Читать книгу Die Legende vom Hermunduren - G. K. Grasse - Страница 11

Оглавление

4. Die herrische Ziege

67 nach Christus - Frühling (3. Aprilis)

Imperium Romanum – Provinz Belgica

Sie ritten nicht weit und landeten auf dem Nachbarhügel. Einige fast verloren erscheinende Hütten verteilten sich, von einer niedrigen Mauer umgeben, auf der Fläche.

Dann sah Ancus den Grund für nachlässige Mauern, ein wenig beeindruckendes Tor und weite, eingezäunte Rasenflächen. Mindestens fünf riesige Koppeln zeigten sich ihm auf der Bergkuppe. In jeder dieser Koppeln erkannte er wohl weit über dreißig unterschiedliche Pferde. Tiere, in fast freier Wildbahn gezogen und streng nach Zuchtgut getrennt, überzeugten den Kenner. Er fand Ardenner, Berber, die Keltenpferde und andere Rassen, auch solche, denen er noch nie begegnet war. Weit über einhundert Tiere grasten, sprangen, wieherten, liefen oder standen herum. Die Vielzahl und die Unterschiedlichkeit beeindruckten.

So wie sich der Reitertrupp annäherte, erkannte Ancus niedrige Stallungen, die wohl so angeordnet und ausgerichtet waren, dass deren Ansicht fast verborgen blieb. Er schätzte mit seinem Blick, dass wohl über einhundert Pferde im Stall eingestellt werden konnten, wenn auch der Platz jedes Tieres begrenzt erschien. Stallburschen, verwundert stellte er fest, dass er darunter auch Weiber zu erkennen glaubte, kümmerten sich um die niedrigen Gebäude. Auf den Koppeln waren Ancus Wächter aufgefallen, die mit merkwürdigen, stets kläffenden Hunden, die Aufsicht führten. Das Bellen der nur kniehohen, aber offensichtlich schnellen Hunde, klang bis zu den Stallungen herüber.

Sie ritten zwischen zwei Koppeln hindurch auf eine der Hütten zu, die nur wenig mehr an Stabilität und Pracht aufwies, als die übrige Umgebung. Vor der besseren Hütte saß Betto ab.

Eine Frau kam von den Stallungen. Sie hatte die Gäste wohl erblickt.

Die Frau erschien Ancus ungewöhnlich groß und kräftig. Sie trug keine Frauenkleider, dafür aber Bracae und darüber eine Tunica. Ihr Hals war mit einem Focale, wie sie gewöhnlich römische Milites trugen, umwickelt. Ihr Haar erschien strähnig, auch etwas schmutzig, ihr Blick war klar und auch einschüchternd. Nase und Mund bildeten eine Einheit, die von jungendlicher Schönheit kündeten, das Kinn aber zur herrischen Stärke neigend, nahm der vormaligen Schönheit den Glanz. Ihre Hände waren schmutzig, als hätte sie kurz zuvor noch Pferdemist geschaufelt.

„Was willst du, Albanus?“ Die Stimme war samtig weich, aber volltönend und vereinigte die Erscheinung der Frau. Jeder der diese Kennzeichen erkannte, wusste sofort, dass diese Frau klug, entschieden, selbstbewusst und herrisch war.

„Ich bringe dir einen Pferdehändler, der sich für deine Züchtungen interessiert…“

Der Fürst erschien Ancus im Augenblick seiner Mitteilung weicher und nachgiebiger geworden zu sein. Sein Blick zu Betto bestätigte ihm diesen Eindruck. Tatsächlich gewahrte er einen Zug von Wärme und Verständnis in den sonst schroffen und abweisenden Gesichtszügen des älteren Mannes. Wenn Betto schon fast sechzig Jahre alt sein könnte und noch immer rüstig und stark erschien, wirkte die Frau fast ebenso und hatte wohl nur einige Jahre weniger erlebt. Ancus erkannte die Verwandtschaft der Geschwister.

„Du bringst einen Römer? Gehört denen nicht dein Hass?“ fauchte das Weib den offensichtlich älteren Bruder an.

„Zuerst, Frau, bin ich Händler!“ warf Ancus, sie unterbrechend, in den Vorwurf ein. „Ich suche gute, starke, schnelle, sowie auch ausdauernde Pferde und zahle gute Preise… Dann bin ich ein Mann und erst dann kommt der Römer… Dein Bruder, Herrin, wird das wohl in mir erkannt haben…“ Die letzten Worte begleiteten ein Grinsen.

Betto nickte, als hätte Ancus verkündet, was er selbst dachte.

„Mir ist egal aus welchem Loch du gekrochen bist, Römer! Ich verkaufe nicht an Jeden! Bist du ein Schinder, treibt dich Geiz, jage ich dich davon!“ Dann begann die Frau ebenfalls zu grinsen. „Dein Pferd aber behalte ich hier… Ein solcher Hengst fehlt mir noch! Was willst du für ihn haben… Zehn meiner Besten im Tausch?“ unterbreitete sie einen Vorschlag, von dem sie glaubte, ob seiner Eindeutigkeit und dem damit verbundenen Vorteil, angenommen zu werden.

„Würdest du einen Freund verkaufen?“ konterte Ancus.

„Was denkst du?“ fuhr sie den Römer an, lenkte nach einem Blick in des Römers Antlitz aber ein. „Ich bin Züchter. Ich verkaufe nun mal Pferde an Händler wie dich… Nur…“ sie zögerte „… einen Freund, niemals…“

„Du gabst dir selbst die Antwort!“ erwiderte Ancus und spürte, dass sie ihre Pferde liebte.

