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1. Zustand des Hoffens

67 nach Christus - Frühling (2. Aprilis)

Imperium Romanum – Provinz Syria

Seit über einem Monat waren schon andere Evocati auf dem Weg zu ihrem Ziel. Ihnen war es gelungen, eine Passage auf einem Schiff zu erwirken, das mit dem Ziel Seleukia Pieria aus Classe, dem Militärhafen des Römischen Imperium, ablegte. Aus der Adria kommend, die Peloponnes umschiffend, an der Insel Kreta ebenso vorbei wie an Zypern, legte die Trireme letztlich am Orontes an.

Über eine weitere Schiffspassage, flussauf bis Antiochia, gab es für die beiden Evocati keine gesicherte Auskunft. Weil ihnen daran gelegen war, möglichst wenig Zeit zu verlieren und beide Evocati von der See eigentlich genug hatten, ritten sie den weiteren Weg.

Antonius Honoratus und Manius Furius gehörten zur ersten Klaue der Adler der Evocati und erhielten ihre Befehle von Novius Fadus, der kein Interesse daran besaß, dass sich seine ausgesandten Evocati begegneten oder gar gemeinsam reisten. Damit die zwei Tage später Abgereisten, auch nicht durch einen Zufall, den zuvor Aufgebrochenen begegneten, sandte er Occius Pudens und Statius Laenas über Land, während Honoratus und Furius den Seeweg wählen durften.

Der Militärhafen von Classe bot eine ausreichende Anzahl dort liegender Schiffe. Nach den Vorstellungen der Evocati müsste sich doch Eines davon finden lassen, das wichtige Güter, zur Vorbereitung des Feldzuges zur Niederwerfung der Juden, nach Syria transportierte…

Sie hatten Glück und fanden Verständnis vor allem deshalb, weil der Befehl der Evocati auf eine Verwendung in unmittelbarer Nähe des Feldherrn hinwies, ohne die genaue Berufung zu benennen. Honoratus nutzte das Dokument, um mit seiner Wichtigkeit für Vespasian, auch die Zustimmung zur Mitführung ihrer Pferde zu erschwindeln.

Der Trierarch verfügte über Ladelisten und andere Dokumente, die er selbst dem Feldherrn zu übergeben trachtete. Also packte dieser die Gelegenheit beim Schopfe und forderte den so scheinbar wichtigen Fremden auf, ihm mit der Mitnahme seiner Dokumente entgegenzukommen. Weil die Absprache zum gegenseitigen Vorteil ablief, einigten sie sich schnell.

Erfreut, nicht unbedingt erst selbst den Feldherrn suchen lassen zu müssen, erklärte sich der Trierarch einverstanden, die zu übergebenden Schreiben in einer Botenrolle zu versiegeln. Honoratus erkannte, dass ihm mit der Übergabe von angeblich wichtigen Dokumenten der Zugang zu Vespasian sicher war. Er brauchte nicht zu befürchten, abgewiesen zu werden. Das Entgegenkommen löste Sorgen, die sich, bei anderer Lage, hätten für beide Seiten als beschwerlich herausstellen können.

Unter solchen günstigen Umständen war die Seereise, obwohl auch heftiger Wind und manch kleinerer Sturm Bedenklichkeiten hervorriefen, von sehr angenehmer Art. Der Trierarch war ein umgänglicher Mann und weil ihre Absprachen von gegenseitigen Vorteilen getragen waren, stellte sich nicht nur ein Entgegenkommen ein. Er lud seine Bordgäste zu Gesprächen und manch gutem Schluck Wein ein.

Trotzdem waren beide Evocati froh, dem ständigen Schlingern und Rollen der Trireme entkommen zu dürfen. Auch den Pferden tat die Bewegung gut und die beiden Reiter merkten deutlich deren Bereitschaft, sich endlich wieder austoben zu wollen.

Also war die Reise vom Hafen bis Antiochia auch keine große Herausforderung. Sie folgten der Straße, die nach Auskunft des Trierarch den Weg bis Antiochia abkürzen würde. Entlang des Flusses Orontes zu reiten, würde viele zusätzliche Zeit erfordern, weil sich der Fluss durch die Niederungen schlängelte und mit zahlreichen Windungen und Schleifen fast doppelt so lang war, wie die beschriebene Straße.

Am Morgen mit dem Ritt begonnen, trafen sie mit der einbrechenden Dämmerung in Antiochia ein, überquerten eine Brücke und fanden im Gewirr der Straßen eine Taverne, die ein Zimmer zur Übernachtung bot.

