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Оглавление3. Zornige Worte
67 nach Christus - Frühling (2. Aprilis)
Imperium Romanum – Exercitus Germania Inferior
Auch im übrigen Land, nördlich der Alpen, atmeten die Menschen auf, je weiter die Sonne aufstieg, der sie hindernde Schnee hinweg taute und sich als Zeichen des neuen Wachsens und Werdens erste Blumen und Gräser zum Licht schoben.
Ancus Seronatus und sein Gefährte Mamercus Agatopus fanden sich, dank der Unterbringung im Haus der alten Sibilla, mit den widrigen Bedingungen in Germanien ab. Nahmen Schnee und Kälte überhand, verbarg sich Mamercus innerhalb des Hauses oder behielt sich den Verbleib innerhalb der Colonia Claudia Ara Agrippinensium vor.
Ancus jedoch ließ sich, in seinem Tatendrang, nicht beirren. Ihm gefiel die neue Rolle als Pferdehändler, der er sich mit solcher Inbrunst widmete, dass sein Gefährte sich nicht nur wunderte, sondern auch leicht beunruhigt wirkte.
Bot das Wetter jedoch mildere Zeiträume an, schwang sich neben Ancus auch Mamercus auf sein Pferd und begleitete den Gefährten beim Aufsuchen der Züchter, von denen Ancus zukünftige Verkäufe guter Tiere erwartete. Dieses Auftauchen schien zu überraschen und war zumindest ungewöhnlich, vermieden andere Händler doch einen Besuch in der kalten Jahreszeit. Ancus aber pflegte seine einmal begonnenen Beziehungen und weil er nicht nur gelegentlich auftauchte, sondern fast regelmäßig erschien, festigte er seine Verbindungen, die sich nur günstig auswirken konnten. Seine Besuche gingen immer auch damit einher, dass er nicht nur den Züchter aufsuchte, sondern auch die von ihm ins Auge gefassten Pferde.
Es war Ancus nicht schwer gefallen, mit ausgezeichnetem Zuchtmaterial pünktlich zur Verabredung beim Legat der Legio I Germanica in Bonna aufzutauchen und mit diesem handelseinig zu werden. Die Güte vorgestellter Pferde überzeugte Legat Fabius Valens vollständig und so war es ein nur kleiner Schritt, weitere Aufträge zur Beschaffung solcher Tiere zu erhalten.
Ancus fand, dass ein Anfang gemacht war und weil auch der ausgehandelte Preis, bei sofortiger Bezahlung, seine Zufriedenheit förderte, erweiterte er das Gebiet, in dem er in Zukunft nach Züchtern zu suchen beabsichtigte.
Dieser erste Erfolg bewirkte, dass ihn auch weder das Wetter mit seiner winterlichen Kälte, noch tiefer Schnee, zurückhalten konnten. Er suchte und fand weitere Züchter, die mit zahlreichen Jungtieren in ausreichender Güte, seine Besuche zu würdigen wussten.
Sein Handel nahm Formen an, die er einst selbst kaum vermutete. Die Legionen und Alae der römischen Auxiliaren waren dankbare Abnehmer. Weil er es verstand die Männer, die Entscheidungen trafen, zu beeindrucken, häuften sich seine Aufträge.
Zwei Vorteile ergaben sich aus seinen Bemühungen.
Einmal erkannte er die Zufriedenheit oder aber auch Abneigung der Züchter, Pferde für römischen Bedarf anzubieten. In den Gesprächen mit diesen hörte und bei ihrem Zusammentreffen sah er die Bedingungen, unter denen diese Männer lebten, ihre Zucht aufrecht erhielten und was sich als Gewinn, aus der mühevollen Tätigkeit, ergab. Weil er auch in die Ställe ging und sich nicht scheute Gespräche mit den Stallburschen oder anderen Bediensteten zu beginnen, vernahm er auch deren Meinungen. Es wurde Ancus somit möglich, das Leben in Germania nicht nur kennenzulernen, sondern auch zu verstehen.
Ancus lernte die Vorgehensweise der Germanen und Kelten kennen, die aus dem Bestand ihrer Zuchttiere neue, starke und vor allem schnelle und ausdauernde Tiere hervorzubringen gedachten. Er wusste wie die Züchter fütterten, wie die Tiere gestriegelt oder gar gewaschen wurden, welchen Auslauf sie hatten und wer diese mit der handzahmen Führung vertraut machte. Weil er sich bei zahlreichen Züchtern, auf diese Art zu erkennen gab und noch dazu gute Preise bot, würdigten diese sein Vorgehen mit deren Anerkennung.