„Dachte es mir gleich…“ lenkte die Frau ein. „Ich habe etwa drei oder vier rossige Stuten… Was hältst du davon, deinem Hengst etwas Gutes zukommen zu lassen?“ ging sie sofort zum nächsten Angriff über.

„Du willst meinen Hengst zum Decken?“ Ancus lachte ob der direkten Art der Frau, dachte kurz nach und entschloss sich auf Zeit zu spielen.

„Deckt dein Hengst vier meiner Stuten, gehört das beste Ergebnis dir oder du bekommst vier Tiere deiner Wahl dafür… Was hältst du davon?“ Das Weib ließ nicht locker. Sie wusste, was sie wollte und knauserte nicht mit einem Angebot, denn sie erkannte die Pracht seines Hengstes schon auf deren ersten Blick.

„Das sind großzügige Angebote…“ lenkte Ancus ein und grinste Mamercus an. In seinem Inneren wusste er bereits, dass er mit dieser Züchterin ins Reine kommen würde. Das Gespräch zwischen dem Weib und ihm entwickelte sich zwar in eine merkwürdige Richtung, doch die Art ihres Verhaltens sagte ihm zu.

Noch die Antwort vermeidend, ging er zu einem Angriff über. „Was hältst du davon, mir deine Ställe, dein Futter, deine Weiden und deine Stallburschen zu zeigen…“ Ancus Seronatus begann sein Spiel.

„Ich habe auch Stallmädchen…“ grinste sie die beiden Römer an. „Doch solltet ihr nicht denken, dass diese Freiwild wären… Wer sich dort nähert, muss um sein Prachtstück fürchten… Ich bin Manns genug, mir solchen Körperteil zu holen, sollte es nötig werden…“ Die Frau grinste unverhohlen und in ihrem Blick lag Wahrheit.

Der Fürst der Treverer wurde von diesem Augenblick an unwichtig, zumal Ancus, in der Frau, die Schwester des Fürst und somit Tutors Mutter erkannte. „Also, zuerst die Ställe!“ entschied er und wandte sich an Albanus Betto: „Ich fürchte, der Rest des Tages vergeht unter Pferden… Es wird dich sicher ermüden und du hast, wie du sagtest, andere Sorgen… Mein Dank für deine Freundlichkeit sei dir gewiss…“

„Pahhh Freundlichkeit!“ warf die Frau zwischen Ancus höflich eingeleiteten Abschied des Fürst der Treverer. „Mein Bruder ist alles Andere als freundlich… Eher das Gegenteil! Ein Griesgram ist er und ein Gauner! Es wundert mich, dass er dir nicht deine Ohren abschnitt oder gar noch andere nützliche Teile… Sein letzter Zwischenfall mit Römern brachte ihm einen verhassten Schwur ein und sieh dir seine linke Hand an…“ Sie lachte auf ihre Art laut und herausfordernd. Damit zeigte sie wenig Respekt gegenüber ihrem Fürst.

„Den Schwur leistete er mit seiner Hand in ein Messer… und der Hund, der das forderte, war ein römischer Legat… Denkst du etwa, dass er den Schwur und den Schmerz der Hand, aber weit mehr noch den seiner Seele, vergaß?“

„Halt dein Maul, selbstsüchtiges Weib!“ brauste diesmal der Fürst auf. „Immerhin verdanke ich diesen Schwur deinem nichtsnutzigen Sohn! Einen Kerl, der seinen Stamm betrügt, hätte ich längst jagen lassen, wärest du nicht meine Schwester… Glaube mir, erteile ich einmal den Befehl, wird Tutor zur Strecke gebracht…“ Der Alte Mann schwang sich, mit einem Sprung, verärgert auf sein Pferd und trabte, weitere Worte der Wut vermeidend, davon.

„Auch ich brauche dich jetzt nicht mehr… Also reite in deine Höhle zurück, Bruder!“ rief sie ihm nach.

Ancus erkannte ihre Wut auf die Bekundung des Hasses, den der Bruder ihrem Sohn gegenüber empfand. Einen Teil davon konnte sie nachempfinden, so glaubte Ancus zu erkennen. Der Verrat Tutors traf auch sie, weil der Vorwurf nicht nur auf leeren Worten zu beruhen schien… Die Anklage des Bruders stützte sich wohl auf Beweise. Doch welcher davon würde reichen, einen Keil zwischen Mutter und Sohn zu schieben? Ancus erkannte, dass die Stärke der Mutter auch ein Teil der Stärke des Sohnes sein musste und egal was dieser tat, würde nichts die Liebe der Mutter erschüttern. Außerhalb dieser Beziehung, vermutete der Evocati, besaß nichts nur annähernd so viel Wert, wie die Liebe der Mutter, von der dieser Sohn sicherlich wusste…

„Fürst nennt er sich und ist nichts anderes als ein Gauner und selbst ein Verräter… Den zehnten Teil aus jedem Geschäft nimmt er mir ab! Ein Fürst… das ich nicht lache…“ Ihre Wut war noch nicht verraucht.

„Du magst den eigenen Bruder nicht?“ stieß Ancus weiter in die aufgebrochene Wunde.

„Das verstehst du nicht, Römer!“ Sie zögerte. Weil der eigene Zorn ein nur schlechter Berater ist und zu schwer kontrolliert werden kann, setzte sie ihr Schimpfen fort.

„Mir gegenüber zeigt er ja Geduld und Führsorge, meinen Sohn aber verflucht er… Welche Mutter stellt einen Bruder über den Sohn? Ich nicht!“ Sie begleitete ihre Feststellung mit einer zornigen Bewegung ihrer rechten Hand, als ob sie einen Gladius schwingen würde…

„Vielleicht ist dein Sohn, in seinen Augen, nicht so gut gelungen…“ warf Ancus einlenkend ein.