Am neuen Morgen begaben sie sich auf die Suche nach dem Feldherrn. Doch konnte ihnen niemand sagen, wo dieser residierte und viele der Gefragten kannten auch keinen Römer mit dem Namen Vespasian. Honoratus vermochte es nicht, seine Verwunderung abzuschütteln. Warum schickte der Aquila sie nach Antiochia, wenn Vespasian gar nicht an diesem Ort weilte? Tage vergingen und der Erfolg in der Suche blieb aus.

Weil Honoratus glaubte, dass sie die gewaltige Stadt bereits vollständig durchstreift und dabei keinen Anhaltspunkt für den Aufenthalt des Feldherrn gefunden hatten, dürfte dieser noch gar nicht innerhalb der Mauern verweilen. Diese Folgerung zwang dazu, die Zugänge zur Stadt zu überwachen. Wie aber, wenn es vier Zugänge gab, aber nur zwei Evocati zur Verfügung standen?

Es half ihnen eine einfache Überlegung zur Lage der großen Stadt und den dort ankommenden Wege. Würde Vespasian per Schiffsweg reisen, musste er dort über die Brücke des Orontes kommen, über die sie selbst eingeritten waren. Wählte Vespasian dagegen den Landweg, dürfte er die Mauern durch die Porta Orientalis passieren, die dem nördlichen Zugang entsprach. Ein Erreichen der Stadt durch die Porta Ferrea im Osten oder die Porta Daphne im Süden erschien unwahrscheinlich. Vespasian würde weder einen Umweg in Kauf nehmen, was der Porta Ferrea entsprach, noch vom Meer her kommend, am falschen Ufer des Orontes, den Weg durch die Berge bevorzugen, wenn die kürzere und direktere Straße auf der anderen Seite des Flusses verlief… Alles sprach für die Richtigkeit ihrer Überlegungen und dennoch trat Verunsicherung ein, je länger Vespasians Eintreffen und somit ein Erfolg ausblieb.

Am zehnten Tag, nach ihrer Ankunft, tauchte endlich ein Reitertrupp auf, der für eine schnelle Reise und eine ausreichende Sicherheit sprach. Der Trupp in Stärke einer Ala Quingenaria erreichte, in Viererreihe reitend, die Porta Orientalis in tadelloser Ordnung und zog anschließend zur Agora der Polis Antiochia.

Furius, der an diesem Tor auf der Lauer lag, folgte der Formation, die auf dem freien Platz Rast machte, während der Feldherr sich beim Statthalter der Provinz zeigte.

Der Evocati nutzte die dadurch gewonnene Zeit, um seinen Gefährten, von dessen Standort an der Brücke über den Orontes, abzuholen.

Der Weg war nicht weit, auch wenn ihn das Treiben auf den Straßen behinderte. Waren die Menschen der Reiterformation des Feldherrn ausgewichen, sahen die selben Leute, in seinem einzelnen Pferd, keine Bedrohung und standen, wo sie eben standen. Er empfand das Verhalten der Einwohner merkwürdig. Mitunter lautstark, ihren Worten mittels intensiver Bewegungen Nachdruck verleihend, und dennoch weitgehend friedlich zu streiten, war ihm befremdlich. Die gesprochenen Worte verstand er nicht. Der Art der Rede, ihrer Entschiedenheit und dem Phlegma der Handlungen, verstand er keinen Sinn zuzuordnen.

Der Evocati erreichte den Gefährten und schon wenig später waren sie bei der Ala. Sich als gleichfalls Römer zu Erkennen gebend, fanden sie Interesse und wurden ohne Vorbehalte an die militärische Einheit herangelassen.

Ein erstes Gespräch entspann sich zwischen Honoratus und einem Decurio, der sich als sehr offen gab. Sie wären seit einem Monat unterwegs und hätten soeben ihr vorläufiges Ziel erreicht. Ja, sie begleiten den Feldherrn Vespasian, gab der Decurio im Verlauf ihres Gesprächs zu erkennen.

„Dann mein Freund, könntest du deinem Feldherrn und mir einen wichtigen Dienst erweisen…“ eröffnete Honoratus seinen Vorstoß.

„Wie das, Fremder?“ verwunderte sich der Decurio.

„Weil wir schon Tage auf den Feldherrn warten… Wir kommen direkt aus Rom und reisten auf dem Seeweg. Weil uns der Trierarch vertraute, übergab er uns wichtige Dokumente für Vespasian und forderte mich zur persönlichen Übergabe auf.

Der Decurio stutzte und handelte. „Folgt mir!“ erklärte er und führte die Fremden zum Praefectus Alae, der sich zuerst als abweisend erwies.

