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8.

Die kalte, harte Wahrheit

Die Hintertür zu Jennys Haus stand weit offen. Truman rannte hinein und blieb dann abrupt stehen. In der Küche war niemand. Er lauschte, aber alles, was er hören konnte, war sein eigener Herzschlag. Doch dann vernahm er Stimmen. Sie kamen aus dem vorderen Wohnzimmer.

Langsam bewegte er sich darauf zu. Im Haus war es ansonsten still, alle Schlafzimmertüren waren geschlossen. Die Frauen redeten in gedämpftem Ton.

Eine der Stimmen gehörte Sook. Die andere seiner Mutter.

Allein beim Klang ihrer Stimme musste Truman unweigerlich lächeln. Er überlegte, ob er sich vielleicht hinter sie schleichen sollte, um die Hände auf ihre Augen zu legen – und dann würde sie vor Freude aufkreischen und ihn so fest umarmen, dass er fast keine Luft mehr bekam.

Doch da hörte er, worüber sie sprachen. «Er hat dich so vermisst, Lillie Mae», flüsterte Sook. «Manchmal finde ich ihn weinend im Bett und halte ihn einfach eine gute Stunde im Arm, bis er einschläft. Er braucht seine Mama. Er braucht dich.»

«Ach, ich weiß nicht, Sook», sagte seine Mutter. «Ich möchte nicht schäbig klingen, aber … aber ich kann den Anblick meines Sohnes schlicht nicht ertragen – es kommt mir vor, als wäre er nicht einmal mein Kind.»

Für einen Moment herrschte Schweigen.

«Wie kannst du so etwas Schreckliches sagen – und das ist Unsinn, Lillie Mae! Ich habe ja selbst gesehen, wie du ihn geboren hast!», erklärte Sook.

«Das meine ich nicht. Ich weiß, es ist abscheulich von mir, aber der Junge ist so sonderbar. Er benimmt sich nicht, wie es ein normaler Junge tun sollte. Er ist ein Hochstapler wie sein Vater – er lebt in einer Fantasiewelt und zieht mich da mit hinein.»

«Das kann doch nicht dein Ernst sein, Lillie Mae. Er ist noch ein Kind.»

«Bei der Vorstellung, mit ihm und Archie sesshaft zu werden, fühle ich mich wie ein eingesperrtes Tier – das wird nie funktionieren!» Sie hielt kurz inne. «Darum habe ich entschieden: Truman wird von nun an hier leben.»

«Oh, Lillie Mae, Jenny wird das nicht zulassen. Ich glaube nicht, dass du auch nur ahnst, was das bei dem Jungen anrichten wird. Er wird durchdrehen.»

«Tja, ich habe schließlich nie ein Kind gewollt! Schau, was er aus meiner Figur gemacht hat. Ich bin erst sechsundzwanzig, aber schon derart ruiniert, dass ich mich Jahre älter fühle. Die Zeit vergeht wie im Flug und das Letzte, was ich brauche, ist, zu Hause zu hocken mit diesem altklugen kleinen –»

Sie blickte auf und sah Truman in der Tür zur Küche stehen. Er kämpfte mit den Tränen.

Seufzend verzog sie ihre rubinrot geschminkten Lippen zu einem gekünstelten Lächeln. «Truman. Du wirst hier glücklicher sein, Liebling. Vertrau mir. Ich mache mich einfach nicht gut als Mutter.»

Er wollte das nicht hören. Darum rannte er aus dem Haus, die Verandastufen hinunter und floh in die Arme seines Vaters.

«Hoppla, hoppla, kleines Kerlchen. Was ist denn los?» Arch spürte Trumans Tränen an seinem Hals. Als er aufblickte und sah, dass Lillie Mae an der Haustür stand, wurde er wütend. «Ist das dein Ernst? Konntest du nicht warten, bis ich da bin, bevor du es ihm gesagt hast?»

Sie zuckte mit den Achseln und zündete sich eine Zigarette an. «Er hat gelauscht. Was kann ich dafür?»

Arch trug Truman an die Seite des Hauses. «Hey, Kumpel, tut mir leid. Das hättest du nicht hören sollen.»

«Ich versteh das nicht», sagte Truman mit fest zugekniffenen Augen.

Arch seufzte. «Ich kann nur sagen, an jedem Horizont gibt es einen Silberstreifen, also … Ich werde dir jetzt deinen zeigen.»

Truman öffnete ein Auge. «Du gehst nicht fort? Du verlässt mich nicht?»