„Wie kann das sein, wenn mein Sohn Rom, euch verfluchten Römern, dient und es sogar schaffte, bis zu einem Präfekt aufzusteigen? Bist du Römer, solltest du meinen Sohn achten, sonst kannst du…“

„Halt ein, Frau…“ rief Ancus „… du begibst dich auf einen zu schmalen Pfad… Ich kenne deinen Sohn nicht und deshalb maße ich mir auch kein Urteil an… Dein Bruder allerdings erschien mir schon etwas eigenwillig… Ich sehe keine Veranlassung sein Urteil über deinen Sohn aufzunehmen…“ Ancus begriff schnell, dass die verletzte Eitelkeit der Mutter und deren Liebe zum Sohn zum schnellen Hindernis einer neuen Geschäftsbeziehung werden könnte. Er schien diese Gefahr richtig erkannt zu haben.

Kam er ohne Erwartungen zum Fürst der Treverer und bot diesem mit dem Pferdehandel nur einen ausreichenden Grund zum Eingehen einer Bekanntschaft an, so sah er inzwischen, dass die Schwester des Mannes eine starke Frau war, die zwar unter dem Schutz ihres Bruders, aber dennoch nicht ohne eigenen Willen und auch deshalb über ein selbst geschaffenes Reich verfügte. Es beeindruckte ihn, dass die Frau über Pferde herrschte, wie der Bruder über seinen Teil des Stammes der Treverer. Beide würden sich niemals in ihr Tun hineinreden lassen und wenn es nicht im Guten miteinander ging, dann flackerte eben Zorn auf. Das dieser Zorn nicht alle Teile ihres Daseins überstrahlte, davon zeugte das zuvor Erlebte.

Ancus verstand die Lage, in der die Geschwister und der Sohn auskommen mussten. Einen Mann schien dieses Weib nicht mehr zu besitzen… Vielleicht war das genau der Punkt, an dem ihre überbordende Selbstständigkeit ausbrach.

Der Evocati wollte sich nicht in Vermutungen verlieren. Er war hier um das Verhältnis zwischen dem Onkel Albanus Betto und seinem Neffen Julius Tutor zu ergründen. Tutor war ihm als Feind benannt. Der Treverer Betto schien ein Ekel zu sein, dessen Schwester eine herrische Ziege und dennoch war er der Frau weit mehr zugeneigt. Dieses verstärkte sich, je mehr er von deren Besitzungen erfuhr.

Die Ställe waren klein, aber zweckmäßig angelegt und wurden sauber gehalten. Ein Blick auf das Futter und den Umgang der Bediensteten sagte ihm, dass die Haltung der Tiere im Mittelpunkt aller Bemühungen standen. Als er sich den Pferden und diesen eigentümlichen Hunden auf der Koppel zuwandte, überzeugte ihn auch diese Vorgehensweise.

Pferde fürchteten sich vor Hunden. In dieser Beziehung schienen beide Tiere wohl zu wissen, was sie durften und lassen sollten… Die Hunde bissen nicht und die Pferde keilten mit den Hinterbeinen nicht aus. Kläffte der Hund, wusste das Pferd wo sich dieser befand. Die Ohren der Pferde richteten sich nach dem Gekläff aus und das Pferd bewegte sich vom Lärm weg. Ein recht einfacher Vorgang, so stellte Ancus für sich fest.

Er sah in seiner Erinnerung Schafhirten und ihre treuen Begleiter vor sich. Die Treverer wandten das gleiche Verfahren für ihre Pferde an. Er wusste nicht, ob dieses gleichartig, in jeder Pferdezucht unter Treverern üblich war, oder nur durch die Mutter des Tutor betrieben wurde. Als er sie danach fragte, knurrte sie nur, dass sie nicht wüsste, was Andere taten.

Ancus beließ es bei der Antwort. Ihm gefielen die Pferde in den Koppeln. Auf dem Weg, zurück zu ihrer Hütte, zwang sie ihn zu einem Bekenntnis. „Was ist nun, Römer? Gefallen dir meine Tiere? Willst du welche kaufen und wie ist es mit deinem Hengst?“

„Du sprachst von vier rossigen Stuten… Das schafft der Hengst nicht in zwei Tagen… Also hole eine der Stuten jetzt und eine am morgigen Tag! Ich möchte die zum Kauf stehenden Pferde morgen prüfen und werde darunter etwa zwanzig Tiere auswählen, die ich sofort mitnehme… Aber ich werde erst am Folgetag aufbrechen und an diesem Morgen kannst du die dritte Stute decken lassen… An diesem Morgen möchte ich, die von mir erwählten Pferde, in zwei Ketten aneinander angeleint, vorfinden. Mein Weg ist weit und deshalb beginnt unser Ritt bereits mit dem Morgengrauen. Über den Preis und den Lohn für meinen Hengst sprechen wir Morgen. Ich überlasse ihn dir bis zu unserem Abritt, wenn du mir inzwischen ein anderes Tier gibst!“ .

Sie nickte nur. „Dann sehen wir uns zur dritten Stunde?“ schlug sie vor und Ancus stimmte zu.

Sie tauschten in der Folge die Pferde und die beiden Evocati ritten zum Vicus am Fluss. Während der Händler noch in Gedanken versunken blieb, zerrte die Neugier an Mamercus Nerven.

„Sind die Pferde dieses Weibes wirklich deine Aufmerksamkeit wert?“ unterbrach der Freund das Schweigen. Mamercus dachte wohl an den wirklichen Grund ihrer Reise.

„Ja, das sind sie!“ erhielt er kurze Antwort.

„Warum nimmst du dann nur zwanzig und warum lässt du nicht anliefern?“ forschte der Gefährte weiter.

