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6. Missklang

67 nach Christus - Frühling (7. Aprilis)

Imperium Romanum – Rom

Lartius, der Kopf der Adler der Evocati, war erstaunt, dass ihn seine Klaue Novius Fadus aufsuchte. Als er den Ankömmling musterte, stellte er eine von diesem Mann ausgehende Unruhe fest.

„Du wirkst auf mich beunruhigt… Was ist dir widerfahren?“ eröffnete Lartius das Gespräch.

„Herr, du wirst mir kaum glauben, was meine Evocati berichteten… Es ist so verwunderlich…“

„Novius Fadus, was kann einen so erfahrenen Mann wie dich, derart aus der Fassung bringen?“ Lartius schien belustigt.

„Herr, vom Tod des Corbulo erfuhren wir durch eine Botentaube, dann erreichten uns Gerüchte… Was aber, wenn ich dir sage, es gibt Augenzeugen, die den genauen Hergang kennen…“

„… dann bringe mir die Männer und wenn es Evocati sind umso besser… In diesem Fall dürfen wir das Gehörte sicher glauben, denn mir schienen einige der Gerüchte zu gewagt, als dass ich diesen zu Folgen bereit wäre… Andererseits lief uns bisher noch kein Mann über den Weg, der so dicht an den Ereignissen war, dass wir seine Beobachtung als Wahrheit zur Kenntnis nehmen konnten…“

„Herr, ich habe dir die Evocati mitgebracht…“

„Na fein, dann rufe sie!“ Lartius klatschte in seine Hände, schritt zur Tür, läutete an der Schnur und eine seiner Bediensteten zeigte sich.

„Bringe einige Becher, Wein und Wasser und rufe Fadus Begleitung!“ wies er an und ließ sich zurück auf seinen Arbeitsstuhl fallen.

„Wer ist es denn, der uns die Kunde bringt?“

„Pudens und Laenas, die Evocati, die ich zu Corbulo schickte…“

„Irrst du dich da auch nicht? Bis Antiochia und zurück… Das wäre für einen Monat wahrlich eine sehr schnelle Reise…“ murmelte Lartius.

„Sie waren nicht soweit gekommen… Doch, Herr, lass sie selbst berichten.“ schlug Fadus vor.

„Wenn du meinst…“ Der Aquila schien voller Erwartungen.

Es klopfte, die Tür wurde geöffnet und Pudens betrat, von Laenas gefolgt, den Arbeitsraum des Aquila. Die Männer verharrten vor der Tür und warteten darauf, dass der Herr sie ansprach.

Lartius kannte diese Männer bisher nicht persönlich. Also verlor er sich in Schweigen und einer eingehenden Musterung seiner Evocati.

Er wusste, Pudens war ein eigenwilliger Charakter. Er schien jünger als viele andere Evocati und wirkte darüber hinaus noch lange nicht wie ein Mann, der vierzig Lebensjahre bereits hinter sich gebracht hatte. Sein schwarzes Haar hing ihm wirr in die Stirn und war auch auf dem Kopf länger, als es einem Milites zugestanden worden wäre. Seine Haut und seine Augen waren braun. Das Kinn wirkte energisch und der Kopf bestätigte, mit einer etwas kantigen Form, die vom Träger ausgehende Entschlossenheit. Seine Nase fügte sich auf vorteilhafte Weise in ein Gesicht, das männliche Züge verriet.

Laenas war das genaue Gegenteil.

Er war kleiner, untersetzt und besaß rundliche Gesichtszüge, in denen eine fast platte, dafür umso breitere Nase herrschte. So scheinbar rund sein Kopf sich ansehen ließ, lag das an dem Haarwuchs, der wie bei einem Igel die Stacheln, das kurze Haar in alle Richtungen abstehen ließ.

War Pudens in seinem Charakter unbekümmert, dafür aber wahrhaftig, zeichnete Laenas Launigkeit aus und ergab sich die Gelegenheit, versank er Anderen gegenüber in Hohn und Spott. Noch eine andere Eigenart schränkte seine Eignung als Evocati ein. Laenas war gutgläubig. Er glaubte, was er hörte, nur passte es ihm nicht, griff er zu Hohn und Spott.