Arch verzog das Gesicht und kniete sich hin, damit Truman vor ihm stehen konnte. «Schau, mein Sohn. Ich weiß, wir haben gesagt, dass dies hier nur vorübergehend sein wird, wie ein Sommerurlaub. Aber die Wahrheit ist … deine Mutter und ich … wir erwarten beide unterschiedliche Dinge vom Leben …»

«Und was ist mit mir?», wimmerte Truman. «Mich wollt ihr nicht?»

Arch konnte ihm nicht in die Augen sehen. «Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, damit ich zurückkommen und dich holen kann. Allerdings brauche ich Zeit. Ich habe ein paar neue Ideen, von denen ich glaube, dass sie uns ein Vermögen einbringen werden, doch ich kann dich jetzt nicht mitnehmen.»

«Aber wir haben doch schon auf den Dampfschiffen zusammen gearbeitet …»

«Das war damals. Jetzt gehörst du in die Schule, wo du heranwachsen und klüger werden kannst als dein alter Herr. Ich weiß, du willst das nicht hören … aber ich hoffe, das hier hilft dir, damit du vorerst ein wenig glücklicher bist.»

Er drehte Truman um, sodass er einen ziemlich großen Gegenstand sah, der mit einer Plane abgedeckt war.

«Ich weiß ja, wie gebannt du Lindbergh und seinen Flug über den Atlantik verfolgt hast. Wenn du erwachsen bist, wartet die Welt bestimmt auf einen neuen Lucky Lindy und vielleicht wirst du sogar berühmt …»

Langsam zog Arch die Plane zurück und enthüllte ein hellgrünes, dreimotoriges Miniatur-Flugzeug mit einem roten Propeller, ein sogenanntes Ford Trimotor-Modell. Das einem überdimensionalen Dreirad mit Flügeln ähnelnde Gefährt war groß genug, sodass Truman darin Platz fand. Die Art und Weise, wie der Propeller in der Sonne strahlte, machte es zum Schönsten, was Truman je gesehen hatte.

«Ist es das aus dem Geschenkeladen?», fragte Truman.

Arch griff in seine Jackentasche und holte eine Fliegerkappe und Pilotenbrille hervor. «Klar, es ist genau das Modell, das du schon wolltest, als du noch ganz klein warst. Das ist von mir für dich. Darum wird dich jedes Kind in der Nachbarschaft beneiden. Und sobald ich meine Ziele erreicht und genug Geld habe, um wieder sesshaft zu werden, komme ich dich holen.»

«Versprochen?», fragte Truman.

«Natürlich, Kumpel.»

«Letztes Mal hast du mir einen Hund versprochen.»

Arch nickte. «Tja, das liegt an deiner Großcousine Jenny. ‹Keine Hunde in meinem Haus!›», machte er ihre Stimme nach. «Aber von ‹keine Flugzeuge› hat sie nichts gesagt. Also warum probierst du es nicht mal aus, bevor es ohne dich abhebt? Das ist das beste Flugzeug auf dem Markt!»

Er setzte Truman die Kappe und die Brille auf den Kopf. «Und du siehst auch um Längen besser aus als dieser Lindy!»

Truman kletterte in sein Flugzeug und drückte vorsichtig die Schalter im Cockpit. Alles sah aus, wie er es sich in einem richtigen Flugzeug vorstellte. Es fühlte sich gut an. Daraufhin zog er die Brille über die Augen, reckte er den Daumen hoch und gab seinem Vater das Zeichen für den Start.

«Aktivierung!», rief er.

Arch machte eine große Show daraus, den Propeller zu drehen, und Truman fuhr los. Er strampelte mit dem Flugzeug auf die Straße, als könnte es wirklich fliegen. Er stellte sich vor, genug Geschwindigkeit aufzunehmen, sodass die Räder tatsächlich vom Boden abhoben und er auf einmal in der Luft schwebte und hinaus in die ungestüme, blaue Ferne flog.

Da! Großcousin Bud auf seinem Baumwollfeld! Und da, die Hatter-Mühle mit Edison, der ins tiefe Wasser springt. Und da ist Billy Eugene, der feige Mistkerl.

Truman würde ihn und seine Kumpel im Sturzflug angreifen und vertreiben. In seiner Fantasie hatte er so viel Spaß, dass Truman nicht einmal bemerkte, wie Arch und Lillie Mae davonfuhren.

Tru & Nelle

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