„Was denkst du, wie viele Tiere du an einer Leine führen kannst? Schließlich sind wir nur zu Zweit! Außerdem steht uns eine Rast bevor. Wir müssen Füttern, Tränken…Wir brauchen wieder eine Übernachtung und mir scheint, diese sollten wir beim Legat Valens einlegen… Es wird also an diesem Tag ein harter Ritt…“ gab Ancus bereitwillig Auskunft.

Nach einem kurzen Zögern setzte er seine Aufklärung zu Absichten und Beweggründen fort: „Das mit dem Anliefern ist so eine Sache… Es schmälert meinen Vorteil oder glaubst du, sie bringt mir die Tiere, ohne ihre Hand aufzuhalten… Nein, es ist besser, wir holen die Tiere auch in Zukunft ab! Deshalb nehmen wir so viele mit, wie wir führen können… Das sind für jeden von uns nicht mehr als zehn…“

„Wenn du meinst…“ lenkte Mamercus ein und dachte an den späten Liefertag, der erst am Ende des folgenden Monats anstand.

„Wo willst du zwanzig Tiere unterbringen? Unser Stall ist dafür zu klein!“ stellte der Gefährte fest und besaß sicherlich recht.

„Wir bringen die Tiere gleich zum Decurio der Ala Sulpicia. Dann kümmere ich mich um die restlichen Tiere dieses Auftrages. Er wird mir nicht gram sein, wenn ich früher liefere, als vereinbart…“

Mamercus nickte sein Einverständnis. „Wenn du morgen die Pferde auswählst, brauchst du mich doch nicht, oder?“ schob er eine Frage nach.

„Was willst du tun?“ forschte Ancus.

„Sind wir nicht an der Mosella? Gibt es hier nicht auch Weinanbau?“ fragte Mamercus scheinheilig und erntete Zustimmung.

„Warum sollte ich diese Gelegenheit versäumen? Ich werde etwas in eigener Sache als Weinhändler erproben… Vielleicht finde auch ich hier geeignete Ware?“ Ancus stimmte mit dem Nicken des Kopfes zu.

Es verging eine kurze Pause, bis Mamercus die Gedanken des Freundes erneut unterbrach. „Was haben wir eigentlich zur Beziehung des Tutor zu Betto erfahren?“

„Ich denke, du sahest und hörtest das Gleiche, was ich vernahm…“ ging der Gefährte auf die Frage ein und setzte nach kurzer Überlegung fort: „Onkel und Neffe stehen sich feindlich gegenüber…“

Nach einer weiteren kurzen Pause zur Sammlung seiner Erkenntnisse fügte er Schlussfolgerungen an und überließ deren Wertung dem Gefährten.

„Die Mutter hängt in ihrer Zuneigung zum Bruder und der Liebe zum Sohn irgendwo dazwischen und hält ein Gleichgewicht, das deren Sohn vor der direkten Wut des Fürsten bewahrt… Das hindert den alten Griesgram jedoch nicht daran, seinen Neffen als Verräter der Treverer zu betrachten. Nur hindert es ihn auch, dem Tutor eine eigene Rechnung aufzumachen… Andererseits weiß die Mutter wohl nichts vom ganzen Schwur… Sie glaubt, der Bruder opferte seine Hand für die Freiheit seiner gefangenen Männer, kennt aber den Teil wohl nicht, in dem der Fürst schwor, jede Unternehmung des Tutor beim Legat anzuzeigen.“

Ancus überdachte seine erteilte Antwort, bevor er hinzufügte: „Er treibt diese Sache voran und erreicht zwei Ziele. Die Schwester weiß nichts von seinen tatsächlichen Absichten. Er liefert den Neffen aus und erhält sich die Zuneigung der Schwester! Der Verrat des Tutor an den Treverern wäre gerächt und die Schwester trauert wohl dann irgendwann… Er aber weiß doch gar nichts und brauchte sich nicht zu bekennen. Ein wenig auf Römer schimpfen, wird er doch, bei seinem Hass auf uns, noch können…“

„Du bist von dir überzeugt…“ warf Mamercus ein.

„Sollte ich mich irren?“ bot der Gefährte an.

„Vielleicht … Vielleicht auch nicht…“ lenkte Mamercus ein. „Was ist, wenn Tutor den Onkel angreift?“

„Was interessiert uns das?“ blaffte Ancus eine Gegenfrage, milderte jedoch ab, als er die Ablehnung seiner heftigen Antwort spürte.

„Nichts! Außerdem wird Tutor dies nicht wagen… Ich glaube auch, dass Tutor nicht gleichartig empfindet, so wie sein Onkel. Er befürchtet aus seines Onkels Richtung keinerlei Gefahr. Vermutlich kennt er das Verhältnis seiner Mutter zum Bruder… Ihm selbst nach dem Leben trachten, muss er nicht… Es sei denn, er möchte Fürst der Treverer werden…“

„Wir wissen doch gar nicht, ob Albanus Betto Söhne besitzt?“ steuerte Mamercus einen Einwand bei, den Ancus sofort aufnahm.

„Dann sieh dich doch einmal im Vicus um! Sicher findest du jemand, der dir gern dazu Auskunft gibt…“ bot Ancus an und Mamercus stimmte mit einem nachdenklichen Nicken zu. Sie ereichten den Vicus.

Ancus Seronatus war mit den bisher erzielten Ergebnissen vollauf zufrieden. Sein Pferdehandel öffnete die Tür zu diesem Teil der Treverer. Er hatte nicht vermutet, tatsächlich eine Pferdezucht vorzufinden und war auch darauf gefasst, abgewiesen zu werden.