Pudens schreckte dies offensichtlich in keiner Weise. Das Merkwürdige an diesem Paar war die gegenseitige Ergänzung und eine gewisse Unauffälligkeit.

„Ihr scheint bis Antiochia und zurück geflogen zu sein… Seid ihr Adler oder Tauben? Wieso seid ihr schon wieder in Rom?“ Lartius Gesichtsausdruck war nicht anzusehen, was er wirklich dachte, als er die Eintretenden freundlich ansprach.

„Herr, wir kamen gar nicht bis Antiochia…“ erwiderte Pudens und musterte die Miene des Aquila. Er schien auf Zorn gefasst zu sein, der jedoch ausblieb.

„Was du nicht sagst? War der Befehl nicht klar, den ihr erhalten hattet…“

„Doch Herr!“

„Was hinderte euch dann an der Ausführung?“

„Herr, der sicherste Weg wäre über Land…, so wie uns befohlen! Von Rom über Aquileia, den Hellespont und Galatien bis Antiochia. Selbst bei einem schnellen Ritt brauchten wir bis zum Hellespont mehr als einen Monat. Von dort aus bis zum Ziel einen fast weiteren… Also ritten wir bis Brundisium, wollten ein Schiff besteigen, nach Illyrien übersetzen, weiter durch Macedonica und Thracia zum Hellespont…“

„Ein guter Plan… Was hinderte euch?“ merkte Lartius, sich wiederholend, erneut an.

„Die heißen Winde des Südens, die Trierarchus und dann unsere Pferde… Erst weigerten sich die Schiffsherren wegen Stürmen auszulaufen, dann verweigerten sie uns die Mitnahme der Pferde… Wir verloren Zeit durch Warten…“

„Dennoch kamt ihr weiter?“ stieß Lartius nach.

„Plötzlich bot uns ein Trierarch die Passage an und wir gingen an Bord. Sein Ziel war Patras, auf den Peloponnes. Der Trierarch empfahl uns Patras und sicherte uns zu, dass wir nach einem Ritt bis Kenchreae am Diolkos viele Schiffe finden würden… Bestimmt fanden wir dort nicht nur ein Schiff, versicherte er uns, das uns durch das Mare Aegaeum bis Kos oder Rhodos, vielleicht auch bis Seleukia Pieria, den Hafen von Antiochia, bringen würde. Wir ließen uns darauf ein. Erst ging alles gut, dann erfasste uns der Sturm und trieb uns ab. Der Trierarch zog es vor, Schiff und Leben zu erhalten.“ erklärte Pudens.

Lartius nickte nachdenklich. „Sind das nur Ausreden oder bringt ihr auch etwas Vorteilhaftes zur Geltung?“ Noch bezähmte Lartius seine Ungeduld.

„Herr, von Patras bis Kenchreae gab es keine Schwierigkeiten, nur hatten wir am Ankunftstag, bei unserer Suche nach einem Schiff, noch kein Glück… Am Morgen des neuen Tages aber hielt sich das Gerücht, eine Trireme käme aus Antiochia…“

„Und?“ unterbrach Lartius.

„Als die Trireme anlegte, standen wir günstig, weil wir einen Blick auf den Trierarch werfen wollten. Sollte er uns am Abend in den Tavernen begegnen, wüssten wir, wie der Mann aussah, der uns weiter helfen konnte…“

„Und?“ wiederholte der Aquila seine Frage von zuvor.

„Corbulo entstieg der Trireme und wurde von Prätorianern aufgehalten. Es gab Streit. Nach einiger Zeit schickte der Feldherr seine Begleiter zurück an Bord und erhielt von einem Boten eine Schriftrolle. Er las und stürzte sich in seinen Gladius…“

„Corbulo kam an und wurde erwartet?“

Lartius Überraschung stand in seinen Gesichtszügen. Um Zeit zu gewinnen, trank er aus seinem Pokal. Dann stand er auf und spazierte im Raum auf und ab. Nachdem er zu sich selbst zurückgefunden hatte, setzte er sich. Er begriff sehr schnell, als er den Bericht seiner Evocati hörte, dass Kaiser Nero, dieses sein Versehen, selbst im Auge behalten hatte und längst diesen Ausweg anstrebte. Corbulos Tod war eine zwingende Notwendigkeit. Trotzdem klang aus seiner nachfolgenden Frage noch immer Verwunderung.