Als Honoratus, mit den gleichen Worten wie zuvor, sein Begehr darlegte, befahl der Präfekt zu warten. Nach einer kleineren Weile kam der gleiche Präfekt zum Schluss, dass Vespasian wohl kaum Interesse an einem Boten zeigen würde, der eine Botschaft aus Rom beförderte, wohl aber an der Botschaft selbst… Also versuchte er in die Boten zu dringen und mehr zur Herkunft und wenn möglich, auch zum Inhalt der Botschaft, zu erfragen. Honoratus aber blieb verschlossen, wenn nicht sogar wortkarg und abweisend.

Dies forderte den Präfekt heraus. So schlug er vor, ihm die Botschaft auszuhändigen, denn wenn er so richtig überlegte, habe der Feldherr ohnehin keine Zeit, sich mit fremden Boten abzugeben…

Honoratus lächelte den Präfekt an und fragte, was er sich von seinem Manöver versprechen würde? Glaubte er etwa, dass ihm seine Stellung ein Recht gäbe, diese Botschaft einzufordern?

Der Präfekt verstand zumindest, dass der Fremde eine härtere Nuss war. Er verwies auf des Trierarch Weitergabe, die ihm letztlich darin bestärke, dass die Botschaft zwar wichtig sei, nicht aber der Bote…

Honoratus bedachte sich einen Augenblick und schien gewillt, die Botenrolle zu übergeben… Dann jedoch schüttelte er seinen Kopf und ließ verlauten, dass er dem Präfekt für seine hohe Bereitschaft dankbar sei, aber dennoch nicht annehmen dürfe… Er war zur persönlichen Übergabe verpflichtet worden, betonte Honoratus. Er könne deshalb nicht auf das freundliche Angebot eingehen. Er misstraue einem Praefectus Alae keinesfalls, aber Auftrag sei Auftrag, egal wer ihn erteilte. Er sei ein zwar nur unbedeutender Bote, aber persönlich verpflichtet und dies schloss eine erneute Übergabe aus. Also würde er warten…

Der Präfekt stellte seine Aufdringlichkeit ein und verwies die Fremden nach außerhalb seiner Formation. Also legte sich Honoratus am Eingang zum Gebäude auf die Lauer. Als Vespasian dieses verließ, er sah nicht gerade sehr zufrieden aus, stellte sich ihm Honoratus in den Weg.

„Feldherr, ich habe eine Botenrolle aus Rom für dich!“

Vespasian, der schon wortlos am Fremden vorbei war, drehte sich plötzlich um. „Eine Botschaft aus Rom?“ fragte er.

„Ja, Herr! Ich reiste per Schiff…“

„Warum aus Rom? Ich war doch beim Kaiser in Korinth… Wäre es nicht ein kürzerer Weg gewesen, mich in Korinth aufzusuchen?“ Vespasian zeigte Verwunderung.

„Herr, wenn du beim Imperator warst, wird er dich vermutlich aufgefordert haben, schnell zu reisen… Kannst du aber auf dem Landweg so schnell reiten, wie ein Schiff im Wind fliegt? Dann wäre da noch ein Vergleich der Tage unserer beider Abreise von Bedeutung… Ritte ich in Rom ab zum Militärhafen Classe, stieg auf eine schnelle Trireme und legte dort, vor reichlich einem Monat ab, dürfte ich schon vor Tagen hier eintreffen. Den Tag deiner Abreise kenne ich nicht, was zumindest gegen ein Aufsuchen in Korinth sprach, brachte es doch Verunsicherung, ob ich dich dort noch erreichen würde? Außerdem Herr, wie sollte ich, mit dem Umweg über Korinth, zur gleichen Zeit wie du, in Antiochia eintreffen? Es wäre nur von untergeordneter Rolle, ob ich direkt in den Golf von Korinth einlief, was dem kürzeren und damit schnellerem Weg entsprochen hätte…“

„Nutztest du den Diolkos, wäre dein Zeitverlust lediglich ein oder zwei Tage gewesen…“ warf Vespasian ein.

„Herr, mit einer Trireme über den Diolkos? Bei einer Liburne wäre das möglich, würde mit Warten aber auch bis zu fünf Tagen dauern… Ob ein derartiges Schiff der Classis Germanica hätte früher abgefertigt werden können, steht auch in Frage…“

„Du kennst dich gut aus… Wie ist dein Name?“

„Antonius Honoratus, Herr!“

„Du trägst kurzes Haar… Hast du gedient oder dienst du noch…“

Vespasian fand den Mann interessant. Der ihm Fremde war nicht verlegen in seiner Sprache, dachte geradlinig und machte wenig Aufheben um den Unterschied ihrer Herkunft.