Seine Befürchtungen lösten sich in Wohlgefallen auf und er fand darüber hinaus sogar eine Züchterin, die nicht nur über eine größere Menge, sondern auch über eine beachtliche Güte ihm gezeigter Tiere verfügte. Er würde jetzt und in Zukunft hier Handel betreiben können, dessen war er sich sicher…

Das weitere Ergebnis offenbarte nicht nur den glücklichen Zufall, dass die Züchterin sich als die Mutter des Tutor herausstellte. Mehr noch erwies sich sein Ziel, mit dem Fürst Albanus Betto, als ein glücklicher Griff, weil das Zusammenbringen der Geschwister vom Verhältnis untereinander und zu Tutor Zeugnis ablegte. Er konnte den Widerspruch zwischen Onkel und Neffen deutlich erkennen. Auch weil der Onkel, die Mutter des Tutor, über den von ihm eingegangenen Schwur täuschte, war sich Ancus sicher, dass die Feindschaft zwischen dem Onkel und seinem Neffen Bestand haben würde. Der Onkel richtete seine Bestrebungen, aus mehreren Gründen, auf die Vernichtung Tutors aus.

Als Fürst verlor er Ansehen, wenn der Neffe ihn ausnutzte, ohne den Teil seiner gemachten Versprechen einzulösen… Es war unwichtig, dass ihre Unternehmung scheiterte. Weil nach dem Fehlschlag beide überlebten, der Fürst auch noch in einen Schwur gegenüber Rom eintreten musste, wollte er seine, durch ihn irregeführten Krieger, aus der Gefangenschaft auslösen. Betto empfand den Verrat Tutors sicher als eine persönliche Beleidigung und somit als sehr schmerzhaft. Mehr noch aber musste er zornig sein, dass er getäuscht wurde und dann fast selbst für die Vernichtung seiner Krieger sorgte. Die vom Verrat Betroffenen würden diesen sicher auch nicht so leicht vergessen…

Tutor dagegen verriet seinen Stamm nicht nur, er rettete zuerst sein Leben, ohne den Onkel zu warnen und gab damit die Krieger des Stammes der Vernichtung preis.

Je weiter Ancus Gedanken um diese Zusammenhänge kreisten, desto tiefer drang er in die Gedankengänge des Fürst der Treverer vor. Es würde Ancus nicht wundern, wenn deshalb innerhalb des Stammes Unruhe entstand und sich eine feindliche Front gegen den Fürst öffnete. Bezog er die gehörte Andeutung Bettos auf diesen Zustand, wusste er, in welcher Gefahr der Fürst schwebte. Stürzte der Stamm Betto, fiel auch die Züchterin dem inneren Streit zum Opfer.

Diese Gefahr begriff sicher auch Albanus Betto und umso dringlicher war dieser zum Handeln gezwungen, wollte er den Verrat am Stamm sühnen, seine Macht erhalten und auch sein und seiner Schwester Leben bewahren… Würde ihn der Tod in Folge des Machtkampfes treffen, starb mit Sicherheit auch seine Schwester… Ob das gleiche Schicksal dann auch Tutor traf, war in Frage gestellt. Deshalb blieb der Neffe in dieser Sache das notwendige Opfer, selbst wenn dieser die aufziehende Gefahr würde kaum erkennen können…

Der Evocati war sich sicher, dass Tutors weiteres Leben keinen As wert war… Blieb er dem Stamm fern, bedrohte ihn Verginius Rufus Macht. Ob dann Belletor dahinter steckte oder wer auch sonst, sollte von nur geringer Bedeutung sein…

Kehrte Tutor jedoch zum Stamm zurück, würden sicher interne Machtkämpfe ausgelöst, in denen nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Mutter und des Onkels im Feuer des Schicksals verbrennen könnten… Tutor wusste noch gar nicht, dass er eigentlich schon tot war!

Betto musste nichts am Verlust seiner Macht liegen und sein Leben wollte er für diesen Neffen sicher nicht opfern… Auch die Schwester sollte jede Bedrohung überstehen. Was also konnte Albanus Betto unternehmen, um seine Ziele zu erreichen? Das beste Angebot unterbreitete Verginius Rufus, der Legat der Römer. Erbrachte Betto Nachrichten zu Tutor, würde der Legat den Neffen früher oder später vernichten. Geschah es schnell, würde dessen Schuld gegenüber seinem Stammesteil im Nichts verschwinden und der Hass der Krieger Schritt für Schritt erlöschen…

Vermutlich verschwand damit auch die Bedrohung seiner Macht, als auch seines und seiner Schwester Leben… Dauerte es länger, blieb die Gefahr in greifbarer Nähe und würde sicher auch mit der Zeit wachsen. Also war Betto daran interessiert, möglichst schnell vom Tod des Neffen zu erfahren… Diese Überlegungen mündeten in einer Schlussfolgerung, die Ancus dann für sich selbst entscheiden musste. Was konnte er tun, um sich den Vorteil des Pferdehandels mit der Mutter des Tutor zu sichern?

Steckte Rom hinter dem Tod des Sohnes, würde dies zweifellos auch, zu einem gewissen Teil zumindest, auf ihn zurückfallen, selbst wenn er vollkommen unbeteiligt war. Der Schmerz einer Mutter über den Tod des Sohnes konnte, gerade bei dieser Mutter, ungeahnte Taten und damit Schwierigkeiten entstehen lassen… Besser das wäre nicht der Fall! Andererseits würde ihn nicht der Hauch eines Vorwurfes treffen, fiele der Sohn der Hand eines Treverers zum Opfer… Wäre Albanus Betto darin verwickelt, könnte es sich allerdings auch auf ihn auswirken… Folglich wäre es ein willkommenes Ereignis, starb Tutor durch eine vollkommen fremde Einwirkung…

Blieb eine letzte Überlegung. Welchen Nutzen zog Rom?