„Du bist dir sicher, dass dies genau so ablief?“

„So ist es Herr! Er las, zog seinen Gladius, setzte diesen auf die Brust auf und stieß sich die Spitze in den Leib. Dann stürzte er und trieb die Waffe bis zum Heft in die Brust…“

„Das hast du gesehen?“

„Wir beide, Herr!“

„Was tatet ihr danach?“ Der Aquila war unzufrieden. Das ging zu einfach und viel zu schnell…

„Mein Gefährte Laenas fing einen der Männer ab, der das Gespräch des Corbulo mit dem Boten hörte und ich trat zu dem Decurio…“

„Was habt ihr erfahren?“ jetzt war Lartius Interesse so richtig geweckt.

„Das Schreiben kam vom Kaiser Nero! Der Bote weigerte sich, es am Ort der Ankunft zu übergeben. Er wollte die Botschaft erst an einem anderen, wie er sagte, sicheren Ort, an den Feldherrn reichen… Corbulo wollte wissen, wer das anordnete… Der Bote verweigerte die Auskunft. In diesem Augenblick schickte Corbulo seine Begleiter zurück an Bord…“

„Du spannst mich auf die Folter, Evocati!“ mahnte Lartius.

„Herr, so war es eben… Der Streit ging weiter. Tigellinus wollte wohl den Tod des Corbulo nicht in der Öffentlichkeit. Dem Kaiser dagegen, schien dies gleichgültig…“

„Was denkst du?“ fuhr der Aquila den Evocati an.

„Herr, ein mutiger Tod vor aller Augen ist besser als in einer verschwiegenen Ecke gemeuchelt… Der Bote war ein Dummkopf! Ohne die Prätorianer wäre der Feldherr niemals misstrauisch geworden… Corbulo wäre ihm gefolgt, wohin er ihn geführt hätte… Dort hätte er tun können, weswegen er gekommen war!“

„Du bist dir sicher, dass am Ende Corbulos Tod das Ziel war?“

„Ja, Herr! Nero wollte dessen Tod, Tigellinus aber dachte noch an Raub… Starb Corbulo vor den Augen von Zeugen, gab es keinen Raub und auch seine Familie blieb ungeschoren…“ rief Pudens aus. „Du weißt doch selbst, wie Nero oder der Präfekt denken!“ fügte der Evocati leise an. Lartius nickte mehrmals nachdenklich, dann trank er erneut aus seinem Pokal.

„Du bist dir sicher?“

„Herr, warum sollte der Decurio mir sonst, auf eine einfache Frage, mit einer Drohung antworten?“ warf Pudens ein und lachte.

„Warum belustigt dich das?“ brauste Lartius unwirsch auf.

„Der Decurio schlug mir ein Bad vor… Ich nahm an und ihn mit!“

„Du hast ihn…“

„… ins Wasser des Hafens geworfen…“ vollendete Pudens die Worte des Aquila.

„So ein Unsinn! Pudens, warum dies?“ blaffte der Aquila.

„Herr, mir war grad so… Der Kerl glaubte, der Kaiser schützt ihn vor mir…“ Wenn auch tonlos, so blieb das Lachen im Antlitz seines Evocati.

„Also musstet ihr schnell verschwinden…“ fragte Lartius ungeduldig.

„Wir ritten zurück nach Patras… Dort boten sich uns Möglichkeiten… Eine Corbita wollte nach Brundisium und eine Andere nach Catania. Wir entschieden uns für den Umweg über Sizilien.“

„Was veranlasste euch, einen Umweg zu nutzen?“ Der Aquila war nicht nur unzufrieden, er spürte aufsteigende Wut. Sich dieser Regung bewusst werdend, dämpfte Lartius seine Empfindungen und richtete sein Augenmerk auf die angebotenen Zusammenhänge.