„Wo ist deine Botschaft?“

Die neuerliche Frage hob die Bedeutung der zuvor gestellten Frage auf. Deshalb reichte Honoratus die Botenrolle in die Hände, für die sie bestimmt waren. Vespasian prüfte das Siegel und steckte die Rolle dann in eine seiner Satteltaschen, schwang sich auf sein Pferd und wandte sich noch einmal an den Boten.

„Hast du ein Pferd, so folge meiner Ala und melde dich in meinem Zelt, wenn es denn steht. Du wirst uns an der Straße zur Porta Ferrara finden…“ Dann schnalzte der Feldherr mit der Zunge und sein Rappe setzte sich in Bewegung.

Honoratus fand seinen Gefährten und die Pferde dort, wo er den Freund verlassen hatte.

„Und? Hattest du Erfolg?“ bedrängte ihn Furius.

„Steig auf, wir reiten der Ala nach!“ erhielt er als Antwort.

Furius tat, was der Gefährte forderte.

Es ging erneut fast durch die gesamte Stadt, bis die Ala zu den Bergen abschwenkte. Kurz davor erreichte sie einen freien Platz und begann, in der Nähe eines ärmlichen Baches, einen Lagerplatz zu errichten.

Vespasian hielt sich abseits, der das Lager errichtenden Milites auf und las die Dokumente der überbrachten Botschaft. Als er damit fertig war und Honoratus unweit auf dessen Pferd sitzen sah, winkte er den Reiter zu sich.

„Folge mir, Furius! Halte aber etwas Abstand… Wir wissen nicht, was uns erwartet!“ Honoratus ritt auf den Feldherrn zu.

„Du schuldest mir noch eine Antwort…“ eröffnete Vespasian das erneute Gespräch.

Honoratus wusste, worauf der Feldherr hinaus wollte. „Ja, Herr, ich habe gedient!“

„Und jetzt?“ traf ihn die nächste Frage.

„Bin ich frei…“ antwortete der Gefragte.

„Deine Dienstzeit an Rom ist also vorbei…“ Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage Vespasians.

„Ja, Herr!“

„Warum, du merkwürdiger Bote, überbringst du mir dann diese unerheblichen Dokumente, die jeder meiner Secretarius oder Diener hätte entgegennehmen und prüfen können, als wichtige Botschaft aus Rom?“

„Weil ich zu dir gelangen wollte, Herr! Die Übernahme dieser Pflicht ermöglichte mir den direkten Weg zu dir…“

Ein kurzer Augenaufschlag zeugte von Vespasians Überraschung.

„Was erwartest du von mir?“ Im Feldherrn stieg Misstrauen auf.

„Möchtest du wirklich die Zeit aufbringen, meine Geschichte zu hören, Herr?“ Honoratus warf eine Abwehr auf.

„Ich habe im Augenblick etwas Zeit…“ erwiderte Vespasian und deutete mit dem Kopf auf die Aufbauarbeiten für das Lager.

„Sagen wir mal…“ begann der Evocati „… mir hätte ein guter Freund den Rat gegeben nach Classe zu reiten, mir ein schnelles Schiff zu erwählen und dann nach Antiochia zu segeln… Eingetroffen dort, würde bald ein neuer Feldherr für den Krieg gegen die Juden auftauchen, ob dies nun Corbulo oder Vespasian sei, wäre unerheblich… Der Freund meinte, dass der diesen Krieg Führende treue Männer brauche, die nicht zögerten, dessen Leben auch dann zu erhalten, wenn schier Aussichtslosigkeit bestehen würde… Ich glaube, dass mein Freund nicht den Feind unter den Juden meinte…“

„Nun, für diesen Fall kämst du zu spät, sollte dein Auftrag lauten, den Feldherrn Corbulo schützen zu wollen… Corbulo zog den Freitod in Kenchreae vor, als der Kaiser ihm diesen anbot…“

„Das ist bedauerlich für den verdienstvollen Feldherrn…“ erwiderte Honoratus. „…ist es nicht eine Absonderlichkeit, dass verdienstvolle Männer an Rom stets mit dem vorzeitigen Ableben bedroht sind…“

„Du sprichst eine mutige Zunge…“ entgegnete Vespasian. „Das zwingt mich zur Frage, wessen Interessen du vertrittst?“

„Damit stellst du eine Frage, Herr, die ich dir nicht beantworten kann. Aber ein Hinweis sei mir erlaubt…“

„Ich höre?“ ging Vespasian auf das Ausweichmanöver ein.

