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2.3.4. Globalisierung: ein unschätzbarer Fortschritt
ОглавлениеAuch wenn die Auswirkungen der Globalisierung in manchen Bereichen bedrohlich sind, so hat sie aber dennoch nicht hoch genug zu schätzende Vorteile: Die Globalisierung vermittelt mit ihrem globalen Blick auf unsere Welt eine fundamentale Wirklichkeit.
Sie zeigt die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge ebenso wie die Vielfalt und die kulturellen und politischen Vernetzungen unserer Welt. Sie ermöglicht uns, über den Tellerrand unserer eigenen Kultur, unsere staatlichen Grenzen hinauszusehen und daraus so etwas wie ein auf Vielfalt ausgerichtetes Verständnis zu entwickeln. Die Probleme der Erderwärmung, der Umweltverschmutzung, der in der Nahrungskette eingeschleusten Kunst- und Giftstoffe, der grenzüberschreitenden Auswirkung von Atomkraftwerken bis zu den Auswirkungen von Kriegen aller Art zeigen, unsere Welt ist mit oder ohne die Zerstörung durch Menschen ein in sich unendlich vernetzter Lebensraum. Die Globalisierung macht deutlich, dass wir unseren Lebensraum bisher noch nie aus der Sicht eines einzelnen Landes oder eines einzelnen Menschen verstehen konnten.
Was immer wir Menschen auf Reisen mitgenommen haben, was immer wir an Anregungen aus anderen Kulturen erfahren, was immer die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen und Religionen auch gebracht haben mag – es hat uns verändert und es wird unsere Welt auch weiter verändern. Wenn man einmal diese unauflöslichen Zusammenhänge, diese notwendigen Verschiedenheiten, die Erde als einheitlichen Lebensraum der Spezies Mensch gesehen hat, kann man diese Erfahrung nicht mehr ignorieren.
Das globale Verständnis unserer Welt ist der einzige, naturwissenschaftlich sinnvolle Ansatz. Allerdings ist dieses globale Verständnis nicht global verbreitet, sondern wird vor allem in den entwickelten Ländern und dort auch nur in den gebildeten Bevölkerungsschichten vertreten.
Die unterschiedlichen Kulturen und deren Wertesysteme sind Ausdruck unterschiedlicher, lokaler Entwicklungen. Diese zu erfassen und zu verstehen erfordert Neugierde, Engagement und Bildung. Beides steht in höchst unterschiedlichem Ausmaß zu Verfügung.
Die Globalisierung zwingt dieserart vielen Menschen eine Konfrontation auf, mit der sie weder gerechnet haben, noch der sie gewachsen sind. Der internationale Fremdenverkehr, Flüchtlingsströme, Menschen fremder Kulturen und Religionen stellen eine Herausforderung dar, die sowohl als Bereicherung, öfter aber auch als Bedrohung empfunden wird.
Es mag die menschliche Neugierde befriedigen, den Horizont erweitern, neue Überlegungen inspirieren, neue Kulturen und deren Religionen und Denkweisen kennen zu lernen, aber will man deswegen auch gleich mit den Anderen zusammenleben? Wünschen wir uns das Andersartige wirklich oder ertragen wir eigentlich nur geringe Abweichungen von unserer eigenen Gedankenwelt? Wir erleben Harmonie als Ausdruck der Übereinstimmung. Dem steht die Andersartigkeit diametral entgegen.
Harmonie besteht aber immer zwischen unterschiedlichen Elementen, die nur zusammen, gerade wegen ihrer unterschiedlichen Eigenschaften, zu einem gemeinsamen Erfolg führen können. Machtdenken und autoritäre Erfahrungen haben das Bild der Harmonie in unseren Köpfen verunstaltet. Machtdenken verwechselt Harmonie mit der Stille von unterdrückten Menschen, die sich einer befohlenen Auffassung nicht zu widersetzen getrauen.