Dies zu beantworten, fiel Ancus schwer. Weder Belletor noch dieser Hermundure haben sich so eindeutig zu ihren Wünschen bekannt, dass Ancus hätte eine Vorgehensweise ableiten können. Einesteils war er stolz, so tief in diese Angelegenheit eingedrungen zu sein, aber andererseits nicht so vermessen, daraus Notwendigkeiten erkennen zu müssen, die eine Handlung seinerseits erzwangen. Also schloss Ancus mit der Angelegenheit ab und entschied sich, seine weitere Aufmerksamkeit auf den Pferdehandel zu beschränken…

Vom beginnenden neuen Morgen an trennten sich die Wege der beiden Evocati. Mamercus suchte Weinhänge am sonnigen Ufer der Mosella auf und hoffte dort auf Eigentümer zu treffen.

Ancus ritt auf den Berg zur Auswahl für ihn günstiger Tiere. Nebenbei sah er dem Treiben seines Hengstes zu, als dieser die zweite rossige Stute der Züchterin deckte.

Einen weiteren Teil seiner Beobachtung verwendete Ancus, um das so merkwürdige Treiben der Hütehunde zu verfolgen. Mit Beginn der abendlichen Dämmerung war die Auswahl abgeschlossen. Ancus legte wie immer, all sein Wissen und seine Erfahrung in die Auswahl und verhandelte dann zum Preis jedes einzelnen Tieres mit der Frau.

Sie wollte einen Pauschalpreis und dieser erschien Ancus zu hoch.

„Lass uns doch die Tiere einzeln bestimmen und dabei Vorteile ebenso beachten, wie wir über Nachteile sprechen sollten…“ schlug Ancus vor und die Züchterin stimmte, nach einiger Überlegung, zu.

Dieser überhebliche Römer wird doch wohl nicht jedes Tier in Erinnerung haben, so wie sie jedes ihrer Pferde von Geburt an kannte und deshalb wohl besser wusste, was sie in einer Kaufverhandlung, zu ihren Gunsten vorbringen sollte oder zum Nachteil verschwieg…

Allein, sie täuschte sich und je weiter die Verhandlungen fortschritten, desto mehr fand sie zur Überzeugung, dass der Römer ein außerordentliches Gedächtnis besaß, einen klaren Blick mit hervorragenden Wissen über Pferde paarte und ihr deshalb Sesterz um Sesterz abnahm.

Es war ein mühseliges Vorwärtskommen und als sie zum Schluss die Summe und ihren Vorschlag vom Verhandlungsanfang betrachtete, erschrak sie. Sie war als Verkäufer auf möglichst hohen Vorteil bedacht und nannte eine Summe, die weit über dem Wert der Tiere lag. Statt mit ihr zu feilschen, suchte der Römer den Weg über die Güte jedes einzelnen Tieres und gelangte dorthin, wo eine kluge Züchterin gelandet wäre, würde sie selbst zum Beginn, einen angemessenen Preis genannt haben.

An diesem Abend aber kitzelte sie der Stachel des verletzten Stolzes, sowie einer Enttäuschung und brachte ihr Blut in Wallung. Ancus dagegen verabschiedete sich von seinem Hengst und ritt zum Vicus.

Mamercus saß im Gastraum der Taverne, in jedem Arm ein Weib, vor sich einen Pokal mit Wein und lies sich das Leben angenehm sein.

„Setz dich zu uns Bruder, iss und trink und dann probier mal von dieser Ware…“ Er nickte kurz nach beiden Seiten und meinte wohl die Weiber.

„Du scheinst zufrieden?“ fragte Ancus, um nicht völlig ohne Interesse zu wirken.

„In der Tat, ich bin es!“ grunzte Mamercus voller Inbrunst. „Denke dir, ich fand einen Wein und den Händler dazu, der mir in der Colonia weitere Türen öffnen sollte… Koste ihn und du wirst sehen, dass meine Worte eine Wahrheit verkündeten…“ Mamercus Grinsen schien weit über sein Gesicht hinaus vorwärts zu drängen.

„Dann liefen mir auch noch diese beiden Schönen in die Arme… Als ich sie fragte, zeigten sie sich für unser heutiges Abendvergnügen nicht abgeneigt…“ Er kniff der Links in seinem Arm liegenden blonden Frau, die kaum zwanzig Jahre erreicht zu haben schien, leicht in die Wange.

Das Erröten stand ihr, stellte Ancus fest. Die Frau im anderen Arm schien ein wenig älter, besaß braunes Haar und war ausnehmend hübsch anzusehen.

„Gefällt es ihnen am Abend bei uns, würden sie uns auch zur Colonia begleiten. Ich wüsste schon, wo ich diese Schönheiten unterbringen könnte… Mir scheinen die Beiden nicht abgeneigt! Also zeig dich von deiner besten Seite und hilf mir in meinem Geschäft, wie ich dir helfe…“ unterbreitete der Gefährte einen Vorschlag, dem Ancus nicht ablehnend gegenüberstehen durfte. Ancus, obzwar überrascht, erkannte den neuerlichen Nutzen, den Mamercus Fähigkeiten auslösten. Für diese Nacht schien ihn ein besonderes Vergnügen, mit einer ausnehmend jungen und schönen Frau, bevorzustehen.

Auch den Gedanken, beide Weiber zur Colonia zu entführen, fand er nicht so schlecht und wenn die Jüngere neben der Schönheit noch etwas Geist besaß, hätte er für die Zukunft seiner Tage in Germanien vorgesorgt. Er neigte nicht dazu, jederzeit wenn es ihm beliebte, zu einer anderen Frau ins Bett zu huschen… Seine Neigung ging in die Richtung einer steten Beständigkeit. Doch gerade dies war für einen Evocati eine Unmöglichkeit… Warum sollte er es also nicht mit der jungen Blonden versuchen?

