gefällt mir überhaupt nicht.“

„Du hast doch nicht eine Liebe in Emmental?“

„Emmental ist mir Wurscht, was wir machen interessiert mich.“

„Jetzt bekomm' erst einmal heraus, ob es sich um dieselbe Firma handelt.“

„Und dann benützt ihr Benedikt und mich für eure schlimmen Geschäfte.“

„Benützen 'wir'.“

„Was?“

„Wir benützen Benedikt. Aber das ist ja nicht zu seinem Schaden, im Gegenteil. Er kommt groß raus.“

„So kann man das auch sehen. Du bist durch und durch verdorben trotz deiner Jugend.“

„Fahr nach Frankfurt, Hoheit. Dann sehen wir weiter.“

Fortschritt

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