Diese autoritäre Tradition, mangelndes Selbstbewusstsein, mangelnde Bildung, mangelndes Einkommen und das Infragestellen des bisher alleine Gültigen, kann nur zur Verunsicherung und daraus resultierenden Ablehnung dieser Herausforderung führen. Wenn die Globalisierung auch noch für ein geringeres Einkommen oder den Arbeitsplatzverlust verantwortlich gemacht werden kann, dann ist daraus jene politisch brisante Mixtur entstanden, die sich zurück in die Vergangenheit und zur nationalen Geborgenheit sehnt. Die nationale, engstirnige Selbstherrlichkeit ist Ausdruck der Begrenztheit.
Der Druck der hereindrängenden kulturellen Vielfalt mag schmerzlich und sogar bedrohlich sein – der Alleingültigkeitsanspruch der lokalen Kultur ist für immer relativiert – man kann nun nicht mehr so tun, als gäbe es keine Vielzahl anderer Kulturen und damit auch keine anderen Vorstellungen oder andere Lösungen.
Der unschätzbare Vorteil der Globalisierung ist, dass sie uns zwingt, diese Auseinandersetzung zwischen hergebrachtem autoritärem Denken und der Sinnhaftigkeit der Vielfalt zu führen. Globalisierung bedeutet, die eigenen Gültigkeitsansprüche zu relativieren und gemeinsam gegenseitige Achtung und Verständnis zu erarbeiten.
Menschenrechte können dagegen nicht vielfältig interpretiert werden. Schmerzen körperlicher wie geistiger Natur, Unterdrückung, Folter etc. sind immer gleich grausam. Menschenrechte sind daher nicht verhandelbar. Sie sind zu verbessern und auszufeilen, aber sie stellen (auch wenn man das als kulturellen Imperialismus interpretieren mag) ebenso wie z. B. die Erfindung von Schutzimpfungen ein unverzichtbares Kulturgut dar. Die Menschenrechtskonvention der UNO als globales Recht zu etablieren, wäre daher ein wesentlicher Bestandteil einer sinnvollen Weiterentwicklung der Globalisierung. An Bedeutung ebenbürtig wäre ein globaler, rechtlicher Rahmen des Schutzes von Ressourcen, sowie der von Flora und Fauna.
Globale Probleme und über die Grenzen der Staaten hinaus wirksame Konflikte können auf einer einzelstaatlichen Ebene nicht gelöst werden. Der Verlust an einzelstaatlichem Einfluss ist gelebte Realität, welche allerdings bisher ohne hinreichende Antwort auf der globalen Ebene geblieben ist.
Naturwissenschaft, Demokratie und Menschenrechte sind immer auf den gesamten Lebensraum und keineswegs nur auf den einzelnen Staat bezogen. Ethische Vorstellungen sind niemals an Grenzen gebunden, sondern sind in ihrer Botschaft immer an die gesamte menschliche Spezies gerichtet.
Die begrüßenswerte Seite der Globalisierung besteht in ihrer geistigen Qualität, im globalen Verständnis, in der globalen Sichtweise. Diese resultiert nicht aus Warenströmen. Ob man eine Banane aus Ecuador oder eine Mango aus Indonesien isst, bewirkt keine neuen Sichtweisen oder Erkenntnisse über unseren Lebensraum. Globales Verständnis ist eine Folge von persönlicher Offenheit und Neugierde gegenüber dem Leben und dessen Umfeld und globaler, zur Verfügung stehender Information. Das Zusammentreffen der persönlichen Voraussetzungen und der globalen Information bewirkt, dass das Bild unseres Lebens und unserer Welt global werden kann. Damit hätten wir Menschen, nach vermutlich 300.000 Jahren, endlich erreicht, dass unser Bild von unserer Welt mit dieser Welt tatsächlich beginnt einigermaßen übereinzustimmen.
9 Sohn des Zeus und der Maja; römisch: Merkur
10 Präziser: Das Angebot des Kaufmannes besteht nicht nur im Preis, sondern in der Kombination aus Menge, Qualität und Art der Ware und den dazugehörenden Preisen.