Der Abend war angenehm, die Blonde anhänglich, aber nicht aufdringlich. Im Bett war sie wohl noch nicht von der Erfahrung einer langjährigen Hure durchdrungen, verhielt sich scheu und zaghaft, blühte aber zusehends auf. Gerade diese Art machte sie ihm angenehm. Auch schien sie nicht zu dumm und wenn ihr als Trevererin etwas Bildung zu fehlen schien, vermutete er ihre Abstammung dennoch nicht von einem hiesigen Bauern. Am Morgen wusste er genug von ihr, um seine Wahl des Abends nicht zu bereuen.

„Höre Mamercus, was wird mit den Weibern?“ sprach er den Gefährten an. „Kommen sie mit?“

Mamercus grinste die Antwort. „Ja, hier hält beide wohl nicht viel… Sie werden sich reisefertig machen und ich hole sie mit zwei deiner Pferde ab. Was hältst du davon?“ Ancus stimmte zu und erlebte, als sie auf dem Berg ankamen, noch eine Überraschung.

Seine ausgewählten Tiere standen angeleint bereit und in dem er die Tiere prüfte, sah er, dass die Züchterin ihn nicht übervorteilte. Es waren alles von ihm erwählte Pferde und das zu führende Ende des Seiles, was alle Tiere einer Kette verband, hielten zwei Männer in der Hand, die ebenso reisefertig erschienen.

„Was soll das?“ fragte er und erhielt eine Antwort, die ihn verblüffte.

„Verzeih mein gestriges Verhalten, Römer! Ich wähnte in dir einen zu dummen Mann deiner Gattung und entschuldige mich dafür… Wüsste ich, dass dein Wort von Geltung wäre, hätte ich dich nicht mit einem Preis zu verwirren versucht, den mir sonst kein Händler zu zahlen gewillt ist… Statt mit mir zu feilschen, zwangst du mich zur Verhandlung über jedes Tier und machtest mir Vorzüge und auch Nachteile klar. Ich war wohl einerseits überrascht von deinem Wissen und deiner Erfahrung… Dann vermitteltest du mir, dass ich mich von jedem einzelnen Pferd würde trennen müssen… Diesem Schmerz unterlag ich wohl dabei mit einer zu zornigen Regung, um dir schon am Abend zuzugestehen, dass der ausgehandelte Preis dem entsprach, was ich nach dem Feilschen verbissen verteidigen würde… Mit anderen Worten: Dein Preis ist angemessen!“

Ancus nickte und gab zu verstehen, ihre Ansicht zu teilen.

„Was aber sollen die Männer? Mir scheint diese sind reisebereit… Sollen sie uns begleiten?“

„Nimm es als Dank für deine gestrigen Mühen und als Anerkennung. In dir begegnete mir der bisher verständigste Pferdehändler und dieser Mann ist noch ausgerechnet ein Römer…“ Die Frau lachte verlegen.

„Was die Männer betrifft, sollen sie dich, wenn du einwilligst, begleiten. Der Ältere führt dich zu einem Züchter vom Stamm der Ubier, der mir etwas schuldet und holt mir zwei Ardenner Hengste, die ich gegen zwei Berberstuten tausche! Bist du einverstanden?“

Er war es. Ancus Blick schweifte zu den Berberstuten, die am Zügel in den Händen der Männer hingen. Sie verfügten somit über kundige Hilfe und waren Ubier und Trevererin einander zugetan, warum konnte er den Züchter dann nicht in seine Auswahl einfügen? Vielleicht ließ sich ein noch anderer Vorteil erlangen, wenn der Züchter dann auch Vorteile wahrnahm, die er zu bieten vermochte?

Ancus tätigte seine Zahlung und überreichte den Beutel voller Münzen, der die Zufriedenheit von Händler und Züchter bestätigte. Er verbeugte sich vor der Mutter des Tutor, ergriff den Zügel seines Hengstes und schwang sich in dessen Sattel.

„Warte Römer, ich glaube, du hast etwas vergessen…“ hinderte sie ihn am Abritt.

„So, was denn?“ Er war verwundert.

„Dein Hengst deckte drei meiner Stuten… Darüber ließest du nichts verlauten…“

„So… das muss ich dann wohl vergessen haben…“ Ancus kratzte sich am Schädel. „Machen wir es doch so… Ich sah ausnehmend gute Pferde auf deinen Koppeln… Was hältst du davon, wenn ich im Herbst erneut komme und sagen wir, dann so etwa dreißig oder gar fünfzig deiner Tiere kaufe… Bis dahin sind die Stuten ohnehin trächtig und sollte ich im darauffolgenden Frühjahr erneut auftauchen, können wir dann auch über die Fohlen sprechen…“

„Du bist ein verständiger Mann, Römer Ancus! Ich wünsche euch eine gute Reise!“ Die Züchterin war mehr als zufrieden.

Mamercus wählte zwei der neu erstandenen Pferde, ließ diese satteln und ritt zum Vicus, um dort die Weiber abzuholen.

Etwas später, erst nach dem sie die angeleinten Pferde neu aufgeteilt hatten, gab Ancus das Zeichen zum Aufbruch. Weil jeder, der zur Verfügung stehenden Männer, eines der Führseile ergriff, brauchten an einem Strang nur noch jeweils sechs Tiere zu laufen. Dies verbesserte die Bedingungen der Führung und gab Gewähr dafür, einen schnelleren Ritt angehen zu können.