Pudens schien seine Verfassung zu spüren. War er verärgert, weil ein verdienstvoller Feldherr Roms so einfach gemeuchelt werden konnte? Letztlich war es ein Mord, den Corbulo, auch wenn er selbst die Hand führte, so nicht verdient hatte. Der Kaiser und damit Rom schuldeten diesem Mann Ehrfurcht. Statt der Ehre, zwang man ihn in den Freitod…

Pudens holte ihn mit weiteren Worten in die Gegenwart zurück.

„Immerhin könnte der Decurio nachtragend sein und uns in Brundisium auflauern lassen… Auch Tigellinus Tauben fliegen sehr schnell… In Catania gelandet, bis Messina geritten und dort die Pferde verkauft, brachte uns ein Fischer auf das Festland… Der Rest ist keine Schilderung wert, Herr!“

Lartius überdachte das Gehörte. Er folgte dem Gedanken seines Evocati. Tigellinus war auf den größtmöglichen Schaden für Corbulo bedacht, Nero dagegen bekümmerte sich nur wegen der Bedrohung seiner Macht… Der Kaiser hatte schon ein Auge auf Corbulos Tod gerichtet und brauchte deshalb keinen Evocati in dessen Nähe…

Der Aquila begriff die Zusammenhänge. Doch was sollte er jetzt mit Pudens und Laenas anstellen?

Weil er sich noch nicht schlüssig war, schickte er die Evocati weg.

„Was denkst du, Fadus, sollten deine Evocati nun tun?“ fragte er, als sich die Tür hinter den Männern geschlossen hatte.

„Herr, du entscheidest! Bisher habe ich von dir keinen anderen Auftrag… Sollen sie untertauchen?“

Lartius überlegte. „Nein warte… Was denkst du, haben sie sich richtig verhalten?“

Fadus überlegte, worüber der Aquila nachdachte. „Herr, ich meine, dass ihr Verhalten richtig war… Dennoch wäre es besser, Pudens verzichtete auf das Bad mit dem Prätorianer…“ Novius Fadus wirkte verunsichert.

„Nein, das war gut so… Es gefällt mir, was Pudens da trieb… Wir sollten die Kerle von Tigellinus öfter ins Wasser werfen… Findest du sonst keinen Makel an ihrem Vorgehen?“

„Herr, worauf willst du hinaus?“ Die Klaue wurde vorsichtig und der Aquila spürte dies.

„Wenn du nichts zu beklagen hast, könnten wir diese beiden Evocati nach Gallien entsenden…“

„Was spielt sich in Gallien ab? Warum Gallien?“ Fadus war irritiert.

„Mir schwebt da so Einiges vor… Ich habe Gründe, nur…“ Lartius brach ab und Fadus wartete.

„Weißt du, du müsstest dir ein neues Paar Evocati anschaffen… Schicke ich Pudens nach Gallien, muss ich die Zügel selbst in der Hand halten…“

„Du bist der Herr! Du entscheidest…“ Fadus klang nicht überzeugt.

„Du verlierst gute Männer…“ bot der Aquila ein Bedenken an.

„Herr, brauchst du sie in Gallien, dann schicke sie! Ich finde noch andere Willige…“ entschloss sich Fadus und Lartius bemerkte ein Zögern.

Letztlich blieb der Klaue der Adler der Evocati keine andere Wahl, wenn er darauf beharrte. Bis jetzt, so glaubte Lartius, besaß er an allen Stellen, an denen sich wichtige Ereignisse abzuzeichnen begannen, ihm treue Evocati, nur nicht bei diesem neuen Statthalter in Gallien…

Die Entscheidung war getroffen.

„Schicke mir morgen, zur dritten Stunde, deine beiden Männer! Ich werde mich ihrer annehmen.“ Lartius hätte noch Worte der Wichtigkeit oder zur Notwendigkeit verlieren können, hielt jedoch an sich.

Bisher war es nur Callisunus vergönnt, von der Gefahr in Gallien zu wissen… Das sollte vorläufig auch so bleiben.

Pudens und Laenas erschienen pünktlich.

„Setzt euch!“ ordnete der Aquila an und musterte seine Männer.