11 Athenischer Staatsmann und Lyriker; 640-558 v.Chr.
12 Athen, C. Meier, Siedler Verlag, Berlin 1993, Seite 69
13 Politiker im Athen des 6 Jhdt. v. Chr.; 565 – 492 v.Chr.
14 Athen, C. Meier, Siedler Verlag, Berlin 1993, Seite 188
15 Demokratie, H. Vorländer, C.H. Beck Verlag, eBook 2016, Pos. 173
16 495 - 429 v. Chr.
17 Die Politische Philosophie, A. Baudart, Dominos 1998, Seite 24
18 Griechischer Philosoph; 384 - 322 v. Chr.
19 Die Politische Philosophie, A. Baudart, Dominos 1998, Seite 39,40
20 Klassische Texte der Staatsphilosophie, Hrsg. N. Hoerster, DTV Verlag München, 13. Auflage 2006, Seite 53; Der Gedanke dürfte allerdings auf Platon zurückgehen, dessen Schüler Aristoteles war.
21 ebendort, Seite 54, 55
22 ebendort Seite 49
23 Die Politische Philosophie, A. Baudart, Dominos 1998, Seite 33
24 Athen, C. Meier, Siedler Verlag, Berlin 1993, Seite 185
25 Ebendort Seite 98
26 Klassische Texte der Staatsphilosophie, Hrsg. N. Hoerster, DTV Verlag München, 13. Auflage 2006, Seite 54,55
27 Klassische Texte der Staatsphilosophie, Hrsg. N. Hoerster, DTV Verlag München, 13. Auflage 2006, Seite 48,49
28 Ebendort Seite 138
29 Magna Carta Libertatum vom 15.7.1215
30 Habeas Corpus Act 1679
31 Die Bill of Rights lautet in der vollständigen Bezeichnung: Act Declaring the Rights and Liberties of the Subject and Settling the Succession of the Crown
32 http://www.wvo-dill.de/projekte/2009_grundrechte/HP/menschenrechte.html
33 Es atmet mich, Friedrich Wegenstein, Momsenstein und Vannerdat, Münster 2016, Seite 140
34 Artikel 1 der Erklärung der Menschenrechte der UNO: »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren…«
35 Klassische Texte der Staatsphilosophie, Hrsg. N. Hoerster, DTV Verlag München, 13. Auflage 2006, Seite 215
36 Siehe Artikel 23 bis 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO
37 Wenn es darum geht, die notwendige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, Rechtssicherheit zu gewähren und den Besitz und den freien Kapitaltransfer zu gewährleisten.
38 http://media.unwto.org/press-release/2017-07-14/strong-tourism-results-first-part-2017
39 Dabei wird die Stärke grenzüberschreitender Handels-, Investitions- und Einkommensströme in Relation zum BIP sowie eventuelle Handels- und Kapitalverkehrsströme berücksichtigt.
40 ETH, Zürich, KOF, Medienmitteilung 4.3.2016; KOF Globalisierungsindex 2016
41 http://www.passportindex.org
42 http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52543/entwicklung-des-warenhandels
43 Das GATT (General Agreement on Tarifs and Trade) Abkommen trat bereits 1948 in Kraft. Deutschland und Österreich sind dem Abkommen 1951 beigetreten. Alle Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) sind Vertragspartner des GATT.
44 http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Dokumentnummer=NOR40081382
45 Umweltinstitut München, Gefahren für Demokratie und Daseinsvorsorge, Jefta- Das Abkommen mit Japan, http://www.umweltinstitut.org/themen/verbraucherschutz-handel/freihandelsabkommen/hintergrundinformationen/jefta-das-abkommen-mit-japan/gefahren-fuer-demokratie-und-daseinsvorsorge.html
46 http://www.eu-umweltbuero.at/inhalt/eu-kommission-leitet-gerichtsverfahren-gegen-bilaterale-investorenschutzabkommen-zwischen-mitgliedstaaten-ein
47 http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/ttip-schiedsgericht-streit-die-meisten-klaeger-kommen-aus-europa-a-1084640.html
48 David Ricardo (1772–1823), Engländer und einer der Hauptvertreter der klassischen Nationalökonomie
49 http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/kritik-an-deutscher-wirtschaftsbilanz-warum-ein-hoher-exportueberschuss-zum-problem-werden-kann/19697406.html