„Scheinbar gibt es in Rom Männer, denen der Verschleiß an guten Feldherrn zuwider ist… Nach mir Gesagtem gehören nur Wenige zum erlauchten Kreis befähigter Männer. Mir wurden Paulinus, die Brüder Scribonius, Corbulo und der Mann vor mir genannt…“

„Danke für die Blumen… Was aber willst du?“

„Stellen wir doch die Frage anders herum…“ bot Honoratus an und lauerte.

Vespasian breitete seine Arme aus und erwiderte: „Wie du möchtest…“

„Corbulo ist also tot…“ begann Honoratus. „Deshalb führt Vespasian den Krieg gegen die Juden…“

„Davon kannst du ausgehen!“ unterbrach der Feldherr.

„Nun hat dieser Krieg zwei Möglichkeiten…“ Dieser Fremde erzwang des Feldherrn Aufmerksamkeit. „Er endet so, wie der Kampf zuvor, den ein anderer Feldherr gegen die Juden bereits verlor… Weshalb auch Vespasian im Vergessen landen könnte… oder dieser ringt die Juden nieder…“ ließ sich Honoratus nicht beirren.

„Ja und?“ warf Vespasian zwischen des Anderen Worte.

„Eine Niederlage wäre eine Schmach und befördert den Feldherrn ins Vergessen… Wer braucht schon einen Versager? Gewinnt Vespasian aber, gibt es erneut zwei Möglichkeiten…“

„Ich bin neugierig! Was bietest du mir an?“ Vespasian grinste. Er fand das Gespräch interessant und in einem bestimmten Umfang beeindruckte ihn dieser Honoratus.

„Du könntest in der Gunst des Imperators landen, was ich, nach mir zu Ohren gekommenen Gerüchten, aber anzweifle… Zwar würde er dir auch für einige Zeit die Treue halten können, aber auf ewig gibt es keine Liebe zwischen Göttlichem und Sterblichen! Anders könnte aber, wenn der Göttliche dich als Gefahr begreift, auch dir ein vorzeitiges Ende drohen… und dies schon mit dem Ende der Niederwerfung der Juden!“

„Was könnte mir dann ein unbedarfter Vertreter einer unbekannten Macht an Schutz bieten? Nach meiner Meinung schützt nichts vor der Aufforderung zur Selbsttötung… Was hatte Corbulo für andere Möglichkeiten?“ Vespasian begriff den Vorstoß, wusste aber noch nicht, worauf der Andere hinaus wollte. Deshalb antwortete er mit einer Zurückweisung.

„In Rom munkelte man, dass Vinicianus im Begriff stand, dem Kaiser einen Abgang zu verschaffen… Corbulo stand mit seinen Legionen bereit, die Macht zu übernehmen… Du hast von Vinicianus gehört?“ Der Fremde begegnete mit einer Andeutung.

Der Evocati spielte aus, was ihm zuvor Lartius, der Aquila, mit auf diese Reise gab.

„Das ist Unsinn! Warum bläst der Kaiser diesem Vinicianus erst Zucker in den Arsch und jagt ihn dann als Verschwörer? Was soll ein Corbulo bezweckt haben, wenn er denn, nach dessen Entsendung nach Rom, nie wieder mit seinem Schwiegersohn sprach? Briefe reichen da nicht aus… Ich glaube eher, dass der Imperator, falls die Verschwörung tatsächlich geschah, den Vinicianus beleidigte und dieser Rache schwor. Schon dieser ganze Vorgang spricht von einer Vorgehensweise, deren sich ein Corbulo nie bedient hätte… Wäre der Feldherr im Komplott gewesen, würden die Häscher des Princeps noch immer suchen…“

Vespasian bezog Partei für Corbulo und zerstörte die Mär von des Feldherrn Beteiligung.

„Was glaubst du, Feldherr, welche Legionen dir übergeben wurden?“ fragte nun Honoratus.

„Corbulos Legionen, wobei der Kaiser bestrebt schien, mir nicht alle zu vermachen… Zwei Legionen und zahlreiche Kohorten und Alae… Was denkst du, war das Absicht? Mit fünf oder sechs Legatus Legionis einig zu werden, scheint wesentlich leichter zu sein, als zwanzig oder dreißig Praefectus Cohortis oder Praefectus Alae zu beherrschen… Kannst du mir folgen…“ konterte Vespasian die Anspielung.

„Hast du die Absicht, den Kaiser zu entmachten, Feldherr?“ Der Evocati blieb dem Feldherrn nichts schuldig.

„Oh nein, die Götter mögen mich vor solchem Wahnsinn bewahren… Mein Genius ließe mir solche Dummheit nie durchgehen…“

„Dein Genius…“ Honoratus erschien verwirrt.