„Ihr geht nach Gallien, zum neuen Statthalter Vindex!“

Die Evocati starrten ihn an. Laenas war der, der fragte: „Sollen wir ihn umbringen?“

„Nein! Beobachten! Alles, was er unternimmt, erfahren, mit wem er spricht, was er veranlasst… Wer seine guten Männer und wer zweifelhaft ist… Welchen der Gallier er mag und mit welchem er in Fehde liegt… Und ich möchte wissen, wie er herrscht… Ihr sucht einen früheren Praefectus Cohortis auf, sein Name lautet Gaius Donicus. Er wird euch in die Nähe des Statthalters bringen, eure Nachrichten befördern lassen und euch helfen. Er ist ein Berater des Statthalters, aber zu alt, um bestimmte Dinge erledigen zu können… Donicus kennt die Lage in der Provinz sehr gut und ist absolut vertrauenswürdig, auch wenn er keinen Gefährten vorweisen wird… Ich kenne ihn schon sehr lange!“

„Wo finden wir den Mann?“

„Sicher im Palast des Statthalters in Lugdunum… Befragt die Auxiliaren der Ala I Gallorum Tauriana. Von denen kennt jeder den Präfekt! Habt ihr noch Fragen?“

„Nein, Herr, oder doch… Per Schiff oder auf dem Land?“ wagte Laenas zu fragen.

„Ich habe kein Schiff für euch! Halt, wartet! Euch könnten dort Männer begegnen, die solche kleine Kette tragen… Denen vertraut!“

Zwei silberne Kettchen lagen auf dem Tisch. „Hängt sie euch um, sofort!“ Als Lartius sah, dass sie Folge leisteten und die Ketten angelegt waren, besann er sich. „Ach, die braucht ihr doch gar nicht… Nehmt sie wieder ab!“

Pudens ließ die Kette durch die Finger gleiten. „Es gibt keinen Verschluss.“ stellte er fest.

„Dann zerreißt die Kette eben…“ fauchte ihn Lartius an und fast gleichzeitig zogen beide, mit untergelegtem Zeigefinger der jeweils rechten Hand, an der Kette und fluchten fast gleichzeitig, ob des Risses im Finger. Blut tropfte zu Boden.

„Bei euch hat das aber gut geklappt…“ schmunzelte Lartius und die Evocati blickten ihn fassungslos an.

„Das geht nicht! Es gibt keinen Verschluss. Die Kette geht nur vom Hals, wenn der Kopf abgeschnitten wird…“ Das Grinsen von Lartius verstärkte sich.

„Ihr behaltet eine kleine Narbe zurück, so wie die von mir!“ Er zeigte seinen Finger. „Daran erkennt ihr, wer zu uns gehört, ob ihr die Kette nun seht oder eben nicht… Der alte Donicus besitzt solche Kette nicht. Ihr aber solltet jeden Mann betrachten, denn die Narbe weist ihn als unseren Vertrauten aus… Auch ein Germane, ein Hermundure, gehört dazu… Verzeiht mir meine Hinterlist…“ fügte er dann, immer noch lächelnd, an.

Pudens grinste, als er sagte: „Herr, du hast eine ungewöhnliche Art, uns dein Vertrauen auszudrücken… Aber wir werden diese Ehre in Würde tragen!“ Er grüßte wie ein Milites, mit der Faust auf der Brust und verließ, gefolgt von Laenas, den Raum.

In des Aquila Blick verblieb der Ausdruck eines stillen Lächelns.

Wenig später führten Pudens und Laenas ihre Pferde am Zügel durch das Tor. „Meinst du, er war mit uns zufrieden? Schiebt er uns jetzt an einen Ort ab, wo es uns nicht mehr gelingt zu versagen?“ Laenas schien in Sorge.

„Was besitzt Zufriedenheit für eine Bedeutung? Wir erhielten einen Auftrag, den wir nicht ausführten…“ entgegnete Pudens irritiert. „Die Umstände, die Götter, unser falscher Entschluss, nenne es wie du möchtest, hinderten uns an der Erfüllung… Aber wir tauchten genau dort auf, wo die Entscheidung fiel… Welche Schuld könnte uns zugeordnet werden, wenn wir uns genau dort einfanden, wo Corbulo sich selbst richtete? Wir hätten nach Antiochia finden können, bestimmt unseren Schutzbefohlenen gesucht und weil wir dann auch dort erfahren hätten, gleich welche Zeit inzwischen vergangen wäre, dass Corbulo in Korinth den Tod fand, zurückkehren müssen… Was denkst du, welcher Empfang uns dann erwartet hätte? Nein, so war es besser und der Aquila wird den Fehlschlag leicht verdauen…“ stutzte ihn sein Gefährte zurecht.