Über diesen ersten Vorteil hinaus fand er auch Zugang zu dem Land mit seinen oft nicht so leichten Lebensbedingungen. Seine Reisen zeigten ihm mit den tiefen Wäldern, zahlreichen Bächen und Flüssen, Seen und auch Morasten eine Schönheit, die so bizarr und erdrückend einerseits, aber andererseits auch geheimnisvoll und spannend auf ein Leben der Stämme verwies, das er aus seiner Heimat so nicht mehr kannte.
Hier war der Nachbar der wichtigste Feind!
Ein Chatte war des Sugambrer Feind, dieser wiederum lag im Streit mit Marser, Usipeter und Mattiaker. Auch Brukterer, Chamaven und Amsivarier hassten einander. Nur in einer Sache vereinte sich deren Hass und ließ die inneren Beziehungen untereinander vergessen…
Einig waren sie sich gegen die Ubier, die einst auch im Gebiet rechts des Rhenus lebten, dann von Rom umgesiedelt wurden. Weil dieser Stamm sich Rom öffnete, fortan für das Imperium Leistungen erbrachte, brachen die Ubier die Front gegen den neuen und gefährlichen Feind Rom auf. Was Ubier taten, wurde von allen germanischen Stämmen verfemt und so einte alle der Hass gegen diesen einst mächtigen Bruder. Die Ubier nahmen die Feindschaft an und fühlten sich noch mehr zu Rom hingezogen.
Eine noch andere Trennlinie nahm Ancus zwischen Männern wahr, die ihre Herkunft von Germanen oder Kelten ableiteten. Er verstand diesen Unterschied nicht, zumal der sich, nach seiner Wahrnehmung, nicht auf zu große Unterschiede in der Lebensform zurückführen ließ.
Traf er mit Züchtern zusammen, musste er im Vorhinein wissen, aus welcher Abstammung der Mann kam, welchen anderen Züchter, die sich letztlich untereinander kannten oder nur von einander zu wissen glaubten, durfte er erwähnen oder sich gar darauf berufen und wen sollte er niemals in ein Gespräch einbringen… Es verblüffte ihn, wie sehr die Herkunft eines Mannes, bei gleicher Art des Lebens, über Zuneigung und Feindschaft bestimmte.
Diese Verhältnisse prägten seinen Umgang und machten seine Bemühungen einerseits spannend und auch sehr abwechslungsreich. Er war in diesen Dingen zu Anfang nicht bewandert, eher recht unerfahren und verhielt sich deshalb auch fehlerhaft. Damit einher ging der Verlust so einiger Züchter, denen er selbst sich mit Wohlwollen genähert hatte, die ihn aber wegen, in seinen Augen, nichtiger Kleinigkeiten aus ihren Häusern jagten. Es war dabei nicht der Römer in ihm der störte, sondern mitunter nur das eine falsche Wort über einen anderen Züchter, über eine andere Herkunft und seltener war es der Gedanke an den Wettbewerb, dem beide Züchter unterlagen. Ancus lernte und kam immer besser zu recht.
Die Besonderheit der Ubier war leicht zu beachten, auch der Unterschied zwischen Germanen und Kelten ließ sich meistern, welcher Mann eines germanischen Stammes aber mit welchem anderen Mann eines anderen solchen Stammes harmonierte, blieb ihm bei den Stämmen der Germanen und auch den Kelten lange ein Rätsel…
Daraus gingen Fehler hervor, die letztlich dazu führten, dass er bei den Züchtern der Chamaven kaum noch erscheinen durfte. Dies bewirkte, dass auch die Amsivarier aus seiner Suche ausschieden und verärgerte ihn, weil er dort zwar nur einen Züchter fand, der aber auf eine sehr gute und umfangreiche Zucht verweisen konnte. Wollte er zum Amsivarier dann musste er durch das Land der Chamaven. Wie würden diese wohl auf einen Durchzug seiner Herde antworten, wählte er diesen Weg? Ancus sah die Unmöglichkeit ein und fand sich mit den Hemmnissen ab. Weil er weiter nördlich wenig Rückhalt fand, wandte er sich den südlicheren Gefilden zu. Die Vangionen und Treverer erregten seine Aufmerksamkeit.