Vespasian erkannte diesen Umstand und ergriff selbst die Initiative.

„Behalte meine folgenden Worte in deinem Kopf! Jeder gute Feldherr, dazu zähle ich unbedingt Corbulo und auch Paulinus, folgt seinem Genius… Was glaubst du welcher Gott dir, in deiner Machtausübung als Feldherr, am Meisten hilft? Es ist deine eigene Stärke, du befiehlst und deine Männer töten oder sterben! Einzig dein Genius entscheidet, wohin sich die Schale der Fortuna neigt… Mein Genius befahl mir zu dienen!“

„Ich danke für diese Klarheit, Herr!“ wagte Honoratus einen neuen Vorstoß.

„Nun Honoratus, du hast mich herausgefordert und das wagen nicht viele… Du kommst mit einer nichtssagenden Botschaft und schwatzt mir deine Dienste auf. Das machst du nicht ungeschickt. Es zeugt von deinem Verständnis für Macht und Machtausübung… Du glänzt mit Wissen und spielst mit Möglichkeiten einer Entwicklung, die du nie voraus sehen kannst… Dafür stehst du zu niedrig in deiner Herkunft… Was glaubst du, entnehme ich deinem Angebot?“

„Herr, ich weiß es nicht? Meine Möglichkeiten sind wirklich begrenzt, obwohl ich dich meiner Aufrichtigkeit versichere!“ wich Honoratus aus.

„Das nehme ich dir ab! Deine Sprache ist mutig, du verfügst über ein gutes Wissen und erkennst Zusammenhänge… Das macht mich dir geneigt…“ Vespasian zögerte etwas, bevor er weitere Worte anfügt.

„Aber du würdest noch einem anderen Herrn neben mir dienen und das ist für mich befremdlich…“

„Wenn dieser andere Herr nun deinen Schutz im Auge hatte und mich schickte, dir zur Hand zu gehen?“ Honoratus wagte sein Möglichstes.

„Dann würde ich Hilfe annehmen, wenn Treue und Ehrlichkeit dahinter stehen… Ich stelle nicht die Frage nach den Beweggründen des Mannes hinter dir, wenn du mir treu bist … bis in den Tod! Das fordert von dir Entschlossenheit, alles im Sinne dieses Größerem hinter dir zu tun, so lange es mir nutzt, dich aber selbst zu opfern, sollte der Befehl, mir zu Schaden, erteilt werden… Begreifst du, dass ich dich nehme, weil ich deinen Nutzen erkannte und Dank dem Schulde, der dich schickte… Wendet er sich aber von mir ab, bist du auf Gedeih und Verderb mein Mann! Du wirst tun was ich verlange und ihm verwehren, was er fordert…“ Vespasian klare Worte zwangen zur Eindeutigkeit der Antwort.

Honoratus erwog seine Aussichten. Solange die Interessen des Aquila mit Vespasians Wünschen übereinstimmten, stand er in beider Dienste. Das Besondere daran war, dass ihm Vespasian vertrauen wollte und deshalb, ohne zu hinterfragen, tun lassen würde, was der Aquila von ihm forderte. Forderte der Aquila jedoch Vespasians Tod, musste er sich entscheiden…

Eigentlich hatte er keine Wahl. Vespasian müsste sterben, weil sonst auch sein Leben zu Ende war. Furius würde seinem Schwur gegenüber den Evocati treu bleiben und seinen dann vorausgegangenen Verrat sühnen… Gab es noch eine andere Möglichkeit? Er könnte Furius töten…, aber dies bewahrte ihn nicht vor dem eigenen Ende. Ein anderer Evocati würde ausführen, wozu Furius, in diesem Fall, nicht mehr kam…

Diese Überlegungen führten Honoratus zu weiteren Gedanken…

Er könnte jetzt und hier das Angebot des Feldherrn ablehnen und nach Rom zurückkehren… Würde ihn Vespasian ziehen lassen? Vielleicht… oder doch eher nicht? Vespasian war nicht machtwütig und wie es schien, auch nicht nachtragend… Also würde er ihn ziehen lassen. Honoratus glaubte sich sicher. Was aber würde der Aquila tun, kehrte er mit dieser Aussage, die ihm Vespasian aufzwang, zurück? Zweifellos würde sein Vorgehen, im Sinne der Evocati, als richtig erscheinen. Der Aquila wüsste, dass er niemals Diener zweier Herren sein könnte. Dies machte einerseits seine Position innerhalb der Evocati stärker und dennoch wäre er für die Evocati zukünftig unbrauchbar… Das Vertrauen zu ihm wäre zerbrochen und in diesem Fall drohte der stille Tod…

Die gleiche Überlegung bot eine noch andere Möglichkeit an. Honoratus erkannte diese…

„Herr, ich bin einverstanden! Nur solltest du meine Beweggründe kennen…“ schlug er dem Feldherrn vor.