Als sie den Berg hinab ritten, rief ihn der ältere Treverer an.

„Herr, welchen Weg zu nehmen, schwebt dir vor?“

„Die Mosella entlang zum Tal des Rhenus…“ erhielt er zur Antwort.

„Herr, es wird mir schwer fallen, unser Ziel auf diesem Weg zu finden…“ wandte der Treverer ein.

„Was würdest du empfehlen, Treverer?“ Ancus war nicht abgeneigt, auf das Wissen dieses Mannes zurückzugreifen.

„Herr, kennst du die Via Agrippa von Augusta Treverorum über Beda, Icorigium und Tolbiacum zur Colonia?“

„Was erscheint dir an dieser Straße günstiger?“ Ancus war auf die Gründe des Treverer gespannt.

„Herr, der Ort, zu dem es uns zieht, liegt unmittelbar an dieser Römerstraße und diese kann ich nicht verfehlen, wenn ich mich der Richtung zum Sonnenuntergang zuwende. Den Weg zum Vicus Icorigium bin ich schon einige Male geritten. Dort treffen wir auf die Römerstraße, die uns dann auf unser Ziel führt. Folgen wir jedoch der Mosella, dann müssen wir zum Sonnenaufgang reiten…

Die Herrin sagte, dass auch dieser Weg möglich sei, nur weiß ich dann nicht, ob ich den richtigen Weg zum Ubier sofort finde…“

„Du meinst, dein Vorschlag wäre günstiger? Ist der Weg dann auch kürzer? Wo können wir übernachten und finden wir dort Bedingungen vor, die wir für die Tiere benötigen? Nicht jede Taverne kann über zwanzig Pferde unterbringen…“

„Herr, wenn du uns vertraust, führen wir dich zu einem noch anderen Züchter, der auf dem fast halben Weg uns Futter und Wasser für die Tiere bieten kann. Wenn du und dein Gefährte zur Not in einem Stall übernachten können, sollte das ausreichen. Mein Sohn und ich würden ohnehin bei den Pferden schlafen…“ Der Treverer brachte Gründe vor, die einer vernünftigen Überlegung entsprachen. Warum sollte er nicht dem Rat des Mannes folgen?

„Ich kenne die Via Agrippa zur Colonia, nur liegt das Jahre zurück und an zu viele Einzelheiten werde ich mich sicher nicht mehr erinnern… Den anderen Weg dagegen kenne ich genau. Warum sollte ich mich nach dir richten und nicht meinem Wissen folgen?“

Ancus Behauptung war eine Lüge, die er bewusst wählte. Sollte der Treverer üble Absichten hegen, würde er zu keinem Zeitpunkt wissen, an was sich Ancus erinnerte. Seine Vorsicht, falls ein Betrug beabsichtigt wäre, könnte sich kaum zum Nachteil auswirken.

„Herr, ich kenne den Weg und auch mein Sohn war schon einmal bis Icorigium gekommen. Von dort aus ist es ein Leichtes das Ziel zu finden. Beide Züchter sind Ubier und glaube mir, in diesem Teil reisen wir aus zwei Gründen sicher. Der Erste sind berittene Trupps der Römer, die diesen Weg ständig im Blick haben…“

„Und Treverer, was ist der andere Grund?“ Ancus war neugierig.

„Sind Ubier nicht treue Freunde der Römer, so wie wir auch… Wir reiten durch Ubierland…, Herr!“

„Gut Treverer… sie waren an der Stelle des Weges angekommen, die zum Vicus abzweigte. „… in welche Richtung wenden wir uns, zum Vicus…“

„Nein Herr, in die andere Richtung. Erlaube mir deinen Freund aus dem Vicus zu holen. Es ist nicht weit und reitet den Weg dort entlang…“ Der Treverer wies die Richtung. „Wir holen euch ziemlich schnell ein…“

„Gut, beeile dich! Du findest Mamercus in der Taverne.“

„Ja Herr!“ Der Treverer warf seinem Sohn das Ende seines Strickes zu und trieb seine Stute zur Eile.

Ancus und der jüngere Treverer ritten langsam weiter.

Es dauerte nicht lange und der gesamte Trupp war vereint. Mamercus ritt zu Ancus auf und zog dadurch auch die beiden Weiber zum Gefährten heran.

„Was machen die Treverer bei uns?“ Mamercus war das Gespräch der Züchterin mit seinem Gefährten wohl entgangen.

„Sie führen uns, wollen selbst zu einem anderen Züchter und bringen dem die Stuten, die sie reiten… Das Weib kommt uns, mit ihrer Absicht, gelegen. Landen wir erfolgreich am Ziel, sind wir kurz vor der Colonia und stoßen auf einen anderen Züchter. Ich kenne da einen, dessen Zucht unmittelbar an der Via Agrippa betrieben wird, weiß aber noch nicht, ob das der Mann ist, zu dem uns der Treverer führt.“

Mamercus ritt dicht an den Gefährten heran und fragte sehr leise: „Traust du den Beiden?“

„Mamercus, hätten sie uns gefährdende Absichten, würde nicht der junge Sohn den Vater begleiten… Wollte die Mutter des Tutor eine üble Absicht hegen, würde sie keinen Knaben zur Ausführung schicken… Ja, ich vertraue den Beiden! Und ja, trotzdem sollten wir wachsam bleiben… Außerdem freue du dich doch, du musst dich jetzt nur noch um die Weiber kümmern und das, mein Freund, fällt dir doch sicher leicht..“ Ancus lachte und steckte damit die ganze Gruppe an. Dann zog er das Tempo an, denn der Weg zum ersten Tagesziel war noch weit…

Die Legende vom Hermunduren

Подняться наверх