Ancus machte noch eine andere Erfahrung. Pferdezucht schien eine Tätigkeit zu sein, der sich viele Stämme zuwandten. Es waren dabei nicht die Fürsten, die sich der Zucht besserer Reittiere annahmen, sondern zumeist entfernte oder auch nähere Verwandte. Einmal schienen Machtverhältnisse Einfluss zu besitzen und auch Reichtum oder Ansehen eine gewisse Rolle zu spielen… Bessere Pferde, veredelt durch Tiere, die Römer in dieses Land brachten, schienen dabei eine große Rolle zu spielen. Die zwar zähen, ausdauernden und genügsamen Rosse der Germanen und Kelten besaßen zweifellos Vorzüge, aber auch entschiedene Nachteile. Sie wurden deshalb mit Pferden gekreuzt, die wesentlich größer und schneller waren, sowie auch über mehr Kraft verfügten. Ancus fand die Zuchtergebnisse sehr interessant und war oft erstaunt, welche Merkmale junge Tiere aufwiesen.
War die erste Lieferung an den Legat Valens schon ein Erfolg, so brachte ihm die zweite Lieferung, an den Aufkäufer der Ala I Praetoria, einen Veterinarius, den von ihm angestrebten Gewinn, das Vertrauen des Mannes in seine Fähigkeiten und ein entsprechendes Ansehen. Seine eigene Zufriedenheit über diese fünfzig gelieferten Tiere stimmte ihn auch für die Zukunft zuversichtlich. Ein nachfolgender Auftrag für den Herbst, mit wieder ungefähr fünfzig Tieren, zwang Ancus, weitere Züchter zu suchen.
Bald stand eine andere Lieferung, von diesmal nur etwa dreißig Tieren, an den älteren Decurio der Ala Sulpicia, bevor. Noch hatte er nicht die erforderliche Zahl der Pferde zusammen.
Weil ihm dafür aber über einen Monat Zeit blieb, war Ancus, diesmal in Begleitung von Mamercus, aufgebrochen, den Onkel des Präfekt Tutor aufzusuchen. Belletor erteilte ihm einst diesen Auftrag und weil sich die Kälte abmilderte und der Schnee zu schmelzen begann, ritten beide Evocati in das Land der Treverer.
Albanus Betto war ein Fürst dieses Stammes, dessen Siedlungsgebiet sich am Unterlauf der Mosella ausdehnte. Sein Oppidium lag auf einem Berg am Fluss, der nur vom Norden her zugänglich sein sollte.
Zuerst ritten Ancus und Mamercus die im Tal des Rhenus verlaufende Heeresstraße entlang und erreichten das Castra Bonnensia des Legat Valens, dem sie aber keine Aufmerksamkeit widmeten. Ihr Ziel war das römische Kastell nahe des Vicus Antunnacum, in dem sie eine Übernachtung erhofften. Das Lager befand sich auf einer kleinen Erhebung unmittelbar am Fluss und zeigte wenig Vorzüge, die eine günstige Übernachtung versprachen. Also setzten sie ihren Weg fort und gelangten in den Vicus, in dessen Mittelpunkt eine Taverne, die wesentlich einladender wirkte, auf Besucher zu warten schien.
Am nächsten Morgen nahmen sie den weiteren Weg in Angriff und weil sie ständig in Richtung der mittäglichen Sonne ritten, stießen sie in der Mitte des Tages auf die Mosella, der sie nur weiter flussauf zu folgen hatten. Die Beschreibung des Mannes, der ihnen die Lage der Siedlung des Fürst der Treverer anzeigte, war sehr genau. Sie fanden einen kleinen Vicus am Fluss Mosella, der überwiegend von Handwerkern bewohnt war und am Fuße eines Hügels lag. Schnell gewannen sie die Gewissheit, den Aufstieg auf den kleineren Berg nicht vom Fluss her vornehmen zu können. Deshalb folgten sie einem Weg, der sich zwischen zwei fast gleichartigen Gipfeln hindurch zwängte. Ein Bergpfad öffnete sich und mit etwas Mut und Vorsicht gelangten sie über diesen Pfad auf den Gipfel.
Zuerst wählten sie die größere Kuppe, die weit mehr Bebauung und noch zumal Schutz durch ein Mauerwerk aufwies. Sie stießen auf ein Tor, das in früherer Zeit seinen Zweck erfüllt haben mochte und auch jetzt noch wie ein schwer einzunehmendes Bollwerk wirkte. Den Blick entlang der Mauer schweifen lassend, erkannte Ancus Schwachstellen, die sich einem Eindringen nur unzureichend in den Weg stellten.