„Dann lass uns ein paar Schritte gehen, vom Stehen und Warten vergeht die Zeit auch nicht schneller…“

„Du Herr, hast geduldig auf meine Entscheidung gewartet… Hätte ich abgelehnt, hättest du mich dann ziehen lassen?“ Honoratus stellte die Frage, die ihn bewegte und deren Antwort er sich nicht so sicher war.

„Aber ja! Zwischen uns herrschte Neutralität. Jeder bot eine Möglichkeit… Warum sollte ich dich töten, wenn dir mein Angebot nicht gefiel?“

„Ich hatte in meinen Überlegungen den gleichen Ansatz… Dennoch tat ich es noch aus einem anderen Grund…“

„Welchem?“ Vespasian war neugierig. Dieser Mann besaß Facetten einer Persönlichkeit, die ihn herausforderten.

„Kehrte ich mit deinem Vorschlag zurück, ein Verschweigen dessen wäre unmöglich, wäre ich verbrannt… Wenn du verstehst was ich meine? Nie wieder erlangte ich bisheriges Vertrauen!“

Vespasian nickte nur. Er konnte der Aussage folgen.

„Das, Herr, aber bot noch eine weitere Möglichkeit…“ wagte Honoratus vorzuschlagen.

„Ich höre noch immer zu!“

„Ich stimme zu und du weißt, dass ich noch einem anderen Herrn diene, der dir schaden könnte… Wenn er mir, zu einem fernen Zeitpunkt nun befiehlt, Hand an dich zu legen, würdest du dem nicht begegnen können… Was hält dich in diesem Wissen davon ab, mich vorher einfach zu beseitigen?“

„Nichts und du wagst es trotzdem? Bist du Lebensmüde oder ein Spieler?“ ging Vespasian auf die Frage ein. Im gleichen Augenblick durchschoss ihn ein Gedanke. „Was, wenn du dich dennoch gegen mich entscheidest? Letztlich bist du der Einzige, der vom Auftrag seines anderen Herrn Kenntnis erhält. Es bleibt einzig deine Entscheidung, oh du tötest oder mir treu bleibst…“

„Also schweben wir Beide in einem Zustand des Hoffens…“ warf Honoratus ein. „Dennoch könnte ich einen möglichen Grund der Entlastung einer Gefahr anbieten…“

„Welchen?“

„Einen zweiten Mann…“

Vespasian unterbrach ihn sofort. „… der dann deinen Vorteil verdoppelt und meinen halbiert…“

„Nehmen wir einmal an, dass der zweite Mann mit dir das gleiche Gelöbnis eingeht…“

„… welches nur zu euren Gunsten ausgehen wird! Eure Verbindung ist älter und sicher seid ihr einander in Treue verpflichtet, mehr als es ich oder ein anderer Herr, jedem von euch bieten könnte…“

„Du irrst, Herr! Es ist der andere Herr, der uns mit dem Tode bedroht, begeht einer von uns Verrat… Der Gefährte ist der Todesbote! Nicht ich allein würde die Nachricht erhalten, auch mein Gefährte!“

„Das scheint interessant… Dein innigster Freund bringt dir für Verrat den Tod?“ Vespasian schien beeindruckt.

„Herr, zwischen uns könnte Einigkeit herrschen und dennoch drohte uns Vernichtung, würden wir den Befehl des anderen Herrn nicht ausführen. Wir könnten uneins sein, egal wer deine Partei ergreift und uns gegenseitig morden, bevor du nur das Geringste bemerkst… Oder, wir wären uns einig und dann Feldherr wärst du uns ausgeliefert…“

„Ich könnte aber heute so tun, als ob ich euch willkommen heiße und schon Morgen geht beim Erwachen etwas schief…“ brachte der Feldherr seine Erkenntnis zum Ausdruck. Vespasian ging mit der Antwort auf diese Bedrohung genau so ein, wie Honoratus sie aussprach. Einfach, logisch und ohne Hintergedanken… Diesmal stimmte Honoratus mit einem Nicken zu.

„Ihr seid Adler der Evocati! Ich kenne euch! Deshalb tretet ihr immer zu Zweit auf.“ stellte Vespasian mit einem Lächeln fest.