„Warum glaubst du dies?“ fragte Laenas, von Zweifel und Enttäuschung geschüttelt.

„Einmal wird der Aquila unseren Bericht zu schätzen wissen… Wir waren dort, wo wir haben sein müssen und nicht dort, wo er uns hinschickte! War dies sein Fehler? Schickte er uns an den falschen Ort? Nein! Aber genauso war es nicht unser Fehler, in Kenchreae aufzutauchen, sondern ein Glücksfall… Das wird der Aquila anerkennen und außerdem gefiel ihm, dass ich einen Decurio der Prätorianer des Tigellinus ins Meer warf… Daran erinnert er sich in Zukunft gern, denn auch er hasst Tigellinus…“

„Woher weißt du das?“ fragte Laenas irritiert.

„Hast du vergessen, wo wir einst auf Lauer lagen, als Tigellinus ihn aufsuchte? Wir lagen im Hinterhalt und niemand erklärte uns das Ergebnis… Keiner von uns fragte danach… Wäre diese Begegnung zu unserem Nachteil verlaufen, hätten wir bereits einen anderen Aquila…“ Pudens war voller Überzeugung.

„Vielleicht haben wir längst einen anderen Aquila…“

„Nein! Dann hätten wir erneut im Hinterhalt liegen müssen, denn jeder neue Aquila trifft einmal mit Tigellinus zusammen…“ Pudens blieb unbeeinflusst bei seinem Standpunkt. „Es ist nicht nur so, dass der Aquila den Präfekt hasst, wie auch ich! Auch Tigellinus hasst uns. Er würde keinen Augenblick zögern, uns zu töten!“ Pudens blieb seiner Überzeugung treu.

„Warum schickt der Aquila uns dann nach Gallien?“ brauste der Gefährte auf.

Pudens sah den Gefährten an und setzte seine Belehrung nachsichtig fort.

„Einmal droht uns eine gewisse Gefahr… Ich glaube zwar nicht, dass mich ein anderer Prätorianer kennt oder erkennt und das der Decurio zufällig auf mich trifft… Dennoch ist es ein Ausdruck der Vorsicht des Aquila, wenn er uns weit entfernt in Gallien weiß…“

Pudens schwieg und Laenas ging in Zweifeln unter. „Ein schwaches Argument und bestimmt kein Trost, abgeschoben worden zu sein…“

„Faccia di Culo…“ fuhr Pudens kurz auf. „Könnte es nicht ganz anders sein?“

„Was habe ich dir getan, dass du mich beleidigst?“ Auch Laenas ergriff Zorn.