Will man einen Fremden besuchen, ist es nicht ratsam durch die Hintertür einzudringen. Deshalb wählten die Römer das Tor und wurden dort von zwei Bewaffneten aufgehalten und befragt. Die beiden noch jungen Burschen verlangten von ihnen zu warten und riefen selbst einen Knaben, der sie zum Herrn der Siedlung bringen sollte.
Die Römer führten ihre Pferde am Zügel, als sie dem Knaben folgten. Die Straße, besser der Weg, war schlammig, von Pfützen geprägt und dennoch der deutlich wichtigste Weg innerhalb der Siedlung.
Der Bursche, der sie führte, mochte noch keine vierzehn Winter erlebt haben. Er sprang belustigt über Pfützen, lachte lauthals, wenn seine Füße nicht im Matsch landeten und kümmerte sich wenig um die ihm folgenden Fremden.
„He Knabe…“ rief ihn Ancus zu sich. Fast widerwillig gehorchte der Bursche.
„… wie heißt dein Herr?“ schloss der Römer die Frage an, die ihn über das Erreichen seines Zieles aufklären sollte.
„Onkel!“ gab der Bursche Auskunft und trollte sich zu den Pfützen.
„Das wird kaum sein Name sein…“ rief ihm der Römer verärgert nach.
Es waren nicht die Worte, die den Burschen hinderten, seinem Spaß nachzugehen. Es war der Ton der Worte, der ihn warnte. Sprach der Onkel in diesem Ton, folgte oft die Peitsche und diesem Vergnügen zollte er weniger Begeisterung. Der Warnung seiner Erfahrung folgend, trottete er zu den Römern zurück.
„Du wolltest mir den Namen deines Onkels nennen…“ bot Ancus die Gelegenheit zur Wiedergutmachung und der Bursche stieg ein.
„Onkel Albanus…“ folgte Aufklärung.
„Albanus … wer?“ stieß der Fremde nach und schien noch immer nicht vollständig begriffen zu haben.
Der Knabe blieb stehen und dachte angestrengt nach.
„Na Betto!“ erhellte sich sein Blick und er nickte mehrmals zu dieser Erkenntnis.
Ancus Blick nahm die begrenzten Fähigkeiten des Knaben zur Kenntnis. Es war nicht böser Wille oder Nachlässigkeit im Verhalten des Knaben. In dessen Welt schien dieser Onkel ein Mittelpunkt zu sein und weil er wohl nicht so helle im Kopf war und auch nichts Anderes kannte, ging ihm erst dann auf, worauf der Fremde abzielte, als sich seine oft gequälte Seele heftiger Schläge erinnerte, erfüllte er einen Auftrag nicht zur Zufriedenheit dieses Onkels. Der Knabe führte wohl innerhalb der Siedlung das aus, was man einem beschränkten Geist gefahrlos überlassen konnte. Er brachte die Fremden zum Fürst.
Ancus wunderte sich, sollte doch diese Aufgabe Klügeren übertragen sein, die Fremde aushorchten, ausfragten, beurteilten und dem Herrn, vor dem Zusammentreffen, berichten, was sie erfahren konnten. So zumindest wäre er vorgegangen… Hier aber schien alles etwas anders abzulaufen. Schon die Jugend der Torwache verblüffte, waren diese Kerle doch keinesfalls Krieger…
Sie steuerten auf ein größeres, aus Stämmen gebautes Gebäude zu, dass sie über drei Bohlenstufen betreten konnten, wenn sie eine zwischen den Stufen und der Tür liegende Fläche überwanden. Sie gelangten bis zur Mitte dieses Vorbaus, als das große Tor zur Vorhalle des Gebäudes aufgerissen wurde. Vor Ancus stand der gesuchte Mann.
Die Männer musterten sich. Der Knabe verschwand augenblicklich, fast unbemerkt.
Ancus Blick blieb auf dem Handrücken der linken Hand des Fürst hängen. Jetzt wusste er genau, dass er den Mann gefunden hatte, den er aufsuchen sollte. Die Narbe war überdeutlich. Ein Wulst, noch dazu von schmutzigem Braun, hob sich aus dem Handrücken hervor. Es war die Hand, mit der Albanus Betto, gegenüber dem Legat, seinen Schwur leistete.
„Herr…“ Ancus deutete durch das Senken seines Kopfes Ehrerbietung an. „… man sagte mir, dass du als Fürst eine beachtliche Pferdezucht betreibst…“ Betto starrte ihn an.
