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Beryl betrat die Wohnung auf Mallorca. Eigentlich hatte sie gehofft, die Wohnung für sich allein zu haben, aber sie freute sich dann doch, dass Jenny da war.

»Hallo Beryl. Mit dir habe ich gar nicht gerechnet!«

Jenny kam ihr entgegen, sie hatte nur ein langes T-Shirt an und nahm Beryl in die Arme.

»Ich habe mich gerade auf einen langweiligen Fernsehabend eingestellt. Wie sieht es bei dir aus, weggehen, quatschen?«

»Luftholen und dann quatschen, bin zurzeit ziemlich von der Rolle. Schön, dass du da bist.«

Beryl erzählte von Marcel, von ihrem Besuch bei seiner Mutter und dem Streit mit Denis. Sie erzählte ohne Unterbrechung, 20 Minuten lang.

Jenny holte tief Luft.

»Meine Güte, Beryl, was für eine Geschichte!«

»Ich habe das alles auch nicht auf die Reihe gebracht. Ich dachte mir, erst mal raus da. Hier fühle ich mich tatsächlich schon etwas besser. Der Abstand tut ganz gut. Gehen wir etwas trinken, oder wann fliegst du wieder?«

»Übermorgen Abend. Ich wollte die leere Wohnung nutzen, um für meine Prüfung zu lernen. Ich habe es immer noch nicht aufgegeben, im Fernstudium mein Diplom in Wirtschaft zu machen.«

»Dann werde ich dich mal nicht ablenken.«

»Quatsch, aber wie sieht es mit dir und einer Kneipe aus? Wann fliegst du wieder?«

»Erst in drei Tagen von Düsseldorf aus.«

»Es gibt also keine Gründe, die gegen ein Bier sprechen würden?«

»Nein, genug Zeit, um auszunüchtern.«

Eine halbe Stunde später saßen beide in einem Club in Palma. Ein netter Ort, den sie oft besuchten.

»Mache dir nicht zu viele Gedanken, Beryl. Ich meine, ob es nun Selbstmord war oder nicht, ich denke, dass die Polizei das herausbekommen wird. Und egal, was es war, es hat nichts mit dir zu tun. Du warst zufälligerweise sein Trainingskapitän, na und? Ich habe den Eindruck, du ziehst dir die Verantwortung für etwas rein, auf das du keinen Einfluss hattest. Selbst wenn Marcel labil war, er ist durch unser Auswahlverfahren gekommen. Da waren eine Menge Fachleute dabei. Wenn es ihm tatsächlich gelungen ist, die alle über seine mentale Verfassung zu täuschen, dann brauchst du dir keine Vorwürfe zu machen, weil du nicht mitbekommen hast, wie es in Marcel aussieht.«

»Das sage ich mir auch immer wieder. Ich will mich jetzt auch nicht in irgendetwas verrennen. Es kommt einfach alles zusammen. Wenn plötzlich jemand stirbt, den man kannte, dann denkt man irgendwie auch über sein eigenes Leben nach. Ist das alles richtig, so, wie es ist? Dann noch der Streit mit Denis. Ich frage mich, ob mit meinem Leben alles richtig läuft.«

»Na ja, immerhin bist du Kapitän, so schlecht läuft es bei dir nicht. Sieh im Vergleich mal mich an: Stewardess. Das ist kein richtiger Beruf, Saftschubserin oder Tablettschleuder, wie immer du es nennen willst, nach sechs Wochen Ausbildung ist man das. Klar, wenn man jung ist, eine super Sache, aber wenn man dann älter wird? Ich brauche dir nicht zu erzählen, dass es körperlich echt schlaucht, dann die Schichtarbeit und alles andere als gut bezahlt. Und nicht zu vergessen, die trockene Luft ist Gift für die Haut.«

»Wem sagst du das, vorne bei uns ist die gleiche Luft.«

»Und der ganze Mythos vom Stewardess-Sein ist auch Blödsinn. Das mit dem Die-Welt-Sehen hat sich ziemlich relativiert, und die Männer im Cockpit sind auch nicht so toll, wie ich mir das immer vorgestellt habe.«

Beryl lachte.

»Und die Frauen?«

»Die Frauen im Cockpit? Beryl, die sind besser, eindeutig besser!«

»Mal im Ernst, Jenny. Wie weit bist du mit deinem Studium?«

»Ich hänge mich seit zwei Jahren ziemlich rein. Ich schätze mal ein Jahr noch oder zwei.«

»Und dann?«

»Das habe ich mir noch nicht so richtig überlegt. Vielleicht in die Verwaltung von Filomena Airways wechseln oder so. Ich würde die Fliegerei ungern an den Nagel hängen. Und du?«

»Ich denke darüber nach, vielleicht mal eine Auszeit zu nehmen, ein Jahr oder so. Und dann weitersehen. Ich könnte mich auch mal umsehen, muss nicht unbedingt Filomena Air sein, für die ich arbeite.«

»Mach langsam, Beryl. Wart mal ab, wie sich das mit Denis und dir weiterentwickelt. Und wenn es zwischen euch wirklich mal vorbei sein sollte, dann arbeite lieber darauf hin, es ohne Rosenkrieg zu beenden. Das ist in jedem Fall besser, als jetzt schon über eine neue Fluglinie nachzudenken. Allein schon wegen mir, du bist immer noch mein Lieblingskapitän.«

Beryl musste lachen.

»Wie lange seid ihr jetzt eigentlich schon zusammen?«

»Es werden wohl schon fast fünf Jahre sein. Wir haben auch schon über das Heiraten nachgedacht. Aber nach gestern Abend?«

»Beryl, es war ein schlechter Abend, und ein Streit kommt in den besten Beziehungen vor.«

»Ich bin mir nur nicht sicher, ob es tatsächlich nur ein Streit war, oder mehr.«

Jenny seufzte.

»Wer weiß? Warten wir mal ab, was du in ein paar Tagen darüber denkst, und amüsieren wir uns in der Zwischenzeit etwas. Siehst du die beiden Ragazzi da drüben? Die glotzen uns schon die ganze Zeit an! Was hältst du von einem kleinen Flirt, nur um auf andere Gedanken zu kommen?«

»Versuchen wir es, wenn ich mir noch länger selbst leidtue, wird es auch nicht besser.«

Jenny drehte sich zum Tisch mit den beiden jungen Männern um, lächelte hinüber und hielt ihr leeres Weizenbierglas nach oben. Die beiden Männer standen auf und kamen lächelnd zu ihnen rüber.

»Wie einfach die Kerle doch gestrickt sind«, stellte Jenny fest, während sie die entgegenkommenden Männer anlächelte.

»Ich habe nie verstanden, warum man denen erlaubt, so ein komplexes System wie ein Flugzeug zu bedienen. Vor allem, da das doch Multitasking-Fähigkeiten erfordert, was Männern ja bekanntlich völlig abgeht. Ich fühle mich jedenfalls sicherer, wenn eine Frau mit im Cockpit sitzt und ein Auge auf alles hat. Hi guys, what’s up?«

Notlandung

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