„Es ist immer das Selbe mit dir… Du glaubst schnell jeden Unsinn, den dir ein Anderer erzählt… Mir aber begegnest du mit Vorwürfen, Zweifeln und Missstimmung… Du beleidigst mich, meine Erlebnisse, meine Erfahrung und mein Wissen mehrmals täglich und wenn du Zusammenhänge nicht begreifst, kommst du mir mit Hohn oder Spott… Du solltest wirklich erst nachdenken, bevor du deinen Mund öffnest!“ Pudens war voller Zorn. Er entlud diesen in einem einzigen Aufschrei. „Nicht ich beleidige dich, sondern du mich! Und dies ständig, mehrmals am Tag und scheiterst, wegen dem dicken Fell, das ich zu tragen veranlasst bin… Du bist nicht mein Feind und ich nicht der Deinige! Du aber bringst mich in Wallung mit deinem Geschwätz, deiner inneren Wut, deiner Geringschätzung und bedenkst nicht, was ich dir voraus habe, welchen Schmerz ich mit mir trage und welche Wut mich beherrscht, denn du siehst sie nicht! Du bist unfähig Dinge zu durchdenken, aber du schwatzt darauf los, als hättest du die Klugheit der Welt in dir… Ich will nicht wissen, was dich zum Evocati machte… Es ist mir gleich, fast ebenso gleichgültig war mir bisher, ob ich mich auf dich verlassen kann, weil ich mich nur auf mich selbst verlasse… Du bist mein Gefährte, der sich dieses Wertes kaum als würdig erweist und doch dulde ich dich an meiner Seite!“ Pudens sah, wie Laenas zurückschreckte. Er spürte einen Abstand zwischen ihnen, den er bisher nicht wahrzunehmen gewillt war. „Der Aquila schickt uns nicht ins Abseits, sondern eher ins Zentrum! Er erteilte den Auftrag und nicht Fadus… Was glaubst du warum? Es bedeutet, dass wir nur ihm und nicht der Klaue berichten! Das beweist unseren Aufstieg! Welchem Umstand verdanken wir dies? Ich will dir selbst antworten, denn du bemühst dich doch kaum, darüber nachzudenken…“ Pudens ließ Zeit verstreichen, bis er seinen Wutausbruch fortsetzte.

„Wir waren dort, wo wir sein mussten! Der Aquila erkannte es sofort. Ob es Glück war, uns Götter leiteten oder worin auch der Grund lag, ist bedeutungslos! Denn wir waren dort, wo er uns hätte haben wollen! Vielleicht denkt er, dass uns dieses Glück, oder die Götter auch in Zukunft treu sind… Deshalb gab er uns das Kettchen, das nicht entfernt werden kann… Weil genau dies sein Wille ist! Er vereinnahmte uns und machte uns zu Männern dieses Eichenblattes… Was auch immer dies darstellt, damit erhob er uns zu Vertrauten, die er schon einige Zeit zu haben scheint. Und diese Vertrauten stehen über jedem anderen Evocati… Nur diese Vertrauten werden von ihm selbst geführt! Meinst du, ein Aquila offenbart sich dir? Er hütet seine Geheimnisse noch ganz anders und in diese Schar erfahrener Männer, die zweifellos einer größeren Gefahr trotzen müssen, sind wir aufgestiegen…“

Erschrecken erfasste Laenas.

Pudens sah es am Blick, spürte es am Abstand zwischen ihnen und erkannte die Erschütterung des Gefährten, der mit solchem Ausbruch, mit solcher Wahrheit, niemals gerechnet hatte. Er war nicht gewillt, den Gefährten aus seinen Klauen zu entlassen. Also packte er noch fester zu.

„Du musst endlich begreifen, dass dein Schicksal, dein Leid, deine Angst vor der Gegenwart und der Zukunft bedeutungslos sind… Du bist Evocati und als solcher verpflichtet, mir den Rücken zu decken! Dort wo uns der Aquila hinschickt, begegnet uns der Tod. Womöglich ein sehr stiller Tod, der von einer Klinge rührt, die von hinten, aus dem Dunkel, hervorschnellt und keine Zeit zur Abwehr bietet… Es ist kein Feind vor dir, der dir bezeichnet oder gar gezeigt wurde… Der Feind entsteht vielleicht aus nur einem einzigen falschen Wort, einem deiner unbedachten, daher gesprochenen Worte des Hohns oder Spottes… Gallien ist ein großes Land, in dem zahlreiche Stämme leben, die obwohl von Rom beherrscht, sich noch immer befehden. Der Nachbar ist ein Feind oder kann es zumindest zeitweise werden, ein Freund kann betrügen oder denkst du, dort wo Roms Zivilisation herrscht, gibt es andere Verhältnisse als in Rom selbst? Neid, Missgunst, Hass und was weiß ich noch alles, werden uns so begegnen, wie du sie in den schlimmsten Stadtvierteln von Rom vorfindest… Keiner dort wird dich begrüßen und dir vertrauen, niemand achtet dich, aber jeder deiner falschen Schritte wird gesehen, jede deiner Bewegungen verfolgt und glaube mir, es gibt zahlreiche Männer, die uns den Tod wünschen und passt du nicht auf, gelangen diese Mörder an uns heran…“

Sie standen unweit des Adlerhorst, in einer der Straßen und starrten einander an. Jeder hielt sein Pferd, mit der einen Hand am Zügel, während die Andere auf dem Knauf des Pugio ruhte. Wut stand in Laenas Gesicht, der sich herausgefordert und beleidigt fühlte.