„Ich bin Pferdehändler und suche gute, starke und schnelle Tiere. Kannst du mir helfen?“
„Dann bist du hier falsch!“ knurrte der Angesprochene.
„Stimmt nicht, was ich hörte?“ blieb Ancus hartnäckig. Er wies in seiner Frage Zweifel aus.
„Warum glaubst du, ein Fürst beschäftigt sich mit Pferden, wenn sein Stamm andere Sorgen besitzt? Warum sollte ich meine Pflichten vernachlässigen und mich um Pferde kümmern?“ Die Antwort kam schroff und abweisend.
„Komm Mamercus, hier scheinen wir falsch zu sein… Treverer, obwohl allgemein als gute Reiter und tapfere Männer bekannt, kümmern sich nicht um die Tiere, die zu ihrem Ruhm beitrugen.“ Ancus wandte sich ab und deutete seinen Rückweg an.
„Warte!“ hörte er hinter sich und blickte zurück.
„Ich bringe dich dorthin, wo du einen Züchter findest… Deine Schmähung aber vergesse ich nicht!“ Die ausgesprochenen Worte klangen nach Hilfe, der Ton aber nach einer Herausforderung.
„Warum bist du verärgert, wenn ich der Spur des Ruhmes stolzer Pferde zu dir folgte? Verzeih mir meine Unkenntnis, aber sollte nicht der Fürst des Stammes, der solche Zucht besitzt, diese auch als sein Eigen bezeichnen dürfen? Wer, wenn nicht der Fürst entscheidet, ob ein Handel gilt, wenn es seine Stammesangehörigen sind, die sich auf die Kunst einer guten Zucht verstehen?“ Ancus kümmerte sich nicht um die zuvor vernommene Herausforderung.
„Entweder Römer, bist du ein Schmeichler und deine Worte triefen vor Ehrfurcht, weil du gute Pferde zu niedrigen Preisen wünschst oder du bist ein Dummkopf, der glaubt, dass Pferde wichtiger sind als Männer…“
Die Kälte und Zurückweisung in Bettos Stimme wiesen Ancus auf seine Grenzen hin. Der Fürst war voller Hass. Auf wen dieser abzielte, blieb noch im Dunkel. War es Rom, waren es die Legionen oder was auch immer… Er würde es noch herausfinden.
„Wohin bringst du uns?“ fragte Ancus, als sie auf ihren Pferden saßen und das Tor durchritten.
„Das wirst du sehen…“ bekam er nichtssagenden Bescheid.
‚Gut, wenn du so unfreundlich sein kannst, brauche ich weniger Rücksicht nehmen…’ dachte sich Ancus und bot dem Fürst die Stirn.
„Mir scheint dein Oppidium an Macht verloren zu haben… Die Brüchigkeit deiner Mauer, die Jugend deiner Torwächter, das Fehlen starker Männer in der Siedlung sprechen…“
„Was geht es dich an…“ unterbrach ihn Betto schroff.
Schweigen senkte sich auf die Reiter. Betto ritt voran und Ancus folgte ihm. Mamercus hielt sich zurück.
Eigentlich war der Pferdehandel nur der Vorwand, den Ancus zu nutzen versuchte. Er wusste nicht, ob gerade in diesem Teil des großen Stammes der Treverer eine brauchbare Pferdezucht betrieben wurde. Doch wie sollte er, ohne Verdacht zu einer anderen Absicht zu erregen, in die Nähe des Fürsten vordringen? Wollte er etwas über Tutor erfahren, musste er den schwelenden Zorn zwischen dem Fürst und dem Präfekt ausnutzen. Um dies aber ausführen zu können, brauchte er erst einen gewissen Einfluss auf Betto und zumindest einen geringen Grad von dessen Vertrauen…
Ancus lag nichts am Schweigen. Wie sollte er auch wissen, ob sich weitere Begegnungen mit Betto ergaben… Also war er gezwungen, gleich welcher unangenehmen Erfahrungen seiner harrten, das Eisen bei diesem ersten Aufeinandertreffen zu schmieden.