„Herr, du willst nicht, dass ich dir diesen Verdacht bestätige?“

„Das brauchst du nicht, Evocati! Ein Feldherr, der Verbindung zur dunklen Macht pflegt, lebt in einer anderen Sicherheit… Was glaubst du, wenn ich dem Kaiser treu bin, wer dann wohl wagen würde, mein Leben zu bedrohen? Befiehlt der Kaiser meinen Tod, dann auf die Art wie es Corbulo ereilte… Dabei wirst du mich kaum schützen können! Also bist du mehr Schutz als Bedrohung! Ich nehme euch Beide!“ schloss Vespasian seine Entscheidung ab und ging zu seinen Forderungen über.

„Es ist deine Sache, deinen Gefährten zu unterrichten! Ich gehe davon aus, dass ihr am neuen Morgen, zum Dienstantritt bei mir im Zelt, beide von unserer Vereinbahrung wisst und im Sinne des Auftrags eures Herrn, mit den Bedingungen einverstanden seid… Oder soll ich deinen Gefährten einweihen und schon jetzt für eure Auseinandersetzung sorgen? Nur ein falsches Wort von mir und ihr liegt euch in den Haaren… Sonst bleibst du mein Ansprechpartner und er der Schweigende, der Gehorchende, dafür aber Wissende!“

„Herr, besser ich erkläre es ihm…“ ging Honoratus auf das Angebot des Feldherrn ein. „Herr, ich muss dich noch auf eine Sache hinweisen…“

„Was?“

„Die Vereinbahrung gilt für uns drei, nicht für Andere, auch nicht für deinen Sohn Titus!“

Vespasian nickte. „Sollte ich einmal anderen Sinnes werden, zeige ich es euch vorher an!“

Diese einzige Bemerkung und die Antwort darauf, stufte den Feldherrn vom Evocati ab. Fast im gleichen Augenblick begriff Honoratus, dass Vespasian bestimmte. Der Feldherr riss die Kluft zwischen ihnen neu auf und begrub, mit einer einzigen Antwort, die bisherige Vertrautheit.

„Herr, als was wirst du uns einsetzen?“

„Du wirst als Evocati zum Tribun erhoben und dein Gefährte zum Centurio Supernumerarius. Beide bleibt ihr in meinem Stab. Legaten gibst du Empfehlungen, aber keine Befehle! Obertribun und Lagerpräfekt haben dir zu gehorchen, wie auch jeder Präfekt oder Tribun einer Kohorte oder Ala! Du kommst direkt von mir und ich möchte nicht erleben, dass du mit einem meiner Legaten in Streit kommst… Sonst erwarte ich, dass du dich durchsetzen wirst…“

„Ja, Herr!“ Honoratus Faust flog auf seine linke Brust.

„Du wirst deinem Herrn regelmäßig berichten! Wie nennst du ihn eigentlich? Brauchst du offene Botenwege?“

„Er ist der Aquila. Für Botenwege wäre ich dankbar, nur sollten die Botschaften von mir zu einer besonderen Adresse befördert werden, die ich dir noch nennen werde, Herr.“

„Sprich mit dem Präfekt meiner Ala, fordere ein eigenes Zelt für dich und deinen Gefährten und verlange eine Wache für sicheren Schlaf!“

„Ja, Herr!“ Honoratus ordnete sich fraglos unter.

Sie waren am Ausgangspunkt ihres Spazierganges angelangt. Der Evocati grüßte wie ein römischer Milites und trat vom Feldherrn zurück.

Bei Furius angelangt, forderte er nur: „Folge mir mit den Pferden!“ und schritt auf den Präfekt der Ala zu.

„Präfekt, wie sagtest du, lautet dein Name?“

Der Angesprochene fuhr herum und starrte den Fremden an. „Ach, du, schon wieder… Was willst du?“

„Zuerst deinen Namen, dann ein Zelt für mich und meinen Begleiter und in jeder Nacht eine zusätzliche Wache vor meinem Zelt!“

„Und wer billigt dir diese Rechte zu?“

„Dein Feldherr! Du solltest ihn fragen…“ empfahl der neue Tribun.

„Das brauche ich nicht! Hier würde sich kein einziger Mann erlauben, etwas zu fordern, was Vespasian nicht billigte… Solltest du Lügen, zerreist er dich in der Luft!“

„Oh, wir werden uns gut verstehen, denn ich mag solche Art… Vertraust du mir, vertraue ich dir! Ich bin Antonius Honoratus und der da ist Manius Furius.“ Der Evocati zeigte auf seinen Begleiter. Sie reichten sich die Arme, als würden sie sich zum ersten Mal sehen…

„Ich bin Sextus Pompeius Sabinus, Präfekt der Ala der Gallier und Thraker.

Die Legende vom Hermunduren

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