Pudens war scheinbar gefühllos, aber voller Energie und beobachtete jede Regung seines Gefährten. Er wusste, dass es nur zwei Möglichkeiten gab. Entweder Laenas begriff und änderte sich oder er würde eine Waffe ziehen… Im letzteren Fall müsste Pudens zurückkehren und dem Aquila gestehen, dass ihm nichts als der Tod seines Gefährten blieb, weil ihn dieser angriff! Ein schmähliches Eingeständnis, was ihm bevorstand und das er dennoch nicht scheuen würde…

„Bevor du deinen Pugio schwingst, bedenke, dass das kleine Kettchen den Aufstieg beweist! Danach kommt nur noch der Tod! Der Aquila möchte die Kette zurück und das kannst du nur ausführen, wenn du den Kopf vom Rumpf trennst… Die Kette ist Ausdruck seines Vertrauens! In Gallien, womöglich im Umfeld dieses neuen Statthalters, stehen Ereignisse bevor, die Rom in Gefahr bringen und was meinst du, wer erkennt Gefahren schneller, Nero oder der Aquila?“

Pudens lauerte. Es war wie immer. Er spürte die Wut des Anderen, sah die Gefahr und wurde innerlich kalt wie Eis. Ihn beherrschten keinerlei Gefühle und Furcht war ihm gänzlich fremd.

„Du hast zwei Möglichkeiten, Laenas! Die Erste ist, du änderst dich und dein Verhalten! Die Zweite, du ziehst deinen Pugio und hoffst auf deine Götter… Es ist deine Wahl! Nach Gallien gehe ich mit einem treuen Gefährten, einem Freund… Wähle!“

Laenas machte einen kleinen Schritt rückwärts. Er schien die Bedrohung zu spüren. Fast im gleichen Augenblick wurde er sich bewusst, unterlegen zu sein… Wollte er am Leben bleiben, war Unterordnung angesagt und er fügte sich. Sich abwendend, schwang er sich in den Sattel und sagte nur: „Reiten wir?“

Auch Pudens schwang sich auf den Rücken seines Pferdes. Er wusste, dass sein Gefährte die Entscheidung nur vertagte. Dieser wich ihm aus und der Grund dafür blieb im Verborgenen. Es hätte einen Kampf und einen Toten geben können… Den aber vermied Laenas, der auch den ausgebrochenen Streit überging…

Pudens hoffte auf eine andere Regung, die den Widerspruch zwischen ihnen hätte entkrampfen können. Der Gefährte aber vermied auch diese Möglichkeit. Der Grund dafür lag vielleicht in der Tatsache, dass er mit seiner Einschätzung der Denkfaulheit seines Gefährten, nicht zu weit daneben lag? Vielleicht aber brauchte Laenas nur Zeit zum Überdenken und wich deshalb einer Antwort aus… Beides war nicht geneigt, fehlendes Vertrauen zu ersetzen. Auch neues Vertrauen konnte dadurch nicht entstehen und so blieb der Missklang zwischen ihnen bestehen.

Pudens erfasste, dass sein Gefährte zur Gefahr wurde. Änderte sich dessen Verhalten nicht und blieb der Hohn in dessen Wesen, dann würde der Zeitpunkt kommen, wo Laenas nicht nur Fehler beging, sondern sich gegen ihn richtete. Trat dies ein, würde er schnell handeln müssen…

In diese Überlegungen mischte sich ein anderer Gedanke. Laenas wusste, warum er zum Evocati des Aquila wurde und was er über das Blatt der Eiche an der kleinen Kette dachte. Öffnete sich der Gefährte zu seiner Vergangenheit, konnte er dies als ersten Schritt einer gemeinsamen Zukunft anerkennen. Blieb dies jedoch aus, zwang ihn das zur Aufmerksamkeit, auch seinem Gefährten gegenüber…

Die Legende vom Hermunduren

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