„Du Fürst, bist ein ungewöhnlich schroffer und zum Teil auch beleidigender Mann… Wünschst du eine Begegnung mit mir in Waffen, so tue deiner Absicht keinen Zwang an. Ich stehe dir jederzeit zur Verfügung… Andererseits liegt mir so gar nichts daran! Bedenke ich meine freundliche Absicht, mit dir Pferdehandel zu treiben, dann solltest du mir Dankbarkeit erweisen, denn ich bringe dir Reichtum, falls du über eine gute Zucht verfügst… Wenn du mit etwas unzufrieden bist, dann begegne diesem Grund mit deiner Art, aber nicht mir!“
„… und wenn es Rom ist, dass ich hasse und du bist doch Römer?“
„Rom ist groß, Albanus Betto! Rom ist mehr als mein Begleiter und ich! Zumindest zwischen uns herrschte bisher kein Zwist, begegneten wir uns doch erst jetzt… Woher also kommt dein Zorn auf Rom, den du gegenüber jedem, auch Unbeteiligten, falls er denn Römer ist, zu erkennen gibst?“
„Das geht dich einen Scheiß an! Woher kennst du meinen Namen so gut?“ fluchte der Treverer
„Meinst du, ich erkundigte mich nicht zuvor über einen Fürst, will ich mit ihm einen Handel eingehen? Dass du schroff und unnahbar bist, wurde mir genauso mitgeteilt, wie dein Hass auf Römer! Fürchte ich dich deshalb? Wohl nicht, weil es mir gleichgültig ist… Schließlich bin ich Händler und nicht Legionär, Centurio, Tribun oder Legat…“ Ancus ließ dem Treverer Zeit, die gehörten Worte zu verarbeiten, bevor er seinen entscheidenden Streich ausführte.
„… und ich bin auch nicht Präfekt, von was auch immer? Ich diene keinem Statthalter und keinem Legat Roms…“ In Ancus Worten schwang Gleichgütigkeit mit.
„Ich, Fürst, handle mit Pferden und die Warnung, die ich hörte, schien mir so wenig von Wert zu sein, dass ich diese gar nicht zur Kenntnis nahm. Aber ich hörte deine Worte und dachte mir, was der Präfekt Tutor wohl mit meinem Pferdehandel zu tun haben könnte, wenn ich so gute Pferde finden würde, wie der Mann, der über dich und deinen Neffen sprach, mir anzeigte? Außerdem kenne ich den Präfekt nicht und über Männer, die ich nicht kenne, maße ich mir kein Urteil an…“
Der Holzpflock, den Ancus in das Innere des Fürsten trieb, saß tief und schmerzhaft.
„Du, Römer, solltest dich wirklich auf deinen Handel beschränken! Sprechen wir über Roms Einfluss auf uns Treverer, kann ich dem nichts Gutes abgewinnen. Mag sein, dass unser Stamm Nutzen aus eurer Anwesenheit am Rhenus zog, ich aber habe wenig davon erhalten!“
Zornige Worte stießen auf taube Ohren. Ancus hatte Betto an seinen Eiern. Er musste nur warten, was der Fürst in seiner Wut offenbarte.
„Ihr Römer redet von Freundschaft und Zuneigung… Ihr prahlt mit eurer Macht, mit eurer Gerechtigkeit und glaubt auch, jeden Dummen mit dem Bürgerrecht zu ködern… Die Krieger meines Stammes durften bisher eure Macht erfechten helfen… Was nützt mir römisches Bürgerrecht, wenn ich hier lebe und das Recht nur dann genießen darf, wenn ich meine jungen Krieger für eure Einberufungen stelle… Ja, ich bin nicht der mächtigste Treverer und die, die über mir stehen, glauben mich zur Entsendung meiner jungen, tapferen Krieger fordern zu dürfen… Und dann kommt ein römischer Präfekt, der noch dazu mein Neffe ist, und verlangt erneut von mir die Jugend meines Stammes, verspricht mir dazu noch, mich von jeder weiteren zukünftigen Gestellung zu befreien, wenn ich ihm helfe… So ein Lump wurde aus dem Knaben, den ich einst auf meinen Knien schaukelte, sein erstes Pferd schenkte, seine Rüstung schmieden ließ und dann betrügt mich dieser Kerl…“
Der Zornesausbruch bestätigte die Dinge, die Ancus erfuhr, als er seinen Auftrag erhielt. Zumindest die Bestätigung des Hasses auf den eigenen Neffen Tutor entsprach den Tatsachen, und auch, dass dieser Rom mit einschloss, durfte Ancus zur Kenntnis nehmen.
Warum führte ihn der Fürst dann doch noch zu dem Züchter? Ancus prüfte bisher Gehörtes und Gesagtes. Die Anfeindungen waren das Eine, das Geld und der Reichtum aber eine ganz andere Sache. Vermutlich war es der in Aussicht gestellte Reichtum, der Betto bewegte, seinen Wünschen zu folgen… Noch aber waren das nur Vermutungen und keine Tatsachen…