Читать книгу Knapp Wertvoll Sparsam - Friedrich Wegenstein - Страница 8
2. Die Wirtschaft hat sich der Ethik zu beugen 2.1. Die Ethik von Kaufleuten
ОглавлениеBereits in der griechischen Mythologie wird der Gott Hermes9 als Götterbote, aber auch als Gott der Kaufleute und der Diebe bezeichnet. Vermutlich wird durch diese Mehrfachrolle bereits der schmale Grat zwischen einem fairen Geschäft und einem überhöhten Preis (der eigentlich schon Diebstahl darstelle) angedeutet.
Zweifellos ist es eine sittliche Versuchung für jeden Kaufmann, den höchstmöglichen Preis für seine Ware zu verlangen, auch wenn er damit vielleicht eine Notlage oder die Unwissenheit eines Kunden ausnutzt. Die kaufmännische Tugend der Vorsicht muss man als Eigeninteresse interpretieren: Wichtig ist, dass mein Risiko für mein Unternehmen so gut wie nur möglich abgesichert ist, auch wenn jemand anderer dabei draufzahlt.
Die Frage eines fairen, moralisch gerechtfertigten Preises ist kaum lösbar: Das kaufmännische Risiko kann man je nach angenommenem Szenario und vermuteter Eintrittswahrscheinlichkeit höchst unterschiedlich einschätzen, weshalb die daraus resultierende, in den Preis einkalkulierte, Risikoprämie unterschiedlich hoch sein muss. Auch zahlen Kunden um der Exklusivität willen (Snob-Effekt) manchmal bewusst gerne einen höheren Preis. Einschätzungen, Zukunftserwartungen, emotionale Entscheidungen lassen sich nicht einheitlich berechnen und sind daher lediglich dem Urteil der Handelnden unterworfen.
Kaufleute sind seit jeher im anspruchsvollen Spannungsfeld zwischen dem eigenen materiellen Vorteil und der gesellschaftlichen Verpflichtung des Interessenausgleiches tätig. Dabei sind sie in der Regel auf sich gestellt und entscheiden an Hand der Höhe des von ihnen kalkulierten Preises10, ob ihr Handeln ethisch vertretbar ist oder nicht. Allerdings kann ein überhöhter Preis auch von der Gesellschaft (dem Gesetzgeber) oder von Konkurrenten verhindert werden.
Die Einschränkung durch Konkurrenz ist allerdings nicht ethisch motiviert, sondern materiell: Der Kampf um den eigenen Vorteil lässt den überhöhten Preis des Konkurrenten zumeist nicht zu.
Die Ethik in der Wirtschaft befindet sich daher im gleichen Spannungsfeld wie die Ethik des täglichen Lebens: Es gilt, den Interessenausgleich zwischen Menschen in demokratischer Weise herzustellen. Jeder Interessenausgleich hat die Aufgabe, (sinnvolle) Einzelinteressen gegeneinander abzuwägen. Damit wird aber schon jetzt klar, dass eine ungebremste, uneingeschränkte Wirtschaft niemals den Anforderungen eines Interessenausgleiches genügen kann. Der Götterbote hat vielmehr die Habsucht des Diebes so einzugrenzen, dass das Handwerk des Kaufmannes zum ethisch vertretbaren Handeln wird.
Unsere ethischen Werte basieren auf jenen Grundgesetzen, wie sie in allen Weltreligionen in ähnlicher Form zu finden sind. Dazu kommt die Herausforderung, den Nächsten wie sich selbst zu lieben, welche die ethische Basis des Christentums bilden sollte, als auch die Werte der Aufklärung, aus denen die Demokratie und die Menschenrechte hervorgegangen sind. In den religiösen Grundgesetzen ist allerdings nichts über Täuschung, Nötigung oder die einseitige Ausnutzung eines materiellen Vorteils zum Nachteil des Anderen zu finden. Lediglich die Forderung nach der ausbalancierten Wertschätzung zwischen sich und dem Anderen lässt eine moralische Grenze zwischen dem eigenen Vorteil und dem Nachteil des Anderen erkennen. Für den Unterlegenen lässt sich daraus aber kein Rechtsschutz ableiten.
Erst als sich mit der Aufklärung eine herrschende Klasse ihr Recht nicht mehr ganz einfach nehmen konnte, sondern das Recht allen gleichermaßen zukommen sollte, wurde die Willkür des Mächtigen durch das staatliche Recht (als durchsetzbarer Anspruch) eingeschränkt.