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40 Chinesen

Mittwoch, 12:03 Uhr

Ich bin mal wieder auf dem Weg Richtung Nürburgring. Das 24-Stunden-Rennen steht an. Kurz hinter Stuttgart klingelt es heftig an meinem Schließmuskel. Ein Schild neben der Autobahn verrät mir, dass es bis zur nächsten Raststation noch 25 Kilometer sind. Ich gebe meinem Opel die Sporen. Hinter mir blitzt es.

Mittwoch, 12:07 Uhr

Mich erreichen zwei Mitteilungen, fast gleichzeitig.

Erstens: Mein Navi schlägt mir eine Ausweichroute vor. Ich lehne den Vorschlag ab. Jetzt ist keine Zeit für Sightseeing.

Zweitens: Der Verkehrsfunk auf SWR3 teilt mir mit, dass sich in meiner Fahrtrichtung ein Unfall ereignet hat. Es hätte sich bereits ein Stau gebildet.

In Panik schalte ich den Turbo dazu und trete das Gaspedal bis zum Anschlag durch.

Mittwoch, 12:15 Uhr

Ich sehe das Stauende auf mich zukommen. In Deutschland kennt man keine Rettungsgasse. Ich weiche daher auf den Pannenstreifen aus und behalte das Tempo bei.

Mittwoch, 12:21 Uhr

Endlich biege ich auf den Rastplatz ein und parke direkt hinter einem polnischen Reisebus, der, grob geschätzt, 40 Chinesen ausspuckt. Ich schließe mein Auto ab und sprinte Richtung Sanifair. Vor dem Automaten krame ich hektisch nach Münzen. Habe genau 20 Cent im Sack.

Mittwoch, 12:25 Uhr

Mit zusammengekniffenen Arschbacken und hervorstehenden Augen stehe ich an der Kasse und warte auf mein Wechselgeld. Ich rase zurück zum Automaten. Vor dem stehen jetzt, grob geschätzt, 40 Chinesen, die noch nie etwas von Sanifair gehört haben.

Jetzt wird es richtig eng. Das Gedränge an meiner Warenausgabe wird immer heftiger. Ein großer Räumungsverkauf kündigt sich an. Die Panik und die Bilder im Kopf sind für Nichtbetroffene nur schwer zu beschreiben. Dies würde jetzt auch den Rahmen sprengen. Daher ein kleines Rätsel. Finden sie Wortpaare, die nicht zusammen passen.

Erstens: Sommer – Hitze Zweitens: Winter – Kälte Drittens: Hammer – Nagel Viertens: Chinesen - Sanifair

Mein chinesischer Sprachschatz beschränkt sich auf Hähnchen süß-sauer und knusprige Ente. Aus unerfindlichen Gründen fällt mir plötzlich Inspektor Derrick ein. Ich zeige den Asiaten meinen Personalausweis und sage mehrmals laut ‚Polizei‘. Die Erhebung zur Amtsperson zeigt augenblicklich Wirkung. Man lässt mich durch.

Mittwoch, 12:31 Uhr

Geschafft. Endlich. Keine Sekunde zu früh. Ab jetzt ist es Sache des Klärwerks. Die Hose hätte das Volumen mit Sicherheit nicht verkraftet. Deshalb ein kurzer Schlenker ins Sanitätshaus. Ich habe mich in einem Supermarkt in Miami in die Hygieneabteilung verirrt. Da habe ich Sachen gesehen, dass wollen sie gar nicht lesen. Erwachsenenwindeln mit einer Gallone Fassungsvermögen. Das sind fast vier Liter! Nicht mal unser Aquarium hat so viel Wasser. Wer solche Windeln trägt, hat mit dem Leben abgeschlossen. Also, jetzt noch schnell den Wagen versorgen. Seine 300 PS haben mir schließlich den Tag gerettet. Nach knapp 30 Liter Super hat er genug. Walter Röhrl, der legendäre Rallye-Weltmeister, bringt das Verhältnis Mann - Auto auf den Punkt: „Man kann ein Auto nicht wie ein menschliches Wesen behandeln – ein Auto braucht Liebe“. Ich gehe zur Kasse und lege noch einen Schokoriegel auf den Tresen. Das Lesegerät verlangt meine Karte und ich gebe den Code ein. Eine Minute später fädle mich entspannt in den Verkehr auf der A8 ein. Wenn es gut läuft bin ich in knapp vier Stunden am Nürburgring. Auch „Die grüne Hölle“ genannt. Es hätte nicht viel gefehlt und der Tag wäre für mich zur braunen Hölle geworden.

Freitag, 11:00 Uhr

Bei mir zu Hause klingelt es an der Wohnungstür. Meine Frau macht auf. Vor ihr stehen zwei Polizisten. Das ist per se kein gutes Zeichen. Natürlich könnte es sein, dass das gechipte Haustier überfahren wurde und jetzt die amtliche Todesnachricht überbracht wird. „Dürfen wir reinkommen? Sie sollten sich setzen“. Aber wir habe kein Haustier und meiner Frau fällt ein, dass ich ein 24-Stunden-Rennen fahre. Der Nürburgring, insbesondere die Nordschleife, genießt bei den Witwen der Fahrer keinen guten Ruf. Als meine Frau aus ihrer Ohnmacht erwacht, teilt ihr einer der Beamten mit, dass wegen Tank-betrug nach mir gefahndet wird. Das ist nicht schön, aber doch eine gewisse Erleichterung. Aus diesem Wochenende können folgende Erkenntnisse gewonnen werden:

Erstens: Halten sie immer genügend Münzen vorrätig. Bei Sanifair mindestens 70 Cent.

Zweitens: Chinesen haben Respekt vor der Polizei.

Drittens: Geben sie beim Bezahlen immer die Nummer ihrer Zapfsäule bekannt. Sonst wird nämlich nur der Schokoriegel berechnet.

Viertens: Brille aufsetzen, Betrag kontrollieren, Code eingeben. Von dieser stringenten Reihenfolge sollte auch in Extremsituationen nicht abgewichen werden.

Die Kameras an der Tankstelle haben meinen Weg zur Kasse aufgezeichnet, wodurch mein Wille zur Bezahlung eindeutig bewiesen war. Das Verfahren wurde eingestellt. Der Blitz hinter Stuttgart brachte mir einen Punkt in Flensburg. Beim 24-Stunden-Rennen wurde ich zweiter in meiner Klasse.

Der schwarze Kakadu

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